Verwaltungsrecht

Keine Gruppenverfolgung koptischer Christen in Ägypten

Aktenzeichen  15 ZB 17.31023

Datum:
6.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133259
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1 Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbes. entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (BayVGH BeckRS 2017, 107822; BeckRS 2017, 126530). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Darlegung einer Gruppenverfolgung koptischer Christen in Ägypten setzt die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter voraus, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3 Gegenwärtig kann nicht davon ausgegangen werden, dass koptische Christen in Ägypten einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 17.30071 2017-06-28 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger (ägyptischer Staatsangehöriger und koptischer Christ) wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Dezember 2016, mit dem (u.a.) der Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag) als unzulässig abgelehnt sowie der Antrag auf Abänderung des früheren Bescheids vom 7. Februar 2014 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG abgelehnt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 22. Dezember 2016 verwiesen.
Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat mit Urteil vom 28. Juni 2017 die auf Aufhebung des genannten Bescheids und auf Verpflichtung der Beklagten gerichtete Klage, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG), hilfsweise, subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zuzuerkennen, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts „müssten koptische Christen überall und zu jeder Zeit mit Gewalttaten und Ermordung wegen ihres christlichen Bekenntnisses rechnen“. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten des Klägers vom 31. Juli 2017 und 16. August 2017 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.
1. Der in der Sache allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist vom Kläger nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
a) Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2017 – 15 ZB 17.30355 – juris Rn. 4; B.v. 14.9.2017 – 11 ZB 17.31124 – juris Rn. 2).
b) Das Verwaltungsgericht hat sich in seiner angefochtenen Entscheidung sehr ausführlich mit der Frage befasst, ob koptische Christen in Ägypten derzeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Es hat diese Frage jedoch verneint, weil nicht erkennbar sei, „dass Verfolgungshandlungen auf alle sich im Verfolgungsgebiet aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht“. Das Verwaltungsgericht hat bei seiner tatsächlichen und rechtlichen Würdigung die vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren genannten und auch sonst bekannt gewordenen Verfolgungshandlungen berücksichtigt.
c) Der Kläger tritt der Würdigung des Verwaltungsgerichts zwar unter Wiederholung und Ergänzung seines bisherigen Vorbringens mit der Benennung einzelner krimineller und terroristischer Taten in Bezug auf koptische Christen entgegen. Sein Vorbringen ist jedoch auch in der Gesamtschau nicht geeignet, die Frage einer Gruppenverfolgung koptischer Christen in Ägypten erneut als klärungsbedürftig anzusehen, weil für die Annahme einer Gruppenverfolgung die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich ist, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, das daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.9.2017 – 4 ZB 17.31091 – juris Rn. 13 m.w.N.). Gemessen daran kann gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass koptische Christen in Ägypten derzeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Denn Übergriffe auf koptische Christen sind – wie in der Vergangenheit bereits gerichtlich entschieden – auch derzeit noch nicht so zahlreich, dass für jeden Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft die begründete Furcht bestünde, in eigener Person Opfer von Übergriffen zu werden (aktuell z.B. VG Düsseldorf, U.v. 3.7.2017 – 12 K 463/16.A – juris Rn. 21 ff. m.w.N.; VG Augsburg, U.v. 15.2.2017 – Au 6 K 17.30079 – juris Rn. 22 ff.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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