Verwaltungsrecht

Keine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 AsylG

Aktenzeichen  M 17 S 17.33538

Datum:
12.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 60, § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 36 Abs. 3, § 75, § 77 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Ist der angefochtene Bescheid mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung in der Sprache des Asylbewerbers versehen, kann die Anordnung der kraft Gesetzes ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung nur innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 AsylG beantragt werden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Mangelnde Rechtskenntnisse stellen keine ausreichende Entschuldigung dar und können eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht begründen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger des Kosovo und ägyptischer Volkszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben reiste er am … November 2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 7. November 2016 Asylfolgeantrag. Asylerstanträge des Antragstellers waren 1994 und 1995 unanfechtbar abgelehnt worden.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … November 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er vor ca. sechs Jahren seinen Neffen zur Grundschule gebracht habe und ein paar Jungs ihn dann beleidigt hätten, unter anderem mit dem Wort „Magjup“. Vor seiner Ausreise sei ein Mann zu ihm an die Wohnungstür gekommen. Der Antragsteller habe Unterlagen, dass ein Mann namens … … schuldig gesprochen worden sei, den Antragsteller 2013 mit seinem Fahrzeug angefahren zu haben. Der Mann habe gesagt, falls der Verurteilte zahlen müsste, würde der Antragsteller erledigt werden. Insgesamt habe der Mann ihn bzw. seinen Neffen dreimal bedroht. Auch wegen der wirtschaftlichen Lage sei er geflohen, da er weder Sozialhilfe noch staatliche Unterstützung bekommen habe. Er habe 38 Frakturen gehabt, Wetterveränderungen führten zu Atemschwierigkeiten und er könne nicht lange am Stück laufen. Bereits im Kosovo sei er mit Aspirin behandelt worden.
Ein Bericht der … Dezember 2016, in dem Z.n. Koma, Atlasfraktur, Oberarmfraktur links proximal, Luxation distales Radioulnargelenk links, Fraktur Sinus maxillares rechts, Lungenkontusion sowie wohl Z.n. Infekt Hinterkopf bei wohl Z.n. Halofixateur diagnostiziert wurden. Dem Antragsteller wurde eine Vorstellung beim Mund-Kiefer-Chirurgen empfohlen. Eine weitere Behandlung sei nicht notwendig. Mit einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus orthopädisch-chirurgischer Sicht sei nicht zu rechnen.
Mit Bescheid vom 6. Februar 2017, zugestellt am 8. Februar 2017, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens seien vorliegend gegeben. Aufgrund des schlüssigen Sachvortrags des Antragstellers läge eine neue Sachlage vor. Daneben sei zwischenzeitlich eine neue Rechtslage eingetreten, weil die beiden ersten Asylanträge vor dem 28. August 2007 entschieden und der europarechtliche subsidiäre Schutz somit noch nicht geprüft worden sei. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen aber offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller stamme aus Kosovo, einen sicheren Herkunftsstaat, sodass vermutet werde, dass er nicht verfolgt werde, solange er keine Tatsachen vortrage, die die Annahme begründeten, dass er entgegen dieser Vermutung verfolgt werde. Der Antragsteller habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangt ließe, dass in seinem Fall, entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in seinen Herkunftsstaat, die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung oder eines ernsthaften Schadens erfüllt seien. Aus seinem Vortrag sei wieder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Die vorgetragenen Bedrohungen beruhten letztlich auf einem Verkehrsunfall und dessen Folgen. Dass der Antragsteller vom Volke der Ägypter sei, sei in diesem Zusammenhang reiner Zufall und nicht ursächlich für die etwaigen Bedrohungen. Ein Vorfall liege bereits sechs Jahre zurück und bei einem weiteren sei lediglich der Neffe des Antragstellers bedroht worden. Die vorgetragene Bedrohung eines unbekannten Mannes an der Wohnungstür falle schon bezüglich der fehlenden Intensität nicht unter § 3a AsylG. Im Übrigen stehe im Kosovo gegen rechtswidrige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure hinreichender staatlicher Schutz zur Verfügung. Der Antragsteller habe nicht versucht, den Schutz seines Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen. Ihm drohe demnach auch kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Dem Antragsteller drohe keine durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Kosovo führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot, sie müsse und könne vom Antragsteller ebenso wie von vielen seiner Landsleute gegebenenfalls unter Aufbietung entsprechender Aktivitäten bewältigt werden. Eine Rückkehr sei für ihn insofern auch zumutbar. Die Umstände, die der Antragsteller geltend mache, gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner hinzunehmen hätten, die in vergleichbarer Situation lebten. Ihm sei es auch bis zu seiner Ausreise gelungen, für sich mit Sammeln und Verkauf von Schrott eine Lebensgrundlage zu schaffen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er nicht imstande sein werde, bei einer Rückkehr eine zumindest existenzsichernde Grundlage zu schaffen. Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben. Er habe mehrere ärztliche Dokumente aus dem Kosovo in Zusammenhang mit seinem vorgetragenen Verkehrsunfall vorgelegt. Auf Aufforderung, ein aktuelles fachärztliches Attest vorzulegen, übermittelte er das Schreiben vom … Dezember 2016 der … … Danach sei aber keine zielstaatsbezogene erhebliche, also konkrete, individuelle Gefahr für Leib und Leben gegeben.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 23. Februar 2017 zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage (M 17 K 17.33537) und beantragte gleichzeitig, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen.
Zur Begründung nahm er Bezug auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt und führte aus, dass er nicht gewusst habe, wohin er habe gehen müssen, um die Klage einzureichen. Da ihm keiner eine konkrete Auskunft gegeben habe, sei er bei der … (nur nach Terminvergabe) am … Februar 2017 um 14:00 Uhr gewesen, wo man ihm mitgeteilt habe, dass er zur Rechtsantragstelle in … gehen könne, um die Klage einzureichen. Als er dort nach 15:00 Uhr angekommen sei, sei keiner mehr zu erreichen gewesen Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 17.33537 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antragsteller möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 6. Februar 2017 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.
Der Antrag hat jedoch keinen Erfolg:
Nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu stellen. Im vorliegenden Fall ging der streitgegenständliche Bescheid dem Antragsteller am 8. Februar 2017 zu. Die Wochenfrist endete damit mit Ablauf 15. Februar 2017 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1, 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1, § 193 BGB), so dass der am 23. Februar 2017 bei Gericht eingegangene Antrag verfristet ist.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere war dem angegriffenen Bescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung:in albanischer Sprache beigefügt, so dass dem Antragsteller die Wochenfrist bekannt sein musste. Dieser Rechtsbehelfsbelehrung:ist auch zu entnehmen, wo und wie die Klage zu erheben ist. Mangelnde Rechtskenntnisse stellen demgegenüber keine ausreichende Entschuldigung dar (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 60 Rn. 6). Damit ist die Fristversäumnis nicht unverschuldet im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO.
Allerdings ist nach der Rechtsprechung (vgl. insbesondere OVG, U.v. 18.4.2017 – A 9 S 333/17) die Rechtsbehelfsbelehrung:des Bescheids vom 6. Februar 2107 unrichtig, so dass insoweit die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO gilt. Letztendlich kann dies hier aber dahingestellt bleiben, da in diesem Fall der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zwar zulässig, aber unbegründet wäre. Denn es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Das Gericht nimmt insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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