Aktenzeichen M 4 S 16.31856
VwGO VwGO § 60, § 80 Abs. 5
Leitsatz
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren, wenn der Antragsteller zwischen Bekanntgabe des Bescheides und Ablauf der Antragsfrist seine Bevollmächtigten in der Annahme wechselt, sein ehemaliger Bevollmächtigter habe bereits Rechtsmittel eingelegt. Es ist in diesem Fall die Aufgabe des Antragstellers, sich davon zu überzeugen, dass sein ehemaliger Bevollmächtigter tatsächlich Rechtsmittel eingelegt hat. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein irakischer Staatsangehöriger, begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wurde.
Der Asylantrag des Antragstellers wurde durch Bescheid des Bundesamts vom 13. Dezember 2011 abgelehnt.
Am 2. September 2014 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens.
Am 8. Dezember 2015 erhob der Antragsteller, vertreten durch einen anderen Bevollmächtigten (der erste Bevollmächtigte), Untätigkeitsklage nach § 75 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- gegen die Antragsgegnerin (Az.: M 4 K 15.31610).
Mit Bescheid vom 13. Juli 2016, der laut Aktenvermerk am 15. Juli 2016 zur Post gegeben wurde, lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abänderung des Bescheids vom 13. Dezember 2011 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes -AufenthG- ab und forderte ihn auf, die Bundesrepublik binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller diese Ausreisefrist nicht einhalten, werde er in den Irak abgeschoben. Er könnte auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG befristete das Bundesamt auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2016 erklärte daraufhin der erste Bevollmächtigte des Antragstellers die Untätigkeitsklage für erledigt. Die Antragsgegnerin hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 und der Ergänzung vom 24. März 2016 einer Erledigungserklärung generell zugestimmt.
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob der (in diesem Verfahren) Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Juli 2016 (Az.: M 4 K 16.31855). Die Klage ist noch nicht entschieden.
Gleichzeitig wurde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und nach § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers begründete den Antrag damit, dass der Antragsteller davon ausgegangen sei, dass sein erster Bevollmächtigter fristgemäß Rechtsmittel gegen den streitgegenständlichen Bescheid einlegen werde, da bereits bei der ursprünglichen Auftragserteilung vom Antragsteller klargestellt worden sei, dass er alle Rechtsmittel ausschöpfen wolle, um seinen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens und seines Bleiberechts in Deutschland durchzusetzen. Der erste Bevollmächtigte habe den Antragsteller gebeten, sich mit ihm telefonisch in Verbindung zu setzen, habe von diesem jedoch nicht erreicht werden können. Dem Antragsteller sei bis heute nicht bekannt, ob der erste Bevollmächtigte Rechtsmittel gegen den Bescheid eingelegt habe.
Das Gericht stellte das auf die Untätigkeitsklage bezogene Verfahren durch Beschluss vom 29. Juli 2016 in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO ein.
Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamts Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Asylgesetz -AsylG-) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist unzulässig.
Die 1-Wochen-Frist (§§ 74 Abs. 1, 36 Abs. 3 Satz 1 und 10 AsylG) wurde nicht eingehalten; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO war nicht zu gewähren.
1. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid vom 13. Juli 2016 wurde am 15. Juli 2016 als Einschreiben zur Post gegeben. Er gilt damit am 18. Juli 2016 als zugestellt (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz -VwZG-). Die Antragsfrist lief damit am 25. Juli 2016, 24 Uhr ab, weshalb der erst am 27. Juli 2016 eingegangene Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO verfristet ist.
2. Dem Antragsteller kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Gemäß § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Für das Verschulden ist darauf abzustellen, ob der Antragsteller diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (Kopp/Schenke, VwGO, § 60 Rn. 9). Es kommt damit darauf an, ob dem Antragsteller ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er die Frist versäumt hat.
Dies ist der Fall. Es wäre Aufgabe des Antragstellers gewesen, sich davon zu überzeugen, dass der erste Bevollmächtigte gegen den streitgegenständlichen Bescheid vorgeht. Schon die Tatsache, dass dieser ihn darum gebeten hatte, sich telefonisch mit ihm in Verbindung zu setzen, hätte beim Antragsteller Zweifel daran aufkommen lassen müssen, ob der erste Bevollmächtigte ohne weitere Bestätigung gegen den streitgegenständlichen Bescheid vorgehen würde. Selbst wenn man die telefonische Unerreichbarkeit des ersten Bevollmächtigten als wahr unterstellt, wären dem Antragsteller auch noch weitere (zumutbare) Möglichkeiten der Kontaktaufnahme geblieben – so hätte er beispielsweise seinerseits telefonisch eine Nachricht hinterlassen, den ersten Bevollmächtigten persönlich in seinen (nicht weit von Neufahrn entfernten) Kanzleiräumen in München aufsuchen oder eine E-Mail bzw. ein Telefax versenden können.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).