Aktenzeichen 3 ZB 15.2429
GG Art. 3
BayBesG Art. 61 Abs. 4 S. 1
BayEUG Art. 30 S. 2, S. 3
BayBG Art. 87
Leitsatz
Ein Schulskikurs ist eine sonstige Schulveranstaltung (Art. 30 S. 4 BayEUG) und kein Unterricht. Da Mehrarbeit im Schuldienst nur gleistet wird, wenn mehr als die vorgeschriebenen Pflichtstunden unterrichtet wird (Art. 61 Abs. 4 S. 1 BayBesG), kann keine Mehrarbeitsvergütung für den Skikurs gewährt werden. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
5 K 15.1339 2015-09-22 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 22. September 2015 wird der Streitwert für das Ausgangsverfahren und für das Antragsverfahren auf jeweils 798,79 Euro festgesetzt.
Gründe
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Juni 2014 und des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2015 zu verpflichten, für die während der Schulskikurse vom 19. März bis zum 23. März 2012 in Aschau und vom 11. März bis 15. März 2013 in St. Jakob am Pillersee geleistete Mehrarbeit zu vergüten, zu Recht abgewiesen.
1.1 Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Teilnahme einer beamteten Lehrkraft im Schuldienst an einer mehrtägigen Klassenfahrt bereits begrifflich keine Mehrarbeit darstellt, sondern zum normalen Arbeitsumfang eines Lehrers gehört (BVerwG, U.v. 23.9.2004 – BVerwG 2 C 61.03 – juris Rn. 16), einen mehrarbeitsvergütungsfähigen Unterricht verneint. Es ist dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (U.v. 5.11.2013 – 5 LB 64/13 – juris) gefolgt, das die vorzitierte höchstrichterliche Rechtsprechung auch auf den Fall der Teilnahme einer teilzeitbeschäftigten Lehrkraft an der sog. Kompaktphase eines Sportkurses Ski und Snowboard alpin übertragen hat. Weder die im gesamten Skilager an sich, noch die auf der Skipiste oder mit Theorie verbrachte Zeit stelle sich – so das Verwaltungsgericht – als Unterricht dar.
1.1.1 Die Klägerin rügt, die vom Verwaltungsgericht in den Blick genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2004 könne nicht mehr als maßgebend für die Betrachtung von mehrarbeitsvergütungsfähigem Unterricht herangezogen werden, da die Arbeitsverdichtung seit dem Jahr 2004 durch die Einführung des G 8 sowie die fortschreitende Verrechtlichung der dienstlichen Tätigkeiten und dem erhöhten Dokumentations- und Verwaltungsaufwand deutlich zugenommen habe.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils kann die Klägerin damit nicht darlegen. Es ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die allgemeine Arbeitszeitregelung für Beamte auch für Lehrer gilt. Dem Umstand, dass die Arbeitszeit der Lehrer nur zu einem Teil, nämlich hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden, exakt messbar ist, wird durch die in die allgemeine Arbeitszeitregelung eingebettete jeweilige Pflichtstundenregelung Rechnung getragen (vgl. BVerwG, B.v. 10.4.1990 – 2 B 43/90 – juris; U.v. 23.9.2004 – 2 C 61/03 – juris Rn. 12).
Die Klägerin hat nur behauptet, nicht aber unter Anführung plausibler, nachvollziehbarer Argumente aufgezeigt, dass mit der für sie geltenden Pflichtstundenregelung [vgl. Bekanntmachung über die Unterrichtspflichtzeit der Lehrer an Gymnasien vom 26.7.1974 (KMBl S. 1260), zuletzt geändert durch KMBek vom 17.2.2012 (KWMBl S. 129) ] die regelmäßige Arbeitszeit überschritten würde. Nicht dargelegt worden ist auch, warum das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2004 durch die Einführung des G 8 obsolet geworden sein sollte, denn auch bei der behaupteten „Arbeitsverdichtung“ bliebe es bei der grundsätzlichen Differenzierung zwischen regelmäßiger wöchentlicher Unterrichtsverpflichtung und der übrigen Dienstverpflichtung, die in der erforderlichen Unterrichtsvor- und -nachbereitung, in Korrekturen, Elternbesprechungen, Konferenzen und dergleichen besteht und nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt ist. Die Antragsbegründung, die letztlich die Höhe der Pflichtstundenzahl moniert, genügt nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.
1.1.2 Die Klägerin verweist, wie bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, auf § 3 Abs. 1 Satz 1 der Dienstordnung für Lehrkräfte an staatlichen Schulen in Bayern (LDO), wonach die Lehrkraft bei ihrem Unterricht an die geltenden Lehrpläne und Stundentafeln gebunden ist. Sie zitiert den Lehrplan für das achtjährige Gymnasium, der für die 6. Jahrgangsstufe bezüglich des sportlichen Handlungsfelds „Wintersport“ unter Ziff. S. 6.2.7 folgendes vorsieht:
„Die Wintersportarten Eislaufen, Rodeln, Skilanglaufen, Skifahren und Snowboardfahren werden aus organisatorischen Gründen meist in Schulskikursen oder Projekten (Bildung von Stundenblöcken, Wintersporttag) unterrichtet“.
Sie führt aus, der Lehrplan stufe den Schulskikurs als regulären und damit mehrarbeitsvergütungsfähigen Sportunterricht ein. Der Schulskikurs unterscheide sich deutlich von anderen Schülerfahrten, da er vornehmlich dem Zweck diene, vom Lehrplan vorgegebene Unterrichtsinhalte zu vermitteln. Eine Unterrichtserteilung sei im Rahmen von Schülerfahrten nicht in der Form vorgesehen wie sie im Rahmen eines Schulskikurses durch den Lehrplan vorgegeben sei und auch tatsächlich erfolge. Der Unterricht in einem Wintersportgerät in Theorie und Praxis stehe hier maßgebend und ausschließlich im Vordergrund.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich auch hieraus nicht.
Mehrarbeit im Schuldienst wird nur geleistet, wenn mehr als die vorgeschriebenen Pflichtstunden Unterricht gegeben werden (Art. 61 Abs. 4 Satz 1 BayBesG). Art. 30 Satz 1 des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen – BayEUG – in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. August 2010 differenziert zwischen Unterricht und sonstigen Schulveranstaltungen. Nach Satz 2 ist eine sonstige Schulveranstaltung eine Veranstaltung einer Schule, die einen unmittelbaren Bezug zu den Aufgaben der Schule, nämlich Erziehung und Unterricht, aufweist. Sie kann (Satz 3) den Unterricht sachlich ergänzen, erweitern, unterstützen oder verdeutlichen; sie kann aber auch vorwiegend der Erziehung oder der Bereicherung des Schullebens dienen. Art. 30 Satz 4 BayEUG nennt als sonstige Schulveranstaltungen u.a. ausdrücklich Schülerfahrten.
Davon ausgehend ist der Schulskikurs als sonstige Schulveranstaltung zu qualifizieren. Der Umstand, dass der Lehrplan das Handlungsfeld „Wintersport“ behandelt, führt nicht dazu, dass es sich um (mehrarbeitsvergütungsfähigen) Unterricht handelt. Vielmehr ist der Lehrplan auch für sonstige Schulveranstaltungen maßgeblich, da ein unmittelbarer Bezug zu Erziehung und Unterricht besteht und letzterer dort sachlich ergänzt, erweitert, unterstützt und verdeutlich wird (Art. 30 Satz 2 und 3 BayEUG). Die Erwähnung des Wortes „Unterricht“ in Ziff. 6.2.7 des aktuellen Fachlehrplans Sport für die 6. Klassen ist nicht im engen Sinn von Art. 30 Satz 1 BayEUG gemeint. Dies wird auch daran deutlich, dass der Fachlehrplan für die 8. Klasse in Ziff. 8.2.8 folgende Formulierung vorsieht:
„Je nach den örtlichen Gegebenheiten erweitern und vertiefen die Schüler ihre Bewegungserfahrungen bei sportlichen Aktivitäten und Spielen auf Eis und Schnee. In Abhängigkeit von ihren Vorkenntnissen aus den Jahrgangsstufen 5 mit 7 verbessern sie ihre Fertigkeiten mit mindestens einem Wintersportgerät (z.B. Schulskikurs).“
Entsprechende Formulierungen finden sich für die 9. Klasse und die 10. Klasse in den Ziff. 9.2.8 bzw. 10.2.8 des jeweiligen Fachlehrplans Sport. Somit weist die Formulierung „erweitern und vertiefen“ jedenfalls für die Jahrgangsstufen der Mittelstufe auf eine sonstige Schulveranstaltung im Sinne von Art. 30 Satz 2 BayEUG hin. Der Senat geht angesichts der gesetzgeberischen Wertung in Art. 30 Satz 4 BayEUG davon aus, dass Schulskikurse in allen Jahrgangsstufen als sonstige Schulveranstaltung zu qualifizieren sind und die Formulierung im Fachlehrplan Sport der 6. Jahrgangsstufe ein Redaktionsversehen ist. Dafür spricht auch, dass sich der Schulskikurs dadurch auszeichnet, dass die Unterweisung im Skifahren in einen gemeinsamen Tagesablauf von Schülerinnen, Schülern und begleitenden Lehrkräften eingebettet ist und somit ein Gemeinschaftserlebnis in einer im Vergleich zum Schulsportunterricht außergewöhnlichen Umgebung stattfindet. Insofern ist eine Vergleichbarkeit mit stundenplanmäßigem Unterricht nicht gegeben. Im Schulskikurs werden zwar, wie auch bei sonstigen Schülerfahrten, lehrplanrelevante Inhalte vermittelt, die einzelnen Tagesabschnitte sind aber aufgrund ihrer Verquickung mit dem Gemeinschaftserlebnis nicht als zeitlich zu isolierender Unterricht zu qualifizieren (vgl. NdsOVG, U.v. 5.11.2013 – 5 LB 64/13 – juris Rn. 50). Davon ist bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.
Da somit nicht von einem mehrarbeitsvergütungsfähigen Unterricht auszugehen ist, kommt es auf die von der Klägerin weiter aufgeworfenen Fragen der dienstlichen Anordnung oder Genehmigung der Mehrarbeit bzw. der „Messbarkeit“ der behaupteten Unterrichtsleistung nicht mehr entscheidend an.
1.2 Schließlich kann die Klägerin auch aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidungen darlegen. Weder der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch die Entgeltgleichheit für Frauen und Männer nach Art. 141 EG (bzw. das darin enthaltene Verbot mittelbarer Diskriminierung) führen dazu, dass Mehrarbeit zu vergüten ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2004 – 2 C 61/03 – juris Rn. 20 ff.).
Die Klägerin ist als teilzeitbeschäftigte Lehrerin durch die Schulskikurse gegenüber vollzeitbeschäftigten Lehrern nicht gleichheitswidrig benachteiligt. Eine Mehrbelastung der Klägerin durch die Teilnahme an einer Klassenfahrt kann durch Entlastungsmaßnahmen des Dienstherrn ausgeglichen werden, beispielsweise durch einen alternierenden Einsatz teilzeitbeschäftigter Lehrer bei Klassenfahrten (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2004 – 2 C 61/03 – juris Rn. 29/33). Mit ihrem Einwand, ein alternierender Einsatz sei bisher nicht möglich gewesen, weil es zum einen zu wenig Vollzeitlehrkräfte mit der Facultas Sport gebe und zum anderen zu viele Schulskikurse stattfänden, kann die Klägerin nicht gehört werden. Zum einen erschöpft sich der Vortrag in einer Behauptung, zum anderen ist nicht dargelegt, dass sich die Klägerin um Entlastung bemüht hätte (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2004 a.a.O. Rn. 34). Nach § 9a Satz 1 LDO hat die Lehrkraft außerunterrichtliche Aufgaben nur „in angemessenem Umfang“ wahrzunehmen. Nach Satz 3 der Bestimmung hat der Schulleiter darauf zu achten, dass die außerunterrichtlichen Aufgaben unter Berücksichtigung der individuellen Belastung möglichst gleichmäßig auf alle Lehrkräfte verteilt werden. Es obliegt der Klägerin sich mit dem Schulleiter über einen Interessenausgleich zu verständigen, der ihren eigenen Wünschen ebenso wie den schulischen Belangen Rechnung trägt.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass mit Art. 87 BayBG einfachrechtlich ein Vorrang des Freizeitausgleichs vorgesehen ist, sodass gegen einen Mehrarbeitsvergütungsanspruch auch spricht, dass die Ungleichbehandlung nicht zwingend in Geld zu beseitigen ist. Die Zulassungsbegründung verhält sich zur Frage des Freizeitausgleichs im Übrigen widersprüchlich. Während auf Seite 6 ausgeführt wird, zum Teil sei Freizeitausgleich für die während des Schulskikurses erteilten Unterrichtsstunden gewährt worden, wird auf Seite 7 ausgeführt wird, es sei kein Freizeitausgleich gewährt worden.
2. Der Rechtsstreit weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderten. Die von Klägerseite aufgeworfenen Fragen können – wie die Ausführungen unter Ziff. 1 deutlich machen – vielmehr ohne nennenswerten Aufwand im Zulassungsverfahren geklärt werden.
3. Ebenso wenig hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Weder gibt die Klägerin – was erforderlich wäre – hierfür eine Begründung, noch ist eine grundsätzliche Bedeutung der Sache anderweitig ersichtlich.
4. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Art. 61 Abs. 5 Satz 4 BayBesG. Hinsichtlich der Höhe der begehrten Mehrarbeitsvergütung hat sich der Senat an der Antragstellung im Verwaltungsverfahren orientiert. Die Klägerin hatte unter dem 20. Dezember 2012 und 18. Dezember 2013 jeweils für 13 Unterrichtsstunden eine Vergütung von Mehrarbeit für die Schulskikurse beantragt. Dementsprechend war die Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 GKG auch für die Vorinstanz zu ändern.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).