Verwaltungsrecht

Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter

Aktenzeichen  Au 5 K 16.32077

Datum:
9.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 26a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage der Kläger entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 27. Februar 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a GG noch einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist den Klägern weder der subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, noch liegen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 28. September 2016 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt.
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte.
Die Kläger sind nach eigenen Angaben auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die … eingereist. Nach Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Durch Anlage I zu § 26 a AsylG sind Norwegen und die Schweiz als sichere Drittstaaten bestimmt worden. Da somit alle Nachbarstaaten der … entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder aufgrund der Anlage I zu § 26 a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die … gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (BVerwG, U.v. 7.11.1995, Inf AuslR 1996, 152). Auf den genauen Reiseweg kommt es dabei nicht an.
2. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen im Fall der Kläger nicht vor.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3 c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3 c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3 c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3 e Abs. 1 AsylG).
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Gemessen an diesen Maßstäben haben die Kläger nicht glaubhaft machen können, dass sie im Irak einer asylerheblichen Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG ausgesetzt waren bzw. bei einer Rückkehr einer solchen Verfolgung ausgesetzt wären.
a) Der Vortrag des Klägers zu 1 zu den im Irak erlittenen Verfolgungshandlungen stellt sich insgesamt als unglaubhaft dar. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt vom 4. Juli 2016 hat der Kläger zu 1 als Ausreisegrund lediglich angegeben, dass sein Vater aufgrund seiner ehemaligen politischen Zugehörigkeit zur Al Baath Partei ermordet worden sei und die Familie des Klägers deshalb Angst gehabt habe, dass auch sie in Lebensgefahr seien. Es habe jedoch weder vorherige Drohungen gegen den Vater noch Verfolgungshandlungen gegen den Kläger zu 1 selbst gegeben. Die zahlreichen Vorfälle und Misshandlungen, die der Kläger zu 1 nunmehr in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2017 vorbrachte, stellen sich im Hinblick darauf als erheblich gesteigertes Vorbringen dar. In der Folge dazu ist das geltend gemachte Verfolgungsschicksal insgesamt als nicht hinreichend glaubhaft gemacht zu werten. Angesichts der zahlreichen Vorfälle, die dem Kläger persönlich widerfahren sein sollen, und der Schwere dieser geschilderten Vorfälle hätte es aus Sicht des Gerichts nahe gelegen, diese Geschehnisse bei der Frage nach dem persönlichen Verfolgungsschicksal bei der Anhörung vor dem Bundesamt zu schildern. Auf die dortige Frage, ob er dem Asylantrag noch etwas hinzuzufügen habe, hat der Kläger geantwortet, dass er nichts mehr zu ergänzen habe und die Anhörung abgeschlossen werden könne. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger anderweitige Geschehnisse schildern wollte, ergeben sich an keiner Stelle des Protokolls. Die Erklärung des Klägers, dass ihm vom Dolmetscher mitgeteilt worden sei, nur das letzte Ereignis vor der Ausreise zu schildern, vermag die Widersprüche nicht zu erklären. Als letztes Ereignis käme diesbezüglich der Angriff auf das Haus der Schwiegereltern in Betracht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es nach den Angaben des Klägers zu 1 bereits am … 2015 zur Ermordung des Vaters gekommen sein soll, die Ausreise jedoch erst ein halbes Jahr später erfolgte. Es ist zudem nach Auffassung des Gerichts nicht nachvollziehbar, warum der Kläger die Ermordung des Vaters im … 2015 aber nicht seine eigene Entführung im selben Jahr, bei der es zu gravierenden Misshandlungen gekommen sein soll, als persönliches Verfolgungsschicksal bei der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben hat. Aufgrund der ohne schlüssigen Grund erheblich divergierenden Aussagen des Klägers bestehen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers. Die geschilderten Verfolgungshandlungen sind daher insgesamt als unglaubhaft zu werten. Die Klägerin zu 2 hat keine weiteren Verfolgungsgründe geltend gemacht. Nach Überzeugung des Gerichts droht den Klägern daher bei einer Rückkehr in den Irak keine asylerhebliche Verfolgung.
b) Zudem wären die Kläger selbst bei einem Vorliegen flüchtlingsrechtlich relevanter Verfolgungshandlungen auf eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 3 e AsylG zu verweisen. Demzufolge wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn ihm in einem Teil seines Herkunftslandes keine Verfolgung droht und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Für die Kläger als Sunniten besteht im Zentralirak bzw. im Westirak eine inländische Fluchtalternative, die für die Kläger zumutbar ist. Die Sunniten gehören zu den wichtigsten ethnisch-religiösen Gruppierungen im Irak. Dies sind die Schiiten,die 60 bis 65% der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten bzw. Süden des Landes bewohnen, die Sunniten, die 17 bis 22% der Bevölkerung ausmachen mit ihrem Schwerpunkt im Zentral- und Westirak leben sowie die vor allem im Norden des Landes lebenden Kurden, die ca. 15 bis 20% der Bevölkerung ausmachen und überwiegend sunnitisch, aber auch yezidisch und in kleinen Teilen schiitisch geprägt sind (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 7.2.2017, S. 7). Es ist nicht davon auszugehen, dass den Klägern eine landesweite Verfolgung droht. Diese inländische Fluchtalternative ist für die Kläger auch zumutbar, da davon auszugehen ist, dass der Kläger zu 1 als Schreiner und die Klägerin zu 2 als Dolmetscherin für die Sprache Englisch für den ausreichenden Lebensunterhalt der Familie sorgen können, auch wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums.
c) Es kann auch nicht zu Gunsten der Kläger von einer Gruppenverfolgung der Sunniten im Irak ausgegangen werden. Belastbare Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung durch schiitische Milizen oder andere nicht staatliche Akteure wegen des sunnitischen Glaubens liegen nicht vor. Die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, weisen weder im Staat Irak in seiner Gesamtheit noch im Zentralirak, woher die Kläger stammen, noch in der Region Kurdistan die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte auf (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 13A ZB 16.30740 – juris Rn. 5; VG Augsburg, U.v. 12.12.2016 – Au 5 K 16.31959 – juris Rn. 33 f.). Angesichts der Größe der Bevölkerungsgruppe der Sunniten am Anteil der Gesamtbevölkerung im Irak kann nicht die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte angenommen werden. Dies gilt insbesondere für den Zentral- und Westirak, wo sich der Schwerpunkt des sunnitischen Bevölkerungsteils befindet (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 7.2.2017, S. 7).
3. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gilt als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
a) Die Kläger haben bereits nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 AsylG droht. Insoweit steht ihnen jedenfalls, wie oben ausgeführt, eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3 e Abs. 1 AsylG).
b) Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt ist, wenn eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes droht. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – BVerwGE 131, 198). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regio nal bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.).
Danach rechtfertigt die derzeitige Situation im Irak nicht die Annahme eines Bürgerkrieges im oben genannten Sinne und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Zwar ist die Sicherheitslage im Irak immer noch verheerend. Trotz der Verschlechterung der Sicherheitslage im Jahr 2013 geht das Gericht aber davon aus, dass im Irak derzeit weder landesweit noch in der Herkunftsregion der Kläger ein regionaler innerstaatlicher oder internationaler bewaffneter Konflikt festgestellt werden kann. Die angespannte Sicherheitslage resultiert vielmehr aus inneren Unruhen und Spannungen, die nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkrieges aufweisen (s. hierzu auch VG Ansbach, U.v. 15.12.2016 – AN 2 K 16.30335 – juris Rn. 27).
Unabhängig davon begründet ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und kein interner Schutz besteht, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG, § 3 e AsylG. Eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben droht den Klägern als Angehörige der Zivilbevölkerung vorliegend aber nicht. Zwar kann sich auch eine allgemeine Gefahr willkürlicher Gewalt, die von einem bewaffneten Konflikt ausgeht, individuell verdichten und damit zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG führen. Für die Feststellung der Gefahrendichte können dabei die Kriterien, die im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung gelten, entsprechend herangezogen werden. Dabei ist davon auszugehen, dass ein innerstaatlicher Konflikt üblicherweise nicht eine solche Gefahrendichte hat, dass alle Bewohner des betroffenen Gebietes ernsthaft persönlich betroffen sein werden. Allgemeine Lebensgefahren, die lediglich Folge des bewaffneten Konfliktes sind, z.B. eine durch den Konflikt bedingte Verschlechterung der Versorgungslage, können nicht in die Bemessung der Gefahrendichte einbezogen werden.
Vorliegend kann, selbst wenn man im Irak einen innerstaatlichen oder internationalen Konflikt bejahen würde, nicht davon ausgegangen werden, dass der den bestehenden Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei ihrer Rückkehr in den Irak bzw. nach B. allein durch ihre Anwesenheit dort tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die erforderliche Gefahrendichte im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist daher nicht gegeben (VG Ansbach, U.v. 15.12.2016 a.a.O.).
Es sind auch keine besonderen, in der Person der Kläger liegenden, individuellen Umstände ersichtlich, die auf eine erhöhte Gefährdung im Verhältnis zu sonstigen Angehörigen der Zivilbevölkerung schließen lassen.
4. Es liegen in der Person der Kläger keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
a) Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger bei ihrer Abschiebung in den Irak befürchten müssten, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, sind nicht gegeben. Obwohl die humanitären Verhältnisse in ihrem Herkunftsland schlecht sind, geht das Gericht, wie bereits ausgeführt, davon aus, dass die Kläger bei ihrer Rückkehr in den Irak ihren Lebensunterhalt zu sichern vermögen. Sonstige konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, insbesondere asylrelevante Eingriffe in die Religionsfreiheit, sind nicht ersichtlich.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.
Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat im Erlasswege mit Rundschreiben vom 3. Juli 2008 (Az. IA-2086.10-439), welches nach wie vor Gültigkeit beansprucht, verfügt, dass irakische Staatsangehörige, die nicht Straftäter sind oder unter Sicherheitsaspekten vordringlich abzuschieben sind, nicht abgeschoben werden und Duldungen bis auf Weiteres auf der Grundlage des § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bis zur Dauer von sechs Monaten erteilt bzw. verlängert werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Erlasslage hinsichtlich allgemeiner Gefahren derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – NVwZ 2001, 1420).
b) Es ist auch nicht von dem Vorliegen sonstiger Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die nicht von den Anordnungen des bayerischen Staatsministeriums des Inneren erfasst werden, auszugehen. Insbesondere ergeben sich solche nicht aus den im Verfahren vorgelegten ärztlichen Attesten bezüglich Erkrankungen des Klägers zu 1 sowie der Klägerin zu 2.
Bei der Frage, ob einem Ausländer wegen einer Erkrankung bei einer Rückkehr in die Heimat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht, ist der richtige Gefahrenmaßstab anzuwenden. Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers auf Grund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist. Eine „erhebliche konkrete Gefahr“ im Falle einer zielstaatsbezogenen Verschlimmerung einer Erkrankung ist gegeben, wenn sich der Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dortigen Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtem würde (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – NVwZ 2007, 712). Es muss sich dabei grundsätzlich um eine lebensbedrohliche oder vergleichbar schwerwiegende Erkrankung handeln (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG).
Da die maßgeblichen Stellungnahmen vom 8. Oktober 2016 bzw. 31. Januar 2017 und 18. Februar 2017 grundlegend auf den Angaben des Klägers zu 1 zu seinem persönlichen Verfolgungsschicksal basieren, die sich insgesamt – wie bereits erörtert – als überaus unglaubhaft darstellen, ist die abschließende Diagnose hinsichtlich einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) in Zweifel zu ziehen, weil es bereits an einem traumatisierenden Ereignis fehlt. Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger zu jedenfalls nicht an einer PTBS leidet, die an traumatische Ereignisse in seinem Herkunftsland Irak anknüpft. Dass die behaupteten traumatisierenden Ereignisse stattgefunden haben, muss aber vom Schutzsuchenden gegenüber dem Gericht und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2010 – 9 ZB 10.30376 – juris Rn. 3 m.w.N.). Liegt ein fachärztliches Attest vor, das dem Ausländer eine PTBS bescheinigt, so kann das Gericht zwar regelmäßig mangels hinreichender Sachkunde die Bescheinigung nicht von sich aus als nicht aussagekräftig ansehen. Anders ist es aber dann, wenn die Bescheinigung nicht nachvollziehbar ist, weil sie u.a. keine den anerkannten wissenschaftlichen Anforderungen genügende Begründung enthält oder weil sie nicht erkennen lässt, dass objektiv bestehende, diagnoserelevante Zweifel berücksichtigt wurden. Bei der Diagnose kommt es daher entscheidend auf die Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit eines geschilderten inneren Erlebens und der zugrunde liegenden faktischen äußeren Erlebnistatsachen an. Wesentlicher Bestandteil der Begutachtung ist die inhaltliche Analyse der von einem Arzt selbst erhobenen Aussagen in Bezug auf das Vorliegen und den Ausprägungsgrad von Glaubhaftigkeitsmerkmalen. Die Konstanzanalyse bezieht sich auf den Vergleich von Aussagen, die ein Patient zu verschiedenen Zeitpunkten über denselben Sachverhalt gemacht hat (VG Augsburg, U.v. 6.3.2012 – Au 7 K 11.30161 – juris Rn. 57 m.w.N.). Daran fehlt es vorliegend gänzlich.
Weder in der Stellungnahme des Psychotherapeuten vom 8. Oktober 2016 bzw. 31. Januar 2017 noch in der fachärztlichen Stellungnahme vom 18. Februar 2017 ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Angaben des Klägers zu den traumatischen Ereignissen und ihre Überprüfung auf ihre Glaubhaftigkeit erfolgt. Insbesondere wurde bei der Untersuchung durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie auf eine ausführliche Schilderung seitens des Patienten verzichtet. Damit fehlt der ärztlichen Diagnose aber bereits die Tatsachengrundlage, auf die die medizinischen Folgerungen gestützt werden.
Im Übrigen ist nach Auffassung des Gerichts auch nach der vorliegenden Diagnose kein solcher Gefährdungsgrad erkennbar, den § 60 Abs. 7 AufenthG erfordert. Eine Suizidalität sei nach der ärztlichen Stellungnahme nicht gegeben, auch wenn sie nicht ausgeschlossen werden könne. Anhaltspunkte für eine suizidale Krise, die eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG begründet, sind damit nicht gegeben (vgl. OVG NW, U.v. 27.1.2015 – 13 A 1201/12.A – NVwZ-RR 2015, 598 – juris Rn. 44). Eine lebensbedrohliche oder vergleichbar schwerwiegende Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt damit nicht vor.
Die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen zu dem Bandscheibenvorfall des Klägers zu 1 vermögen ein Abschiebungsverbot ebenso wenig zu begründen. Auch hierbei handelt es sich weder um eine schwerwiegende Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG noch ist mit einer erheblichen Verschlechterung der Erkrankung zu rechnen. Zwar handelt es sich um schmerzhafte Beschwerden, eine Schmerzbehandlung sei jedoch nach der ärztlichen Stellungnahme vom 17. Oktober 2016 vor allem deswegen weiterzuführen, um eine Operation zu vermeiden. Da der Kläger zu 1 sich nach eigenem Vortrag am 9. März 2017 einer solchen Operation unterziehen wird, ist mit einer Verbesserung der Beschwerden zu rechnen. Ein Anspruch auf eine dem medizinischem Standard in Deutschland entsprechende Behandlung besteht im Übrigen nicht (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Falls es wider Erwarten zu Beschwerden kommen würde, die im konkreten Zeitpunkt der Abschiebung eine Reisefähigkeit des Klägers in Zweifel ziehen könnten, sind diese im Rahmen eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses zu prüfen. Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse liegen diesbezüglich nicht vor.
Die ärztliche Stellungnahme vom 17. Oktober 2016 hinsichtlich einer PTBS der Klägerin zu 2 entspricht schon nicht den von der Rechtsprechung geforderten Mindestanforderungen an ein fachärztliches Gutachten. Es handelt sich weder um ein Attest eines Facharztes für Psychiatrie bzw. Psychotherapie noch ist nachvollziehbar dargestellt, auf welcher Grundlage der Arzt seine Diagnose erstellt hat. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat, welche Art von Befunderhebung stattgefunden hat und ob die von dem Patienten geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte ein fachärztliches Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben (vgl. BVerwG, B.v. 26.7.2012 – 10 B 21.12 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 22.8.2014 – 5 C 14.1664 – juris Rn. 5). Zudem ist auch hier kein solcher Gefährdungsgrad erkennbar, den § 60 Abs. 7 AufenthG erfordert.
5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

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