Aktenzeichen B 1 K 17.33434
Leitsatz
1. Der klägerische Vortrag, von Blutrache verfolgt zu werden, begründet keine Verfolgung aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Asyl), da es sich dabei um eine Auseinandersetzung im privaten Bereich ohne Anknüpfung an die genannten Merkmale handelt. Die betroffene Familie kann zwar grundsätzlich eine bestimmte soziale Gruppe iSd § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG bilden, jedoch müsste hierfür das Merkmal vorliegen, dass die Familie aufgrund einer deutlich abgegrenzten Identität von der umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen einer sog. Blutrache verübte Kapitaldelikte sind auch in Georgien strafbar, gleiches gilt für Bedrohungen oder Körperverletzungsdelikte, sodass auf internen Schutz nach § 3e AsylG zu verweisen ist. (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar kann in der Bedrohung durch die sog. „Blutrache“ eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung iSd § 4 Abs. 1 S. 2 AsylG gesehen werden, jedoch ist auch hier auf den Schutz der georgischen Behörden und ggf. einen Umzug in einen anderen Landesteil zu verweisen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Die zulässigen Klagen haben in der Sache keinen Erfolg, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 8. November 2017 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Denn die Kläger erfüllen weder die Voraussetzungen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG noch auf Asylanerkennung; auch ist ihnen der subsidiäre Schutzstatus nach § 4 AsylG nicht zuzusprechen. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Als rechtmäßig erweisen sich auch die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Das Gericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die Begründung im angefochtenen Bescheid des … (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist zum Vorbringen im gerichtlichen Verfahren Folgendes auszuführen:
a. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft dann nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG). Dabei ist sowohl bei der Prüfung des Flüchtlingsschutzes (§ 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 AsylG) als auch des subsidiären Schutzes durch die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote als Prognosemaßstab einheitlich der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen. Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG). Danach besteht bei vorverfolgt Ausgereisten die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung (hierzu: BVerwG, U. v. 27. April 2010, Az. 10 C 5/09).
Es obliegt dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es – unter Angabe genauer Einzelheiten – einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U. v. 27.8.2013, Az.: A 12 S 2023/11; Hess. VGH, U. v. 4.9.2014, Az.: 8 A 2434/11.A).
Eine Verfolgung wegen der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Asyl genannten Merkmale liegt in der Person der Kläger nicht vor.
Eine Verfolgung der Klägerinnen zu 2 und 4 wird schon nicht geltend gemacht, da ihren Angaben zufolge die sog. Blutrache nicht an Frauen und Mädchen vollzogen werde. Die Kläger zu 1 und 3 tragen klagebegründend vor, wegen eines Vorfalls aus dem Jahr 2002, bei dem ein Bruder bzw. Onkel der Kläger zu 1 und 3 und zwei Personen der Familie … zu Tode gekommen seien, von Blutrache verfolgt zu werden. Darin ist aber keine Verfolgung aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu sehen. Vorliegend handelt es sich um eine Auseinandersetzung im privaten Bereich ohne Anknüpfung an die genannten Merkmale. Die Kläger werden auch nicht wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG verfolgt. Nach dieser Vorschrift gilt eine Gruppe insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten (Buchst. a), und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (Buchst. b). Aus dieser Regelung ergibt sich zwar, dass die Familie grundsätzlich eine bestimmte soziale Gruppe bilden kann. Es fehlt vorliegend jedenfalls an dem Merkmal, dass die Familie der Kläger aufgrund einer deutlich abgegrenzten Identität von der umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird, vielmehr berufen sich die Kläger nicht darauf, wegen der Zugehörigkeit zu den Kisten verfolgt zu werden. Sie beklagen im Gegenteil gerade eine Verfolgung durch solche, da diese eine den staatlichen georgischen Regelungen zuwider laufende Praxis der „Blutrache“ praktizierten, der sie sich nicht entziehen könnten.
Aber selbst wenn man bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe bejahen würde, läge keine relevante, fluchtauslösende Verfolgung vor (hierzu aa) bzw. wären die Kläger auch auf den internen Schutz nach § 3e AsylG zu verweisen (hierzu bb).
aa. Eine durch staatliche Organe vorliegende Verfolgung haben die Kläger nicht geltend gemacht. Im Gegenteil haben sie vorgetragen, dass man sich bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden erst gar nicht an staatliche Behörden wende und um deren Schutz nachsuche. Man regle das unter sich. Bezeichnenderweise hat die Klägerin zu 2 angegeben, dass bei ihnen „jeder jeden prügele“.
Abgesehen davon, dass die Kläger zu 1 und 2 beim … den Sachverhalt aus dem Jahr 2002 und insbesondere die Todeszeitpunkte der betroffenen Personen unterschiedlich angeben, weist auch die vorgelegte Bescheinigung in Bezug auf den Sachverhalt einen Widerspruch auf. Denn schließlich ist nicht erklärbar, weshalb der Ältestenrat zwei Tote bestätigen soll, wenn es in Wahrheit insgesamt drei Tote gewesen sein sollen. Schließlich kommt es hierauf aber nicht entscheidungserheblich an, weil der klägerische Vortrag insgesamt gesehen zum einen widersprüchlich ist hinsichtlich einer tatsächlichen Verfolgungssituation und zum anderen es den Klägern zuzumuten wäre, sich an die georgischen Behörden zu wenden. Soweit die Kläger eine Verfolgung durch Mitglieder der Familie … geltend machen, ist eine dauerhafte und unmittelbare Bedrohung, die es den Klägern landesweit unmöglich gemacht hätte, dort zu leben, auch ihren eigenen Schilderungen nach nicht zu entnehmen. Weshalb nunmehr durch die Familienmitglieder teils gesteigerte Schilderungen angeblicher Verfolgungssituationen vorgetragen werden, ist nicht schlüssig erklärbar, auch nicht mit den nunmehr vorgetragenen angeblichen Unzulänglichkeiten der Anhörung. Der Kläger zu 1 wurde 65 Minuten angehört, die Klägerin zu 2 60 Minuten. Der Kläger zu 1 hat auf eine konkrete Frage („Sind Sie selbst einmal bedroht worden?“) geantwortet, dass er persönlich nicht bedroht worden sei, er habe Angst um seine Kinder (vgl. Bl. 5 des Anhörungsprotokolls). Als konkreten Anlass hat der Kläger zu 1 angegeben, damit die Kinder einer Familie ihres Clans in Ruhe studieren könnten, seien sie ausgereist. Dann habe diese Familie nichts zu befürchten, wenn sie selbst weg seien. Bei seiner Anhörung hat der Kläger zu 1 lediglich angegeben, dass nunmehr, nachdem die Söhne groß seien, es dazu komme, dass sie von den Söhnen der verfeindeten Familie herausgefordert und dann geschlagen würden. Schließlich ist damit diesen Angaben zu entnehmen, dass der Kläger zu 1 befürchtet, dass es weiter zu einem Aufeinandertreffen der Söhne und zu einem Streit kommen werde, was er vermeiden wolle. Die Klägerin zu 2 hat angegeben, dass erst, als die Kinder groß geworden seien, es zu Streitereien gekommen sei. Ihr Mann sei früher nur leicht verbal bedroht worden, hauptsächlich gehe es aber um die Jungs. Ein konkretes Ereignis für die Ausreise habe es nicht gegeben. Soweit die Kläger nun vortragen, die Anhörung beim … sei für sie nachteilig und fehlerhaft verlaufen, kann dem nicht gefolgt werden. Die Kläger waren gehalten, von sich aus konkrete Ereignisse zu schildern. Im Übrigen wurden sie auch konkret danach gefragt. Wenn nun der Kläger zu 1 vorträgt, er habe sich aus Furcht vor Blutrache seit März oder April 2015 bis zum Sommer 2016 in Grosny aufgehalten und ca. Ende August 2017 habe er eine Bedrohung seiner Person mitangehört, steht dies in Widerspruch zu seinen Angaben beim Bundesamt und stellt durchaus ein gesteigertes Vorbringen dar. Außerdem steht dieses Vorbringen auch im Widerspruch zu seinen Angaben beim Bundesamt hinsichtlich des Vorfalls vom Sommer 2015, als sein Sohn schwer geschlagen nach Hause gekommen sei und ihm nicht habe sagen wollen, was passiert sei, denn zu jenem Zeitpunkt will sich der Kläger zu 1 in Grosny aufgehalten haben. Nunmehr hat der Kläger zu 1 in seiner schriftlichen Stellungnahme vortragen lassen, er sei früher mit dem Leben bedroht worden, in der mündlichen Verhandlung hat er erstmals von einem nächtlichen Vorfall Ende August 2017 berichtet, bei dem er eine Drohung gegen seine Person belauscht habe. Die Kläger wurden eingangs darüber belehrt, dass sie alle Daten und Fakten vortragen müssen. Es war daher für die Kläger klar ersichtlich, dass sie neben den pauschalen Aussagen, sie seien verfolgt worden, zumindest die nunmehr im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen ganz konkreten Vorfälle zu schildern gehabt hätten.
Selbst wenn man annimmt, dass es neben der Verletzung in 2002 weitere körperliche Auseinandersetzungen gegeben hat, bei denen der Kläger zu 3 blaue Flecken und sonstige Verletzungen erlitten hat (die Klägerin zu 2 spricht als Ausreisemotivation Streitfälle zwischen den Jungen an), ist doch zu konstatieren, dass die Kläger immerhin fünfzehn Jahre seit dem Ereignis in ihrer Heimatgemeinde gelebt haben. Schließlich kann wohl von Blutrache im herkömmlichen Sinn keine Rede mehr sein. Denn dass die Mitglieder der Familie … die Absicht gehabt hätten, die Blutrache tatsächlich umzusetzen, d.h. eine Person der Familie der Kläger tatsächlich zu töten, ist nach den Schilderungen der Kläger und insbesondere auch dem Zeitablauf nicht glaubhaft dargetan. Seit dem Jahr 2002 ist es bislang „nur“ zu Schlägereien unter den Jugendlichen gekommen, so dass hieraus zwar der Schluss gezogen werden kann, dass es sich vorliegend wohl schon um zwei verfeindete Familien handelt, wobei die Familie … offensichtlich aber vor gravierenden Schritten trotz Gelegenheit hierzu in den vergangenen fünfzehn Jahren zurückgeschreckt ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1, der bei dem Vorfall 17 Jahre alt gewesen ist, in seinem Heimatort lange Jahre gelebt hat. Aus welchen Gründen gerade in 2014 ein erneuter Versöhnungsversuch vom Ältestenrat gestartet worden sein soll, wurde von den Klägern nicht überzeugend dargestellt. Weshalb der Kläger zu 1 nicht bereits beim … angegeben hat, über ein Jahr in Grosny gearbeitet zu haben, erschließt sich zudem nicht und kann in diesem Kontext durchaus als gesteigertes Vorbringen gewertet werden um eine mögliche Gefährdung seiner Person zu begründen. Zudem hat er in seiner schriftlichen Stellungnahme von einem jahrelangen Aufenthalt in Grosny gesprochen, während er nunmehr in der mündlichen Verhandlung etwas mehr als ein Jahr angibt. Wieso er aber in den zurückliegenden Jahren (nach 2002) einer derartigen Gefahr nicht ausgesetzt gewesen sein soll, wurde nicht überzeugend dargelegt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass, den Wahrheitsgehalt dieser Angaben unterstellt, es für den Kläger zu 1 und seinen Sohn … offensichtlich kein Problem dargestellt hat, den Sohn Ismail allein mit seiner Mutter und den Schwestern im Dorf zu lassen. Hinzu kommt, dass der Kläger zu 1 in der mündlichen Verhandlung nun selbst angegeben hat, dass sich die Polizei in Sachverhalte wie den vorliegenden einmische. Die Kläger sind daher gehalten, in ihrem Heimatland die Hilfe und Unterstützung der dortigen schutzwilligen und schutzbereiten Behörden in Anspruch zu nehmen. Solange sie dies nicht zumindest versucht haben, und die Angaben des Sohnes … im Hinblick auf die Auseinandersetzungen bei dem Pferderennen im August 2017 zeigen, dass sich die Polizei einmischt, können sie nicht damit durchdringen, in einem anderen Land um Schutz nachzusuchen.
bb. Aus der Gesamtheit der mündlichen Verhandlung und den Angaben sowohl der Kläger im vorliegenden Verfahren als auch des Sohnes … zur Stellung des Ältestenrates hat das Gericht zudem die Überzeugung gewonnen, dass diese zuletzt die Ausreise weniger mit einer konkreten und realen Gefahr ihrer Personen begründen, sondern schlussendlich auf das Votum des sog. Ältestenrates stützen, zu dessen Entscheidung sie angeblich keine Alternative gehabt hätten. Das Votum des sog. Ältestenrates steht aber nicht über den georgischen Gesetzen. Die Kläger müssen sich daher an die staatlichen Behörden wenden und um deren Schutz nachsuchen. Im Rahmen einer sog. Blutrache verübte Kapitaldelikte sind auch in Georgien strafbar, gleiches gilt für Bedrohungen oder Körperverletzungsdelikte. Die Kläger sind daher gehalten, sich unter den Schutz des georgischen Staates zu stellen. Auch die Volksgruppe der Kisten steht nicht außerhalb der dortigen Rechtsordnung. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der georgische Staat nicht schutzwillig oder nicht schutzfähig wäre, wenn auch ein allzeitiger und allumfassender Schutz von keinem Staatswesen auf der Welt erwartet werden kann. Nach dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11. Dezember 2017 gehört der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Nach dem Machtwechsel wurden in diesem Bereich große Fortschritte erzielt, von Machtmissbrauch von Amtsträgern ist nicht mehr die Rede. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter von Regeln werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Es kann aber nicht von einer Schutzunwilligkeit ausgegangen werden. Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die begonnene juristische Aufarbeitung sowie Reformen in Polizei und erkennbare Verbesserungen im Strafvollzug, inklusive radikaler Veränderungen im Gefängnismanagement, haben Vorfälle von Gewaltanwendung durch Beamte überaus deutlich reduziert. Ombudsmann und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an (BFA Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2. November 2016).
Zur Problematik der Blutrache stellt das Auswärtige Amt in seiner Auskunft an das BAMF vom 6. Januar 2015 zudem fest, dass Blutrache nach Auskunft des Innenministeriums von Georgien, Abteilung Zentrale Kriminalpolizei, seit den 1990er Jahren kaum noch vorkommt. Der letzte bekannte Fall von Blutrache datiert aus dem Jahr 2008. Blutrache wird verfolgt und durch die Polizei- und Sicherheitsbehörden (nach eigener Auskunft) unterbunden. Staatlicher Schutz steht in Form von Zeugenschutzprogrammen zur Verfügung. Zwar wird in dieser Auskunft auch davon gesprochen, dass es in 2014 zu Tötungsdelikten an Ehefrauen durch deren Ehemänner gekommen sei trotz Schutzersuchens, dies betrifft aber offensichtlich nicht die Problematik der Blutrache und kann das generelle Fehlen einer generellen Schutzwilligkeit und – fähigkeit nicht begründen. Von einer allgemeinen gesellschaftlichen Akzeptanz der Blutrache, die über der georgischen Rechtsordnung stünde, kann nach dieser Auskunft nicht ausgegangen werden, zumal sich die in den Auskünften genannten Vorfälle allesamt in der Volksgruppe der Svanen zugetragen haben. Schließlich legen auch die Aussagen der Kläger nahe, dass der die Ausreise prägende Entschluss durch das Votum des Ältestenrates, das die Kläger offensichtlich als bindend ansehen, hervorgerufen worden ist, nicht jedoch aufgrund einer tatsächlichen eigenen gefühlten oder wahrgenommenen Bedrohung.
Ergänzend hierzu schließt eine zumutbare inländische Fluchtalternative nach § 3e AsylG eine Schutzgewährung aus. Den Klägern ist es danach zuzumuten, im Familienverband in einem anderen Landesteil in Georgien ihren Aufenthalt zu nehmen und sich so dem Einflussbereich ihrer Heimatgemeinde und den dortigen möglichen Gewohnheiten zu entziehen. Denn offensichtlich ist es ist auch nach den klägerischen Angaben wohl bei mehr oder weniger zufälligen Aufeinandertreffen zu den jeweiligen körperlichen Auseinandersetzungen gekommen.
Insgesamt gesehen ist das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Kläger nunmehr, nach mehr als fünfzehn Jahren seit dem geschilderten Vorfall in einer derart gefährlichen Lage aufgrund einer noch immer bestehenden Blutrachesituation befunden haben sollen, die es ihnen unmöglich gemacht haben soll, in Georgien – auch nicht in einem anderen Landesteil – zu leben.
b. Da die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen ist, entfällt ebenso ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG. Denn eine politische Verfolgung kann in dem Vorbringen der Kläger nicht gesehen werden.
c. Aus den unter a. dargestellten Gründen liegen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG nicht vor. Den Klägern droht bei einer Rückkehr nach Georgien kein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG. Insbesondere droht den Klägern nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine von nichtstaatlichen Akteuren ausgehende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, wobei der georgische Staat nicht in der Lage oder willens sein müsste, den Klägern ausreichenden Schutz zu gewähren. Zwar kann in der Bedrohung durch die sog. „Blutrache“ eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gesehen werden, jedoch müssen die Kläger – wie oben aufgeführt – auf den Schutz der dortigen Behörden und ggf. einen Umzug in einen anderen Landesteil verwiesen werden.
d. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind unter Verweis auf obige Ausführungen ebenfalls nicht gegeben.
e. Der Bescheid des … gibt schließlich hinsichtlich der Ziffer 5, wonach die Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert worden sind, keinen Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber den Klägern entgegenstünden, nicht ersichtlich.
f. Die Entscheidung des …, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 bis 3 AufenthG auf 30 Monate zu befristen, gibt im Rahmen der dem Gericht möglichen Überprüfung (vgl. § 114 VwGO) keinen Anlass zur Beanstandung (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 11 ZB 16.30463).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.