Verwaltungsrecht

Keine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis – Begehung von Straftaten

Aktenzeichen  M 9 S 19.4435

Datum:
27.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 13876
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, § 25 Abs. 4 S. 1, § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Beabsichtigt ein Ausländer schon bei der Einreise einen Aufenthalt, der  wegen der Überschreitung des zeitlichen Rahmens für einen visumfreien Aufenthalt eines Visums bedurft hätte, kann auch fehlender Vorsatz nicht verhindern, dass eine unerlaubte Einreise vorliegt; lediglich die Strafbarkeit kann bei einem fehlenden Vorsatz entfallen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausweisungsgründe stehen der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht entgegen, wenn sie unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AufenthG bezeichneten Gesichtspunkte das private Interesse des Ausländers an der Gewährung eines nationalen Daueraufenthaltsrechts nicht überwiegen (wie VGH BW BeckRS 2009, 38006).  (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis bzw. seines Antrags auf einen Aufenthaltstitel und die damit verbundene Abschiebungsandrohung.
Der am 4. Januar 1975 in Kotor Varoš geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina. Er war lange als Autohändler in Deutschland erwerbstätig. Aktuell arbeitet er als freier beratender Experte einer Sicherheitsfirma. Sein Vater lebt in Bosnien-Herzegowina und seine Schwester in Augsburg. Erstmalig ist er im April 2001 in das Bundesgebiet eingereist.
Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlingen vom 27. August 2002 wurde er als Asylberechtigter anerkannt. Am 19. September 2006 wurde ihm nach § 26 Abs. 3 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Mit Bescheid vom 6. Februar 2008 wurde die Anerkennung als Asylberechtigter widerrufen. Der Bescheid wurde am 24. November 2012 bestandskräftig.
Der Antragsteller ist diverse Male strafrechtlich in Erscheinung getreten. Unter anderem wurde er zwei Mal wegen fahrlässigen Fahren ohne Fahrerlaubnis und viermal wegen vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis bestraft. Zuletzt wurde gegen ihn mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 13. März 2016 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verhängt.
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgericht München vom 22. Juni 2016 wurde er wegen 19 Fällen des Missbrauchs von Wegstreckenzählern in Tatmehrheit mit 18 Fällen des Betrugs in Tatmehrheit mit 12 Fällen der Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Freiheitsstrafe aus dem Strafbefehl vom 13. März 2016 wurde miteinbezogen. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller Wegstreckenzähler hinsichtlich der Gesamtlaufleistung manipulierte und die Fahrzeuge an ahnungslose Käufer veräußerte. Dazugehörige Servicehefte manipulierte er ebenfalls. Der Antragsteller handelte, um sich durch die wiederholte Tatbegehung eine Einnahmequelle von nicht unerheblichem Umfang und Dauer zu erschließen. Im Rahmen der Strafzumessung und der Aussetzung zur Bewährung wurde dabei jeweils zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigt, dass er sich gegenüber der Polizei kooperativ gezeigt habe.
Derzeit laufen noch strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller. Unter anderem wird, wie sich aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgericht München vom 4. März 2019 ergibt, wegen Bestechung nach § 334 Abs. 1 StGB in drei tatmehrheitlichen Fällen ermittelt. Nach dem Beschluss besteht der Verdacht, dass der Antragsteller den Kriminalhauptkommissar H. nach § 334 Abs. 1 StGB bestochen hat. Unter anderem hat der Kriminalhauptkommissar H. auch am 19. Dezember 2016 ein Telefax an die Antragsgegnerin gesendet, in dem er bewusst der Wahrheit zu wider mitgeteilt haben soll, dass der Antragsteller für diesen als Vertrauensperson in mehreren Verfahren tätig sei.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2017 wurde die Niederlassungserlaubnis widerrufen (Ziffer 1.) und mitgeteilt, dass nach Bestandskraft des Bescheides auf Antrag eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (Ziffer 2.). Der Aufenthaltstitel könne nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG widerrufen werden, da die Anerkennung als Asylberechtigter widerrufen worden sei. Eine Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG stehe entgegen, dass aufgrund der wiederholten Straffälligkeit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung i. S. d. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG bestehe.
Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20. März 2017 Klage. Das Verfahren (M 9 K 17.1168) wurde mit Beschluss vom 9. Mai 2017 eingestellt, da der Antragsteller die Klage mit Fax vom 8. Mai 2017 zurückgenommen hatte. Am 11. Juli 2017 wurde dem Antragsteller eine bis zum 10. Juli 2019 gültige befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erteilt. Mit Schriftsatz vom 12. April 2019 beantragte der Antragsteller das Verfahren M 9 K 17.1168 fortzuführen und erklärte die Klagerücknahme anzufechten. Dem Antragsteller sei ein befristeter Aufenthaltstitel versprochen worden und danach eine erneute Verhandlung über die Niederlassungserlaubnis. Nun sei er aber über eine Rücknahme seines Aufenthaltstitels angehört worden. Es sei eine arglistige Täuschung zu prüfen. Eine Entscheidung über die Fortführung ist noch nicht erfolgt (M 9 K 19.1786). Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2019 erhob der Antragsteller eine weitere Klage gegen den Bescheid vom 20. Februar 2017. Auch dieses Verfahren ist noch rechtshängig (M 9 K 19.2296).
Am 17. Juni 2019 wurde ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gestellt. Im Rahmen der Anhörung stellte der Bevollmächtige des Antragstellers klar, dass es ihm auch um eine Niederlassungserlaubnis gehe, wie auch in den anderen Verfahren dargelegt, stünden die Straftaten einer Erteilung nicht entgegen. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8. August 2019 ab. Gleichzeitig drohte sie eine Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina bzw. einen anderen Staat, in den der Antragsteller einreisen darf oder der zur Rücknahme verpflichtet ist, an. Eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG sei im Hinblick auf die wiederholte Straffälligkeit und die damit entgegenstehenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht möglich. Andere Anspruchsgrundlagen für eine unbefristetes Aufenthaltsrecht seien nicht ersichtlich. Für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG seien die Voraussetzungen zwischenzeitlich entfallen. Ein behördliches Interesse an der weiteren Anwesenheit im Bundesgebiet bestehe nicht mehr. Das Landeskriminalamt habe bestätigt, dass der Antragsteller nicht als Vertrauensperson der Polizei gearbeitet habe. Jedenfalls sei er aber aktuell kein Unterstützer der Polizei mehr. Die Gründe für ein Entfallen der Voraussetzungen seien unbeachtlich. Das anhängige Ermittlungsverfahren wegen Bestechung begründe auch keine erheblichen öffentlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet, da im frühen Stadium des Verfahrens die Notwendigkeit einer Mitwirkung des Antragstellers nicht feststehe. Bei Bedarf könne der Antragsteller auch visumsfrei im Wege eines Touristenaufenthalts ins Bundesgebiet einreisen. Im Falle eine Abschiebung sei des Weiteren nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft einzuholen, sodass insoweit eine Beendigung trotz entgegenstehender öffentlicher Interessen ausgeschlossen sei.
Am 28. August 2019 hat der Antragsteller Klage erhoben. Er beantragt darüber hinaus:
Die aufschiebende Wirkung der am 29. August 2018 erhobenen Klage gegen die Ablehnung des Aufenthaltstitels und die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin gehe zu Unrecht davon aus, dass der Antragsteller aufgrund der begangenen Straftaten die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nicht erfülle. Es werde verkannt, dass es sich bei der Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren um die erste Bewährungsstrafe handele und eine zweite nur mit einbezogen worden sei. Ansonsten seien im Bundeszentralregister lediglich Geldstrafen vornehmlich aus dem Bereich der Verkehrsdelikte zu verzeichnen. Im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz werde darauf hingewiesen, dass im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin zahlreiche Probanden zu finden seien, welche trotz langjähriger Vollzugsstrafen nicht das Bundesgebiet verlassen müssten. Außerdem habe die Antragsgegnerin ursprünglich den Antragsteller nur ausweisen wollen, wenn eine langjährige Freiheitsstrafe verhängt werde. Dies ergäbe sich aus dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts München vom 4. März 2019, welcher im Rahmen der Ermittlungen gegen den Antragsteller wegen Bestechung gemäß § 334 Abs. 1 StGB ergangen sei. Seit der letzten Verurteilung habe er sich rechtstreu verhalten und mit den Ermittlungsbehörden kooperiert. Er sei als Informant bzw. Vertrauensperson vom Polizeipräsidium München angeworben worden und auch für diese tätig geworden. Dies könne belegt werden und der Missbrauch von Kompetenzen der beteiligten Beamten in diesem Zusammenhang könnte nicht zu Lasten des Antragstellers gehen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass sich die zuständige Sachbearbeiterin der Antragsgegnerin von einem Polizisten so leicht habe täuschen lassen. Aufgrund des aktuellen Ermittlungsverfahren wegen Gefangenenbefreiung, Bestechung und Verrat von Dienstgeheimnissen gegen den Antragsteller könne er nicht abgeschoben werden, da er ansonsten unzulässig in seinen Verteidigungsmöglichkeiten beschränkt werde. Er gehe davon aus, dass die laufenden Strafverfahren allesamt eingestellt werden. Insgesamt fühle sich der Antragsteller von den Behörden getäuscht als er auf einen starken Aufenthaltstitel verzichtet habe und nunmehr versucht werde ihm sämtliche Bleiberechte abzuerkennen. Eine neue Verurteilung wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis läge nicht vor. Es gelte der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Der Antragsteller habe zahlreiche laufende Verträge in M. Seinen Vater in Bosnien-Herzegowina habe er nur aufgrund dessen angeschlagenen Gesundheitszustands öfter besucht. Eine Abschiebung sei unverhältnismäßig.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Dem Antrag fehle inzwischen das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller habe das Bundesgebiet verlassen und sei am 2. Februar 2020 unerlaubt wieder eingereist. Der Antragsteller sei schon aufgrund dessen nach § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig. Bei der unerlaubten Einreise habe er gegenüber der Polizei unzutreffende Angaben gemacht. Er habe dabei zwei Straftatbestände verwirklicht.
Mit Schriftsatz vom 23. März 2020 hat der Antragsteller nochmals Stellung genommen. Im Rahmen der Einreise am 2. Februar 2020 habe er keine falschen Angaben gegenüber der Polizei gemacht. Des Weiteren sei der Antragsteller davon ausgegangen, dass er sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten dürfe. Er sei auch nur 150 m über die Grenze gefahren, um ein liegengebliebenes Fahrzeug zurück zu holen. Ein Einreiseverbot bestehe nicht. Mit seinem bosnischen Reisepass sei er berechtigt sich 180 Tage in Deutschland aufzuhalten. Der Antragsgegnerin sei auch bekannt, dass der Antragsteller zwei Mal im Monat seinen kranken Vater in seinem Herkunftsland besuche und in Österreich arbeite. Aufgrund dessen sei ihm von der Antragsgegnerin auch sein Reisepass ausgehändigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren M 9 K 17.1168, M 9 K 19.1786, M 9 K 19.2296, M 9 K 19.4433, die Gerichtsakte in diesem Verfahren und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist hinsichtlich der Ablehnung eines Aufenthaltstitels statthaft, da auf Grund der Ablehnung des Antrages auf Verlängerung des Aufenthaltstitels die Klage kraft Gesetzes nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung hat. Obwohl in der Hauptsache die Verpflichtungsklage auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis die richtige Klageart ist, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis führt zum Erlöschen der Fiktionswirkung des Verlängerungsantrags (§ 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Der Antragsteller ist auf Grund der Versagung der Aufenthaltserlaubnis vollziehbar ausreisepflichtig nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Die Ablehnung stellt damit für den Antragsteller eine belastende Regelung dar. Rechtsschutzziel des vorliegenden Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist, dass der Antragsteller mangels vollziehbarer Ausreisepflicht bis zur Entscheidung über die Hauptsache nicht abgeschoben werden kann. Ob er dieses Ziel mit seinem Antrag überhaupt erreichen kann, ist zumindest fraglich, da er aufgrund der späteren Aus- und Wiedereinreise zusätzlich nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wegen einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist. Auch aus diesem Grund ist eine Abschiebung denkbar (vgl. Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 82; für ein Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses abhängig vom Grund, auf den die Abschiebungsandrohung gestützt wird VGH BW, B.v. 26.1.2010 – 11 S 2482/09 – juris Rn. 16). Im Ergebnis kann das Vorliegen eines Rechtschutzbedürfnisses offenbleiben, da der Antrag jedenfalls unbegründet ist.
Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung ist der Antrag ebenfalls statthaft, da die Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung hat.
2. Der Antrag ist unbegründet. Im Rahmen des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Dabei ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, wenn das private Aussetzungsinteresse das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung überwiegt. Maßgeblich im Rahmen der Interessenabwägung sind dabei die Erfolgsaussichten der Klage, nach summarischer Prüfung, im Hauptsachverfahren. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse, da nach summarischer Prüfung die zulässige Klage unbegründet ist. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis aus § 8 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG.
Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern.
Im Ergebnis kann dabei offenbleiben, ob der Antragsteller jemals als Vertrauensperson der Polizei eingesetzt war. Dies ist für den Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG unbeachtlich, da zum jetzt maßgeblichen Zeitpunkt keine solche Tätigkeit vorliegt. Ein erhebliches öffentliches Interesse an der weiteren Anwesenheit des Antragstellers besteht nicht. Die laufenden Ermittlungsverfahren u.a. wegen Bestechung begründen ebenfalls kein erhebliches öffentliches Interesse an der vorübergehenden Anwesenheit des Antragstellers. Weshalb der Antragsteller in seinen Verteidigungsmöglichkeiten als Beschuldigter beeinträchtigt seien sollte, ist nicht erkennbar und vom Bevollmächtigten lediglich behauptet worden. Eine Anwesenheit, um als Zeuge auszusagen, kann zwar grundsätzlich erhebliche öffentliche Interessen am vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet begründen (vgl. 25.4.1.6.3 zu § 25 Allgemeine VwV zum AufenthaltsG). Aber insoweit ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, weshalb hierfür die Möglichkeit einer visumsfreien Einreise für bis zu 90 Tage nicht ausreichend seien sollte.
Der Anspruch aus § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist des Weiteren schon deswegen ausgeschlossen, da der Antragsteller aufgrund der unerlaubten Einreise nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig ist.
Der Antragsteller bedurfte nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit sind (Visa-VO 2018) als Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina für das Überschreiten der Außengrenze der Bundesrepublik für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, grundsätzlich keines Visums. Eine titelfreie (d. h. visumfreie) Einreise ist allerdings nur dann als erlaubt i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG anzusehen, wenn der beabsichtigte Aufenthaltszweck nur auf einen Kurzaufenthalt i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Visa-VO 2018 gerichtet ist. Daher ist unter dem Aspekt der Aufenthaltsdauer für die Frage, ob eine Befreiung von der Visumpflicht nach Art. 4 Abs. 1 Visa-VO 2018 besteht, maßgeblich, welche Absichten bzw. Vorstellungen die Betreffenden im Zeitpunkt der Einreise haben. Für die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift des Art. 4 Abs. 1 Visa-VO 2018 kommt es somit darauf an, ob der Ausländer schon bei der Einreise einen Aufenthalt beabsichtigt, der wegen der Überschreitung des zeitlichen Rahmens eines Visums bedurft hätte. Folglich reist ein Staatsangehöriger eines der in Anhang II der Visa-VO 2018 genannten Staaten unerlaubt ein, wenn er bereits bei der Einreise die Absicht hat, sich länger als 90 Tage im Bundesgebiet oder im Gebiet der Anwenderstaaten aufzuhalten (BayVGH, B v. 21.6.2013 – 10 CS 13.1002 – BeckRS 2013, 53428, beck-online). Der Antragsteller ist unerlaubt nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eingereist, weil er bei der Einreise den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besaß. Er beabsichtigte bereits bei der Einreise, weiter dauerhaft in Deutschland zu leben. Es ist unbeachtlich, dass der Antragsgegnerin bekannt gewesen seien soll, dass der Antragsteller diverse Male aus dem Bundesgebiet aus- und wiedereingereist ist und auch zukünftig dies vorhatte. Eine unerlaubte Einreise und die damit verbundene vollziehbare Ausreisepflicht entstehen kraft Gesetzes. Auch ein fehlender Vorsatz des Antragstellers würde nicht verhindern, dass eine unerlaubte Einreise vorliegt (BVerwG, U.v. 25.3.2015 – 1 C 19/14 – BVerwGE 151, 377, Rn. 25). Lediglich die Strafbarkeit kann bei einem fehlenden Vorsatz entfallen. Dass nach der Darstellung des Antragstellers am 2. Februar 2020 nur eine kurze Ausreise nach Tschechien mit sofortiger Rückkehr vorlag, verhindert die unerlaubte Einreise ebenfalls nicht. Bereits mit Überschreitung der Landesgrenze ist die Ein- bzw. Ausreise vollendet.
b) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 9 Abs. 2 AufenthG, da schon Gründe der öffentlichen Sicherheit der Erteilung entgegenstehen.
Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach Abschnitt 5 des AufenthG besitzt, kann nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz1 1 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Zum für das Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung war der Antragsteller noch im Besitz der befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG (vgl. Maaßen/Kluth in: BeckOK AuslR, 24. Ed. 1.8.2019, AufenthG § 26 Rn. 25).
Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ist eine der Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländers ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen.
Die Sonderregelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG verdrängt, soweit es um Ausweisungsinteressen geht, die sich auf Straftaten beziehen, die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (BVerwG, U.v. 16.11.2010 – 1 C 21.09 – juris Rn. 12 f.).
Das Ausweisungsinteresse bzw. die Gefahr für die öffentliche Sicherheit resultiert vorliegend aus den Straftaten des Antragstellers, insbesondere aus der Verurteilung vom 22. Juni 2016 wegen 19 Fällen des Missbrauchs von Wegstreckenzählern in Tatmehrheit mit 18 Fällen des Betrugs in Tatmehrheit mit 12 Fällen der Urkundenfälschung. Der Antragsteller wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Hinsichtlich der prognostischen Sicherheitsgefährdung durch den Ausländer im Rahmen von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG kann nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, soweit besondere Umstände – wie beispielsweise eine besonders hohe Wiederholungsgefahr – nicht vorliegen, bereits die Strafbarkeitsgrenze der Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen als Anhaltspunkt herangezogen werden (BayVGH, B.v. 11.2.2013 – 19 AS 12.2476 – BeckRS 2013, 47552 Rn. 20).
Vorliegend ist die prognostische Wiederholungsgefahr besonders hoch, da der Antragsteller mit hoher krimineller Energie die Straftaten aus der Verurteilung vom 22. Juni 2016 begangen hat. Außerdem zeigen die wiederholten Straftaten wegen fahrlässigen und vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis, dass der Antragsteller sich Verurteilungen nicht zur Warnung dienen lässt. Die letzte rechtskräftige Strafe für vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis war auch deswegen eine relativ hohe Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Die vielen fahrlässigen und vorsätzlichen Straftaten stellen deswegen auch einen besonderen Umstand dar, welche für eine besonders hohe Wiederholungsgefahr spricht. Der Verweis des Bevollmächtigten des Antragstellers auf ihm bekannte Fälle in denen Ausländer trotz langjähriger Freiheitsstrafen nicht ausgewiesen worden, zeigt nur, dass jeweils auch die Wiederholungsgefahr im Einzelfall maßgeblich ist. Im Übrigen würde auch Art. 3 Abs. 1 GG auf tatbestandsebene keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht gewähren.
Selbst wenn eine Kooperation mit der Polizei nach der Verurteilung vorgelegen haben sollte, reicht dies bei weitem nicht aus, um von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr auszugehen. Der Antragsteller hat sich noch nicht ausreichend bewährt.
Abzuwägen sind das durch den Ausweisungsgrund berührte öffentliche Interesse auf der einen Seite und das private Interesse des Ausländers an der Gewährung eines nationalen Daueraufenthaltsrechts auf der anderen Seite. Das Gewicht dieser Interessen wird dabei insbesondere durch die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG bezeichneten Gesichtspunkte bestimmt, aber auch gegenseitig relativiert. Ausweisungsgründe stehen der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis danach nicht entgegen, wenn sie unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG bezeichneten Gesichtspunkte das private Interesse des Ausländers an der Gewährung eines nationalen Daueraufenthaltsrechts nicht überwiegen (VGH BW, U.v. 22.7.2009 – 11 S 2289/08 – BeckRS 2009, 38006, beck-online).
Die relative lange Aufenthaltszeit seit 2001 in Deutschland stellt zwar ein zu berücksichtigendes privates Interesse dar, wird aber relativiert durch die diversen Straftaten während dieser Zeit. Eine Integration in die deutsche Rechtsordnung hat nicht stattgefunden. Der ledige Antragsteller verfügt in Deutschland nach derzeitigen Kenntnisstand nur über eine Schwester. Zu einem besonderes engen Kontakt zu dieser ist nichts vorgetragen wurden. In Bosnien-Herzegowina lebt noch sein Vater. Diesen hat er wiederholt besucht. Gründe dafür, dass er sich in Bosnien-Herzegowina nicht wieder integrieren und seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte, sind nicht ersichtlich.
c) Andere Anspruchsgrundlagen für einen Aufenthaltstitel, deren Voraussetzungen der Antragsteller erfüllen würde, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Antragsteller auch offensichtlich keinen Anspruch mehr aus Ziffer. 2 des Bescheides vom 20. Februar 2017. Danach sollte ihm auf Antrag nach Bestandskraft eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Diese schriftliche Zusicherung nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG hat die Antragsgegnerin bereits mit der erstmaligen Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis erfüllt. Damals nahm die Antragsgegnerin noch an, dass der Antragsteller eine Vertrauensperson der Polizei sei. Eine Zusicherung, dem Antragsteller wiederholt und nach Wegfall eines erheblichen öffentlichen Interesses am vorübergehenden Verbleib im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern bzw. zu erteilen, liegt nicht vor.
Weitergehende schriftliche Zusicherungen sind nicht ersichtlich. Der Antragsteller trägt zwar vor, dass ihm versprochen wurde, über die Erteilung einer neuen Niederlassungserlaubnis zu verhandeln. Dies stellt aber keine schriftliche Zusicherung i.S.d. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG dar und kann schon deswegen keinen Anspruch begründen.
Die Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Widerrufs im Bescheid vom 20. Februar 2017 ist nicht entscheidungserheblich. Vorliegend ist Verfahrensgegenstand nur der Anspruch auf die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Der Verfahrensgegenstand der Verpflichtungsklage wird insoweit durch den abgelehnten Antrag des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren bestimmt.
d) Aufgrund der vollziehbaren Ausreisepflicht ist die Androhung der Abschiebung nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung fußt auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5, 8.1 des Streitwertkatalogs.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen