Aktenzeichen 9 ZB 12.1533
Leitsatz
1 Eine 20 m von der Außenwand eines Hauses errichtete Pergola stellt keine bebauungsakzessorische Nutzung dar. (redaktioneller Leitsatz)
2 Aussagekräftiges Kartenmaterial, Fotos, Luftbilder oder Schilderungen ortskundiger Verfahrensbeteiligter bilden eine hinreichend sichere Beurteilungsgrundlage, die einen Ortstermin verzichtbar macht. In solchen Fällen liegt kein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz vor. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
4 K 12.30 2012-05-14 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich nur noch gegen die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts A. vom 12. Dezember 2011, in der ihm unter Androhung eines Zwangsgelds (Nr. 4 des Bescheids) aufgegeben wurde, den auf den Grundstücken FlNr. … und … Gemarkung G. errichteten Freisitz mit Pergola zu beseitigen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Mai 2012 abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist hat darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass sich die auf den o.g. Grundstücken errichtete Pergola im Außenbereich befindet. Dies unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln.
a) Die Darlegungen des Klägers im Zulassungsvorbringen zum Tatbestandsmerkmal des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, das das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen habe, gehen an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts vorbei. Das Verwaltungsgericht hat sich zum „Einfügen“ nicht geäußert und hierzu bestand auch keine Veranlassung, weil die Pergola nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Außenbereich errichtet wurde.
b) Der Vortrag, der Bebauungszusammenhang könne bei einem Wohnhaus auch einen angemessenen Hausgarten oder einen Bereich der für Erholungszwecke genutzt wird, einschließen, führt nicht zur Zulassung der Berufung.
Die in einer Entfernung von ca. 20 m südlich der Außenwand der Doppelhaushälfte errichtete Pergola des Klägers liegt nicht innerhalb eines „angemessenen Hausgartens“, der eine bebauungsakzessorische Nutzung hier rechtfertigen könnte. Denn diese sog. bebauungsakzessorische Nutzung soll es dem Bauherrn lediglich ermöglichen‚ unmittelbar angrenzend an das Hauptgebäude in angemessenem Umfang untergeordnete Nebenanlagen im Sinn von § 14 Abs. 1 BauNVO, wie z. B. Terrassen, unterzubringen (BayVGH, U.v. 13.4.2015 – 1 B 14.2319 – juris Rn. 20 m. w. N., nachfolgend BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28/15 – ZfBR 2016, 67). Der Standort der Pergola an der gemeinsamen Grenze der südlich des Baugrundstücks gelegenen Grundstücke FlNr. … und …, der von den maßstabsbildenden Gebäuden der konkreten Ortsrandlage insgesamt deutlich abgesetzt ist, liegt danach nicht in einem Bereich, der zulässigerweise noch im Anschluss an das klägerische Wohnhaus bebauungsakzessorisch genutzt werden könnte und somit außerhalb des Bebauungszusammenhangs. Davon abgesehen besteht auch keine entsprechende Bebauung durch Pergolen oder sonstige Nebenanlagen, die den Vorhabenstandort als eine sich zur Bebauung anbietende Lücke erscheinen lassen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 15/84 – BVerwGE 75, 34 = juris Rn. 15). Damit stellt sich die Frage, ob die Pergola eine typische Garteneinrichtung ist, die sich in die Eigenart der Umgebung „Gartenumfeld“ einfügte, nicht.
c) Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, „es liegen auch keine topografischen Besonderheiten vor, die die streitgegenständliche bauliche Anlage noch in den Bebauungszusammenhang einbeziehen würden“, ist auf Grundlage der vorliegenden Luftbilder, Lagepläne und Fotografien ohne weiteres nachvollziehbar und auch in der Sache nicht zu beanstanden. Insbesondere ergibt sich aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht, dass die Geländeverhältnisse (die im Übrigen vom Kläger massiv verändert wurden, wie die vom Landratsamt gefertigten Fotografien anschaulich belegen) nicht wahrgenommen worden wären, sondern dass sie für die Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich im konkreten Fall unbeachtlich sind. Auch hiergegen ist nichts zu erinnern. Nicht jedweder Geländeunterschied etwa bei einem hängigen Gelände – wie hier – ist zugleich eine trennende Geländezäsur, die den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer unbebauten Fläche zum Bebauungszusammenhang vermittelt. Die Fotografien lassen erkennen, dass der Geländeunterschied, den der Kläger für sein Vorhaben in Anspruch nimmt, so groß nicht ist. Von Süden gesehen ragt die Pergola – anders als der Kläger einwendet – deutlich über das Niveau des höheren Geländes hinaus (vgl. Fotos in der Behördenakte, Bl. 10, 14, 50 und 55; vgl. auch Fotos – wohl des Klägers – in der Akte des Verwaltungsgerichts mit Heckenpflanzung im Hintergrund sowie Fotos vom 24.4.2012; nicht paginiert).
d) Ob die Pergola vollständig von „Wiesenflächen“ umgeben ist, oder „von den Gärten der Nachbarn“, ist, soweit darin überhaupt ein Widerspruch gesehen werden kann, nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht beschreibt seinen aus Luftbildern und Plänen gewonnenen Eindruck der Zugehörigkeit des Standorts der Pergola als Bestandteil der natürlichen Landschaft. Entscheidend und zutreffend stellt das Verwaltungsgericht aber darauf ab, dass der dem Innenbereich zuzuordnende Ortsteil an den vorhandenen Wohngebäuden endet. Davon abgesehen begründet eine sukzessive in den Außenbereich vordringende gärtnerische Nutzung von Flächen noch keinen bebauungsakzessorischen Bereich.
e) Weshalb der Eindruck, den das Verwaltungsgericht aus „veralteten, nämlich in 2009 gefertigten Satellitenbildern“ gewonnen haben soll, unrichtig sein soll, ist nicht nachvollziehbar. In der Behördenakte (Bl. 43 bis 45) findet sich zunächst eine Abfolge von Luftbildern aus den Jahren 2002, 2005 und 2009, die die Entwicklung des klägerischen „Hausgartens“ in den Außenbereich hinein verdeutlichen. Das weitere Luftbild (Bl. 95 der Behördenakte) zeigt aber bereits den Zustand nach Errichtung der Pergola und Durchführung der umfangreichen Rodungsmaßnahmen. Davon abgesehen sind auch die Fotografien neueren Datums.
f) Ob die Pergola, wenn sie mit Pflanzen berankt ist, nicht mehr zu sehen sein wird, kann dahinstehen, weil eine stets mögliche Eingrünung von baulichen Anlagen kein Kriterium zur Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich ist.
g) Ungeachtet ihres Eingangs nach Ablauf der Darlegungsfrist (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) lassen die Darlegungen in den Schriftsätzen vom 24. August und vom 6. September 2012 auch in der Sache keine dem Kläger günstigere Bewertung zu.
aa) Wie sich der jetzige Gesamteindruck der Örtlichkeit infolge der vom Kläger durchgeführten Bepflanzungen mit Sträuchern und Bäumen darstellt, ist ohne Belang, weil bloße Baumreihen oder Hecken, selbst wenn sie optisch markant in Erscheinung treten und/oder ihr Bestand dauerhaft gesichert sein sollte, nicht geeignet sind, den Eindruck der Geschlossenheit und Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang zu erzeugen (vgl. BVerwG. B.v. 8.10.2015 – 4 B 28/15 – ZfBR 2016, 67 = juris Rn. 7). Dahinstehen kann weiter, inwieweit die südlich der Pergola aufgestellten monumentalen Steinskulpturen den Charakter der Örtlichkeit prägen sollen. Sie sind jedenfalls keine Bebauung im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB und können deshalb auch keinen Bebauungszusammenhang zu den nördlich gelegenen Wohngebäuden herstellen.
bb) Die in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 1993 (Az. 4 C 17/91 – NVwZ 1994, 294), wonach „der hier gegenwärtig vorhandene befestigte Parkplatz offenbar ein typischer Bestandteil der Anlage eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes ist, zu dessen Erscheinungsbild regelmäßig größere Stellplatzflächen gehören“ (vgl. juris Rn. 12), ist auf Reihenhäuser am Ortsrand nicht übertragbar, weil die nach Ansicht des Klägers typischerweise zugehörigen Gärten, anders als Stellplatzflächen großflächiger Einzelhandelsbetriebe, schon keine befestigten baulichen Anlagen sind. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass selbst „befestigten Stellplätzen“ das Gewicht fehlt, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen, weil hierzu grundsätzlich nur Bauwerke zählen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (ebd. juris Rn. 11; ebs. BVerwG, B.v. 8.11.1999 – 4 B 85/99 – BauR 2000, 1171 = juris Rn. 7 m. w. N. zu Reitplätzen und Tennisplätzen; B.v. 2.8.2001 – 4 B 26/01 – BauR 2002, 277 = juris Rn. 5 zu Scheunen, Ställen, Wochenendhäusern, Gartenhäusern; U.v. 30.6.2015 – 4 C 5/14 – NVwZ 2015, 1767 zu massiven Gewächshäusern).
cc) Das Verwaltungsgericht hat – wie bereits ausgeführt wurde – die Erwägung, ob eine Pergola eine ganz typische Garteneinrichtung ist, aus gutem Grund nicht angestellt, weil das gegenständliche Vorhaben im Außenbereich ausgeführt wurde und es deshalb ohne Belang ist, ob sich eine Pergola im Innenbereich in die nähere Umgebung einfügen kann.
dd) Der Vortrag des Klägers, das Ausgangsgericht habe als maßgebliche Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich den Bebauungsplan angesehen, trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat lediglich ausgeführt, dass die Pergola nicht im Geltungsbereich dieses Bebauungsplans liegt; eine Feststellung, die zweifelsohne zutrifft und die auch der Kläger in seiner Zulassungsbegründung vom 31. Juli 2012 als richtig angesehen hat.
Davon abgesehen kann dieser Bebauungsplan nicht unter Verletzung von Art. 26 Abs. 1 Satz 2 GO bekannt gemacht worden sein, weil diese Bestimmung auf Bebauungspläne keine Anwendung findet (§ 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB bzw. hier: § 12 Satz 3 BBauG 1976).
2. Die geltend gemachte Divergenz liegt nicht vor (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 VwGO).
Der Kläger wendet ein, das angefochtene Urteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 1993 (Az. 4 C 17/91 – NVwZ 1994, 294) ab.
a) Dieser Vortrag genügt schon nicht den an eine Divergenzrüge zu stellenden Darlegungsanforderungen, weil keine divergierenden Rechts- oder Tatsachensätze gegenüberstellt werden (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124 a Rn. 73 m. w. N.).
b) Davon abgesehen befasst sich das Verwaltungsgericht nicht mit der Frage, ob sich die Pergola in ihre nähere Umgebung einfügt, weil es – zutreffend – von der Außenbereichslage des Pergolastandorts ausgeht. Deshalb kann es auch nicht von dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein, dass sich auch Vorhaben, die den durch ihre Umgebung gesetzten Rahmen überschreiten, in ihre Umgebung einfügen können.
c) Dass der „Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit“ ein maßgebliches Merkmal für die Annahme eines Bebauungszusammenhangs ist, stellt das Verwaltungsgericht nicht in Abrede, sondern macht dies ausdrücklich zur Grundlage seiner Entscheidung (vgl. UA S. 7). Der klägerische Vortrag, das alles sei hier wie im Übrigen Gebiet der Gemeinde der Fall, lässt weder eine Divergenz noch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung erkennen.
3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Der Kläger rügt eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht davon abgesehen, einen Ortstermin durchzuführen und sich stattdessen anhand objektiv untauglicher Beweismittel ein unzutreffendes Bild der örtlichen, insbesondere topografischen Gegebenheiten gemacht. Das trifft nicht zu.
Das Verwaltungsgericht hat die ihm von § 86 Abs. 1 VwGO zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts auferlegten Pflichten erfüllt (zu deren Umfang im Allgemeinen: BVerwG, U.v. 16.5.2012 – 5 C 2/11 BVerwGE 143, 119 = juris Rn. 22 m.w.N). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das Gericht Umfang und Art der Tatsachenermittlung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Die Durchführung einer Ortsbesichtigung ist daher dann nicht notwendig, wenn für das Gericht aufgrund von Kartenmaterial, Fotos, Luftbildern oder auch von Schilderungen ortskundiger Verfahrensbeteiligter eine hinreichend sichere Beurteilungsgrundlage existiert (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2015 – 9 B 34/15 – juris Rn. 4 m. w. N.). Das gilt nur dann nicht, wenn ein Beteiligter geltend macht, dass die Karten oder Lichtbilder in Bezug auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen und dies zutreffen kann (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.2008 – 4 BN 26/08 – BauR 2009, 617). Insoweit ergibt sich aus der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung schon nicht, dass der Kläger geltend gemacht hätte, die vorliegenden Karten und Luftbilder oder das umfangreiche Bildmaterial (u. a. die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung übergebenen Lichtbilder) würden keine Aussagekraft besitzen.
Der pauschale Einwand im Zulassungsverfahren, das Verwaltungsgericht habe die Dreidimensionalität aus den in Augenschein genommenen Bildern nicht entnehmen können; auch habe dem Gericht keine Fotodokumentation aus verschiedenen Blickwinkeln vorgelegen, die die topografischen und sonstigen Gegebenheiten vor Ort erkennbar machten, trifft nicht zu. Dem Verwaltungsgericht lagen nicht nur Luftbilder und Pläne, sondern auch eine Vielzahl von Fotografien vor, auf denen die gegenständliche Pergola, ihre Umgebung und der Geländeverlauf gut zu sehen sind. Damit erschließt sich nicht, weshalb es sich dem Verwaltungsgericht, obwohl keine förmlichen Beweisanträge gestellt wurden, nach den Umständen des Falles und von seinem Rechtsstandpunkt aus hätte aufdrängen müssen, die Geländeverhältnisse in Augenschein zu nehmen. Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, vor allem das Unterlassen von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2012 – 5 C 2/11 – BVerwGE 143, 119 = juris Rn. 22).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).