Aktenzeichen 7 CE 16.10126
VwGO VwGO § 123
Leitsatz
Die sog. „Mitternachtszählung“ zur Ermittlung der Zahl der tagesbelegten Betten (§ 54 Abs. 1 S. 2 BayHZV) ist mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung vereinbar (ebenso VGH München BeckRS 2015, 40051). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 7 E 15.20234 2016-03-03 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten klinischen Fachsemester, hilfsweise einem niedrigeren Fachsemester, an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Universität) nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2015/2016. Er macht geltend, die Universität habe ihre tatsächliche Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat den Antrag mit Beschluss vom 3. März 2016 abgelehnt.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er trägt vor, die Universität habe bei der Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität die Zahl der tagesbelegten Betten nicht zutreffend ermittelt. Die sogenannte „Mitternachtszählung“ sei mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung nicht vereinbar. Außerdem seien teilstationäre Pflegetage einzelner Tageskliniken (Strahlentherapie und Nuklearmedizin) und die sieben akademischen Lehrkrankenhäuser sowie einzelne andere Kliniken (St. Josef, St. Hedwig und Bad Abbach) zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Im Übrigen sei die von der Universität vorgenommene „Überbuchung“ von Studienplätzen kapazitätsrechtlich nicht anzuerkennen und die tatsächliche Vergabe der Studienplätze im streitgegenständlichen Wintersemester 2015/2016 zu überprüfen. Außerdem halte der Antragsteller an seinem Hilfsantrag (Zulassung für das erste bis vierte vorklinische Fachsemester) fest. Auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 21. April 2016 und 15. Juni 2016 wird verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht.
1. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin (erstes klinisches Fachsemester) ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
a) Die Einwände des Antragstellers gegen die Berechnung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität (§ 54 Abs. 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18.6.2007 [GVBl S. 401; BayRS 2210-8-2-1-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.3.2015 [GVBl S. 74]), die – wegen des Fehlens einer ausreichenden Anzahl geeigneter Patienten für die Ausbildung im klinischen Teil des Studiengangs Medizin (§ 51 Abs. 2 Nr. 4 HZV) – der Festsetzung der Zulassungszahl der im ersten klinischen Fachsemester aufzunehmenden Studienbewerber zugrunde liegt (§ 54 Abs. 2 HZV), greifen nicht durch.
aa) In der Rechtsprechung des Senats ist seit längerem geklärt, dass zur Ermittlung der Zahl der tagesbelegten Betten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 HZV) die sogenannte „Mitternachtszählung“ mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung vereinbar ist (vgl. zuletzt z. B. BayVGH, B.v. 16.12.2015 – 7 CE 15.10324 u. a. – juris Rn. 9 ff. m. w. N.). Unbeschadet dessen hat die Universität bei der Berechnung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität grundsätzlich auch teilstationäre Leistungen in Tageskliniken berücksichtigt. Ebenso bestehen keine Bedenken gegen die Nichteinbeziehung der vom Antragsteller genannten sieben akademischen Lehrkrankenhäuser, die – wie erstinstanzlich auf Grundlage der Stellungnahme der Universität vom 16. Dezember 2015 geklärt ist und worauf das Verwaltungsgericht in seiner angefochtenen Entscheidung zutreffend hinweist – keine Lehrveranstaltungen für den klinischen Teil des Studiengangs (für Studierende zwischen dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und dem Beginn des Praktischen Jahres) durchführen (§ 54 Satz 2 Nr. 1 und 3 HZV), sondern lediglich – nach Beendigung dieses Studienabschnitts – an der Ausbildung für Studierende im Praktischen Jahr teilnehmen. Zu Recht sind in die Berechnung auch die sonstigen vom Antragsteller genannten Kliniken (St. Josef, St. Hedwig und Bad Abbach) nicht mit einbezogen worden, weil die Universität zu diesen Kliniken nicht in vertraglichen Beziehungen steht. Die vom Antragsteller zitierte Angabe des Senats zu diesen Kliniken (BayVGH, B.v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10012 u. a. – juris Rn. 24) bezieht sich auf die Universität Regensburg.
bb) Es kann – wie im Vorjahr (vgl. BayVGH, B.v. 3.9.2015 – 7 CE 15.10171 u. a. – juris Rn. 11 ff.) – offen bleiben, ob die Universität bei der Berechnung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität zu Recht teilstationäre Pflegetage einzelner Tageskliniken (Strahlentherapie und Nuklearmedizin) mit der Begründung außer Betracht gelassen hat, dass es sich hierbei um Patienten handle, welche nicht für die Ausbildung von Studierenden herangezogen werden können. Denn auch bei Berücksichtigung dieser teilstationären Pflegetage einzelner Tageskliniken würde sich keine höhere als die tatsächlich im Rahmen der Zulassungszahlsatzung festgesetzte Zulassungszahl für das streitgegenständliche Wintersemester 2015/2016 von 157 Studierenden ergeben, nachdem die Universität – wie im Vorjahr – infolge der „Zielvereinbarung zur vorübergehenden Erhöhung der Studienanfängerzahlen“ die Zulassungszahl für das erste klinische Fachsemester – über die reguläre Aufnahmekapazität der Universität hinausgehend – für das streitgegenständliche Semester um 15 Studienplätze erhöht hat. Diese vorübergehende Erhöhung der Zulassungszahlen bleibt als Maßnahme zum Ausgleich einer zusätzlichen Belastung der Universität kapazitätsrechtlich unberücksichtigt (§ 40 Abs. 2 HZV). Eine dauerhafte Erhöhung der Aufnahmekapazitäten ist damit schon deshalb nicht verbunden, weil die in der Zielvereinbarung genannten zusätzlichen finanziellen Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber nur befristet zur Verfügung gestellt werden.
b) Der Einwand des Antragstellers gegen die von der Universität vorgenommene „Überbuchung“ von Studienplätzen ist unbegründet. Die Universität hat – wie sich aus ihrer Stellungnahme vom 6. Mai 2016 im Beschwerdeverfahren ergibt – keine externen Bewerber zum Studium zugelassen, sondern lediglich alle Studierenden, die den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung im Herbst 2015 bestanden haben, in das erste klinische Fachsemester übernommen. Ebenso gibt es keinen Grund zu Zweifeln an der tatsächlichen Vergabe der Studienplätze im Wintersemester 2015/2016. Die Universität hat ihre Angaben zur Zahl der eingeschriebenen Studierenden im erstinstanzlichen Verfahren mit Stand vom 10. November 2015 und damit vier Wochen nach Vorlesungsbeginn ermittelt. Die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Studierenden haben ihren Studienplatz in Anspruch genommen. Diese Studienplätze sind – unabhängig vom weiteren Studienverlauf – nicht mehr „frei“ und können deshalb auch nicht erneut vergeben werden.
c) Der Antragsteller, der bereits den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung mit Erfolg abgeschlossen hat, kann schließlich – worauf das Verwaltungsgericht bereits zu Recht hingewiesen – nicht beanspruchen, zu einem niedrigeren Fachsemester (Vorklinik) zugelassen zu werden. Im Übrigen ist die Ausbildungskapazität der Universität im Bereich der Vorklinik ebenfalls bereits erschöpft.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).