Aktenzeichen 9 ZB 19.31544
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz
1. Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn das Gericht einen Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert. Willkürlich ist ein Richterspruch dann, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht; demgegenüber mach eine fehlerhafte Rechtsanwendung allein eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich (vgl. VGH München BeckRS 2018, 8660). (Rn. 3) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Dass ein Beweisantrag nicht unbedingt gestellt ist, entbindet das Gericht lediglich von der verfahrensrechtlichen Pflicht des § 86 Abs. 2 VwGO, über ihn vorab durch Gerichtsbeschluss zu entscheiden, nicht aber von den sonst für die Behandlung von Beweisanträgen geltenden verfahrensrechtlichen Bindungen, wenn sie sich als erheblich erweisen (vgl. VGH München BeckRS 2019, 15952). (Rn. 3) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Nach der aktuellen Auskunftslage existiert in Sierra Leone kein ordnungsgemäßes Zivilregister, sodass es für nichtstaatliche Akteure nahezu unmöglich sein dürfte, eine bestimmte Person in einer Gro0stadt ausfindig zu machen. Demzufolge können Asylbewerber auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes i.S.v. § 3e AsylG verwiesen werden. (Rn. 4) (red. LS Clemens Kurzidem)
Verfahrensgang
RN 14 K 17.35705 2019-02-18 VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Kläger ist Staatsangehöriger Sierra Leones und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 18. Februar 2019 wies das Verwaltungsgericht seine Klage ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor.
Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10 m.w.N.). Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.4.2018 – 9 ZB 18.30178 – juris Rn. 4 m.w.N.). Das gilt auch für einen hilfsweise gestellten Beweisantrag. Dass ein Beweisantrag nicht unbedingt gestellt ist, entbindet das Gericht lediglich von der verfahrensrechtlichen Pflicht des § 86 Abs. 2 VwGO, über ihn vorab durch Gerichtsbeschluss zu entscheiden, nicht aber von den sonst für die Behandlung von Beweisanträgen geltenden verfahrensrechtlichen Bindungen, wenn sie sich als erheblich erweisen (vgl. BVerfG, B.v. 22.9.2009 a.a.O. Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, B.v. 16.7.2019 – 9 ZB 19.32441 – juris Rn. 4).
Es kann offen bleiben, ob es sich bei der „Anregung“ der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 15. Februar 2019 überhaupt um einen förmlichen Beweisantrag handelt (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.3019 – 9 ZB 19.30143 – juris Rn. 11). Das Verwaltungsgericht hat zu dem vom Kläger vorgelegten Zeitungsartikel ausgeführt, dass der Kläger jedenfalls auf internen Schutz nach § 3e AsylG zu verweisen sei, weil es in anderen Landesteilen als der Herkunftsregion des Klägers und jedenfalls auch in Großstädten Sierra Leones möglich sei, unbehelligt von nichtstaatlichen Verfolgern zu leben. Nach der aktuellen Auskunftslage existiere kein ordnungsgemäßes Zivilregister, so dass es für nichtstaatliche Akteure nahezu unmöglich sein dürfte, eine bestimmte Person in einer Großstadt ausfindig zu machen. Da der Bericht über zweieinhalb Jahre alt sei, sei nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Fall des Klägers (immer noch) landesweite Beachtung finde und die Poro-Society den Kläger nach Ablauf dieses Zeitraumes landesweit suche. Abgesehen davon, dass das Zulassungsvorbringen dem nicht entgegentritt, war das Beweisangebot für das Verwaltungsgericht somit nicht entscheidungserheblich; Beweisanträge sind jedoch nur zu berücksichtigen, soweit diese entscheidungserheblich sind (BVerfG, B.v. 1.8.2017 – 2 BvR 3068/14 – juris Rn. 68). Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts ergibt sich hieraus ebenfalls nicht (vgl. BVerwG, B.v. 21.4.2017 – 5 B 19.16 – juris Rn. 14).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).