Aktenzeichen AN 14 K 15.50111
Leitsatz
Die Abschiebungsandrohung stellt gegenüber der Abschiebungsanordnung kein im Rahmen von § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG zulässiges milderes Mittel dar (wie BVerwG BeckRS 2015, 54736). (red. LS Clemens Kurzidem)
§ 34a AsylG bildet aus systematischen Erwägungen gegenüber § 34 AsylG eine Spezialvorschrift. (red. LS Clemens Kurzidem)
Durch die enge Verknüpfung von § 34a Abs. 1 AsylG mit § 26a AsylG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Regelung des § 60 Abs. 10 AufenthG im Sonderfall der Rückführung in einen sicheren Drittstaat keine Geltung beanspruchen soll (wie VG Berlin BeckRS 2015, 47486; VG Düsseldorf BeckRS 2015, 48817). (red. LS Clemens Kurzidem)
§ 34 Abs. 1 kommt bei Entscheidungen nach § 26a AsylG, § 27a AsylG nicht zur Anwendung. (red. LS Clemens Kurzidem)
Die Anerkennung als Flüchtling durch einen Drittstaat nach § 3 AsylG stellt kraft Gesetzes ein Abschiebungsverbot in das Herkunftsland dar (§ 60 Abs. 1 AufenthG). Ein Anspruch auf eine erneute Anerkennungsentscheidung besteht daher nach § 60 Abs. 1 S. 3 AufenthG nicht, sodass ein gleichwohl gestellter Asylantrag unzulässig ist (wie BVerwG BeckRS 2014, 54329; BVerwG BeckRS 2015, 54081). (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
1. Die Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. März 2016 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
Die Einzelrichterin konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten im Vorfeld auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung schriftlich verzichtet haben.
Die zulässige Klage ist begründet, soweit sich der Kläger gegen die Ziffer 2) des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. März 2015 wendet. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
Der Bescheid des Bundesamts vom 4. März 2015 ist hinsichtlich der Ziffer 2) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
1.
Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nach Griechenland in der Ziffer 2) ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) rechtswidrig.
Das Bundesamt führt in seiner Begründung aus, dass eine Abschiebungsandrohung anstatt einer Anordnung ebenfalls zulässig sei, da es sich hierbei um das mildere Mittel handle.
Diese rechtliche Auffassung der Beklagten ist unzutreffend. Es fehlt gerade an einer Rechts-grundlage für eine Abschiebungsandrohung. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Androhung der Abschiebung nicht als zulässiges milderes Mittel gegenüber der Anordnung angesehen werden (vgl. BVerwG, B. v. 23.10.2015, 1 B 41/15 – juris; BayVGH, B. v. 23.11.2015 – 21 ZB 15.30237 – juris; VG Stade, U. v. 15.12.2015 – 4 A 980/15; VG Düsseldorf, U. v. 29.6.2015 – 13 K 3215/15.A – juris; VG Ansbach, U. v. 22.4.2015 – 14 K 15.50044 – juris). Der klare Wortlaut des § 34a Abs. 1 AsylG „bedarf es nicht“ ist in anderen Regelungszusammenhängen so zu verstehen, dass die erwähnte Alternative gerade ausgeschlossen sein soll (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 68 Rn. 16).
§ 34a Abs. 1 AsylG ist aus systematischen Erwägungen als Spezialvorschrift zu § 34 Abs. 1 AsylG anzusehen. Grundsätzlich kann, wenn ein Ausländer abgeschoben werden soll, dem im Ausland bereits internationaler Schutz zuerkannt wurde, nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen (§ 60 Abs. 10 AufenthG). Von dieser Vorschrift sind die Fälle erfasst, in denen der Ausländer über eine von einem Drittstaat zugesprochene Flüchtlingsanerkennung verfügt (§ 60 Abs. 1 Satz 3 3. Alt. AufenthG) bzw. ihm subsidiärer Schutz zugesprochen wurde (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) und seine Abschiebung in den Drittstaat beabsichtigt ist. Durch die enge Verknüpfung von § 34a Abs. 1 AsylG mit § 26a AsylG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Regelung im Sonderfall der Rückführung in den sicheren Drittstaat keine Geltung beanspruchen soll (vgl. VG Berlin, U. v. 4.6.2015 – 23 K 906.14 A – juris; VG Düsseldorf, U. v. 29.6.2015 – 13 K 3215/15.A – juris).
Gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG stünde dem Kläger aufgrund der mit Gesetz vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) vorgenommenen Änderung des § 34a Abs. 2 AsylVfG ein erhöhter Rechtsschutz gegenüber Abschiebungen auf dieser Grundlage zu. Wird innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung gestellt, ist die Abschiebung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG). Nach dem bis dahin geltenden Abs. 2 des § 34a AsylVfG durfte demgegenüber die Abschiebung nach Abs. 1 gerade nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Demgegenüber können Anträge im vorläufigen Rechtsschutz, mit denen im Rahmen von § 34 Abs. 1 AsylG zu berücksichtigende Abschiebungsverbote geltend gemacht werden, nur über § 123 Abs. 1 VwGO verfolgt werden, was den jeweiligen Antragsteller vor deutlich höhere Darlegungshürden stellen würde (VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 – 23 K 906.14 A -, juris, Rn. 39).
Die Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG kommt vorliegend gerade nicht in Betracht. Danach erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, ihm kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Diese hierfür erforderliche inhaltliche Prüfung wurde durch das Bundesamt gerade nicht vorgenommen.
§ 34 Abs. 1 AsylG kommt jedoch bei Entscheidungen (nur) nach §§ 26a, 27a AsylG nicht zur Anwendung. Lehnt das Bundesamt einen Asylantrag – wie hier geschehen – nur nach § 26a AsylG ab, ist nach § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG lediglich festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Diese Entscheidung ist nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylG zusammen mit der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG zu treffen und dann dem Ausländer selbst zuzustellen. Nach der Gesetzessystematik besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Asylversagung wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) bzw. der Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 27a AsylG) und der Anordnung der Abschiebung in diesen Staat nach § 34a AsylG (OVG NRW, B. v. 25.9.2000 – 18 B 1783/99 -, juris Rn. 11 und 21 und U. v. 30.9.1996 – 25 A 790/96 A – juris Rn. 9). In derartigen Konstellationen nimmt das Bundesamt gerade keine sachliche Prüfung eines Asylantrags vor, sondern verweist den Asylbewerber lediglich auf die Zuständigkeit eines anderen bzw. eines sicheren Drittstaates. Hier soll allein Raum für eine Abschiebungsanordnung sein, was indiziert, dass § 34a AsylG bei einer Entscheidung (nur) nach den §§ 26a, 27a AsylG gegenüber § 34 Abs. 1 AsylG spezieller ist (VG Berlin, U. v. 24.6.2015 – 23 K 906.14 A – juris).
Der Erlass einer Abschiebungsandrohung – anders als der einer Abschiebungsanordnung – ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG), was vom Bundesamt festzustellen ist. Demgegenüber darf das Bundesamt bei Entscheidungen nach §§ 26a, 27a AsylG die in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG genannten tatbestandlichen Voraussetzungen jedoch gerade nicht prüfen (vgl. § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylG), weil es allein die Zulässigkeit des Asylantrags zu überprüfen hat. So hat das Bundesamt auch im vorliegenden Fall lediglich eine Entscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit des Asylantrags getroffen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem streitgegenständlichen Bescheid. Insofern passt das Prüfprogramm des § 34 Abs. 1 AsylG von vornherein nicht zu der hier gegebenen Konstellation des § 26a AsylG (VG Berlin, U. 24.6.2015 – 23 K 906.14 A – juris). Nur wenn die Durchführung der Abschiebung im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht möglich ist, ist § 31 Abs. 4 AsylG nicht einschlägig mit der Folge, dass nicht nach dem reduzierten, sondern gemäß § 31 Abs. 2 und 3 AsylG nach dem “gewöhnlichen Entscheidungsprogramm” über den Asylantrag zu befinden ist. Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben (VG Berlin, U. v. 24.6.2015 – 23 K 906.14 A -, juris).
Durch die rechtswidrige Abschiebungsandrohung in der Ziffer 2) des Bescheides wird der Kläger auch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da – wie bereits festgestellt – seine Rechtsschutzmöglichkeiten hinsichtlich der Prüfung inländischer Vollstreckungshindernisse hierdurch erheblich eingeschränkt werden (vgl. dazu VG Ansbach, U. v. 7.10.2015 – 11 K 15.50067 – juris; U. v. 17.7.2015 – AN 14 K 15.50046; VG Düsseldorf, U. v. 29.6.2015 – 13 K 3215/15.A – juris; VG Berlin, U. v. 24.6.2015 – 23 K 906.14 A – juris).
2.
Die Ziffer 1) des Bescheides vom 4. März 2015 ist dagegen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Anerkennung des Klägers als Flüchtling durch einen Drittstaat nach § 3 AsylG stellt kraft Gesetzes für die Beklagte ein Abschiebungsverbot in das Herkunftsland dar (§ 60 Abs. 1 AufenthG). Ein Anspruch auf eine erneute Anerkennungsentscheidung besteht hingegen nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht. Ein gleichwohl gestellter Asylantrag ist unzulässig (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 – sowie Beschluss vom 30. September 2015 – 1 B 51/15 – beide in juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 1, 2 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG. Der Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem AsylG folgt aus § 30 RVG.