Aktenzeichen M 10 E 16.4803
Leitsatz
1 Grundvoraussetzung eines rechtlichen Abschiebungshindernisses aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ist die abgeschlossene „gelungene“ Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland (zB EGMR BeckRS 2009, 70641), die nicht automatisch mit einem bestimmten, auch längerfristigen Aufenthalt im Aufnahmeland einhergeht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Aufenthaltsbeendigung kann vielmehr nur dann einen konventionswidrigen Eingriff in das „Privatleben“ im Verständnis des Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen, wenn der Ausländer wegen seines (längeren) Aufenthalts über so starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte zum Aufnahmestaat verfügt, dass er aufgrund der Gesamtentwicklung „faktisch zu einem Inländer“ geworden ist, dem wegen der Besonderheiten seines Falles ein Leben in dem Staat seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug (mehr) hat, schlechterdings nicht zugemutet werden kann (vgl. OVG SaarlBeckRS 2008, 34809). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die vorläufige Unterlassung ausländerrechtlicher Vollstreckungsmaßnahmen.
Die Antragstellerin zu 1 ist kosovarische Staatsangehörige und reiste erstmals am 26. November 2011 zusammen mit ihren beiden Kindern, den Antragstellern zu 2 und 3 – geboren am … Februar 2009 und ebenfalls kosovarische Staatsangehörige – in das Bundesgebiet mit Visum zum Familiennachzug ein. Der Nachzug erfolgte zum Ehemann und Familienvater, der ebenfalls kosovarischer Staatsangehöriger und seit dem 30. Juli 2004 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für das Bundesgebiet ist. Das Ehepaar hat im Juli 2011 geheiratet.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird zunächst verwiesen auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. Januar 2016 (M 10 K 15.187), mit dem die Klagen der Antragsteller auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgewiesen wurde.
Ergänzend und vertiefend ist auszuführen: Die Bevollmächtigte der Antragsteller hat sich im März 2016 an das Katholische Büro … gewandt mit der Bitte, den Fall der Antragstellerin der Härtefallkommission vorzulegen. Darin äußert die Bevollmächtigte unter anderem, es sei wohl davon auszugehen, dass der Antragsteller zu 3 aufgrund der massiven Gewalterfahrungen durch den Vater verhaltensauffällig sei.
Im April 2015 verfasste eine Psychologin für die von ihm besuchte Heilpädagogische Tagesstätte einen testpsychologischer Bericht über den Antragsteller zu 3, in dem unter anderem als Ergebnis der Verhaltensbeobachtung festgehalten ist: „(…) sehr große Verunsicherung des Kindes in Bezug auf den Vater, sehr ambivalentes und von starker Wut geprägte Beziehung des zum Vater (…)“.
Am 1. August 2016 wurde die Ehe der Antragstellerin zu 1 mit dem Vater der Antragsteller zu 2 und 3 vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck geschieden. Es wurde die Umgangsvereinbarung geschlossen, dass der Vater der Kinder berechtigt und verpflichtet ist, diese jeden ersten, zweiten und vierten Sonntag des Monats zu sich zu nehmen und Umgang auszuüben. Nach dem Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts hat der Vater die Kinder zwischen Januar 2016 und August 2016 drei Mal gesehen. Er hat laut diesem Sitzungsprotokoll angegeben, dass bei Gericht im Rahmen des Aufenthaltsverfahrens etwas anderes angekommen zu sein scheint als er gemeint habe. Er wolle nicht, dass seine Kinder abgeschoben würden. Er habe auch nicht gesagt, es reiche ihm, die Kinder einmal im Jahr im Kosovo zu besuchen. Er wolle seine Kinder regelmäßig sehen. Die Antragstellerin zu 1 hat nach dem Protokoll angegeben, sie glaube nicht, dass der Dolmetscher für ihren Ehemann im ausländerrechtlichen Verfahren übersetzt habe. Dessen Bevollmächtigter äußerte Zweifel, da sein Mandant nicht so gut deutsch könne.
Die Bevollmächtigte der Antragsteller hat mit Schreiben vom 3. Oktober 2016 erneut bei der Beklagten die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen beantragt.
Zuletzt wurden den Antragstellern Grenzübertrittsbescheinigungen jeweils zum 22. November 2016 ausgehändigt.
Am 23. Oktober 2016 beantragte die Bevollmächtigte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufzugeben, einstweilen von einer Durchsetzung der Ausreisepflicht der Antragsteller durch Abschiebung in den Kosovo abzusehen und diese bis zur Entscheidung über den gestellten Antrag auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen vom 3. Oktober 2016 zu dulden.
Zur Begründung wird ausgeführt: In dem familiengerichtlichen Scheidungsverfahren der Antragstellerin zu 1 habe der Vater der Antragsteller zu 2 und 3 in der Sitzung vor dem Amtsgericht vom 1. August 2016 ausgeführt, dass er keine Aufenthaltsbeendigung seiner Kinder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gewünscht habe und er seine diesbezügliche Aussage nicht so gemeint habe. Der im familienrechtlichen Verfahren Bevollmächtigte habe ausgeführt, sein Mandant hätte einen Dolmetscher für diese Frage gebraucht. Im familiengerichtlichen Verfahren sei auch ein Dolmetscher für beide Parteien anwesend gewesen. Nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof diese Tatsachen im laufenden Verfahren für nicht berücksichtigungsfähig erachtet habe, habe die Antragstellerin zu 1 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG, die Antragsteller zu 2 und 3 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG bei der Antragsgegnerin beantragen lassen. Die Antragsteller zu 2 und 3 müssten sich nicht darauf verweisen lassen, einen Visumsantrag bei der deutschen Auslandsvertretung im Kosovo zu stellen, da mit einer Wartezeit von etwa zehn Monaten zu rechnen sei. Weil die Familie gerade wieder versuche, einen vertrauensvollen Umgang zu finden, sei eine Ausreise nicht hinnehmbar. Die Antragstellerin zu 1 habe ab dem 1. Oktober wieder eine Teilzeittätigkeit aufgenommen, um den Sozialhilfebedaf zu minimieren. Sie könne wegen der Betreuung der Kinder nicht Vollzeit arbeiten. Die Antragsteller zu 2 und zu 3 seien mittlerweile in der Schule; sie aus ihrem Umfeld herauszureißen, verstoße gegen Art. 6 GG. Die Bevollmächtigte der Antragsteller hat Nachweise nachgereicht, wonach der Vater der Antragsteller zu 2 und zu 3 Unterhalt zahle sowie über Einkünfte der Antragstellerin zu 1 aus einem Haupt- und einem Nebenjob.
Der Beklagte hat am 22. November 2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt: Bezüglich der Antragstellerin zu 1 läge das Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vor, so dass die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht vorliege. Die Antragstellerin zu 1 habe verspätet einen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels gestellt und die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf Grundlage eines unerlaubten Aufenthalts scheide aus. Die Antragstellerin zu 1 könne sich mangels dreijähriger Ehe weder auf ein Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG noch wegen besonderer Härte auf ein Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 AufenthG berufen. Vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck hätten die Antragstellerin zu 1 und ihr geschiedener Ehemann nur eine Umgangsvereinbarung geschlossen. Mindestens seit 2012 liege keine gelebte Lebensgemeinschaft der Antragsteller zu 2 und 3 und ihrem Vater vor. Seitdem sei das Verhältnis von der Gleichgültigkeit des Vaters und dem Desinteresse der Kinder geprägt. Eine vorübergehende Trennung der Kinder vom Vater während des Visumsverfahrens sei damit zumutbar, zumal ein Kontakt nur erschwert, nicht unmöglich gemacht werde. Eine nach Art. 6 GG zu berücksichtigende Eltern-Kind-Gemeinschaft lasse sich nicht allein nach Uhrzeiten bestimmen, der erforderliche qualifizierbare Betreuungsbeitrag sei aber nicht dargetan. Es bestünden erhebliche Bedenken, ob die Antragstellerin zu 1 ihren Lebensunterhalt sicherstellen könne. Der vorgelegte Arbeitsvertrag sei nur auf drei Monate befristet.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Ein Anordnungsanspruch, der durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gesichert werden könnte, ist nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung) oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (sog. Regelungsanordnung). Wesentliche Nachteile sind u.a. wesentliche rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Nachteile, die der Antragsteller in Kauf nehmen müsste, wenn er das Recht im langwierigen Hauptsacheprozess erstreiten müsste (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 123, Rn. 23). Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO sind sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den ein Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, glaubhaft zu machen. Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Eine einstweilige Anordnung ist nicht nur zu erlassen, wenn mit zweifelsfreier Sicherheit feststeht, dass das materielle Recht besteht, dessen Sicherung der Antragsteller im Fall des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erstrebt oder dessen Regelung er im Sinn von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO erreichen will. Es genügt vielmehr, dass das Bestehen dieses Rechts überwiegend wahrscheinlich ist, so dass der Rechtsschutzsuchende in der Hauptsache voraussichtlich obsiegen würde (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.). Grundsätzlich darf das Eilverfahren die Hauptsache nicht vorwegnehmen.
Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn nach summarischer Prüfung liegt kein Abschiebungshindernis vor.
1. Den Antragstellern steht kein Anspruch auf eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu.
Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung der Antragsteller in den Kosovo ist aber weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich.
a. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine tatsächliche Unmöglichkeit.
b. Auch ein rechtliches Abschiebehindernis ergibt sich für die Antragsteller nicht, weil durch ihre Abschiebung der Schutz von Ehe und Familie sowie des Privat- und Familienlebens nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt würden. Die Antragsteller zu 2 und 3 haben geltend gemacht, die Beziehung zu ihrem in Deutschland lebenden Vater aufrechterhalten zu wollen.
Die Rückkehr in den Kosovo ist den Antragstellern unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG und auf das Recht auf Familienleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK zumutbar. Art. 6 GG gewährt keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Allerdings folgt aus Art. 6 Abs. 1 GG ein Anspruch des Grundrechtsträgers und die korrespondierende Pflicht der Ausländerbehörden, dass diese bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen haben und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen haben (vgl. BVerfG, B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris Rn. 11 m.w.N.). Ebenso ist nach Art. 8 EMRK bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die familiäre Situation des Ausländers zu berücksichtigen (vgl. EGMR, U.v. 2.8.2001 – Boultif, Nr. 54273/00 – InfAuslR 2001, 476/478). Das von diesen Bestimmungen u.a. geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst, auch soweit es keinen familiären Bezug hat, die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen – angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen – bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2009 – 1 C 40.07 – juris Rn. 21; BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – juris Rn. 33).
Art. 6 GG und Art. 8 EMRK vermitteln den Antragstellern zu 2 und 3 keinen Duldungsanspruch. Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine enge Vater-Kind-Beziehung bereits tatsächlich gelebt würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. B. v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris) entfaltet Art. 6 GG nämlich nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen, sondern entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. auch VGH München, B. v. 24.11.2008 – 10 CE 08.3014 – juris; VGH München, B. v. 17.5.2013 – 10 CE 13.1065 – juris, VG München B. v. 23.10.2013 – M 10 E 13.3727 – juris).
Das Grundrecht aus Art. 6 GG steht der Abschiebung bereits nicht im Wege, da die familiäre Gemeinschaft mit dem – ebenfalls kosovarischen – Vater im Kosovo fortgeführt werden kann. Es wird diesbezüglich auf die ausführliche Begründung im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. Januar 2016 (M 10 K 15.187) verwiesen.
Darüber hinaus haben die Antragsteller auch im vorliegenden Verfahren die von Art. 6 GG geschützte enge, gelebte Beziehung zum Vater nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr geht aus den Akten hervor, dass der Antragsteller zu 3 auf Grund der Gewalterfahrungen nach der Einschätzung einer Psychologin jedenfalls Anfang letzten Jahres sogar eine ausgeprägt schlechte Beziehung zum Vater hatte. Die Bevollmächtigte der Antragsteller selbst ging in ihrer Bitte an das Katholische Büro Bayern von einer starken Beeinträchtigung des Antragstellers zu 3 durch die väterliche Gewalt aus. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass das aktuelle Verhältnis ein anderes ist oder dass der Antragsteller zu 2 ein besseres Verhältnis zu seinem Vater hat. Im Gegenteil geht aus dem Protokoll des Amtsgerichts vom 1. August 2016 hervor, dass der Vater die Antragsteller zu 2 und zu 3 im ersten Halbjahr 2016 überhaupt nur drei Mal gesehen hat. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass sich dies mittlerweile geändert hat. Konkrete Erlebnisse oder die Sicht der Kinder zu der Beziehung zum Vater wurden nicht geschildert. Selbst wenn der Vater im behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren versehentlich sich mit der Abschiebung seiner Kinder einverstanden erklärt haben sollte, ist der Eindruck, dass eine gelebte Gemeinschaft und ein Erziehungsbeitrag des Vaters nicht bestehen, nicht widerlegt. Die vor dem Amtsgericht geschlossene Umgangsvereinbarung ist für die tatsächlich gelebte Beziehung nicht von Belang. Zudem wurde bereits im Juli 2014 vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck eine Umgangsvereinbarung geschlossen, die ebenfalls den Vater berechtigte und verpflichtete, mit den Antragstellern zu 2 und 3 Umgang auszuüben. Eine Änderung der Sachlage durch die Umgangsvereinbarung vom 1. August 2016 liegt daher ohnehin nicht vor.
Auch wenn die Antragsteller sich in Deutschland eingelebt haben und die Antragsteller zu 2 und 3 mittlerweile in die Schule gehen und einen großen Teil ihres Lebens in Deutschland verbracht haben, verstößt eine Abschiebung nicht gegen Art. 8 EMRK. Grundvoraussetzung eines rechtlichen Abschiebungshindernisses aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ist die abgeschlossene „gelungene“ Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland (z.B. EGMR, U.v. 23.6.2008 – 1638/03 – Maslov – InfAuslR 2008, 333), die nicht automatisch mit einem bestimmten, auch längerfristigen Aufenthalt im Aufnahmeland einhergeht. Eine Aufenthaltsbeendigung kann vielmehr nur dann einen konventionswidrigen Eingriff in das „Privatleben“ im Verständnis des Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen, wenn der Ausländer wegen seines (längeren) Aufenthalts über so starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Kontakte zum Aufnahmestaat verfügt, dass er aufgrund der Gesamtentwicklung „faktisch zu einem Inländer“ geworden ist, dem wegen der Besonderheiten seines Falles ein Leben in dem Staat seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug (mehr) hat, schlechterdings nicht zugemutet werden kann (vgl. OVG Saarl, B.v. 30.4.2008 – 2 B 214/08 juris Rn. 11). Dies ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Antragstellerin zu 1 hat lange im Kosovo gelebt, was ihr die Rückkehr dorthin erleichtern wird. Es ist zu erwarten, dass die Antragsteller zu 2 und zu 3 sich im Kosovo ebenfalls wieder gut integrieren können. Da ihre Mutter deutsch gerade erst lernt, ist anzunehmen, dass die Antragsteller zu 2 und zu 3 die albanische Sprache sehr gut beherrschen. Die Antragsteller zu 2 und zu 3 besuchen die Grundschule, jedoch ist aufgrund dessen noch nicht von einer so starken Verwurzelung im Bundesgebiet auszugehen, dass eine Integration im Heimatland nicht mehr möglich wäre.
Auch ein Duldungsanspruch der Antragstellerin zu 1 ist nicht ersichtlich.
2. Auch eine Duldung im Ermessensweg nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kommt nicht in Betracht. Dringende humanitäre oder persönliche Gründe im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG für eine Ermessensduldung wurden von den Antragsstellern nicht dargelegt. Dringende humanitäre oder persönliche Interessen liegen vor, wenn die persönlichen Interessen des Betroffenen an der weiteren vorübergehenden Anwesenheit im Bundesgebiet schwerer wiegen, als das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der Ausreisepflicht. Besondere Belange können beispielsweise die Durchführung einer Operation, die Betreuung eines erkrankten Angehörigen oder der kurz bevorstehende Abschluss einer Schulausbildung sein (vgl. Kluth, in: BeckOK Ausländerrecht, 11. Edition Stand: 15.08.2016, § 60a Rn. 23 f.). Solche Gründe haben die Antragsteller nicht vorgebracht. Allein dass die Antragsteller zu 2 und 3 bereits in die Schule gehen, stellt keinen Grund im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG dar. Der Antrag war daher abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.