Aktenzeichen M 18 S 17.31557
Leitsatz
Eine ordnungsgemäße Belehrung über die nach § 33 Abs. 1 AsylG eintretenden Rechtsfolgen liegt nicht vor, wenn die Ladung zur Anhörung ausschließlich in deutscher Sprache gehalten ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Ausländer der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren M 18 K 17.31556 gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Januar 2017 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist nach seinen eigenen Angaben am 6. Januar 1998 geboren und afghanischer Staatsangehöriger. Am 23. Juni 2016 stellte er im Bundesgebiet einen Asylantrag.
Noch am gleichen Tag wurde beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit dem Antragsteller ein persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens geführt; dieses Gespräch wurde unter Einschaltung eines Dolmetschers in der Sprache Dari geführt. Der Antragsteller gab darin u.a. an, er habe in Frankreich internationalen Schutz zuerkannt bekommen.
Ebenfalls noch am 23. Juni 2016 erhielt der Antragsteller eine mehrseitige schriftliche allgemeine Belehrung, auch eine Übersetzung in die Sprache Dari. In diesem Schreiben wurde der Antragsteller u.a. darauf hingewiesen, dass er einen Termin zur Anhörung vor dem Bundesamt erhalten werde. Er wurde weiter darauf hingewiesen, dass ein Nichterscheinen zu diesem Termin nachteilige Folgen für das Asylverfahren (Einstellung des Verfahrens bzw. Entscheidung ohne persönliche Anhörung) haben könne.
Mit Bescheid der Regierung von … wurde dem Antragsteller der Wohnsitz … … …, … … … … zugewiesen.
Mit Schreiben des Bundesamtes vom 30. August 2016, an den Antragsteller unter der vorgenannten Anschrift adressiert, wurde der Antragsteller zur persönlichen Anhörung am 13. September 2016 um 8.00 Uhr geladen. Dieses Schreiben enthält eine Belehrung dahingehend, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, wenn der Antragsteller zum Termin nicht erscheint. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass in diesem Fall auch nach Aktenlage entschieden wird, ob Abschiebungsverbote vorliegen. Eine Übersetzung dieses Schreibens in die Sprache Dari erfolgte nach Aktenlage nicht. Gemäß Postzustellungsurkunde wurde dieses Schreiben am 1. September 2016 durch Niederlegung zugestellt; die schriftliche Mitteilung über die Niederlegung wurde danach bei der Pforte abgegeben.
Nach einem Vermerk des Bundesamtes vom 25. Oktober 2016 ist der Antragsteller zum Anhörungstermin unentschuldigt nicht erschienen.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2017 stellt das Bundesamt fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist. Weiter wurde ausgesprochen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche zu verlassen; für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise wurde die Abschiebung angedroht. Auf die Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.
Am 30. Januar 2017 erhob der Antragsteller zur Niederschrift bei Gericht Klage gegen den Bescheid vom 24. Januar 2017 (M 18 K 17.31556). Weiter beantragte er, hinsichtlich der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
Zur Begründung brachte der Antragsteller vor, die Mitteilung zum Anhörungstermin am 13. September 2016 habe er aus ihm unbekannten Gründen nicht erhalten. Da ihm also der Anhörungstermin nicht bekannt gewesen sei, habe er ihn auch nicht wahrnehmen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig.
Soweit das erkennende Gericht in früheren Entscheidungen ein Rechtschutzbedürfnis wegen der Möglichkeit des Wiederaufnahmeverfahrens nach § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG verneint hat, kann dem nicht mehr gefolgt werden (vgl. BVerfG v. 20.7.2016 – 2 BvR 1385/16 – juris, Rn. 8).
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Nach § 33 Abs. 1 AsylG gilt ein Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG wird vermutet, dass der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung u.a. zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachkommen ist. Nach § 33 Abs. 4 AsylG ist der Ausländer auf die u.a. nach § 33 Abs. 1 AsylG eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen. Nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG stellt das Bundesamt in den Fällen u.a. des § 33 Abs. 1 AsylG das Verfahren ein.
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen in zweierlei Hinsicht gewichtige Gründe dafür, dass die Belehrung in dem Ladungsschreiben vom 30. August 2016 nicht den Anforderungen des § 33 Abs. 4 AsylG entspricht.
Eine ordnungsgemäße Belehrung in diesem Sinn scheitert zunächst daran, dass nach Aktenlage das Ladungsschreiben vom 30. August 2016 ausschließlich in deutscher Sprache verfasst war. Anders als bei dem allgemeinen Belehrungsschreiben, das dem Antragsteller am 23. Juni 2016 übergeben wurde, fehlt es an einem Anhaltspunkt dafür, dass eine Übersetzung des Ladungsschreibens in die Sprache Dari erfolgte. In anwaltlich nicht vertretenen Fällen hat aber das Bundesamt in einer dem Antragsteller verständlichen Sprache über den Inhalt der Vermutungstatbestände des § 33 Abs. 2 AsylG zu belehren (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 33, Rn. 23). Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist, da das persönliche Gespräch am 23. Juni 2016 unter Einschaltung eines Dolmetschers in der Sprache Dari durchgeführt wurde.
Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel, ob die Belehrung dem Antragsteller wirksam bekannt gegeben wurde. Zwar muss der Antragsteller nach § 10 Abs. 2 AsylG grundsätzlich die Zustellung des Ladungsschreibens an seine letzte beim Bundesamt aktenkundige Anschrift gegen sich gelten lassen. Das Ladungsschreiben mit der darin enthaltenen Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG wurde dem Antragsteller gegen Postzustellungsurkunde zugestellt. § 33 Abs. 4 AsylG statuiert aber eine schriftliche Belehrung gegen Empfangsbestätigung; dies wird regelmäßig eine Aushändigung an den Betroffenen persönlichen erfordern. Letzteres ist bei einer Zustellung gegen Postzustellungsurkunde indes nicht gewährleistet. Die erforderliche Belehrung wurde dem Antragsteller damit nicht wirksam erteilt.
Es sprechen damit überwiegende Gründe dafür, dass die Einstellung des Asylverfahrens durch das Bundesamt nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG rechtswidrig ist. Die zu treffende Interessenabwägung ergibt daher ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers. Die stattgebende Eilentscheidungen einschränkende Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG findet vorliegend keine Anwendung, da weder ein unzulässiger Antrag im Sinn von § 29 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 AsylG noch ein offensichtlicher unbegründeter Antrag vorliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.