Verwaltungsrecht

Keine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe

Aktenzeichen  3 ZB 13.1644

Datum:
20.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 48873
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5
BeamtVG § 19 Abs. 1 S. 1, § 22 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Zu den Anforderungen an die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei Kenntnis einer lebensbedrohlichen Erkrankung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Anforderungen an die Widerlegung einer Versorgungsehe sind in der Rechtsprechung geklärt, auch dass hierbei neben objektiven Umständen subjektive Motive zu berücksichtigen sind (BVerwG BeckRS 2016, 44249). Dies rechtfertigt deshalb weder die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung noch die Annahme besonderer Schwierigkeiten der Rechtssache. (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Vortrag, auf Grund einer psychischen Blockade eine bereits früher bestehende Heiratsabsicht nicht umgesetzt zu haben, ist nicht beachtlich, wenn dieses Vorbringen nicht – zB durch ärztliche Atteste – substantiiert wird. (redaktioneller Leitsatz)
4 Unterlässt das Gericht eine Zeugenvernehmung zur Frage, ob schon vor Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung ein Heiratsbeschluss bestand, verletzt es die Pflicht zur Amtsermittlung nicht, wenn die Klägerin nicht konkret benennt, zu welchen Tatsachen welcher Zeuge vernommen werden sollte. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

12 K 12.4547 2013-06-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 6. Juni 2013 wird der Streitwert für das Ausgangsverfahren und für das Antragsverfahren auf jeweils 27.178,80 € festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten), des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i. S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Witwengeld nach § 19 BeamtVG bzw. einen Unterhaltsbeitrag nach § 22 BeamtVG (jeweils in der Fassung vom 31. August 2006, § 108 Abs. 1 BeamtVG) zu gewähren, zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Witwengeld noch auf einen Unterhaltsbeitrag, da die von ihr am 17. März 2010 geschlossene Ehe mit dem am 31. Oktober 1939 geborenen, vormals als Lehrer (BesGr A 12) im Dienst des Beklagten tätigen, seit 1. September 1999 im Ruhestand befindlichen und am 30. März 2010 verstorbenen Herrn R. nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG als sog. „Versorgungsehe“ gilt und sie diese gesetzliche Vermutung nicht entkräften konnte.
1.1 Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erhält die Witwe eines Ruhestandsbeamten Witwengeld. Dies gilt nicht, wenn die Ehe mit dem Verstorbenen nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, nach den besonderen Umständen des Falles ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG). Eine Ehedauer von weniger als einem Jahr begründet die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe. Besondere Umstände, die die Vermutung einer Versorgungsehe entkräften können, sind solche, die auf einen anderen Beweggrund der Heirat als die Versorgungsabsicht schließen lassen. Umstände, bei denen ein anderer Beweggrund als die Versorgungsabsicht nahe liegt, sind etwa gegeben, wenn der Beamte unvorhergesehen verstorben ist, im Zeitpunkt der Heirat also nicht mit seinem Tod zu rechnen war; musste im Zeitpunkt der Heirat hingegen wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit dem Tod des Beamten gerechnet werden, liegt das Motiv einer Versorgungsehe nahe. Die Vermutung einer Versorgungsehe ist widerlegt, wenn eine Gesamtbetrachtung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Allerdings müssen die gegen eine Versorgungsehe sprechenden Umstände umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Beamten zum Zeitpunkt der Heirat war. Für die Widerlegung der Vermutung stehen der Witwe alle zulässigen Beweismittel zur Verfügung. Ihr Vorbringen ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu werten, wobei Behörde bzw. Gericht die volle Überzeugung davon gewinnen müssen, dass die von ihr vorgetragene Motivation für die Heirat der Wahrheit entspricht (BVerwG, U.v. 28.1.2016 – 2 C 21.14 – juris Rn. 15-23; ebenso zu § 46 Abs. 2a SGB VI BSG, U.v. 5.5.2009 – B 13 R 55/08 R – BSGE 103, 99).
Die Gewährung von Witwengeld ist darüber hinaus auch ausgeschlossen, wenn die Ehe erst nach dem Eintritt des Beamten in den Ruhestand geschlossen worden ist und der Ruhestandsbeamte zur Zeit der Eheschließung das 65. Lebensjahr bereits vollendet hatte (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG). In diesen Fällen einer sog. „nachgeheirateten Witwe“ ist nach § 22 Abs. 1 BeamtVG, sofern die besonderen Umstände des Falles keine volle oder teilweise Versagung rechtfertigen, zwar ein Unterhaltsbeitrag in Höhe des Witwengeldes zu gewähren, jedoch nur, wenn der Ausschlussgrund der Versorgungsehe widerlegt ist (BVerwG, U.v. 19.1.1968 – VI C 56.64 – BVerwGE 29, 60; BayVGH, B.v. 3.5.2004 – 3 B 00.1704 – juris Rn. 38).
1.2 Das Urteil des Verwaltungsgerichts entspricht diesen Maßstäben. Die Klägerin hat schon deshalb keinen Anspruch auf Witwengeld gemäß § 19 BeamtVG, weil die Eheschließung mit Herrn R. im März 2010 erst nach dessen Eintritt in den Ruhestand zum 1. September 1999 erfolgt ist und dieser bereits am 31. Oktober 2004 das 65. Lebensjahr vollendet hatte (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG). Darüber hinaus scheitert sowohl die Gewährung von Witwengeld nach § 19 BeamtVG als auch eines Unterhaltsbeitrags gemäß § 22 BeamtVG jedenfalls daran, dass die am 17. März 2010 geschlossene Ehe lediglich 13 Tage gedauert hat, so dass das Vorliegen einer Versorgungsehe gesetzlich vermutet wird. Diese gesetzliche Vermutung konnte die Klägerin nicht entkräften (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG).
Die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakters der Erkrankung eines Beamten im Zeitpunkt der Eheschließung schließt die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe regelmäßig aus, es sei denn, die Eheschließung stellt sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor dem Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsentschlusses dar (BVerwG, B.v. 3.12.2012 – 2 B 32.12 – juris Rn. 10). Auch ein bereits vor der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung getroffener Heiratsentschluss kann daher ein besonderer Umstand sein, sofern die Heirat aus wirklichkeitsnahen Gründen nur aufgeschoben, der Heiratsentschluss aber nicht aufgegeben worden ist (BVerwG, U.v. 28.1.2016 a. a. O. Rn. 17).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Eheschließung in Kenntnis der potentiell lebensbedrohlichen Krebserkrankung des Ehemanns der Klägerin erfolgte, aufgrund der er im Juni 2009 ins Krankenhaus eingeliefert und nach der Diagnose der behandelnden Ärzte mit seinem baldigen Ableben gerechnet werden musste. Die Klägerin und ihr Ehemann wussten deshalb im Zeitpunkt der Heirat im März 2010, dass dieser lebensbedrohlich erkrankt war, auch wenn sie von einer längeren Lebenserwartung bzw. einer Genesung ausgegangen sein sollten. Auf die Kenntnis der Unheilbarkeit der Erkrankung kommt es insoweit nicht an (BayVGH, B.v. 18.2.2014 – 14 ZB 11.452 – juris Rn. 7). Im Übrigen war sich der Ehemann selbst nicht sicher, ob er noch das Frühjahr 2010 erleben würde. Für die Annahme, er sei nicht an der diagnostizierten Erkrankung, sondern unvorhergesehen an einer Infektion durch Krankenhauskeime verstorben, gibt es keine Anhaltspunkte; jedenfalls stünde auch diese Todesursache im Zusammenhang mit der Behandlung der Krebserkrankung (BayVGH, B.v. 8.11.2011 – 3 ZB 08.627 – juris Rn. 8).
Das Verwaltungsgericht konnte anhand einer Gesamtbetrachtung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat im Rahmen der Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung davon gewinnen, dass die am 17. März 2010 erfolgte Eheschließung sich als konsequente Verwirklichung eines schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsentschlusses darstellt. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
Es hat rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die Eheschließungsabsicht frühestens mit der Bestellung des Aufgebots durch die Klägerin im Oktober 2009 und damit erst nach Kenntnis des lebensbedrohlichen Charakters der bereits seit 2005 bekannten Erkrankung des Ehemanns nach außen hin objektiv manifestiert wurde (BayVGH, B.v. 1.12.1998 – 3 B 95.3050 – juris Rn. 39). Wenn es hierzu weiter ausführt, auf das Vorbringen, der Entschluss zur Eheschließung sei zwar schon vorher gefasst, aufgrund der Angst der Klägerin vor einer Heirat aber nicht früher umgesetzt worden, komme es nicht an, da eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nur auf der Basis objektiv erkennbarer Umstände möglich sei, ist dies so zwar missverständlich, da die Klägerin zur Widerlegung einer Versorgungsehe nicht auf äußere, objektiv erkennbare Umstände beschränkt ist, sondern auch innere, subjektive Umstände (persönliche Motive) für die Heirat vortragen kann (BVerwG, U.v. 28.1.2016 a. a. O. Rn. 20). In der Sache hat es jedoch die von der Klägerin geltend gemachten Beweggründe, warum sie Herrn R. erst kurz vor seinem Tod geheiratet hat (neben ihrer Angst vor einer Eheschließung dessen konservative Eheeinstellung, die der Klägerin in finanziellen Angelegenheiten kein Mitspracherecht einräumen wollte, und dessen riskante Geldgeschäfte zu ihren Lasten), berücksichtigt und zutreffend gewürdigt. Die von der Klägerin angeführten Gründe, warum sie Herrn R. trotz ihres vormaligen längeren Zusammenlebens und der Geburt des Sohnes 1980 bis zu ihrer zeitweisen Trennung erst im März 2010 geheiratet hat, nachdem dieser ihr erstmals glaubhaft versichert hatte, dass sie nun gleichberechtigt zusammenleben könnten, stellen nach richtiger Ansicht des Verwaltungsgerichts nachvollziehbare subjektive Gründe der Klägerin dar, warum sie eine frühere Eheschließung abgelehnt hat. Sie sprechen deshalb nicht für, sondern gegen eine bereits vor der Kenntnis von der Erkrankung bestehende Heiratsabsicht der Klägerin. Auch ihr Vorbringen, sie habe sich auf Bitte ihres Sohnes, um zur Gesundung des Vaters beizutragen, zur Heirat mit Herrn R. entschlossen, spricht gegen eine bereits vor Kenntnis der Erkrankung bestehende Heiratsabsicht der Klägerin, sondern für einen erstmals in dieser lebensbedrohlichen Situation gefassten Entschluss, Herrn R. trotz ihrer Bedenken zu heiraten.
Anderes folgt nach zutreffender Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht daraus, dass Herr R. nach Angaben der Klägerin diese nach einigen Jahren des Zusammenlebens heiraten wollte, um die Beziehung zu legalisieren, und aus diesem Grund bereits ohne ihr Wissen das Aufgebot bestellt hatte, da die Klägerin eine Heirat zum damaligen Zeitpunkt abgelehnt hatte, was zu einer zeitweisen räumlichen Trennung von ihrem späteren Ehemann führte, mit dem sie sich erst nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus im Juni 2009 wieder vollständig versöhnt hat. Aufgrund des langen Zeitraums zwischen der ersten Bestellung des Aufgebots und dem Zeitpunkt der Eheschließung kann nicht von der konsequenten Verwirklichung einer bestehenden Absicht zu heiraten ausgegangen werden, die aus wirklichkeitsnahen Gründen nur aufgeschoben, aber nicht aufgegeben worden ist. Vielmehr spricht der Umstand, dass Herr R. nicht weiter ohne Trauschein mit der Klägerin zusammenleben wollte, für die Aufgabe seines damaligen Heiratsentschlusses. Im Übrigen hätte auch der Wille, die früher bestehende Lebensgemeinschaft mit der Klägerin zu legalisieren, eine Eheschließung schon vor dem März 2010 nahegelegt, so dass dies nicht als überwiegender Zweck der Eheschließung angesehen werden kann (BayVGH, B.v. 28.7.1998 – 3 B 96.2242 – juris Rn. 29). Auch dann, wenn eine auf unbegrenzte Zeit angelegte Bindung der Partner bestand und nur die formelle Legalisierung unterblieb, stellt sich die spätere Eheschließung nach der gesetzlichen Vermutung regelmäßig als Versorgungsehe dar (BayVGH, B.v. 1.12.1998 – 3 B 95.3050 – juris Rn. 32).
Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht einen objektiven Hinderungsgrund für eine frühere Eheschließung aufgrund der von der Klägerin behaupteten psychischen Störung verneint. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Klägerin sich aufgrund ihrer Kindheitserlebnisse eine Eheschließung nur als unentrinnbar bzw. unauflöslich und als Folge der Zwangslage, dass ein Kind unterwegs war, vorstellen konnte, hat sie damit nicht substantiiert dargelegt, dass diesen Vorstellungen ein messbarer Krankheitswert zukommt, der sie an einer freien Entscheidung über die Eingehung der Ehe mit Herrn R. gehindert hätte. Auch ist dem Verwaltungsgericht darin beizupflichten, dass ihr Vorbringen, sie habe nicht verstehen können, wie man ohne den Zwang, dass Nachwuchs unterwegs sei, überhaupt heiraten könne, vor dem Hintergrund, dass sie mit ihrem verstorbenen Ehegatten einen 1980 geborenen gemeinsamen Sohn hat, nicht erklärbar ist. Die von der Klägerin zur Eheschließung geäußerten Ansichten stellen jedenfalls keine wirklichkeitsnahen Gründe dar, einen bestehenden Heiratsentschluss aufzuschieben.
Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht trotz der Tatsache, dass die Klägerin derzeit über ein ausreichendes eigenes Einkommen sowie über weitere Einkünfte aus der Vermietung ihr gehörender Immobilien verfügt, nicht von einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe ausgegangen ist. Dies führt zwar dazu, dass ein Anspruch auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrags nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG aufgrund der vorgeschriebenen Anrechnung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen in angemessenen Umfang (§ 22 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG) zumindest derzeit schon aus diesem Grund ausgeschlossen sein dürfte. Nach Angaben der Klägerin dürften sich ihre Einkünfte jedoch ab ihrem Renteneintritt so reduzieren, dass sie spätestens ab diesem Zeitpunkt auf zusätzliche Leistungen angewiesen sein dürfte. Dies kann jedoch offen bleiben, da – wovon das Erstgericht zutreffend ausgegangen ist – dem Gesetz nicht entnommen werden kann, dass die Vermutung einer Versorgungsehe dann widerlegt ist, wenn die Witwe selbst über ausreichende Einkünfte verfügt. Denn auch das Motiv, durch die Witwenversorgung ggf. einen höheren Lebensunterhalt zu erhalten, spricht i.d.R. für das Vorliegen einer Versorgungsehe (so zu § 46 Abs. 2a SGB VI BayLSG, U.v. 18.4.2007 – L 19 R 603/04 – juris Rn. 20, durch das das entgegenstehende Urteil des SG Würzburg vom 15.9.2004 – S 8 RJ 697/02 aufgehoben wurde).
Schließlich ist das Verwaltungsgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass aus der Tatsache, dass die Klägerin die Schulden ihres verstorbenen Ehemanns anstelle des von diesem als Alleinerben eingesetzten gemeinsamen Sohnes in erheblichem Umfang beglichen hat (ca. 65.000,– €), ebenfalls nicht geschlossen werden kann, dass sie auf eine Versorgung durch die Eheschließung nicht angewiesen wäre. Die Klägerin hat als Motiv für die Übernahme der Schulden, zu der sie gesetzlich wohl nicht verpflichtet gewesen wäre, angegeben, dass sie ihren Sohn, der als Student ohne eigenes Einkommen und Vermögen sei, unterstützen wollte, obwohl es ihr nicht leicht gefallen sei, diese Summe aufzubringen. Dieses Vorbringen spricht wiederum vielmehr dafür, dass die Klägerin auf die Hinterbliebenenversorgung angewiesen ist. Dass sie als Ehefrau ihres verstorbenen Ehemanns das überschuldete Erbe nicht ausgeschlagen, sondern für ihren Sohn die Schulden ihres Ehemanns beglichen hat, war im Übrigen nach zutreffender Ansicht des Verwaltungsgerichts ihre persönliche Entscheidung, legt aber nicht zwingend nahe, dass die Heirat auch ohne Versorgungsabsicht geschlossen worden wäre. Dass die Klägerin die Schulden beglichen hat, war Folge der Eheschließung, nicht zwangsläufig auch deren Motiv.
1.3 Die hiergegen von der Klägerin innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe die von ihr vorgetragenen Umstände unvollständig bzw. fehlerhaft gewürdigt, weil es davon ausgegangen sei, dass allein objektive Umstände zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG herangezogen werden dürften, trifft dies nach dem unter 1.2 Ausgeführten nicht zu, mag die Diktion des Erstgerichts insoweit auch missverständlich sein. Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin vorgetragenen Beweggründe für die Eheschließung (Anliegen, dem verstorbenen Ehemann den Heiratswunsch zu erfüllen, v.a. um diesen in der Krankheit zu unterstützen; bereits früheres längeres Zusammenleben; zeitliche Abfolge von Kenntniserlangung von der Krankheit und Heirat; eigene Einkünfte der Klägerin; Begleichung der Schulden des Ehemanns) vielmehr im Rahmen einer Gesamtbetrachtung umfassend berücksichtigt und gewürdigt. Es hat den klägerischen Sachvortrag nicht aufgrund einer subjektiven Anknüpfung als unbeachtlich angesehen, sondern trotz der von Klägerin geltend gemachten besonderen Umstände nicht die Überzeugung davon gewinnen können, dass keine Versorgungsgehe vorliegt, sondern ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Eheschließungsabsicht erst nach Kenntnis von der Erkrankung gefasst wurde.
Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin vorgebrachten Beweggründe dabei als solche zwar nicht in Zweifel gezogen, sondern sie als nachvollziehbar bezeichnet, aber sie anders als die Klägerin gewürdigt und hieraus den – zutreffenden – Schluss gezogen, dass die geltend gemachten Umstände gerade gegen eine bereits vor der Kenntnis von der Erkrankung bestehende Heiratsabsicht sprechen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Wenn die Klägerin hiergegen einwendet, das Erstgericht habe eine unzutreffende rechtliche Bewertung getroffen, greift sie damit ausschließlich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO an, ohne substantiiert darzulegen, warum die tatsächlichen Feststellungen ersichtlich nicht zutreffen würden oder etwa wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft wären. Allein die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung der durch das Verwaltungsgericht gewürdigten Tatsachen rechtfertigt die Zulassung der Berufung jedoch nicht (BayVGH, B.v. 12.9.2011 – 14 ZB 11.747 – juris Rn. 7).
Auch der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 2012 (2 B 32.12 – juris Rn. 10) falsch interpretiert, indem es nicht geprüft habe, ob vorliegend eine Ausnahme von dem dort gebildeten Regelfall vorliege, trifft nach dem Ausgeführten nicht zu. Entgegen der Behauptung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht die dargelegten Umstände unter diesem Gesichtspunkt geprüft, indem es in Übereinstimmung mit der o.g. Rechtsprechung darauf abstellt, zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe müsse sich die Eheschließung regelmäßig als konsequente Verwirklichung eines bereits vor dem Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsentschlusses darstellen, was Ausnahmen i. S. d. von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des OVG Hamburg (B.v. 16.12.2011 – 1 Bf 164/10 – juris) und des OVG Lüneburg (B.v. 21.12.2009 – 5 LA 481/06 – juris) zulässt. Auch das Abstellen auf den Wortlaut des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO führt zu keinem anderen Ergebnis.
2. Aus den unter 1. dargestellten Gründen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache auch nicht die geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist. Die Anforderungen an die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe sind in der Rechtsprechung geklärt und werfen keine tatsächlichen oder rechtlichen Fragen auf, die sich nicht in einem Zulassungsverfahren beantworten lassen.
Soweit die Klägerin darauf verweist, besondere tatsächliche Schwierigkeiten würden aus ihrem Sachvortrag resultieren, sie sei aufgrund psychischer Blockaden gehindert gewesen, die grundsätzlich bestehende Heiratsabsicht umzusetzen, fehlt es schon an einem substantiierten Vortrag, der Anlass bieten würde, dem Vorbringen weiter nachzugehen. Für die Behauptung, die Klägerin habe an einer psychischen Störung gelitten, die sie an einer freien Entscheidung über die Eingehung der Ehe mit Herrn R. gehindert hätte, gibt es keine Anhaltspunkte. Ein diesbezügliches ärztliches Attest hat die Klägerin auch im Zulassungsverfahren nicht vorgelegt. Damit ist sie aber den Anforderungen an die Substantiierung, die sich aus der Pflicht der Beteiligten ergibt, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwGO), und die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen, nicht nachgekommen. Ebenso wenig hat die Klägerin substantiiert dargelegt, wieso sich aus den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils besondere rechtliche Schwierigkeiten ergeben sollten.
3. Die Rechtssache besitzt auch nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die im Zulassungsantrag gestellte Frage, ob die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe lediglich durch objektiv erkennbare Umstände oder auch aufgrund subjektiver Motive widerlegt werden kann, ist in der Rechtsprechung geklärt und in letzterem Sinn beantwortet (BVerwG, U.v. 28.1.2016 a. a. O. Rn. 20-23).
4. Auch ein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensfehler, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), wurde nicht dargelegt. Das Vorbringen, dem Verwaltungsgericht habe es im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) oblegen, Zeugen zu den von der Klägerin vorgebrachten Tatsachen, v.a. dazu, dass die Eheschließung auf einem schon vor der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsbeschluss beruht habe, zu hören, genügt nicht den Anforderungen, die an die Darlegung eines auf die – angebliche – Verletzung der Amtsermittlungspflicht gestützten Zulassungsantrags zu stellen sind. Die bloße Wiederholung des klägerischen Vorbringens, es stünden sehr viele Zeugen und Beweismittel zur Verfügung, stellt keine Bezeichnung von konkreten Beweismitteln sowie Beweistatsachen dar. Auch wenn die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht anwaltlich vertreten war, hätte zumindest dargelegt werden müssen, welche beweiserheblichen Tatsachen durch Einvernahme welcher Personen (unter Angabe von deren ladungsfähiger Anschrift) ermittelt werden hätten sollen und inwieweit das Urteil auf der unterbliebenen Einvernahme beruhen kann.
Darüber hinaus sind die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 28. November 2012 gemachten Beweisangebote für die Entscheidung nicht erheblich. Dies gilt dafür, dass die Klägerin aufgrund der Erfahrungen mit ihren Eltern Angst vor einer Eheschließung hatte (S. 1 f.) und in einer Familie aufgewachsen ist, in der Trennung oder Scheidung undenkbar gewesen wäre (S. 2), für die Übernahme der Schulden ihres Ehemanns (S. 2), für dessen riskante Geldgeschäfte (S. 2 f.), für den Wiedereinzug in die Wohnung des Ehemanns (S. 3), für die Haltung der Klägerin gegenüber Zuwendungen ihres Ehemanns (S. 4), für das Anliegen, ihm seinen Heiratswunsch – auch auf Bitten des Sohnes – erfüllen zu wollen (S. 4-6), für das Aufgebot im Oktober 2009 (S. 6) und für die Höhe der eigenen finanziellen Mittel der Klägerin (S. 6). Das Verwaltungsgericht konnte diese Tatsachen als wahr unterstellen, ohne dass dies nach dem unter 1. Ausgeführten zu einer anderen Beurteilung geführt hätte.
5. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG in der bis 15. Juli 2014 geltenden Fassung (§ 71 Abs. 1 GKG) i. V. m. Nr. 10.4 Streitwertkatalog 2013 (Teilstatus, d. h. das 24-fache des begehrten (fiktiven) Unterhaltsbeitrags in Höhe von monatlich 1.132,45 € gemäß der Anlage zum Schreiben des Landesamts für Finanzen vom 22. Oktober 2012 = 27.178,80 €, vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2014 – 14 ZB 11.452 – juris Rn. 16). Dementsprechend war die Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 3 GKG auch für die Vorinstanz zu ändern.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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