Aktenzeichen M 24 S 16.31526
Leitsatz
1 Enthält ein auf einen Folgeantrag hin ergangener Bescheid des Bundesamtes keine erneute Abschiebungsandrohung, ist ein Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig. Statthafter Rechtsbehelf wäre allein ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, um das Ziel, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben zu werden, zu erreichen. (Rn. 16 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Umdeutung in einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO kommt hier nicht in Betracht, weil der Prozessbevollmächtigte nur “höchst vorsorglich” einen Eilantrag gestellt hat, eine Prozesshandlung aber bedingungsfeindlich ist und – anders als ein Hilfsantrag – nicht von einem außerprozessualen Ereignis abhängig gemacht werden darf. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Mit einem Eilantrag nach § 123 VwGO ist neben dem Anordnungsanspruch auch die Dringlichkeit geltend und glaubhaft zu machen. Besteht hinsichtlich der Ehefrau und Mutter bereits ein Abschiebungsverbot, ist nicht ersichtlich, dass die Abschiebung des Ehemannes und eines Kindes unmittelbar bevorstehen würde und für diese Antragsteller ein Anordnungsgrund gegeben sein könnte. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller zu 1) und seine Tochter, die Antragstellerin zu 2), sind ihren Angaben im Asylverfahren zufolge mazedonische Staatsangehörige islamischen Glaubens und gehört zur Volksgruppe der Türken.
Sie beantragten erstmals am … Juni 2013 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Ihren Asylantrag begründete sie im Wesentlichen damit, dass die gesamte Familie aufgrund der parteipolitischen Aktivitäten des Antragstellers zu 1) erhebliche Probleme in Mazedonien gehabt habe.
Mit Bescheid vom … November 2013, Az.: …, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte (Nr. 1) und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 2) jeweils als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 3). Zugleich wurden die Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Anderenfalls würde sie nach Mazedonien oder in einen anderen zu ihrer Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat abgeschoben (Nr. 4).
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage haben die Antragsteller am … März 2014 zurückgenommen, worauf das Verfahren mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom … März 2014 (M 24 K 13.31216) eingestellt wurde.
Am 6. August 2014 beantragten die Antragsteller erneut ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Von März 2014 bis … August 2014 hätten sie und ihre Familie sich wieder in Mazedonien aufgehalten. Zu den Gründen aus dem ersten Asylverfahren seien neue Gründe hinzugekommen. Der Antragsteller zu 1) sei oft verhaftet und die Familie von der Polizei zusammengeschlagen worden.
Mit Bescheid vom … Januar 2015, Az.: 5791077-144, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte (Nr. 1) und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 2) jeweils als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt werde (Nr. 3) und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Zugleich wurden die Antragsteller erneut aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Anderenfalls würde sie nach Mazedonien oder in einen anderen zu ihrer Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat abgeschoben (Nr. 5). Rechtsmittel wurden hiergegen nicht eingelegt.
Am … Juni 2015 stellten die Bevollmächtigten der Ehefrau bzw. Mutter der Antragsteller beim Bundesamt in … einen „Folgeantrag bezüglich der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG“. Wegen ihres schlechten psychischen Gesundheitszustandes habe sich diese an … … gewandt. Dort sei festgestellt worden, dass sie an einer generalisierten Angststörung mit psychotischen Symptomen sowie an einer mittelgradigen depressiven Episode leide. Mit Urteil vom … April 2016 (M 24 K 15.31300) wurde die Antragsgegnerin unter entsprechender Aufhebung des Bundesamtsbescheides verpflichtet festzustellen, dass bei der Ehefrau und Mutter der Antragsteller die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Am … September 2015 stellten die Antragsteller „gemeinsam mit ihren beiden ehrenamtlichen Unterstützern“ einen Folgeantrag bezüglich § 60 AufenthG. Seit der Ablehnung des Asylfolgeantrags vom … Januar 2015, der an die falsche Adresse geschickt worden sei, seien neue Tatsachen entstanden und es lägen neue Beweismittel vor. Die neue Tatsache sei durch die verschärfte politische Lage in Mazedonien entstanden. Neue Beweismittel für die Verfolgung der Familie könnten durch die Flucht der Eltern des Antragstellers zu 1) vorgelegt werden. Der Bruder seines Vaters sei Ende Februar 2015 von vier Männern niedergeschlagen und tödlich verletzt worden. Die Verfolger hätten von diesem den Aufenthaltsort einer weiteren Tochter des Antragstellers zu 1) (* …*) in Erfahrung bringen wollen. Nachdem der Vater des Antragstellers zu 1) die Krankenhausprotokolle zum Tod seines Bruders habe erhalten wollen, seien er und seine Frau (die Mutter des Antragstellers zu 1) von einem der an dem Überfall von Ende Februar 2015 beteiligten Täter ebenfalls angegriffen worden. Dies zeige, dass nicht nur der Antragsteller zu 1), sondern die ganze Familie aufgrund seiner Parteizugehörigkeit und der politischen Aktivitäten der Tochter Anife verfolgt werde.
Mit Schreiben vom … Mai 2016 wurden als schutzwürdige Belange, die einer Ausreise des Antragstellers zu 1) entgegenstünden, vorgebracht, dass seine Frau durch Urteil des Verwaltungsgerichts … vom … April 2016 ein Bleiberecht erhalten habe. Sie könne nicht allein bleiben. Für die Antragstellerin zu 2), die erst 9 Jahre alt sei, müsse er ebenfalls sorgen. Es sei unverhältnismäßig, die Familie auseinanderzureißen. Zudem habe sich die politische Situation in den letzten Wochen weiter zugespitzt.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom … Mai 2016, den Antragstellern zugestellt am … Juni 2016, wurde der Antrag auf Durchführung weiterer Asylverfahren (Nr. 1) und die Anträge auf Abänderung des Bescheides vom … Januar 2015 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (Nr. 2) abgelehnt. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 3 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 3).
Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller mit Schreiben ihres Bevollmächtigten am … Juni 2016 Klage mit dem Antrag,
den Bescheid der Beklagten vom … Mai 2016, zugestellt am … Juni 2016, aufzuheben und die Kläger als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) anzuerkennen. Diese Klage ist unter dem Aktenzeichen M 24 K 16.31525 bei Gericht anhängig.
Zugleich wurde höchst vorsorglich die aufschiebende Wirkung des Klageverfahrens beantragt. Die Antragsgegnerin habe zu Unrecht die Asyleigenschaft in der Person der Antragsteller abgelehnt. Hauptgrund für das Verbleiben der Antragsteller sei allerdings das Verbleiben der Ehefrau und Mutter der Antragsteller in der Bundesrepublik. Die Familie dürfe nicht auseinandergerissen werden. Zumindest lägen in der Person der Antragsteller die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Mazedoniens vor, deren Feststellung höchst vorsorglich auch beantragt werde.
Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom … Juni 2016 und 8. Juli 2016 die Behördenakten zu den Asylverfahren der Antragsteller vor,
stellte aber keinen Antrag.
Mit Beschluss vom … Oktober 2016 wurde der Rechtsstreit im Klageverfahren M 24 K 16.31525 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war abzulehnen, da er bereits unzulässig ist. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom … Mai 2016 enthält keine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung, hinsichtlich derer die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden könnte.
2. Statthafter Rechtsbehelf, um das Ziel, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben zu werden, zu erreichen, wäre vorliegend allein ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit dem sinngemäßen Inhalt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde (hier dem Landratsamt …*) mitzuteilen, dass bis zur Entscheidung des Gerichtes in der Hauptsache (M 24 K 16.31525) nicht aufgrund der Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG vom … Juni 2016 in Form der Übersendung des Bundesamtsbescheides Abschiebemaßnahmen durchgeführt werden dürfen (vgl. BayVGH, U.v. 29.01.2007 – 11 AE 078.30057 – juris Rn. 7). Einen solchen haben die Antragsteller jedoch nicht gestellt.
3. Eine Umdeutung oder Auslegung des vom Bevollmächtigten der Antragsteller gestellten Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Klageverfahrens in einen solchen nach § 123 Abs. 1 VwGO kommt vorliegend nicht in Betracht, da auch ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO zumindest derzeit keinen Erfolg hätte.
Der Bevollmächtigte der Antragsteller hat seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz „höchst vorsorglich“ gestellt. Als Prozesshandlung ist die Beantragung vorläufigen Rechtsschutzes jedoch bedingungsfeindlich. Das bedeutet, dass die Rechtshängigkeit nicht von einem außerprozessualen Ereignis abhängig gemacht werden darf. Anders als die Stellung eines Hilfs- oder Eventualantrags für den Fall, dass der Antragsteller mit dem Hauptantrag nicht durchdringt, ist der höchst vorsorglich allein gestellte Hauptantrag nicht von einem innerprozessualen Umstand abhängig und damit unzulässig (vgl. hierzu Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, § 82 Rn. 11). Eine Umdeutung eines unzulässigen Antrags in einen anderen unzulässigen Antrag kommt demzufolge nicht in Betracht.
Im Übrigen sind mit einem Eilantrag nach § 123 Abs. 1 VwGO neben dem Anordnungsanspruch, also dem zu sichernden oder zu regelnden materiellen Anspruch aus dem Hauptsacheverfahren, auch der Anordnungsgrund, also die Dringlichkeit der Sache, geltend und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO). Dass der Antragsteller zu 1) und die minderjährige Antragstellerin zu 2) unmittelbar bevorstehend auf der Grundlage der Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid des Bundesamtes vom 23. Januar 2015 abgeschoben würden, obwohl im Hinblick auf die Ehefrau und Mutter ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde, wurde weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.
4. Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).