Aktenzeichen 11 ZB 17.30814
Leitsatz
Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme einer staatlichen oder nichtstaatlichen flüchtlingsrelevanten Verfolgung von Roma in der Russischen Föderation. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RO 9 K 17.31289 2017-05-22 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt ist.
1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG setzt voraus, dass eine konkrete, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Bei einer auf tatsächliche Verhältnisse gestützten Grundsatzrüge muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (vgl. OVG NW, B.v. 12.12.2016 – 4 A 2939/15.A – juris m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt die Antragsbegründung vom 27. Juni 2017 nicht. Die von den Klägern formulierte Frage, ob den Klägern als Zugehörige zur Volksgruppe der Roma in ihrer Heimat mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung und Diskriminierung droht, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. Die Kläger haben keine Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angegeben, dass die Feststellungen und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Verfolgung von Roma unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sein könnten.
Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die aktuellen Berichte des Auswärtigen Amts zur Lage in der Russischen Föderation (Stand: 2017) und in Weißrussland (Stand: 2016) ausgeführt, dass eine landesweite gleichmäßig intensive Benachteiligung von Roma mit Verfolgungscharakter oder eine landesweite staatliche Verfolgung von Roma nicht ersichtlich sei. Dem sind die Kläger nur damit entgegengetreten, dass sie behaupten, schon erhebliche Nachteile in ihren Heimatländern erlitten zu haben. Zudem geben sie an, bei einer im Jahr 2005 durchgeführten Umfrage des Lewada-Zentrums hätten 20 Prozent der Befragten eingeräumt, dass sie Roma gegenüber Misstrauen und Angst empfinden würden. Weitere 31 Prozent hätten angegeben, dass Roma bei ihnen Gereiztheit und Abneigung weckten. Im Kalenderjahr 2013 hätten 32 Prozent der Befragten geäußert, dass die Anzahl der Roma im Land reduziert werden müsste. Im Juli 2014 sei diese Rate auf 23 Prozent zurückgegangen. In einer sibirischen Kleinstadt seien Roma des Drogenhandels verdächtigt und mehrere Häuser der Romafamilien in Brand gesetzt worden. Es sei sowohl in Russland als auch in Weißrussland sehr schwierig, selbst eine schlecht bezahlte Arbeitsstelle zu bekommen.
Unabhängig davon, dass die angegebenen Umfrageergebnisse des Lewada-Zentrums nicht auf der Erkenntnismittelliste des Verwaltungsgerichts zu finden und von den Klägern nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, lässt sich angesichts des mit der Antragsbegründung zitierten Inhalts daraus aber auch nicht auf eine staatliche oder nichtstaatliche flüchtlingsrelevante Verfolgung von Roma in der Russischen Föderation schließen. Nach Nr. 1.3 des aktuellen Ad-hoc-Berichts des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation vom 22. Juni 2017 sowie des wortgleichen Lageberichts vom 24. Januar 2017 sind fremdenfeindliche und rassistische Ressentiments zwar in der Bevölkerung und in den Behörden weit verbreitet. Sie richten sich insbesondere gegen Kaukasier und Zentralasiaten. Anhaltspunkte dafür, dass diese Ressentiments gegenüber Angehörigen der Volksgruppe der Roma verfolgungsrelevante Dimensionen erreichen, können dem Lagebericht nicht entnommen werden. Selbst gegenüber Kaukasiern wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass alleine wegen der ethnischen Zugehörigkeit nicht die Annahme gerechtfertigt ist, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (vgl. BVerwG, B.v.13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 95 ff.). Erkenntnisquellen, die Anhaltspunkte für eine Verfolgung von Volkszugehörigen der Roma enthalten, haben die Kläger demgegenüber nicht benannt.
2. Den Klägern konnte auch keine Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr Prozessbevollmächtigter nicht beigeordnet werden, da der Antrag auf Zulassung der Berufung nach dem Vorstehenden keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
4. Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).