Verwaltungsrecht

Keine Flüchtlingseigenschaft von Albaner

Aktenzeichen  M 11 S 15.30304

Datum:
18.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 36 Abs. 4
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Die Einreise auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hindert eine Anerkennung als Asylberechtigter. (redaktioneller Leitsatz)
Die Berufung auf die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse im Kosovo begründen kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antrag ist kosovarischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit.
Er stellte am 9. März 2015 in Deutschland einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) am 10. März 2015 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, er habe sich am 21. Januar 2015 auf den Wege gemacht und sei über den Landweg gereist. Er sei am 24. Januar 2015 in Deutschland angekommen. Seine Eltern seien 2011 bzw. 2012 verstorben. Er habe allein gelebt, habe sich aber oft bei seiner Familie mütterlicherseits, genauer gesagt bei seinen Onkeln mütterlicherseits aufgehalten. Das Haus seiner Familie, d. h. seiner Eltern dagegen sei einsam am Waldrand gelegen. Er habe dort nachts Angst, weil er an die Serben in der Zeit des Krieges habe denken müssen. Bei seinen Onkeln mütterlicherseits könne er nicht dauerhaft unterkommen. Auf die Frage, ob er sich eine eigene Existenz aufbauen könne, gab der Antragsteller an, er könne nicht allein in dem Haus am Waldrand leben. Er wisse aber auch nicht, wohin er sonst gehen solle. Sein Asylgrund sei, dass er nicht wisse, wo und wie er leben solle. Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die Anhörung (Bl. 24 – 26 der Bundesamtsakten) Bezug genommen.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 10. März 2015 die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung jeweils als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 und 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3), verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 4) und forderte den Antragsteller unter Androhung der Abschiebung nach Kosovo auf, Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen (Nr. 5). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Der Bescheid wurde mit Begleitschreiben vom 11. März 2015 an die … in der …-str. 60 übersandt mit der Bitte, den Bescheid auszuhändigen. Einen Zustellungsnachweis enthält die Bundesamtsakte nicht. Es wurde auch keiner nachgereicht.
Der Antragsteller erhob am 2. April 2015 zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts München Klage (M 11 K 15.30303). Gleichzeitig wurde beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Hinsichtlich der Klage- und Antragsfrist wurde vorsorglich die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags werde geltend gemacht, dass dem Antragsteller der Bescheid tatsächlich erst am Montag, 30. März 2015, in seiner neuer Unterkunft in der … ausgehändigt worden sei. In der Sache werde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen. Der Antragsteller habe im Kosovo keine näheren Verwandten mehr, die ihn unterstützen könnten. Allein auf sich gestellt habe er aufgrund der dortigen Situation keine Chance, seinen Lebensunterhalt bestreiten und sein Überleben sichern zu können.
Bei einer erneuten Vorsprache bei der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts München am 29. April 2015 übergab der Antragsteller Kopien von nicht ins Deutsche übersetzten Unterlagen aus dem Kosovo. Er gab gegenüber der Rechtsantragstelle an, er lege die in der Anlage beigefügten Kopien von Unterlagen aus dem Kosovo ergänzend und zur Bestätigung seines bisherigen Vortrags vor.
Die Antragsgegnerin legte die Akten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht. Die Ankündigung, den Zustellnachweis nach Eingang nachzureichen, wurde nicht erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem und im zugehörigen Klageverfahren sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Asylgesetz – AsylG). Insbesondere kommen das AsylG und das AufenthG in den durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I, S. 390), das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern sowie zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I, S. 394) und das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl I, S. 1939) geänderten Fassungen zur Anwendung. Zugrunde zu legen ist daher auch der Umstand, dass der Kosovo mittlerweile als sicherer Herkunftsstaat nach § 29a AsylG eingestuft ist, § 29a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage II zum AsylG, wobei dieser Umstand für den Ausgang des Rechtsstreits letztlich keine Rolle spielt, da auch nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Bescheidserlass keine Erfolgsaussichten bestanden hätten.
Der Antrag ist zwar zulässig (nachfolgend unter 1.), da ein Nachweis über die Zustellung des Bescheids nicht vorgelegt wurde. Er ist jedoch unbegründet (nachfolgend unter 2.).
1. Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i. V. m. § 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen ist zulässig, insbesondere ist die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG eingehalten. Zwar spricht der Zeitablauf eigentlich stark dafür, dass der Antrag wegen Versäumung der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG unzulässig sein müsste, wovon ausweislich des gestellten Wiedereinsetzungsantrags auch der Antragsteller selbst ausgeht. Die Zulässigkeits- bzw. Sachurteilsvoraussetzungen sind jedoch von Amts wegen zu prüfen, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Antragsteller selbst von einer Verfristung ausgeht, und aus dieser Prüfung folgt, dass von der Zulässigkeit des Antrags auszugehen ist. Denn über die Zustellung des Bescheids an den Antragsteller bzw. an die Aufnahmeeinrichtung, was wegen § 10 Abs. 2 und Abs. 4 AsylG ausreicht, ohne dass es darauf ankommt, ob der Antragsteller, wie vorgetragen, zwischenzeitlich umgezogen ist, wurde kein Nachweis vorgelegt. Weder in der Bundesamtsakte findet sich ein zurückgelaufenes Empfangsbekenntnis der Aufnahmeeinrichtung, noch wurde später ein Zustellnachweis vorgelegt. Daher ist zugunsten des Antragstellers davon auszugehen, dass er den Bescheid erst am 30. März 2015 erhalten hat. Unter Zugrundelegung dieses Zeitpunkts ist die Wochenfrist gewahrt.
Auf den gestellten Wiedereinsetzungsantrag kommt es daher nicht an.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B. v. 02.05.1984 – 2 BvR 1413/83 -, BVerfGE 67,43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel im Sinne von Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.05.1996 – 2 BvR 1516/93 -, BVerfGE 94, 166 ff.). Das ist nach ständiger Rechtsprechung dann nicht der Fall, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 05.02.1993 – 2 BvR 1294/92 -, InfAuslR 1993, 196).
An der Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Fall vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen bestehen keine derartigen ernstlichen Zweifel.
Ein Anspruch des Antragstellers auf Anerkennung als Asylberechtigter scheitert bereits daran, dass er nach eigenen Angaben auf dem Landweg in die Bundesrepublik eingereist ist. Nach Art. 16a Abs. 2 GG i. V. m. § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylG kann sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist, nicht auf das Asylgrundrecht berufen. Sichere Drittstaaten in diesem Sinne sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die in der Anlage I zu § 26a AsylG bezeichneten Staaten.
Außerdem ist ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde, bei dem Antragsteller nicht erkennbar. Der Antragsteller beruft sich ausschließlich darauf, dass er wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in den Kosovo zurückkehren könne; er macht nämlich geltend, dass er nicht wisse, wo und wie er leben solle und dass er keine Verwandten habe, die ihn unterstützen könnten. Dieser Umstand begründet unter keinem Gesichtspunkt eine Verfolgung im Sinne von Art. 16a GG oder § 3 AsylG.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Lauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen. Dabei kann offen bleiben, ob diese Unterlagen von vorneherein bereist deswegen unbeachtlich sind, weil der Antragsteller zu diesen Unterlagen keine Übersetzung vorgelegt hat und auch nicht vorgetragen hat, dass dies entgegen der Vorschrift des § 184 Satz 1 GVG – ausnahmsweise – auch nicht möglich ist (so VG Ansbach, B. v. 03.05.2000 – AN 10 S 00.31162 -, juris Rn. 20). Denn der Antragsteller hat selbst bei der Abgabe der Unterlagen angegeben, dass diese seinen bisherigen Vortrag ergänzen und bestätigen sollen. Es handelt es sich also nicht um neuen bzw. im Vergleich zum bisherigen anderen Vortrag. Da der Vortrag des Antragstellers aber, wie oben ausgeführt, keinerlei Asyl- bzw. Flüchtlingsrelevanz hat, kann sich dies demzufolge auch durch die Vorlage der nicht übersetzten Unterlagen nicht ändern, da die Unterlagen hierzu jedenfalls nicht geeignet sind.
Die geprüften Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft liegen auch im oben dargestellten Sinne offensichtlich nicht vor.
Das Bundesamt hat auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) verneint. Das Gericht nimmt insoweit auf die zutreffende Begründung im Bescheid des Bundesamtes Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Zutreffend verneint wurde auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch insoweit wird auf die Begründung im Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Vor diesem Hintergrund ist die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Nach alledem ist der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83 b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen