Aktenzeichen 6 ZB 17.2186
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
Leitsatz
1 Ist die erstinstanzliche Entscheidung selbstständig tragend mehrfach begründet, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist. Das gilt auch, wenn die Klage ausdrücklich als unzulässig und unbegründet abgewiesen wurde. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein berechtigtes Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage besteht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nur, wenn der Kläger eine Amtshaftungsklage ernsthaft beabsichtigt, was auch die Bezifferung des Schadens voraussetzt. (Rn. 6 und 7) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei Multipler Sklerose mit vorherrschend schubförmigem Verlauf ist die gesundheitliche Eignung als Berufssoldat nicht gegeben. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 21 K 15.4029 2017-09-19 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. September 2017 – M 21 K 15.4029 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 51.631,17 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger war bis 31. August 2017 Soldat auf Zeit. Seinen Antrag vom 7. Januar 2014 auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2015 und Beschwerdebescheid vom 1. September 2015 mit der Begründung ab, die gesundheitliche Eignung für eine Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufsoffiziers sei nicht gegeben. Seine ursprünglich erhobene Verpflichtungsklage hat der Kläger nach seinem Ausscheiden geändert und zuletzt die Feststellung beantragt, dass die Bescheide der Beklagten rechtswidrig waren. Mit Urteil vom 19. September 2017 hat das Verwaltungsgericht die Fortsetzungsfeststellungsklage aus zwei Gründen abgewiesen. Diese sei mangels berechtigten Feststellungsinteresses (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) unzulässig. Es sei keine Klage auf Schadensersatz und Entschädigung anhängig oder zu erwarten. Der Kläger habe nicht behauptet, die Erhebung einer solchen Klage fest zu beabsichtigen. Auch fehle es an konkreten Angaben zu dem entstandenen Schaden. Zudem sei die Klage auch nicht begründet, weil die Bescheide rechtmäßig gewesen seien. Der Kläger leide unstreitig an einer Multiplen Sklerose mit vorherrschend schubförmigem Verlauf. Das schließe nach den nicht zu beanstandenden Richtlinien die Dienstfähigkeit eines Soldaten dauerhaft aus.
Ist die erstinstanzliche Entscheidung demnach selbstständig tragend mehrfach begründet, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2016 – 6 ZB 15.2786 – juris Rn. 3 m.w.N.). Das gilt auch für den Fall, dass das Verwaltungsgericht die Klage – wie hier – ausdrücklich als unzulässig und unbegründet abgewiesen hat (vgl. BVerwG, B.v. 9.4.2003 – 4 B 29.03 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 6 ZB 17.956 – juris Rn. 3; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 100, § 124a Rn. 112 m.w.N.).
Daran fehlt es. Der Zulassungsantrag zeigt bereits keine Gesichtspunkte auf, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zur Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage begründen und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfen.
Die Vorgreiflichkeit einer gerichtlichen Feststellung, dass die durch Bescheid vom 27. März 2015 in der Gestalt des Beschwerdebescheides abgelehnte Übernahme des Klägers in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten rechtswidrig gewesen sei, kann im Hinblick auf einen Schadensersatzprozess ein berechtigtes Interesse nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO begründen. Dahinter steht die Erwägung, dass der Kläger durch die Erledigung nicht um die Früchte seiner bisherigen Prozessführung gebracht werden soll. Voraussetzung ist jedoch, dass eine Klage auf Schadensersatz oder Entschädigung aus Amtshaftung vor den Zivilgerichten anhängig ist (bei einer bereits anhängigen verwaltungsgerichtlichen Klage auf Schadensersatz s. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 27.15 – juris Rn. 17 m.w.N.) oder ein Schadensersatzprozess vor den Verwaltungs- oder Zivilgerichten mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (BVerwG, B.v. 3.3.2005 – 2 B 109.04 – juris Rn. 7) und diese Klage Aussicht auf Erfolg hat. Letzteres ist nicht der Fall, wenn sich bei summarischer Prüfung sicher absehen lässt, dass ein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch nicht besteht (BVerwG, B.v. 4.9.2008 – 2 B 13.08 – juris Rn. 9).
Der Kläger hat auch zwischenzeitlich, d.h. seit der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts, keine Amtshaftungsklage erhoben oder konkrete Angaben dazu gemacht, ob und in welcher Höhe ein Schaden eingetreten sein soll. Sein Vorbringen, in der kurzen Zeit von 15 Tagen zwischen Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit und der mündlichen Verhandlung habe er keine Klage wegen Amtshaftung zumutbar erheben und substantiieren können, ist damit hinfällig. Ferner ist sowohl im Amtshaftungsprozess gemäß § 839 BGB, Art. 34 Satz 1 GG vor den Zivilgerichten (BGH, U.v. 21.4.2005 – III ZR 264/04 – juris Rn. 15/24) als auch im Schadenersatzprozess wegen Pflichtverletzung vor den Verwaltungsgerichten (BVerwG, U.v. 3.11.2014 – 2 B 24.14 – juris Rn. 6) die Bezifferung des Schadens erforderlich. Auch dazu enthält der Zulassungsantrag keine konkreten Darlegungen.
Liegt demnach gegen den ersten Begründungsstrang des Verwaltungsgerichts (Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage) kein Zulassungsgrund vor, können die Einwände gegen den zweiten Begründungsstrang (Unbegründetheit der Klage) die Zulassung der Berufung von vornherein nicht rechtfertigen. Diese Einwände würden aber auch für sich betrachtet nicht durchgreifen. Das Verwaltungsgericht ist auf der Grundlage der maßgeblichen rechtlichen Maßstäbe (dazu etwa allgemein BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – BVerwGE 147, 204 Rn. 10 ff. und speziell für Soldaten BayVGH, B.v. 9.6.2017 – 6 ZB 16.1993 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte zu Recht die gesundheitliche Eignung des Klägers wegen der bei ihm – unstreitig – festgestellten Multiplen Sklerose mit vorherrschend schubförmigem Verlauf verneint hat. Es hat dabei eingehend Form und Verlauf der Erkrankung sowie deren wahrscheinliche (prognostische) Auswirkungen auf die Dienstfähigkeit erwogen, insbesondere auch den vom Kläger vorgelegten Arztbrief vom 31. März 2017 gewürdigt (Seite 12 bis 15 des Urteils) und dabei hervorgehoben, dass sich dieser nicht zum – rechtlich maßgeblichen (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – BVerwGE 147, 204 Rn. 16) – Punkt der Dienstfähigkeit des Klägers bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze äußert. Der Zulassungsantrag hält dem lediglich entgegen, das Verwaltungsgericht hätte aus dem Arztbrief andere Schlüsse ziehen und zumindest ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Das geht indes auf die differenzierte Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht ausreichend ein und kann bereits dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 2 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).