Aktenzeichen AN 3 K 14.30620
Leitsatz
Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Asylbewerber nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (BVerwG BeckRS 1987, 31246375). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Gründe
_BBayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
Aktenzeichen: AN 3 K 14.30620
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 17.02.2016
3. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 710 01
Hauptpunkte:
Äthiopien
OLNF, Ogaden
exilpolitisches Engagement
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…, geb. …1990 alias …, geb. …1990
– Kläger –
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
gegen
Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesamt … Referat Außenstelle …
– Beklagte –
wegen Verfahrens nach dem AsylG/AsylG
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 3. Kammer,
durch die Einzelrichterin Richterin am Verwaltungsgericht Kokoska-Ruppert aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. Februar 2016 am 17. Februar 2016 folgendes Urteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
Der 1990 geborene Kläger ist eigenen Angaben zufolge äthiopischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Ogaden an. Er ist Angehöriger des sunnitischen Islam. Der Kläger erklärte, er sei am 15. Februar 2013 per Pkw von Äthiopien aus in den Sudan nach … gefahren. Dort habe er sich bis März 2013 aufgehalten. Irgendwann im März 2013 sei er mit dem Flugzeug vom Sudan (wo er seinen Reisepass weggeworfen habe) in die Türkei geflogen. Dort habe er sich ca. neun bis zehn Tage aufgehalten. Danach sei er mit dem Flugzeug von … nach … in die Niederlande geflogen. Am 25. März 2013 sei er von … mit dem Bus nach … gefahren. Er habe sich dann am 26. März 2013 in … bei der Asylbehörde gemeldet. Laut der Akte der Beklagten stellte der Kläger am 3. April 2013 einen Asylantrag.
In seiner Anhörung gemäß § 25 AsylG am 17. Juni 2014 erklärte der Kläger, der Kebele-Ausweis befinde sich zuhause. Der Kläger legte eine Bescheinigung der Ogadenischen Gemeinde e.V. vom 1. Juni 2013 vor, wonach er Ogade sei. Der Reisepass, den er im Sudan weggeworfen habe, sei nicht sein Reisepass gewesen. Ein Schlepper habe ihn ihm besorgt. Seine Frau und sein Kind lebten in Kenia. Flugunterlagen könne er nicht vorlegen, alles habe der Schlepper gehabt und er selbst habe nichts in der Hand gehabt.
Er gab an, er sei im Zeitraum 2009 bis 2011 inhaftiert gewesen, weil er verdächtigt worden sei, der ONLF geholfen zu haben. Aus demselben Grund sei er im Jahr 2012 zum zweiten Mal verhaftet worden. Ein weiterer Besuch der ONLF im Februar 2013 bei seiner Familie habe seine Ausreise veranlasst. Er sei von seiner Schwester gewarnt worden, dass äthiopische Soldaten zu ihm nach Hause kommen würden. Seine Frau habe nach seiner Ausreise normal weiterleben können, dann sei es aber wieder schlimmer geworden, Soldaten seien öfter zu ihr gekommen und hätten nach dem Kläger gefragt. Ein paar Mal hätten sie seine Frau festgenommen und mehrere Tage festgehalten. Sie seien immer wieder beschuldigt worden, der ONLF zu helfen und den Soldaten Wasser gegeben zu haben. Deswegen sei seine Frau schließlich auch ausgereist. Das Geld habe jedoch für eine gemeinsame Ausreise nicht gereicht. Er gab an, exilpolitisch nicht tätig zu sein.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2014, der dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 26. Juni 2014 zugestellt wurde, lehnte die Beklagte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4) und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Ihm wurde die Abschiebung nach Äthiopien oder in einen anderen rückübernahmebereiten oder -verpflichteten Staat angedroht (Ziffer 5).
Zur Begründung wurde ausgeführt, das Vorbringen des Klägers erweise sich insgesamt als unglaubhaft. Für den Kläger seien am 23. Juni 2014 EURODAC-Treffer für Italien vom 11. August 2011 und für Norwegen vom 2. Januar 2013 festgestellt worden. Diese Aufenthalte 2011 in Italien und 2013 in Norwegen habe der Kläger weder bei der Anhörung am 17. Juni 2014 noch bei seiner Erstbefragung am 3. April 2013 erwähnt. Dabei sei er darüber belehrt gewesen, dass die Fragen wahrheitsgemäß beantwortet werden müssten. Durch das Verschweigen seiner Aufenthalte in Italien und Norwegen bleibe es unklar, wo er sich zwischen 2011 und 2013 aufgehalten habe und ob er zwischenzeitlich wieder in Äthiopien gewesen sei. Es bliebe auch unklar, ob der Kläger in beiden Ländern Asylverfahren betrieben habe und wenn ja, welche Ergebnisse dabei erzielt worden seien. Des Weiteren kollidierten die Aufenthalte in Italien und Norwegen mit der vorgebrachten Verfolgungsgeschichte. So wolle der Kläger von 2009 bis 2011 im Gefängnis gewesen sein. Nach der Haftentlassung auf Bewährung habe er sich anschließend regelmäßig bei der örtlichen Polizei in Äthiopien melden müssen. Aufgrund seiner abgenommenen Fingerabdrücke am 11. August 2011 in Italien könne dies dem Kläger nicht geglaubt werden. Es bleibe unklar, wann der Kläger nach Italien gereist sei und wie sich diese Tatsache mit seiner Behauptung, dass er sich regelmäßig habe melden müssen, zusammenpasse. Auch seine behauptete Ausreise aus Äthiopien am 15. Februar 2013 passe zeitlich nicht in den Kontext. Denn am 2. Januar 2013 seien ihm in Norwegen Fingerabdrücke abgenommen worden. Da demnach nicht geklärt werden könne, wann der Kläger Äthiopien verlassen habe, könne dem Kläger nicht geglaubt werden, dass die vorgebrachte Verfolgungsgeschichte ursächlich für seine Ausreise gewesen sei. Insgesamt erweise sich das Vorbringen des Klägers als unglaubhaft.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten, das am 2. Juli 2014 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ der Kläger Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben.
Er beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2014, Az.: …, aufzuheben,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen ist sowie
hilfsweise festzustellen, dass dem Kläger subsidiärer Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen ist sowie weiterhin
hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG für den Kläger vorliegen.
Ferner beantragte der Kläger, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin …, …, zu bewilligen.
Mit Schreiben vom 8. Juli 2014 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 2. Oktober 2014 legte der Kläger Bescheinigungen über das exilpolitische Engagement des Klägers für die ONLF vor. So habe er an einer Demonstration in … am 24. August 2013 teilgenommen, an einem Meeting der ONLF am 5. Januar 2014 in …, an einem Treffen wegen der Massaker gegen die Ogaden am 22. Februar 2014 und an einem Ogadentreffen im Januar 2013 in … und an einer Demonstration in … vor der Äthiopischen Botschaft im Sommer 2013.
Der Kläger sei wegen seines Kampfes in der ONLF gegen die Regierung in Äthiopien von 2009 bis 2011 in Haft gewesen. Im Jahre 2012 sei er erneut verhaftet worden. Nach seiner Freilassung im Februar 2013 sei der Kläger aus Äthiopien geflohen. Sowohl durch seine politische Betätigung in Äthiopien als auch sein exilpolitisches Engagement müsse der Kläger bei einer Rückkehr mit politischer Verfolgung rechnen.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 merkte die Beklagte an, es sei fraglich, warum die nun vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen nicht schon vor der Bescheidserteilung präsentiert worden seien. Dies sei zeitlich ausnahmslos möglich gewesen.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2015 ließ der Kläger einen Bericht mit Fotos vorlegen. Diese sollen zeigen, dass der Kläger im Januar an einer Vorstandswahl seiner Partei in … teilgenommen habe.
Mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2015 teilte das Landratsamt … mit, dass der Kläger bei der Einreise in das Bundesgebiet durch Beamte der Polizeidienststelle … einer polizeilichen Kontrolle unterzogen worden sei. Dabei seien unter anderem die in der Anlage als Kopie beigefügten italienischen Ausweise und ein italienischer Aufenthaltstitel sichergestellt und eingezogen worden.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 29. Dezember 2015 legte der Kläger zum Beweis seines politischen Engagements einen Bericht und ein Foto eines Treffens der ONLF vom 7. Juni 2015 in …, vom 26. April 2015 in … und vom 5. September 2015 in … vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die im Hauptantrag auf die Verpflichtung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) beschränkte Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 23. Juni 2014 ist im Umfange des Klagebegehrens rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Ihm steht weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) (Hauptantrag) noch auf Zuerkennung des subsidiären Flüchtlingsstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder auf Feststellung des Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Hilfsanträge) zu.
1. Nachdem die Bundesrepublik Deutschland das Asylverfahren des Klägers als nationales Verfahren durchgeführt hat, ist der aufenthaltsrechtliche Status des Klägers in Italien („humanitärer Schutz“) für das in Deutschland durchgeführte Verfahren ohne Bedeutung. Unbeachtlich ist hier auch, dass für den Kläger wegen der erwiesenen und von ihm selbst im gerichtlichen Verfahren eingeräumten Gewährung humanitären Schutzes in Italien sein Antrag als Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylG hätte behandelt werden müssen.
Zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung hatte das Bundesamt aufgrund der wissentlich falschen Angaben des Klägers zum Ausgang eventuell betriebener Asylverfahren in Italien (Aufgriff 20. August 2011) und Norwegen (Aufgriff 2. Januar 2013), von welchen es erstmals am 23. Juni 2014 erfuhr, keine Kenntnis. Es entschied wegen des Ablaufs der Fristen des Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II- VO) über den Asylantrag des Klägers im nationalen Verfahren und gewährte ihm damit die umfassende Prüfung seines Asylbegehrens.
2. Vorliegend ist kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Ergänzend hierzu bestimmt § 3 a AsylG die Verfolgungshandlungen, § 3 b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3 c AsylG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3 d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3 e AsylG den internen Schutz.
§ 3 a Abs. 3 AsylG regelt ausdrücklich, dass zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. den in § 3 b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3 a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss.
Ausschlussgründe, wonach ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, sind in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG geregelt.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des AufenthG.
Unter Würdigung dieser Voraussetzungen steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs.1 AsylG) zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.
Der Kläger konnte zur Überzeugung des Gerichts Vorfluchtgründe nicht glaubhaft machen.
Mit Rücksicht darauf, dass sich der Schutzsuchende vielfach hinsichtlich asylbegründender Vorgänge außerhalb des Gastlandes in einem gewissen, sachtypischen Beweisnotstand befindet, genügt bezüglich dieser Vorgänge für die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene richterliche Überzeugungsgewissheit in der Regel die Glaubhaftmachung. Dies bedeutet, dass das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen darf, sondern sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen muss, die auch nicht völlig auszuschließende Zweifel mit umfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.1977, Buchholz 402.24, § 28 AuslG Nr. 11; Urteile vom 16.04., 01.10. und 12.11.1985, Buchholz 402.25, § 1 AsylG Nrn. 32, 37 und 41).
Dabei ist der Beweiswert der Aussage des Asylbewerbers im Rahmen des Möglichen wohlwollend zu beurteilen. Er muss jedoch andererseits von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen, widerspruchsfreien Sachverhalt schildern. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann ihm nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 20.10.1987, Buchholz 310, § 86 Abs. 3 VwGO, Nr. 37; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz 402.25, § 1 AsylG, Nr. 113).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz a. a. O., Nr. 113).
Gemessen an den dargestellten Grundsätzen erweist sich der Sachvortrag des Klägers als unglaubhaft.
In seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 17. Juni 2014 gab der Kläger an, er sei im Zeitraum 2009-2011 in Äthiopien inhaftiert gewesen, weil er verdächtigt worden sei, der ONLF geholfen zu haben. Aus demselben Grund sei er im Jahr 2012 ein zweites Mal inhaftiert gewesen. Schließlich habe ein weiterer Besuch der ONLF bei seiner Familie im Februar 2013 seine Ausreise veranlasst, da der Kläger Angst vor den äthiopischen Sicherheitsbehörden gehabt habe.
Auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, der Kläger habe sich im Zeitraum 2012 und 2013 erwiesenermaßen in Europa aufgehalten und er möge erklären, was Anlass seiner Ausreise aus Äthiopien gewesen sei, erklärte er lediglich, er sei im Zeitraum 2009-2011 für insgesamt eineinhalb Jahre inhaftiert gewesen und daraufhin ausgereist. Er sei bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt verwirrt gewesen und es könne sein, dass er unzutreffende Angaben gemacht habe.
Es drängt sich hier auf, dass der Kläger, nachdem seine Einreisen nach Italien und Norwegen in den Jahren 2011 und 2013 erwiesen und von ihm auch eingeräumt sind, an seiner ursprünglichen Schilderung des Verfolgungsschicksals nicht mehr festhalten kann. In der genannten Anhörung war es aus seiner Sicht erforderlich, den Zeitpunkt der Antragstellung in der Bundesrepublik Deutschland am 3. April 2013 in einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise aus dem Heimatland zu bringen. Dies macht jedoch sein Vorbringen zu den angeblichen Verfolgungsgründen im Heimatland insgesamt unglaubhaft.
Dem demnach unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereisten Kläger droht jedoch auch für den Fall einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch staatliche Stellen aufgrund seines exilpolitischen Engagements für die ONLF, weil er nicht zum gefährdeten Personenkreis zu rechnen ist.
In der äthiopischen exilpolitischen Szene gibt es zahlreiche Gruppierungen. Insgesamt ist den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Exilorganisationen genau beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen beobachten lässt. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei der Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen als terroristisch angesehen und welche Art exilpolitischer Aktivität festgestellt wird (führende Position, Organisationen gewaltsamer Aktionen). Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass jedenfalls Personen, die sich exponiert politisch betätigt haben, mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben. Dagegen ist eine Verfolgung von nicht herausgehobenen exilpolitischen tätigen Personen nicht beachtlich wahrscheinlich.
Die ONLF wird von der äthiopischen Regierung als terroristische politische Gruppierung angesehen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Äthiopien vom 4.3.2015, Seite 6). Aus dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 17. Juni 2014 (Seite 7 und 12) ergibt sich auch, dass im Ogaden-Gebiet oftmals zivile Personen festgenommen werden, die keinerlei Verbindung zur Organisation haben. Ein Verdacht der Sicherheitsbehörden, die OLNF zu unterstützen, reiche aus, um verhaftet zu werden. Daran habe auch ein Friedensabkommen aus dem Jahr 2010 nichts ändern können (so auch Auswärtiges Amt, Lagebericht, 4. April 2015, II.1.1. Seite 7).
Zwar belegte der Kläger, dass er an einer Vielzahl von Treffen der ONLF in Deutschland teilgenommen hat. Allerdings gab der Kläger noch in seiner Anhörung vor dem Bundesamt an, er engagiere sich nicht exilpolitisch und sei auch im Heimatland zu Unrecht in den Verdacht einer Zusammenarbeit mit der OLNF geraten. In der mündlichen Verhandlung erklärte er dann, er sei zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland ahnungslos gewesen und habe sich erst danach für die Belange seiner Volksgruppe eingesetzt. Auch dieses Vorbringen ist unglaubhaft und belegt geradezu, dass es sich beim Kläger um einen unpolitischen Menschen handelt. Damit steht in Einklang, dass er zwar an Treffen der ONLF in Deutschland teilnimmt, dass er dort jedoch nie in herausgehobener Position aufgetreten ist und sich seine politische Arbeit demnach auf ein Mitläufertum beschränkt, das ihn gerade nicht aus dem Kreis der einfachen Parteimitglieder heraushebt. Daran ändert auch nichts, dass er sich gemeinsam mit hohen Parteifunktionären ablichten lässt. Diese Art von Exponierung spricht weniger für einen ernsthaften politischen Willen als vielmehr für das Erstreben eines Aufenthaltstitels in Deutschland.
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG zu. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ( § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG). In diesem Rahmen sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG die §§ 3 c bis 3 e AsylG entsprechend anzuwenden.
Vorliegend sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland ein ernsthafter Schaden in diesem Sinne droht.
3. Auch nationale Abschiebungsverbote sind nicht gegeben.
a. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Mangels Erkennbarkeit diesbezüglicher Anhaltspunkte ist festzustellen, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind.
b. Ebenso wenig besteht im Falle des Klägers ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für den Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
4. Auch die im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreisesaufforderung unter Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Voraussetzungen der §§ 34 Abs.1, 38 Abs. 1 AsylG liegen vor.
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach
Hausanschrift: Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.