Verwaltungsrecht

Keine Zulassung zum Fachsemester – Kapazitäten im Bereich Medizin

Aktenzeichen  AN 2 E 17.10159

Datum:
18.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Hochschulzulassungsverordnung
Lehrverpflichtungsverordnung

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerseite beantragt im Wege einer einstweiligen Anordnung sinngemäß die Verpflichtung des Freistaats Bayern auf Zulassung im 3., hilfsweise in einem niedrigeren Fachsemester des Studiums der Humanmedizin an der … ab dem Sommersemester (SS) 2017.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die festgesetzte Höchstzahl an Studenten sei nicht kapazitätserschöpfend und somit rechtswidrig. Es bestehe deshalb ein Anordnungsanspruch auf Zulassung im Studiengang Humanmedizin. Zu den Einzelheiten wird auf die Antragsbegründung Bezug genommen.
Die Universität beantragt für den Freistaat Bayern, den Antrag abzuweisen, weil die Kapazität ausgeschöpft sei, und nimmt dabei Bezug auf den Schriftsatz vom 10. Mai 2017, worin die Aufnahmekapazität zum SS 2017 im 1. bis 4. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin wie folgt ausgewiesen wird:
 
Die Zahlen der eingeschriebenen Studenten beinhalten keine Beurlaubungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten, insbesondere auf die Datenerhebungsfor-mularsätze mit den Kapazitätsberechnungen der Universität für das Studienjahr 2016/2017 Bezug genommen.
II.
Der streitgegenständliche Antrag auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin (Vorklinik) im SS 2017 ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Auf der Grundlage der Ermittlung der Aufnahmekapazitäten für das Studienjahr wird im Hinblick auf die höheren Semester die konstante Übertrittsquote in die einzelnen Semester ermittelt. Mit der Bestimmung dieses mittleren Schwundfaktors ergeben sich dann die Festlegungen für die einzelnen Semester. Eine fehlerhafte Berechnung der seitens der Universität vorgelegten Zahlen für die höheren Semester der Vorklinik ist weder antragstellerseitig glaubhaft gemacht noch bei der durchgeführten Überprüfung von Amts wegen ersichtlich. Im 2., 3. und 4. Fachsemester wurden jeweils mehr Studierende aufgenommen, als das Rechenergebnis ergeben hat. Zudem besteht auch gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Zulassungszahlsatzung (ZZS) keine ungenutzte Kapazität, weil nach dieser Vorschrift eine Zulassung im Studiengang Humanmedizin für höhere vorklinische Fachsemester auch bei Unterschreiten der für das jeweilige Fachsemester festgesetzten Zulassungszahlen nicht stattfindet, soweit die Zahl der Studenten, die dem 1. bis 4. vorklinischen Fachsemester zuzurechnen sind, gleich oder höher ist als die Summe der für das 1. bis 4. Fachsemester festgesetzten Zulassungszahlen. Festgesetzt sind im Rahmen der ZZS als Summe der Vorgaben für das 1. bis 4. Fachsemester Humanmedizin Vorklinik insgesamt 656 Studienplätze, eine Zahl, die mit der Ist-Zulassungszahl von 680 Studenten überschritten wird. Somit liegt eine ungenutzte Kapazität in den höheren Fachsemestern des vorklinischen Studienabschnitts nicht vor.
2. Soweit der Antrag hilfsweise auf die Zulassung in das 1. Fachsemester gerichtet ist, ist er in der Sache ebenfalls nicht begründet.
Das Gericht hat neben den Rügen einzelner Beteiligter von Amts wegen die kapazitätsbestimmenden Faktoren und Ergebnisse der hochschulinternen Berechnungen für die Ermittlung der Zulassungszahl hinsichtlich des Studienjahres 2016/2017 eingehend überprüft und auch weitere Erläuterungen der Universität zur Berechnung der Ausbildungskapazität und zu den zu Grunde liegenden Daten eingeholt.
Der Ermittlung der Aufnahmekapazität der … im Studiengang Humanmedizin (erster Studienabschnitt) im Studienjahr 2016/2017 ist die Hochschulzulassungsverordnung in der geltenden Fassung zu Grunde zu legen. Hierbei sind für die Ermittlung des Lehrangebots (vgl. §§ 45 ff. HZV) die Vorschriften der Lehrverpflichtungsverordnung (LUFV) maßgebend.
Danach ergibt sich für die Vorklinik folgendes Lehrangebot in Semesterwochenstunden (SWS):
 
Die 2011 zwischen dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und der Hochschule sowie dem Universitätsklinikum … getroffene Zielvereinbarung über die auf drei Jahre befristete Schaffung von jeweils 30 Anfängerplätzen auf Grund des doppelten Abiturjahrgangs ist für die Vorklinik mit Ende des Studienjahres 2013/2014 ausgelaufen. Die dafür eingerichteten beiden Stellen mit insgesamt 12 SWS Lehrverpflichtung stehen deshalb nicht mehr zur Verfügung, da sie rechnerisch ausschließlich für die Erhöhung der Kapazität im ersten Fachsemester unter Zugrundelegung einer Regelstudienzeit von vier Fachsemestern im 1. Studienabschnitt berücksichtigt wurden. Die beiden im Rahmen des sogenannten „Innovationsbündnisses“ zugewiesenen Stellen waren bis 31. März 2016 befristet und sind deshalb, wie auch die im Zusammenhang mit einer Berufungszusage befristete halbe Stelle Nr. …, nicht mehr mit einzurechnen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erhöhen Drittmittelbedienstete das der Kapazitätsberechnung zu Grunde liegende Lehrangebot grundsätzlich nicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2013, 7 CE 13.10280). Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass Drittmittelbedienstete ausschließlich für konkrete Forschungsvorhaben entsprechend dem Zweck der bewilligten Mittel eingesetzt werden. Weder wird mit diesen Beschäftigten eine Lehrverpflichtung vereinbart, weil dies mit den projektbezogenen Verwendungsbestimmungen der Drittmittelgeber zur Forschungsförderung unvereinbar wäre, noch existiert ein normatives Lehrdeputat auf Grund der Lehrverpflichtungsverordnung. Demgegenüber sind für die Berechnung des Lehrangebots gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 HZV alle Stellen des wissenschaftlichen und künstlerischen Lehrpersonals und der sonstigen Lehrpersonen nach Stellengruppen den Lehreinheiten zuzuordnen. Nach dieser Vorschrift können deshalb nur Stellen solcher Personen berücksichtigt werden, die nach dem Dienstrecht zur Lehre verpflichtet sind oder verpflichtet werden können. Dazu gehören jedoch nicht solche Mitarbeiter, die aus Mitteln Dritter bezahlt werden und an Forschungsvorhaben teilhaben, die in der Hochschule durchgeführt werden (§ 25 Abs. 2 HRG).
Konkrete Anhaltspunkte für eine Abweichung von diesem Grundsatz dergestalt, dass an der … Bedienstete existierten, die mit Einverständnis des Zuwendungsgebers zur Erbringung von Lehrleistungen gegenüber der Hochschule verpflichtet sind, sind nicht ersichtlich. Soweit einzelne Antragsteller Vermutungen auf eine entsprechende Praxis im Umfeld einer Hochschule im Saarland anstellen, fehlt es an einem substantiierten Sachvortrag bezüglich der Universität …, die auf gerichtliche Anfrage einen nicht ordnungsgemäßen Einsatz der Drittmittelbediensteten auch ausdrücklich verneint hat. Selbst wenn bestimmte Mitarbeiter mehrmals in ihrer beruflichen Laufbahn zwischen Drittmittelstellen und Stellen als wissenschaftliche Mitarbeiter an der … wechselten, folge hieraus nicht, dass damit auch ein Verstoß gegen die dann jeweils geltenden arbeitsrechtlichen Verpflichtungen verbunden sei bzw. andere als die dann jeweils geschilderten Arbeitsleistungen erbracht würden. Mit dem Wechsel der Stelle gehe jeweils auch ein rechtlicher und tatsächlicher Wechsel der Aufgaben einher. Die Kammer sieht keine Veranlassung, diese Angaben in Zweifel zu ziehen. Ohne konkrete Anhaltspunkte besteht auch keine Veranlassung, zusätzlich dienstliche Erklärungen der Hochschullehrer der vorklinischen Lehreinheit zum Einsatz wissenschaftlicher Mitarbeiter, die den Status eines Drittmittelbeschäf-tigten haben, einzuholen.
Das Lehrangebot ist auch nicht durch einen zusätzlichen Einsatz weiterer Lehrpersonen aus dem klinischen Bereich aufzustocken. Das wiederholt vorgetragene Argument, die Lehrpersonen der klinisch-theoretischen Medizin, insbesondere im Fach Pathologie, könnten ihre originäre Lehrverpflichtung nicht erfüllen, so dass ihr Einsatz in der vorklinischen Ausbildung im Fach Anatomie auf Grund der bestehenden fachlichen Überschneidungen geboten sei, erweist sich nicht als durchgreifend. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hält an seiner grundsätzlichen Entscheidung (B.v. 8.7.2004, 7 CE 04.10017 u.a.) fest, dass die von der Universität gewählte Praxis, Fachvertreter klinischer Fächer rechnerisch mit einem Anteil von 20% an den in Frage kommenden Veranstaltungen zu beteiligen, rechtlich nicht zu beanstanden ist (B.v. 24.10.2013, 7 CE 13.10296 u.a.). Danach ist der vorklinische Teil des Studiengangs Humanmedizin der Lehreinheit vorklinische Medizin (Vorklinik) zugeordnet (§ 44 Abs. 2 Satz 3 HZV). Für die Berechnung der personellen Aufnahmekapazität der Universität ist daher in Bezug auf den vorklinischen Teil des Studiengangs grundsätzlich allein diese Lehreinheit und das dieser Lehreinheit nach Maßgabe der Anlage 6 zu § 45 Abs. 1 Satz 2 HZV zugeordnete Lehrpersonal zu Grunde zu legen. Der Grundsatz der „horizontalen Substituierbarkeit“ (BVerwG, U.v. 15.12.1989 – NVwZ – RR 1990, 394), also der Austauschbarkeit der einzelnen Lehrleistungen, gilt nur im Verhältnis von Lehrpersonen ein- und derselben Lehreinheit und nicht auch lehrein-heitsübergreifend zwischen der Vorklinik und den klinischen Lehreinheiten. Das Lehrpersonal anderer Lehreinheiten der Universität bleibt bei der Berechnung unberücksichtigt, solange es nicht tatsächlich anstelle des Lehrpersonals der Lehreinheit vorklinische Medizin Dienstleistungen (Lehrveranstaltungsstunden) im vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin erbringt. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang dies geschieht, trifft die Universität – unter Berücksichtigung der kapazitätsrechtlichen Bestimmungen – ausschließlich im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit.
Darüber hinaus sind die im Rahmen der sogenannten Titellehre erbrachten Lehrleistungen von Privatdozenten, Honorar- und außerplanmäßigen Professoren in das Lehrangebot der Universi tät mit einzurechnen, so dass daraus für das gesamte Studienjahr ein zusätzliches Lehrangebot von 5,5 SWS resultiert.
Nachdem im streitgegenständlichen Studienjahr keine Lehraufträge zur Verfügung stehen, ergibt sich daher ein unbereinigtes Lehrangebot von 348,20 Deputatsstunden.
Hiervon ist der Dienstleistungsbedarf für nicht zugeordnete Studiengänge in den Fächern Pharmazie, Medical Process Management (MSc), Psychologie (BSc), Zahnmedizin, Medizin 2. Studienabschnitt, Medizintechnik (BSc), Advanced Optical Technologies, Life Science Engineering (MSc), Psychologie (MSc) sowie Medizintechnik (MSc) mit insgesamt 63,12 SWS abzuziehen. Die betroffenen Lehrveranstaltungen beruhen nach Auskunft der Hochschule ohne Ausnahme auf Studien- und Prüfungsordnungen für die einzelnen Fächer. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass in den betreffenden Studiengängen medizinische Lehrveranstaltungen für ein sachgerechtes Lehrangebot erforderlich sind, so dass der Dienstleistungsexport eine ausreichende sachliche Berechtigung findet. Fachliche Zusammenhänge mit der Humanmedizin sind insbesondere im Hinblick auf die Studiengänge Medical Process Management, Medizintechnik, Advanced Optical Technologies sowie den Studiengang Life Science Engineering offensichtlich.
Insgesamt ist die Situation im Bereich des Dienstleistungsexports geprägt durch eine grundsätzlich nicht unproblematische Zunahme der von der medizinischen Fakultät zu versorgenden externen Studiengänge. Beanspruchten beispielsweise im Studienjahr 2010/2011 noch sechs Fächer Lehrangebot aus der Vorklinik, ist im aktuellen Studienjahr die Zahl immerhin auf zehn angewachsen. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, dürften künftig gesteigerte Anforderungen im Hinblick auf eine sachgerechte Abwägung der in Rede stehenden Belange der angemessenen Versorgung des harten NC-Fachs Medizin einerseits sowie der Einführung sogenannter „innovativer“ Studiengänge anderseits zu stellen sein.
Wie ein Vergleich der Kapazitätsberechnungen in den letzten Jahren verdeutlicht, hat sich die Hochschule trotz dieser Zunahme der nicht zugeordneten Studiengänge bislang offenbar bemüht, die Auswirkungen auf die vorklinische Medizin in Grenzen zu halten, da die Werte für den Dienstleistungsbedarf nahezu gleich geblieben sind (Studienjahr 2010/2011: 63,88; 2013/2014: 61,89; 2015/2016: 62,53 SWS).
Vor diesem Hintergrund und angesichts der erkennbaren sachlichen Nähe der nicht zugeordneten Studiengänge zur Lehreinheit Vorklinik sieht das Gericht derzeit keine Veranlassung zu ei ner weiteren Aufklärung des Ansatzes des Dienstleistungsbedarfs (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 15.6.2016, 7 CE 16.10083 u.a. – juris).
Im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird auch weiterhin an der Auffassung festgehalten, dass die für die Ermittlung des Dienstleistungsabzugs nach § 48 Abs. 2 HZV maßgebliche Studienanfängerzahl nicht um einen Schwund zu reduzieren ist. Die von der Universität angesetzten Studentenzahlen beruhen in zulässiger Weise auf der bisherigen Entwicklung der Studienanfängerzahl in diesen Fächern. Dass bei der Berechnung des Curricular-Anteils für die nicht zugeordneten Studiengänge nur die aktuellen oder bisherigen Studienanfängerzahlen im Semester und nicht zusätzlich die prognostizierte Entwicklung dieser Semesterkohorte in höheren Fachsemestern zu Grunde zu legen sind, resultiert eindeutig aus § 48 Abs. 2 HZV und der darauf bezogenen Berechnungsformel in der Anlage 5 zur Hochschulzulassungsverordnung. Diese Vorschrift stellt ausdrücklich auf die Studienanfängerzahlen der nicht zugeordneten Studiengänge ab und verlangt im Unterschied zur Regelung der §§ 51 Abs. 3 Nr. 3, 53 HZV keine Korrektur dieser Werte auf Grund einer Prognose über die Bestandszahlen der nachfolgenden Semester. Gegen diese ersichtlich aus Praktikabilitätsgrün-den getroffene Vereinfachungsregelung bestehen auch aus verfassungsrechtlicher Sicht keine durchgreifenden Bedenken (BayVGH, B.v. 27.8.2010, 7 CE 10.10278 u.a.).
Nicht durchgreifend erweist sich auch der Vortrag, auf Grund vorhandener Doppel- oder Zweitstudenten, welche neben Humanmedizin auch im Fach Zahnmedizin eingeschrieben seien, müsse der Dienstleistungsexport für den Studiengang Zahnmedizin in dem Maße verringert werden, in dem ihn Zweitstudenten nicht in Anspruch nehmen, weil sie die entsprechenden Veranstaltungen bei regelmäßigem Studienverlauf schon besucht haben und diese Kenntnisse auf ihre Ausbildung anrechenbar sind. Zum einen handelt es sich insoweit nicht um einen der in § 51 Abs. 1, Abs. 3 HZV aufgeführten Überprüfungstatbestände für die nach den Vorschriften der §§ 43 bis 50 HZV berechnete Aufnahmekapazität. Auch § 48 HZV sieht eine Berücksichtigung von Doppel- und Zweitstudenten in den nachfragenden Studiengängen nicht vor. Darüber hinaus bestehen in Bezug auf die Ermittlung der Kapazität für neu aufzunehmende Studienanfänger im Studiengang Medizin (Vorklinik) ohnehin keine Anhaltspunkte für maßgebliche Minderungen der Lehrnachfrage, weil ein Doppelstudium (Parallelstudium) in zwei zulassungsbeschränkten Fächern nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 42 Abs. 2 Satz 4 BayHSchG möglich und regelmäßig nicht genehmigungsfähig ist und Zweitstudenten sich we gen der Anrechnung ihrer bereits erbrachten Studienleistungen ohnehin zugleich in einem höheren Fachsemester immatrikulieren lassen können.
Das bereinigte Lehrangebot beträgt daher 285,08 SWS (348,20 SWS – 63,12 SWS).
Die Lehrnachfrage wird gemäß §§ 43, 50 HZV i.V.m. deren Anlage 5 durch den Curricular-normwert (CNW) bestimmt. Die Universität hat insoweit den Anteil der vorklinischen Medizin an die aktuelle Studienordnung angepasst und geringfügig auf 1,6042 erhöht. Sie geht dabei entgegen insoweit erhobener Rügen nicht von einer Gruppengröße (Betreuungsrelation) g = 180 für Vorlesungen aus, wie es der frühere Beispielstudienplan der ZVS vorsah, sondern legt als Mittelwert eine Teilnehmerzahl von 200 (Semesterturnus) bzw. 400 (Jahresturnus) zu Grunde, was den tatsächlichen Verhältnissen mit Blick auf die Zahl der eingeschriebenen Studienanfänger in etwa entsprechen dürfte. Unabhängig davon, dass dieser Wert (kapazitätsgünstig) über der Zahl von 180 Vorlesungsbesuchern liegt, die in der Rechtsprechung weitgehend akzeptiert ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2013, 7 CE 13.10296 u.a. m.w.N.), kann nicht gefordert werden, dass eine Betreuungsrelation zu Grunde gelegt wird, die auf Kosten der Ausbildungsqualität eine maximale Aufnahmekapazität erreicht. Die Kammer hält diese Festsetzungen der Hochschule unter dem Gesichtspunkt der Wissenschaftsfreiheit für vertretbar.
Entgegen diversen Rügen begegnen die in Ansatz gebrachten Festsetzungen für den seit dem Studienjahr 2014/2015 gebildeten Studiengang Molekulare Medizin (Master) ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 22.1.2015, AN 2 E 14.10173 u.a.). Die Universität hatte bei der Einführung des Studiengangs Molekulare Medizin mit dem Abschluss „Diplom“ aus didaktischen Erwägungen ursprünglich eine jährliche Aufnahmequote von 30 Studienanfängern festgelegt. Das Gericht hatte für die darauffolgenden Studienjahre im Hinblick auf die Festlegung des Curricularanteils des Studiengangs Molekulare Medizin auf 1,4331 grundsätzlich jegliche weitere Erhöhung über diesen Ansatz hinaus unter kapazitätsrechtlichen Gesichtspunkten für die Humanmedizin als äußerst problematisch bewertet (vgl. Beschluss der Kammer vom 26.11.2003, AN 2 E 03.10261 u.a., BayVGH, B.v. 9.11.2004, 7 CE 04.11010 u.a.). Den auf der Verlängerung der Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst beruhenden Zuwachs des bereinigten Lehrangebotes hatte die Universität im Studienjahr 2005/2006 zu etwa drei Viertel dem Studiengang Medizin und zu etwa ein Viertel dem Diplomstudiengang Molekulare Medizin zugeordnet. Diese Zuweisung von einem Viertel des gesteigerten Lehrangebots stand damit zwar für sich betrachtet nicht mehr im Verhältnis zur damaligen Anteilsquote (zp) des Studiengangs Molekulare Medizin. Nachdem jedoch im Zuge der Erhöhung der Lehrverpflichtung im Studienjahr 2004/2005 die Zulassungszahl für den Studiengang Molekulare Medizin nicht angepasst worden war, war dies nicht zu beanstanden, weil diese Aufteilung des Zuwachses des bereinigten Lehrangebots letztlich auch einen Nachholeffekt zu Gunsten der Molekularen Medizin und eine Aufstockung auf 37 Studienplätze beinhaltete. Im Einklang mit den Vorgaben des Gerichts wurde seitens der Hochschule diese Zahl seitdem als Obergrenze beibehalten, um kapazitätsrechtliche Konsequenzen zu Lasten der Humanmedizin zu vermeiden.
Mit der Einrichtung des konsekutiven Masterstudiengangs Molekulare Medizin wurde nun erstmals seit längerer Zeit ein zusätzliches Studienangebot im Nebenfach geschaffen, welches in der Konsequenz einen Abbau von Studienanfängerplätzen im Fach Humanmedizin zur Folge hat. Gleichwohl erweisen sich die in diesem Zusammenhang von verschiedenen Antragstellern erhobenen Bedenken nicht als durchgreifend, da die seitens der Hochschule definierten Anteile der Studiengänge Humanmedizin und Molekulare Medizin am Lehrangebot der Vorklinik im Ergebnis tragfähig sind. Die Vorschrift des § 49 HZV enthält für die Festlegung bzw. Abänderung der Anteilquote keine inhaltlichen Kriterien, räumt jedoch in Absatz 2 dem Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Befugnis ein, zur Festsetzung der einzelnen Anteilquoten Vorgaben zu machen. Aus dem Gebot der erschöpfenden Kapazitätsnutzung ist allerdings zu folgern, dass diese nicht willkürlich und kapazitätsvernichtend bemessen sein dürfen. Die Vorgaben können Grundlage für den Erlass der Hochschulzulassungssatzung und damit des späteren Genehmigungsverfahrens sein. Der Normgeber ist dabei berechtigt, im Rahmen bil-dungsplanerischer Überlegungen durch Vorgaben für die Anteilsquotenbildung Ausbildungskapazitäten vorrangig einem bestimmten Studiengang zu widmen. Die Wissenschaftsverwaltung hat insoweit grundsätzlich bei der Zuordnung und Verteilung von Stellen über die Anteilquote einen von strukturplanerischen und haushaltsbezogenen Wertungen geprägten Ermessensspielraum, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. Im Rahmen des dabei auftretenden Spannungsverhältnisses zwischen den divergierenden Interessen ist der Universität mit Blick auf die in Art. 5 Abs. 3 GG verankerte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre stets ein hinreichender Handlungs- und Gestaltungsspielraum einzuräumen, der es ihr ermöglicht, neue Studiengänge auch zu Lasten der Kapazität bestehender Studiengänge einzuführen, um damit der Schwerpunktbildung, der Internationalisierung oder den Veränderungen in Wissenschaft und Forschung sowie auf dem Arbeitsmarkt Rechnung tragen zu können.
Die Einführung des Diplomstudiengangs Molekulare Medizin hatte die Hochschule damit begründet, dass ein zukunftsorientierter Studiengang für Biowissenschaftler angeboten werde, die im Bereich der medizinischen Forschung in Industrie, Behörden und Universitäten tätig werden wollen. Das Lehrangebot schließe eine Lücke zwischen dem Studium biowissenschaftlicher Fächer und dem Medizinstudium. Es sei ein Rückstand in der Molekular Biologie gegenüber den USA, Japan und führenden europäischen Ländern festzustellen, der zu einer weitgehenden Verlagerung der industriellen Forschungsbasis in die USA und damit zum Verlust hochqualifizierter Arbeitsplätze geführt habe. Andererseits habe sich die Medizinische Fakultät der Universität …zu einem nationalen Schwerpunkt von Biomedizin und klinisch-molekularbiologischer Forschung entwickelt und erhalte mit dem neuen Studiengang eine längst fällige fachliche Ergänzung ihres Lehrangebots (vgl. Beschluss der Kammer vom 13.11.2001, AN 2 E 00.10031 u.a.).
Aus diesem Blickwinkel erscheint es nachvollziehbar, wenn die Hochschule im Zuge des Bologna-Prozesses und der damit verbundenen Abschaffung der Diplomabschlüsse zusätzlich zu dem bereits existierenden Bachelorstudiengang einen Masterstudiengang einrichtet, der in besonderem Maße zu wissenschaftlicher Arbeit und Methodik befähigen sowie theoretisch-analytische Fähigkeiten vermitteln soll. Angesichts dieser für die Kammer nachvollziehbaren und überzeugenden Begründungen und Abwägungen der Universität sind die nachteiligen Auswirkungen auf die Zulassungszahlen der Vorklinik kapazitätsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Hochschule konnte im Rahmen ihres Ermessens der Einrichtung eines zukunftsträchtigen Aufbaustudienganges größeres Gewicht beimessen, als der Beibehaltung von Studienplätzen in der Vorklinik des Studiengangs Humanmedizin. Insoweit fällt auch ins Gewicht, dass die Universität ersichtlich bemüht ist, die Beeinträchtigung der Kapazität in der Vorklinik möglichst gering zu halten, wie die Begrenzung des Curricularanteils auf den für die Medizin (Vorklinik) maßgeblichen Wert von 1,4331 im Bachelorstudiengang sowie die Verwendung einer kleinen Anteilquote im nicht beschränkten Masterstudiengang (7 Studienanfänger) zeigen. In diesem Zusammenhang fällt auch ins Gewicht, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) in den zurückliegenden Jahren erheblich ausgebaut hat. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diese Festsetzungen gebilligt (B.v. 30.6.2015, 7 CE 15.10102).
Nach Formel 5 der Anlage 5 zu § 43 HZV ergibt sich damit eine jährliche Aufnahmekapazität des Studiengangs vorklinische Humanmedizin von 328,57 Studienplätzen.
Der nach den statistischen Erfassungen und Berechnungen auftretende Schwund ist gemäß §§ 51 Abs. 3 Nr. 3, 53 HZV zu berücksichtigen und die Studienanfängerzahl zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass wegen Aufgabe des Studiums, Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studenten in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge (Schwundquote).
Der Antragsgegner hat in der Vergangenheit bis zum Studienjahr 2013/2014 zur rechnerischen Ermittlung der zu erwartenden Schwundquote jeweils das von der Rechtsprechung allgemein akzeptierte „Hamburger Verfahren“ angewandt und auf Grund der auf den fortlaufenden Erhebungen des Statistischen Landesamtes beruhenden Tabellen einen Schwundausgleichsfaktor für die Vorklinik angesetzt.
Für die Studienjahre 2013/2014 bis 2015/2016 hatte die Universität auf Anregung des Gerichts davon abweichend einen Schwundfaktor von 0,9542 als Mittelwert der Schwundfaktoren der Jahr 2008 bis 2011 für die Berechnung zugrunde gelegt, weil die statistischen Erhebungen über die Zahl der Studierenden in der Humanmedizin (Vorklinik) ab dem WS 2013/2014 in den höheren Fachsemestern einen außergewöhnlichen Anstieg verzeichneten, der allein auf die, durch den Beschluss der Kammer vom 28. Dezember 2012 veranlasste Erhöhung der Aufnahmekapazität im Studienjahr 2012/2013 zurückzuführen ist. Dabei handelte es sich aber ersichtlich um eine atypische Entwicklung, die in der Folgezeit zu einer verfälschten Schwundquote geführt hätte.
Inzwischen hat sich der aktuelle Schwundfaktor von 0,9688 gemäß den Daten des statistischen Landesamts wieder dem bisherigen Durchschnittswert von 0,9542 angeglichen, weil die betroffenen Studentenjahrgänge den vorklinischen Studienabschnitt durchlaufen haben.
Somit errechnen sich 339 Anfängerplätze (328,57 : 0,9688, gerundet), die für das WS 2016/2017 und das SS 2017 aufzuteilen sind.
Darüber hinaus ist eine höhere Kapazität im Fach Humanmedizin (Vorklinik) nicht glaubhaft gemacht.
Nachdem somit eine ungenutzte Kapazität im Fach Humanmedizin (Vorklinik) nicht glaubhaft gemacht ist, war der Antrag daher sowohl hinsichtlich des Hauptwie auch des Hilfsantrags mit der auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO beruhenden Kostenfolge abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 53 Abs. 2 i.V.m. 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht erachtet im Eilverfahren die Hälfte des Regelstreitwerts für angemessen. Eine weitere Reduzierung des Streitwerts ist auch dann nicht angezeigt, wenn die vorläufige Zulassung zum Studium lediglich nach Maßgabe eines Losverfahrens beantragt wird, weil im Grunde die Zulassung zum Studium und die Zuteilung eines entsprechenden Studienplatzes begehrt werden.

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