Verwaltungsrecht

Keine Wiedereinsetzung bei fehlerhafter Versendung der Antragsschrift

Aktenzeichen  Au 7 S 18.30325

Datum:
14.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5614
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 36 Abs. 3
VwGO § 60 Abs. 1, Abs. 2, § 173
VwZG § 3 Abs. 2
ZPO § 85 Abs. 2, § 180

 

Leitsatz

1 Durch den Eingang der Antragsschrift bei einem unzuständigen Gericht wird die Antragsfrist nur gewahrt, wenn der Antrag gerade an dieses Gericht gerichtet war; fallen aber das Gericht, an das der Antrag gerichtet war, und das, bei dem er eingeht, auseinander, ist die Antragsfrist nur gewahrt, wenn die Antragsschrift noch innerhalb der Frist beim angerufenen Gericht eingeht. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur zu gewähren, wenn der Schriftsatz so rechtzeitig beim unzuständigen Gericht eingegangen ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das zuständige Gericht im ordentlichen Geschäftsgang erwartet werden konnte. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die keine Ausweisdokumente vorlegte, wendet sich gegen die sofortige Vollziehung der Androhung ihrer Abschiebung nach Nigeria.
1. Die Antragstellerin ist (alles nach eigenen Angaben) am … 1996 in … geboren, nigerianische Staatsangehörige, Volkszugehörigkeit Edo, christlichen Glaubens. Sie gibt an, sie habe in Nigeria kirchlich den nigerianischen Staatsangehörigen … (geb. … 1990) geheiratet. Dieser meldete sich am 5. Juli 2017 in … als Asylsuchender. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für … (nachfolgend: Bundesamt) vom 2. August 2017 abgelehnt (Gesch.Z.: …).
Die Antragstellerin wurde am 3. Juli 2017 in … beim Versuch der unerlaubten Einreise aufgegriffen (s. Aufgriffsbericht der Bundespolizeiinspektion, Bl. 7 der Bundesamtsakte). Die Eurodac-Recherche (Bl. 54 der Bundesamtsakte) ergab Treffer der Kategorie 2 für Italien (…, Fingerabdrucknahmedatum: 21.07.2016, Antragsort:, Antragsdatum: 21.07.2016) und der Kategorie 1 für Italien (…, Fingerabdrucknahmedatum: 22.07.2016, Antragsort:, Antragsdatum: 22.07.2016).
Am 12. September 2017 stellte die Antragstellerin beim Bundesamt einen förmlichen Asylantrag. An diesem Tag (12.9.2017) fand das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags statt (s. Niederschrift Bl. 60 bis 63 der Bundesamtsakte).
Im Rahmen der Anhörung gemäß § 25 AsylG am 26. Juli 2017 (s. Niederschrift, Bl. 153 bis 159 der Bundesamtsakte) gab die Antragstellerin u.a. an, sie habe mit ihrem Vater in … gelebt. Ihre Mutter sei weggegangen, als sie noch klein gewesen sei. Sie habe eine ältere Schwester gehabt, die vor ihrer Geburt gestorben sei.
Am 1. Januar 2016 habe sie Nigeria verlassen. Sie sei mit einem Schlepper unterwegs gewesen. Als sie in Libyen angekommen sei, habe sie einer Frau namens … 25.000 EUR zahlen sollen. Diese Frau pendle zwischen Nigeria und Libyen. Kontaktdaten hinsichtlich dieser Frau habe sie nicht, da sie ihr Handy in Libyen gelassen habe. Sie habe der Frau in Libyen etwas zurückgezahlt, manchmal habe sie ihr 50 Dinar, manchmal 100 Dinar gegeben. Das Geld habe sie gehabt, weil sie sich in Libyen prostituiert habe. Sie habe die Frau namens … (in Nigeria) kennengelernt, als sie Saft verkauft habe. Die Frau sei auf sie zugekommen und habe ihr gesagt, dass sie ihr helfen wolle, sie habe einen Arbeitsplatz in Libyen, an dem die Antragstellerin Essen verkaufen könne. Als sie in Libyen angekommen sei, habe man ihr gesagt, was ihre tatsächliche Arbeit sei. Die Flucht sei ihr auf folgende Weise gelungen: Als sie eines Tages wieder mit Männern schlafen sollte, sei etwas aus ihrer Vagina herausgekommen. Sie habe das der Frau gesagt und von dieser Medikamente bekommen. Da sie keine Personaldokumente gehabt habe, habe die Frau sie nicht ins Krankenhaus bringen können. Die Antragstellerin habe dann gesagt, dass sie gehen wolle. Aber die Frau habe gesagt, dass sie bleiben solle, um das Geld zurückzuzahlen. Sie sei dann weggerannt. Dann sei sie von der Polizei aufgegriffen und für eine Woche ins Gefängnis gebracht worden. Die Frau habe dann nichts mehr machen können. Ein Junge aus dem Gefängnis habe ihr geholfen, das Gefängnis zu verlassen. Sie seien dann zusammen geflüchtet.
Ihr Mann habe Nigeria am 25. Februar 2015 verlassen. Er habe in einer Konstruktionsfirma gearbeitet und den Schlüssel von dem Gebäude gehabt. Nachdem ein Auto aus dem Gebäude gestohlen worden sei, habe er befürchtet, des Diebstahls beschuldigt zu werden und sei deswegen geflohen. Er habe ihr nichts gesagt, weil er gewusst habe, dass sie seine Ausreise nicht erlauben würde. Ihren Mann habe sie dann zufällig im Januar 2017 am Bahnhof in … getroffen. Nachdem der Asylantrag ihres Mannes in Italien abgelehnt worden sei, habe sie mit ihm zusammen Italien verlassen. Ihr Mann wisse, dass sie sich in Libyen prostituiert habe.
Sie sei von der Frau namens … im Januar 2016, dies sei nach dem Tod ihres Vaters gewesen, angesprochen worden. Sie habe mit dem Verkaufen von Wasser ca. 600 Naira täglich verdient. Ihre finanzielle Situation in Nigeria sei schwer gewesen, aber sie habe überleben können.
Zu den Gründen für ihren Asylantrag gab die Antragstellerin an, sie habe Nigeria verlassen, weil sich niemand um sie gekümmert habe. Nachdem ihr Vater gestorben sei, habe sie die Miete für ihre Wohnung nicht mehr bezahlen können. Ihr Vater sei tot und ihr Mann sei weg gewesen. Auf Nachfrage gab sie an, dass sie in ihrem Heimatland weder von staatlichen noch von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt worden sei.
Sie sei im vierten Monat schwanger. Was weibliche Genitalbeschneidung sei und ob sie selbst beschnitten sei, wisse sie nicht. Wenn sie eine Tochter bekomme, werde sie diese nicht beschneiden lassen.
Die Antragstellerin legte dem Bundesamt (Eingang 8.9.2017) folgende Unterlagen vor:
Mutterpass (errechneter Geburtstermin: 20.12.2017, Bl. 171, 172 der Bundesamtsakte),
ärztliches Attest der überörtlichen Gemeinschaftspraxis für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,, vom 6. September 2017, dass bei der Antragstellerin keine Genitalverstümmelung vorliegt (Bl. 170 der Bundesamtsakte),
ärztlicher Bericht des Klinikum … vom 2. September 2017 (Bl. 169 der Bundesamtsakte) über einen ambulanten Aufenthalt der Antragstellerin in der 25. Schwangerschaftswoche.
Am 21. November 2017 gingen beim Bundesamt ein:
Urkunde (ausgestellt am 17.11.2017 durch die Stadt …) über die gemeinsame elterliche Sorge für das am 20. Dezember 2017 erwartete Kind (Erklärung der Antragstellerin und des Herrn …)
Urkunde (ausgestellt am 17.11.2017 durch die Stadt …) über die Anerkennung der Vaterschaft durch Herrn … mit Zustimmungserklärung der Antragstellerin.
Im Aktenvermerk des Sonderbeauftragten für Opfer von Menschenhandel vom 18. Dezember 2017 wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gefahr einer Reviktimisierung und einer Sekundärviktimisierung nicht gesehen werde. Der Tatbestand des Menschenhandels ende – bei Wahrunterstellung des Sachvortrags zu den Geschehnissen in Libyen – im vorliegenden Fall, als sich die Antragstellerin von der Madame „…“ befreien und Libyen habe verlassen können. Ein Vortrag zu einer etwaigen Bedrohung durch die mögliche Menschenhändlerin, nachdem die Antragstellerin Libyen verlassen habe, sei nicht erfolgt.
2. Mit Bescheid vom 26. Januar 2018, der der Antragstellerin laut Postzustellungsurkunde am 30. Januar 2018 zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1 des Bescheids), die Anträge auf Asylanerkennung und subsidiären Schutz (Nr. 2 und 3 des Bescheids) jeweils als offensichtlich unbegründet ab. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte sie diese Frist nicht einhalten, würde sie nach Nigeria oder in einen anderen Staat abgeschoben, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei (Nr. 5 des Bescheids). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Im Rahmen der Begründung des Bescheids wurde unter anderem ausgeführt, dass die Antragstellerin offensichtlich kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG sei. Die angegebenen Gründe für ihre Ausreise, Vater tot, Mann Weg, seien flüchtlingsrechtlich irrelevant. Hinsichtlich ihres Sachvortrags, in Libyen zur Prostitution gezwungen worden zu sein, bestehe im Rahmen der Rückkehrprognose keine Gefahr der Reviktimisierung und Sekundärviktimisierung. Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 AsylG seien erfüllt, da die Antragstellerin ihr Heimatland ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe.
Der Antragstellerin drohe im Falle der Rückkehr nach Nigeria auch offensichtlich kein ernsthafter Schaden gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AsylG.
Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK seien nicht erfüllt. Die junge und erwerbsfähige Antragstellerin habe in ihrem Heimatland durch den Verkauf von Wasser ca. 600 Naira am Tag verdienen können. Bei einer gemeinsamen Rückkehr mit ihrem Lebensgefährten, der auch jung und erwerbsfähig sei, seien sie in der Lage, sich ihr Existenzminimum, auch für ihr Kind, zu sichern. Der Antragstellerin drohe auch keine individuelle Gefahr nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
In der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:(Bl. 206 der Bundesamtsakte) wurde über die einwöchige Klage- und Antragsfrist informiert und das Verwaltungsgericht Augsburg als zuständiges Verwaltungsgericht angegeben.
3. Mit Schriftsatz der Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 6. Februar 2018, der an das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg adressiert und per Fax am 9. Februar 2018 eingegangen ist, wurde Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid vom 26. Januar 2018 aufzuheben.
Ferner wurde beantragt, der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten zu bewilligen.
Mit weiterem Schriftsatz der Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 6. Februar 2018, der ebenfalls an das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg adressiert und per Fax am 9. Februar 2018 eingegangen ist, wurde der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt und beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 5 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2018 anzuordnen.
Das Verwaltungsgericht … übersandte dem Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg mit Schreiben vom 9. Februar 2018, eingegangen am 13. Februar 2018, den Klageschriftsatz sowie den Antragsschriftsatz der Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 6. Februar 2018. Diese Schriftsätze waren per Fax am 6. Februar 2018 beim Verwaltungsgericht … eingegangen (s. Bl. 9 bis 16 der Gerichtsakte). Laut einem Aktenvermerk des Verwaltungsgerichts … wurde das Sekretariat der Bevollmächtigten der Antragstellerin am 9. Februar 2018 telefonisch über die Weiterleitung der Schriftsätze an das Verwaltungsgericht Augsburg informiert (s. Bl. 14 der Gerichtsakte).
Bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung wurden weder die Klage noch der Antrag auf vorläufigen Rechtschutz begründet. Auch die angekündigte Nachreichung der für den Prozesskostenhilfeantrag erforderlichen Erklärung und Belege erfolgte nicht.
Für die Antragsgegnerin legte das Bundesamt die Behördenakte vor, äußerte sich sonst jedoch nicht.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg, da er bereits unzulässig ist.
1. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde verspätet gestellt.
Da der Asylantrag der Antragstellerin mit dem Bescheid vom 26. Januar 2018 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu stellen (siehe § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Ebenfalls innerhalb einer Woche ist die Klage gegen den Bescheid zu erheben (siehe § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG). Der Bescheid vom 26. Januar 2018 enthält eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung:(Bl. 206 der Bundesamtsakte), die auf die Wochenfrist für die Klageerhebung und die Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hinweist und insbesondere auch das gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 Halbsatz 1 VwGO örtlich zuständige Verwaltungsgericht Augsburg benennt. Die Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheids erfolgte hier durch Zustellung mittels Postzustellungsurkunde (PZU). Gemäß § 3 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) sind für die Zustellung durch die Post mittels PZU die Bestimmungen der §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden. Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO gilt für die PZU gemäß § 418 Abs. 1 ZPO die Beweiskraft öffentlicher Urkunden hinsichtlich ihres Inhalts.
Die Zustellung wurde hier ausweislich des auf der PZU (s. Bl. 227/228 der Bundesamtsakte) vermerkten Datums am Dienstag, den 30. Januar 2018 vorgenommen und zwar im Rahmen der Ersatzzustellung durch Einlegung in den zur Wohnung der Antragstellerin gehörenden Briefkasten (vgl. § 180 ZPO). Damit ist die einwöchige Antragsfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG in Lauf gesetzt worden und gemäß § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 221, 222 Abs. 1 und 2 ZPO i. V. m. § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB am Dienstag, den 6. Februar 2018 (24:00 Uhr), abgelaufen.
Der am Freitag, den 9. Februar 2018 beim Verwaltungsgericht Augsburg eingegangene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist somit verspätet gestellt worden (dies gilt auch für die am 9.2.2018 beim Verwaltungsgericht Augsburg erhobene Klage).
Die einwöchige Antragsfrist ist nicht durch die am 6. Februar 2018 per Fax beim Verwaltungsgericht … eingegangene Antragsschrift gewahrt worden (dies gilt auch für die am 6.2.2018 beim Verwaltungsgericht … eingegangene Klage). Durch den Eingang der Antragsschrift (und Klageschrift) bei einem unzuständigen Gericht wird die Antragsfrist (und Klagefrist) nur dann gewahrt, wenn der Antrag (bzw. die Klage) gerade an dieses Gericht gerichtet war; fallen aber das Gericht, an das die Klage nach Auslegung der Antragsschrift bzw. Klageschrift gerichtet war, und das, bei dem sie eingeht, auseinander, ist die Antragsfrist bzw. Klagefrist nur dann gewahrt, wenn der Antragsschriftsatz bzw. die Klageschrift noch innerhalb der Frist auch beim angerufenen Gericht eingeht (vgl. BVerwG, U.v. 31.10.2001 – 2 C 37/00 – NJW 2002, 768-769, juris m.w.N.).
Das war hier nicht der Fall.
Anrufen wollte die anwaltlich vertretene Antragstellerin zweifelsfrei nicht das Verwaltungsgericht, sondern das in der Rechtsmittelbelehrungdes streitgegenständlichen Bescheids bezeichnete Verwaltungsgericht Augsburg. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus der jeweiligen Adressierung der Antragsschrift und der Klageschrift vom 6. Februar 2018 an das „Verwaltungsgericht Augsburg, Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg“ sowie der darin angegebenen Telefax-Nr. des Verwaltungsgerichts Augsburg „per Telefax: 0821 / 327 – 3149“. Insoweit ist es offensichtlich, dass die für das Verwaltungsgericht Augsburg bestimmten Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten lediglich „versehentlich“ an das Verwaltungsgericht … gefaxt wurden. Die beim Verwaltungsgericht … eingegangenen offenkundigen „Irrläufer“ begründeten keine Rechtshängigkeit. „Irrläufer“ sind formlos an das zuständige Gericht weiterzuleiten, was hier durch das Verwaltungsgericht … auch veranlasst wurde (s. Schreiben des VG … vom 9.2.2018).
Da der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (und die Klage) erstmals am 9. Februar 2018 – also nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist – beim Verwaltungsgericht Augsburg eingingen (die vom Verwaltungsgericht … übersandten Schriftsätze gingen erst am 13. Februar 2018 ein), wurde die Antragsfrist (und auch die Klagefrist) nicht gewahrt.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann der Antragstellerin nicht gewährt werden.
Nach § 60 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. „Verschulden“ im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO liegt vor, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (vgl. BVerwG, B.v. 1.9.2014 – 2 B 93/13 – juris Rn. 11). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Dabei sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO) und die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die Antragstellerin war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die einwöchige Frist zur Erhebung der Klage und der Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO einzuhalten. Denn die Versäumung dieser Frist beruht auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten, das nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Antragstellerin gleichsteht (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.2003 – 1 B 92.02 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 28.5.2013 – 10 ZB 13.559 – juris Rn. 6). Das Verschulden ist darin zu sehen, dass die Prozessbevollmächtigte die beiden an das Verwaltungsgericht Augsburg adressierten Schriftsätze am 6. Februar 2018, also am letzten Tag der Klage- und Antragsfrist, an das „falsche“ Gericht (Verwaltungsgericht …) gefaxt hat oder faxen ließ, wodurch aber die Rechtshängigkeit nicht ausgelöst wurde (siehe unter 1.) und erst am 9. Februar 2018, also verspätet, die Klage und den streitgegenständlichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Augsburg eingereicht hat. Wiedereinsetzungsgründe, die z.B. erklären, wie es zur Faxversendung an das „falsche“ Gericht kam, und erkennen lassen, ob die Prozessbevollmächtigte die übliche Sorgfalt eines Anwalts angewandt hat und ihr auch kein Organisationsverschulden anzulasten ist, hat die Prozessbevollmächtigte nicht bzw. nicht fristgerecht (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO) vorgetragen.
Die 2-Wochenfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO hat hier am 9. Februar 2018 zu laufen begonnen. Denn an diesem Tag wurde die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten vom Verwaltungsgericht … telefonisch über den dortigen Eingang des Irrläufers informiert (s. Aktenvermerk, Bl. 14 der Gerichtsakte), was offensichtlich von Seiten der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten dazu führte, die Antragsschrift und die Klageschrift noch am 9. Februar 2018 (per Fax) beim Verwaltungsgericht Augsburg einzureichen, also die versäumten Rechtshandlungen nachzuholen. Bis zum Ende der 2-Wochenfrist am 23. Februar 2018 (24:00 Uhr) wurden aber keine Wiedereinsetzungsgründe geltend und damit auch nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO) und solche können nach Ablauf der Frist am 23. Februar 2018 auch nicht mehr vorgetragen werden.
Ein Verschulden ist vorliegend auch nicht deshalb entfallen, weil die Weiterleitung des Schriftsatzes durch das Verwaltungsgericht … nicht am selben Tag (6.2.2018) – also noch innerhalb der Antragsfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG – erfolgte.
Kann das zunächst angegangene Gericht, wie vorliegend aufgrund der auf dem Schriftsatz befindlichen Adressierung „Verwaltungsgericht Augsburg…“ ohne weiteres erkennen, für welches Gericht das Schreiben seinem Inhalt nach bestimmt ist, so entspricht es dem Verfassungsprinzip der fairen Verfahrensgestaltung, wenn das Schreiben unmittelbar an das zuständige Gericht weitergeleitet wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.6.1995 – 1 BvR 166/93 – juris Rn. 44 ff.). Diese Weiterleitung muss jedoch nur im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs erfolgen. Eine weitergehende Verpflichtung ergibt sich von Verfassungs wegen nicht (BVerwG, B.v.15.7.3003 – 4 B 83/02 – juris Rn. 9). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist deshalb nur dann zu gewähren, wenn der Schriftsatz so rechtzeitig beim unzuständigen Gericht eingegangen ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das zuständige Gericht im ordentlichen Geschäftsgang erwartet werden konnte (vgl. Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 167 Rn. 7 und § 233 Rn. 22b m.w.N.). Ein Verschulden im Verantwortungsbereich des Verwaltungsgerichts … ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Auf der Klage- und der Antragsschrift ist erkennbar, dass diese per Fax (am 6.2.2018) um 14:45 Uhr bzw. um 14:47 Uhr an das Verwaltungsgerichts … übermittelt wurden und dort um 14:57 Uhr bzw. um 14:59 Uhr eingingen. Damit liegt es auf der Hand, dass eine Weiterleitung noch am selben Tag an das Verwaltungsgericht Augsburg (nur dann hätte die Antrags- und Klagefrist gewahrt werden können) im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs nicht zu erwarten war (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2016 – 3 ZB 16.412 – juris Rn. 12). Damit ist die Antragsfrist und Klagefrist nicht ohne ein demjenigen der Antragstellerin gleichstehendes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten versäumt worden. Demzufolge kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.
3. Lediglich ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass der Antrag aber auch in der Sache erfolglos geblieben wäre. Denn an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 26. Januar 2018 bestehen keine ernstlichen Zweifel. Das Gericht folgt den Feststellungen und der ausführlichen und zutreffenden Begründung des Bescheids.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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