Aktenzeichen M 5 K 16.35958
Leitsatz
Für die Anerkennung als Flüchtling auf Grund von im Heimatland drohender religiöser Verfolgung ist maßgeblich, dass der Asylbewerber eine bestimmte Glaubensbetätigung lebt und ihm deshalb Verfolgung oder erhebliche Diskriminierung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (siehe hierzu etwa BayVGH, Beschl. v. 19.10.2018 – 6 ZB 18.32614; BeckRS 2017, 133342). Der Asylbewerber muss darlegen, dass die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne unverzichtbar ist (BayVGH BeckRS 2017, 133342. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes oder auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegen.
1. Der Kläger hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, dass die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde.
a) Zum einen knüpft der klägerische Vortrag nicht an ein in den §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG genanntes flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal an. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Pakistan keine Verfolgung „wegen der [zugeschriebenen] Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“, insbesondere nicht wegen der Religion.
Für die Anerkennung als Flüchtling auf Grund von im Heimatland drohender religiöser Verfolgung ist maßgeblich, dass der Asylbewerber eine bestimmte Glaubensbetätigung lebt und ihm deshalb Verfolgung oder erhebliche Diskriminierung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (siehe hierzu etwa BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 6 ZB 18.32614; B.v. 9.11.2017 – 9 ZB 17.30771 – juris). Der Asylbewerber muss darlegen, dass die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne unverzichtbar ist (BayVGH a.a.O.; vgl. auch BVerwG, B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 11). Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BayVGH aaO.; BVerwG, u.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 30; vgl. zum Ganzen auch VG München, U.v. 21.9.2017 – M 1 K 16.35606 – juris Rn.12).
Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, die bei dem Kläger auf eine derartige öffentlichkeitswirksame und daher verfolgungsträchtige identitätsprägende religiöse Überzeugung schließen lassen. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die Betätigung seines Glaubens hier in Deutschland darin bestehe, dass er zu Hause zu dem Prediger S. bete. Sonst würde er in dieser Hinsicht nichts zu tun. Weitere Anhänger S. seien im persönlich nicht bekannt. Die Glaubensbetätigung des Klägers beschränkt sich damit – auch hier in Deutschland – auf den rein privaten Bereich. Mangels Öffentlichkeitsbezugs muss er daher auch bei einer Rückkehr nach Pakistan nicht mit einer Verfolgung wegen seiner Religion – deren identitätsprägende und verfolgungsauslösende Wirkung unterstellt – bzw. einer Unterdrückung seiner religiösen Betätigung rechnen.
Dies gilt auch mit Blick auf den klägerischen Vortrag, in der Moschee könne er nicht (offen) zu S. beten und diese daher nicht besuchen. Denn es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass der Kläger den Moscheebesuch für sein Gebet zu S. als verpflichtend empfinden würde. Dies stände zudem im Widerspruch zu dem Vortrag des Klägers, er sehe sich nicht mehr als Sunnit und vollziehe auch in Deutschland sein Gebet zu S. (nur) zu Hause. Auch der Umstand, dass der Kläger in Pakistan ggf. aufgrund seiner religiösen Überzeugung nicht in die Moschee gehen würde, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass dieser Umstand „den anderen nichts ausmachen“ würde. Zwar würde er nach eigenen Angaben in Pakistan wegen seines Gebets zu einem anderen Gott als Ungläubiger gelten. Dieses Gebet aber vollzieht der Kläger (nur) im Privaten, sodass Dritte gar keine Kenntnis von seinem Gebet erhalten können.
b) Selbst wenn dem Kläger aufgrund einer religionsbedingten Verfolgung eine Rückkehr in seinen Heimatort nicht möglich sein sollte, da man dort um sein religiöses Bekenntnis weiß, ist es ihm möglich und zumutbar, sich in einer (anderen) Großstadt – bspw. in den Großstädten R., L., P. oder M. – in Pakistan aufzuhalten, wo er in dortiger Anonymität unbehelligt leben und seinen Glauben auch weiterhin im Privaten praktizieren kann (Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Pakistan v. 21.8.2018, S. 19; UK Home Office, Country Policy and Information Note – Pakistan: Background information, including actors of protection, and internal relocation v. 6/2017, S. 6 Nr. 2.3.2), § 3e AsylG. Der Kläger ist ein gesunder Mann mittleren Alters, dem zuzumuten ist, sein Existenzminimum an einem anderen Ort in Pakistan, insbesondere einer Großstadt, auch ohne familiäres Netzwerk abzusichern. Gründe, die es ihm nicht zumutbar erscheinen ließen, außerhalb seiner Heimatregion zu leben, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Im Übrigen wird zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes in dem angegriffenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
2. Aus denselben Gründen hat das Bundesamt zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken. Auch insoweit wird zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes in dem angegriffenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO.