Aktenzeichen M 4 S 16.36267
Leitsatz
1 Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der senegalesische Staat willens und in der Lage ist, von Rebellen verfolgte Staatsangehörige zu schützen; jedenfalls steht ihnen innerhalb der Großstädte des Landes eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG; ein junger, arbeitsfähiger Mann ist wie jeder andere dort lebende in der vergleichbaren Situation in der Lage, seinen Lebensunterhalt im Senegal durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.
Der Antragsteller behauptet, senegalesischer Staatsangehöriger mit Geburtsdatum …. Dezember 1986 zu sein, ohne dies auch nur ansatzweise glaubhaft machen zu können. Er legt keinerlei Papiere vor. Er behauptet, sein Heimatland 2014 verlassen zu haben und über die Balkanroute am …. September 2015 nach Deutschland eingereist zu sein. Die Erstbefragung fand am … März 2016 statt. Dies ist auch das offizielle Datum seines Asylantrags. Er gibt an, die Mittelschule besucht zu haben, aber keinen Beruf erlernt zu haben. Gearbeitet habe er auch nicht.
Im Rahmen seiner Anhörung nach § 25 AsylG am 26. August 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, seine Geburtsurkunde und einen Personalausweis in Marokko einem Freund gegeben zu haben, weil man ihm gesagt habe, es sei besser, wenn er keine Dokumente nach Deutschland mitbringe. Vom Senegal sei er mit einem PKW nach Mauretanien und weiter bis nach Marokko gereist, nach sechs Monaten sei er dann mit dem Schiff in die Türkei gefahren, wo er 13 Monate verbracht habe. Über die Balkanroute sei er dann nach Deutschland gekommen. Er habe in der Landwirtschaft gearbeitet und seinem Großvater bei der Viehzucht geholfen. Die 2.000,00 Euro bis 2.500,00 Euro, die die Reise gekostet habe, habe er von seinen Großvater erhalten. Im Senegal leben noch seine Mutter ein Bruder und ein Onkel sowie sein Großvater. Seinem wohlhabenden Onkel seien mehrmals Schafe und Kühe gestohlen worden. Anlässlich eines erneuten Raubzuges habe die Dorfgemeinschaft einen der beiden Diebe getötet. Die Verwandten des ums Leben gekommenen Diebes, namentlich Fulla, hätten Blutrache nehmen wollen. Dies hätten Freunde seines Onkels ihnen erzählt. Eines Tages seien er, sein Onkel und sein Großvater auf dem Feld von drei Leuten überfallen und verletzt worden. Nachbarn hätten ihnen geholfen. Er habe einen Messerstich in die Leiste bekommen und sei deshalb ins Krankenhaus gekommen. Auch sei sein Arm gebrochen gewesen. Er sei operiert worden und fünf Tage dort geblieben. Er sei danach zu einem Freund seines Onkels nach Dakar gezogen, weil er wegen seiner Behandlung in der Nähe des Krankenhauses bleiben musste. Ende August 2013 sei er wieder in das Dorf zurückgekehrt. Anzeigen gegen unbekannt bei der Polizei, seien ohne Ergebnis geblieben. Sein Onkel habe ihm dann geraten, das Land zu verlassen.
Ein Attest einer Fachärztin für Orthopädie vom …. August 2016 bescheinigt dem Antragsteller einen Beckenschiefstand und eine Skoliose der Wirbelsäule.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2016 lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2. des Bescheids) als auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab, ebenso wurde der Antrag auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus abgelehnt (Ziffer 3. des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4. des Bescheids), der Antragsteller wurde zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angeordnet (Ziffer 5. des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6. des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Ziffer 7. des Bescheids).
Der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG. Er habe nichts vorgetragen, was ein Abweichen von dieser allgemeinen Einschätzung gebieten würde. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei als offensichtlich unbegründet, die Zuerkennung des subsidiären Schutzes als unbegründet abzulehnen. Auch individuelle Gefahren, die das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes begründen könnten, seien nicht erkennbar.
Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
Am 27. Dezember 2016 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid des Bundesamtes fristgerecht Klage (M 4 K 16.36268).
Mit dieser Klage wird unter Aufhebung des Bescheids die Verpflichtung der Beklagten ihm die Asylanerkennung sowie die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen begehrt. Sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Hilfsweise die Feststellung des subsidiären Schutzstatus bzw. des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geltend gemacht.
Über die Klage ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig wurde im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Eine auf den Antragsteller bezogene Begründung wurde nicht vorgelegt.
Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert, sie hat die Behördenakten vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der – nach Auslegung – zulässig erhobene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt erfolglos. Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 7. des Bescheids) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B.v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B.v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019 – S. 8 f. des BA zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).
Der ansonsten auslegungsbedürftige (§ 88 VwGO) Eilantrag ist in der Sache darauf gerichtet, dass das Gericht die kraft Gesetzes nach § 75 Asylgesetz (AsylG; ohne weitere Übergangsregelung auch für die vorher anhängig gewordenen Asylverfahrens in Kraft seit 24.10.2015 aufgrund von Art. 1, 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl I S. 1722) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. Satz 2 des Bescheids) und die nach § 84 Abs. 1 Satz 2 AufenthG kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen das auf § 11 Abs. 7 AufenthG gestützte Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6. des Bescheids) nach § 80 Abs. 5 VwGO anordnen soll.
Dieser Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt.
2. Der Antrag bleibt erfolglos.
a) Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.).
Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
b) Nach der Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird ausgeführt:
aa) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte.
Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.
Unabhängig davon bleibt das Begehren des Antragstellers auf Asylanerkennung bzw. auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aber jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil ihm in Anwendung von § 3d, § 3e AsylG ausreichender interner Schutz bei einer Rückkehr in den Senegal zur Verfügung steht. Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der senegalesische Staat willens und in der Lage ist, von Rebellen verfolgte Staatsangehörige zu schützen. Jedenfalls finden sie innerhalb der Großstädte des Landes ausreichende Ausweichmöglichkeiten (Bericht des Auswärtigen Amtes, a. a. O. S. 12 f.).
bb) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die von der Bevollmächtigten des Antragstellers weiter geltend gemachten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 mit Abs. 4 AufenthG sind erkennbar nicht einschlägig.
Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.
(1) Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 21.11.2015 (Stand August 2015), dort zu Ziffer IV.1 – S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d. h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – BVerwGE 115, 1 m. w. N.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24/10 – NVwZ 2012, 451 Rn. 20).
(2) Das kann beim Antragsteller nicht angenommen werden.
Dieser ist als junger arbeitsfähiger Mann in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, seinen Lebensunterhalt im Senegal durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. Eine drohende Lebensgefahr ist bei einer Rückkehr nach der Auskunftslage nicht erkennbar. Auch die durch das ärztliche Attest vorgelegte harmlose Erkrankung (Beckenschiefstand und Skoliose/Verkrümmung der Wirbelsäule) hat den Antragsteller nicht davon abgehalten, in seinem Heimatland bei seinen Großvater in der Landwirtschaft und in der Viehzucht mitzuarbeiten.
cc) Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).