Aktenzeichen RO 4 K 19.1591
WaffVwV Nr. 46.3
Leitsatz
1. Der sofortigen Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG unterliegen nur solche Waffen und Munition, zu deren Besitz der Betreffende nach den Vorschriften des Waffengesetzes nicht oder nicht mehr berechtigt ist. Eine gegebenenfalls bestehende Erlaubnis muss die Waffenbehörde deshalb spätestens mit der Sicherstellungsanordnung widerrufen.
2. Die Rechtmäßigkeit einer sofortigen Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beziehungsweise der gerichtlichen Entscheidung.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Bescheid des Landratsamts Cham vom 13.8.2019 ist im entscheidungserheblichen Zeitpunkt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies gilt sowohl für die Sicherstellung von Waffen, Munition und Waffenbesitzkarte in Nr. 1 und 2 des Bescheids (dazu I.) als auch für die Kostenentscheidung in Nr. 3 (dazu II.).
I.
Die angeordnete Sicherstellung der klägerischen Waffen und Munition sowie der Waffenbesitzkarte ist im vom Gericht zugrunde zu legenden Zeitpunkt rechtmäßig. Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG kann die zuständige Behörde Erlaubnisurkunden sowie die in den Absätzen 2 und 3 bezeichneten Waffen und Munition sofort sicherstellen, wenn entweder ein vollziehbares Waffenverbot nach § 41 Abs. 1 oder 2 WaffG vorliegt (Nr. 1) oder soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen oder Munition missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten erworben werden sollen (Nr. 2).
Zurecht ist die Behörde davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der genannten Nr. 2 für den Kläger zu bejahen sind (dazu 1.). Sie hat allerdings verkannt, dass die Sicherstellung von Waffen und Munition darüber hinaus den Widerruf der erteilten Waffenbesitzkarte voraussetzte (dazu 2.). Dessen ungeachtet ist die Sicherstellung im relevanten Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtmäßig, weil ein Widerruf nunmehr erfolgt ist (dazu 3.).
1. Für den Kläger rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass er Waffen oder Munition missbräuchlich verwenden könnte. Unter missbräuchlicher Verwendung ist ein die Rechtsordnung verletzender, vorsätzlicher Einsatz von Waffen und Munition zu verstehen (Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018 § 5 Rn. 9).
Die Behörde hat fehlerfrei und auf zutreffend ermittelter Tatsachengrundlage prognostiziert, dass dies für den Kläger zu befürchten ist. Sie hat sich dabei in nicht zu beanstandender Weise von dem Grundsatz leiten lassen, dass das Waffenrecht dem Zweck dient, die mit jedem Waffenbesitz verbundenen Risiken nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das uneingeschränkte Vertrauen verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen werden (BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 – NJW 2015, 1127). Vor diesem Hintergrund dürfen keine überzogenen Anforderungen an die Prognose gestellt werden. Insbesondere braucht ein Restrisiko nicht hingenommen zu werden (BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn. 10). In Anwendung der zur gleichlaufenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG entwickelten Kriterien ist die behördliche Prognose daher nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt wird, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig missbräuchlich mit Waffen oder Munition umgehen werde (BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – NJW 2015, 3594/3596).
Die Waffenbehörde kann ihre Prognose auch auf bestimmte Wesensmerkmale einer Person stützen. Namentlich kann bei leicht erregbaren oder in der Erregung unbeherrschten, jähzornigen oder zur Aggression oder zu Affekthandlungen neigenden Personen die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung im Raum stehen (VG Münster, U.v. 29.6.2006 – 1 K 593/04 – juris Rn. 21; Heinrich in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 Rn. 9). Entsprechende Persönlichkeitszüge müssen nicht in einem spezifisch waffenrechtlichen Kontext aufgetreten sein, um im Rahmen einer Prognose im Rahmen des Waffengesetzes verwertet werden zu können (Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 11).
Das Gericht kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage offen lassen, ob der Kläger zur Szene der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter gehört. Es braucht auch nicht zu klären, ob sich der Beklagte hierzu ohne weitere Nachforschungen alleine auf entsprechende „Bestätigungen“ der Polizei stützen durfte oder ob er auch andere Gesichtspunkte – etwa, ob der Kläger unter Bezugnahme auf das Königreich Bayern einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt hat – hätte ermitteln müssen. Denn bereits das Verhalten des Klägers am 18.11.2018, in dessen Folge er wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt wurde, rechtfertigt den behördlichen Schluss darauf, dass der Kläger Waffen oder Munition missbräuchlich verwenden könnte.
Der Kläger hat sich am 18.11.2018 des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht und ist aufgrund dessen vom Amtsgericht Cham zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden. Die Kammer hat – auch aufgrund der ausführlichen polizeilichen Sachverhaltsdarstellungen, die sich bei der Behördenakte befinden – keine Zweifel daran, dass der Kläger die abgeurteilte Straftat tatsächlich begangen hat. Zwar hat der Kläger eingewandt, er sei niemals aggressiv aufgetreten und habe am 18.11.2018 auch keinen Widerstand leisten wollen. Zudem hat er auf eine Verletzung an der rechten Hand abgehoben, wegen derer er nur mit geballter Faust aufstehen könne. Wegen der erstgenannten Tatsachen hat er seine Ehefrau und seinen Sohn als Zeugen angeboten, für die letztgenannte ein Sachverständigengutachten. Die Kammer braucht diesen Beweisangeboten indes nicht weiter nachzugehen. Denn von der Richtigkeit des Strafurteils dürfen Behörde und Verwaltungsgericht grundsätzlich ausgehen (BVerwG, B.v. 22.4.1992 – 1 B 61/92 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 21 CS 17.856 – juris Rn. 10). Das Gericht kann sich daher regelmäßig auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt. Ein anderes gilt nur in Fällen offensichtlicher Fehler des Strafurteils oder dann, wenn die Waffenbehörde den in Rede stehenden Sachverhalt ausnahmsweise besser aufklären kann als die Strafverfolgungsorgane (BVerwG, B.v. 22.4.1992 – 1 B 61/92 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 21 CS 17.856 – juris Rn. 10). Vor diesem Hintergrund ist eine Beweisaufnahme vorliegend nicht veranlasst (BayVGH, B.v. 17.6.2020 – 24 C 20.1089 – n.v.). Denn einen offensichtlichen Fehler des Urteils hat der Kläger durch sein bloßes Bestreiten der Widerstandshandlung nicht dargetan. Vielmehr begründen die schriftlichen Aussagen von Familienangehörigen zum friedfertigen Charakter des Klägers ebenso wie seine eigenen Beteuerungen – auch in der mündlichen Verhandlung – keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Verurteilung. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund der in das Verfahren eingeführten polizeilichen Erkenntnisse, die zu den Aussagen des Klägers und seiner Angehörigen in augenfälligem Gegensatz stehen. Es liegt zugleich keine Sonderkonstellation vor, in der die Waffenbehörde oder das Verwaltungsgericht die Sachlage ausnahmsweise besser aufklären könnten als die Staatsanwaltschaft und das Strafgericht.
Die Widerstandshandlung macht deutlich, dass der Kläger aggressive Verhaltensweisen an den Tag legt, die wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit bei einem Waffenbesitzer nicht hingenommen werden können. Sie begründen ein plausibles Risiko dafür, dass der Kläger Waffen oder Munition missbräuchlich verwenden könnte.
2. Neben diesem Tatbestandsmerkmal stellt § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG weitere Bedingungen für eine sofortige Sicherstellung von Waffen und Munition (nicht aber von Erlaubnisurkunden) auf. Zwar soll es sich nach Nr. 46.3 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) bei § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG um ein einstufiges Vollstreckungsverfahren handeln. Der Auffassung der Bundesregierung als Urheber dieser Verwaltungsvorschrift zufolge soll die Sicherstellung sofort, das heißt ohne vorherige Verwaltungsakte nach § 41 oder § 45 WaffG beziehungsweise Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder § 46 Abs. 3 Satz 1 WaffG erfolgen. Diesem Verständnis scheint der Gedanke zugrunde zu liegen, dass es sich bei § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG um eine Art Tatmaßnahme handle, die ohne vorangegangenen Verwaltungsakt ergriffen werden könne. Das in der Verwaltungsvorschrift zum Ausdruck kommende Gesetzesverständnis ist – soweit erkennbar – in der Literatur nicht ausdrücklich aufgegriffen, bejaht oder abgelehnt worden (vgl. Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 46 Rn. 10; Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018, § 46 Rn. 9 ff.; Heller/Soschinka, Waffenrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 1001). Die Kammer hält ungeachtet dessen dafür, dass § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG für die sofortige Sicherstellung von Waffen und Munition – über die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung hinaus – das Fehlen einer waffenrechtlichen Befugnis zum Umgang mit den sichergestellten Gegenständen verlangt.
Grundlage hierfür ist der Wortlaut des § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG. Dieser nennt, wie oben dargestellt, in Nr. 1 und 2 zwei alternative Voraussetzungen für eine sofortige Sicherstellung: ein vollziehbares Waffenverbot oder Tatsachen, die die Annahme missbräuchlicher Verwendung oder eines unberechtigten Erwerbs rechtfertigen. Neben diese Bedingungen treten aber zusätzlich die im ersten Teil des § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG genannten Voraussetzungen. Dort ist über das formale Merkmal der zuständigen Behörde hinaus nicht nur die Rechtsfolge („sofort sicherstellen“) sondern auch das Bezugsobjekt der Sicherstellung beschreiben: Erlaubnisurkunden und die in den Absätzen 2 und 3 bezeichneten Waffen und Munition. Die Vorschrift lässt nach ihrem eindeutigen Wortlaut also nur die Sicherstellung von Erlaubnisurkunden ohne weitere Voraussetzung zu. Sie gestattet aber nicht die sofortige Sicherstellung jedweder Waffen und Munition, sondern nur solcher, die in § 46 Abs. 2 und 3 WaffG beschrieben sind. Dabei handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal, dem eigene Bedeutung zukommt (VGH BW, B.v. 10.10.2017 – 1 S 1470/17 – juris Rn. 20; VG München, B.v. 28.10.2011 – M 7 E 11.5085 – juris Rn. 10). Denn § 46 Abs. 2 WaffG regelt die Unbrauchbarmachung und Überlassung von Waffen und Munition, die jemand auf Grund einer Erlaubnis, die zurückgenommen, widerrufen oder erloschen ist, erworben oder befugt besessen hat und noch besitzt. § 46 Abs. 3 WaffG hingegen betrifft Fälle, in denen jemand ohne die erforderliche Erlaubnis oder entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 41 Abs. 1 oder 2 WaffG Waffen oder Munition besitzt. Waffen und Munition, die gemäß § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG der sofortigen Sicherstellung unterliegen, zeichnen sich also dadurch aus, dass sie der Betreffende zu Unrecht im Besitz hat. Entweder ist seine Erlaubnis zum Besitz zwischenzeitlich erloschen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) oder es handelt sich um Waffen oder Munition, die er wegen eines Waffenverbotes oder aus anderen Gründen nicht besitzen darf (§ 46 Abs. 3 Satz 1 WaffG).
Dass nur solche Waffen und Munition sofort sichergestellt werden können, ist gerade vor dem Hintergrund des Beschleunigungszwecks von § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG konsequent. Denn die genannten Gegenstände kann die Waffenbehörde normalerweise erst nach Fristsetzung sicherstellen (§ 46 Abs. 2 Satz 2 und § 46 Abs. 3 Satz 2 WaffG). Liegen hingegen die Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG vor, dann darf die Behörde auf diese Fristsetzung verzichten. Es handelt sich also um eine beschleunigte Form der Sicherstellung, die konsequenterweise keinen völlig anderen Namen trägt, sondern vom Gesetzgeber als „sofortige Sicherstellung“ bezeichnet wird. Auch aus dieser Bezeichnung ergibt sich eindeutig, dass nur vom Erfordernis der Fristsetzung befreit werden sollte. Mit dieser aus der Systematik klar ersichtlichen Absicht des Gesetzgebers wäre es nicht vereinbar, sämtliche Waffen und Munition der sofortigen Sicherstellung zu unterwerfen.
Zudem entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn man die sofortige Sicherstellung nicht auf die in § 46 Abs. 2 und 3 WaffG beschriebenen Gegenstände beschränken würde. Denn dem Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist der Umgang mit diesen Gegenständen behördlich gestattet (vgl. § 2 Abs. 2 WaffG). Solange und soweit eine solche Erlaubnis reicht, hat der Betreffende das Recht, mit Waffen und Munition umzugehen. Eine vergleichbare Berechtigung ergibt sich für erlaubnisfreie Gegenstände unmittelbar aus dem Gesetz. Die Behörde kann die Abgabe oder Unbrauchbarmachung entsprechender Waffen und Munition vor diesem Hintergrund erst dann verlangen, wenn eine bestehende Berechtigung aufgehoben wurde. Aus diesem Grund knüpfen § 46 Abs. 2 und 3 WaffG an die Aufhebung und das Erlöschen der waffenrechtlichen Erlaubnisse und an die Verhängung von Waffenverboten an. Denn durch diese Maßnahmen wird die waffenrechtliche Befugnis zum Umgang mit den einschlägigen Gegenständen beseitigt; in der Folge kann die Behörde deren Abgabe oder Unbrauchbarmachung fordern. Konsequenterweise unterliegen nach § 46 Abs. 2 Satz 2 und § 46 Abs. 3 Satz 2 WaffG auch nur solche Waffen und Munition der Sicherstellung. Die von der Bundesregierung in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz vorgeschlagene Auslegung des § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG hingegen unterwirft Waffen und Munition unabhängig von diesem Merkmal der sofortigen Sicherstellung. Dadurch entstünde die paradoxe Situation, dass die Behörde Gegenstände, deren Abgabe und Unbrauchbarmachung sie nicht verlangen kann und die sie auch nicht nach Fristsetzung sicherstellen darf, trotzdem sofort sicherstellen könnte.
Die Kammer ist vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis gelangt, dass § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG nur die sofortige Sicherstellung von Waffen und Munition zulässt, die unter § 46 Abs. 2 Satz 1 und § 46 Abs. 3 Satz 1 WaffG fallen. Verzögerungen im Verwaltungsverfahren entstehen durch dieses Erfordernis nicht. Namentlich berechtigt die in § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG angesprochene Gefahr missbräuchlicher Verwendung nicht nur zur sofortigen Sicherstellung, sondern bewirkt über § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG zugleich, dass die Zuverlässigkeit des Betreffenden entfällt. Eine bestehende Erlaubnis kann damit gemäß § 45 Abs. 2 WaffG ohne zusätzlichen Prüfungsaufwand zeitgleich mit der Anordnung der sofortigen Sicherstellung widerrufen werden. Dass die Bundesregierung in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz eine andere, mit dem Wortlaut des Waffengesetzes nicht in Einklang zu bringende und in der Begründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drs. 14/7758 S. 80) auch nicht angelegte Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht hat, bleibt für das Gericht ohne Auswirkungen. Denn bei der Verwaltungsvorschrift handelt es sich um eine rein innerdienstliche Richtlinie. Ihr fehlt der Charakter einer Rechtsnorm, weshalb sie die rechtsprechende Gewalt nicht binden kann (Eichberger/Buchheister in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 137 VwGO Rn. 22).
3. Das Landratsamt Cham hat mit dem angegriffenen Bescheid vom 13.8.2019 die Sicherstellung der Waffenbesitzkarte sowie von Waffen und Munition angeordnet, obwohl der Widerruf der Waffenbesitzkarte erst mit Bescheid vom 20.11.2019 erfolgte. Der angegriffene Bescheid war daher im Zeitpunkt des Erlasses rechtswidrig, soweit damit entgegen § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG Waffen und Munition sofort sichergestellt wurden, deren Besitz dem Kläger mit der zu diesem Zeitpunkt noch wirksamen Waffenbesitzkarte erlaubt war.
Das Gericht hat seiner Entscheidung über die Klage aber nicht die Lage bei Erlass des angefochtenen Bescheids, sondern diejenige im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Der für die Prüfung maßgebliche Zeitpunkt kann nicht abstrakt-generell bestimmt werden, sondern richtet sich nach dem im jeweiligen Einzelfall anwendbaren materiellen Recht (BVerwG, U.v. 4.12.2014 – 4 C 33/13 – NVwZ 2015, 986/988). Für Dauerverwaltungsakte ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (oder, bei Verfahren ohne mündliche Verhandlung, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung) der maßgebliche (BVerwG, U.v. 28.1.1988 – 3 C 48/85 – NJW 1988, 2056; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 58). Der angefochtene Sicherstellungsbescheid erschöpft sich nicht in einem einmaligen Gebot, sondern begründet und regelt ein andauerndes amtliches Gewahrsamsverhältnis. Er ist deshalb nach der Rechtsprechung der Kammer als Dauerverwaltungsakt anzusehen mit der Folge, dass es auf die Lage im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheids ankommt (VG Regensburg, U.v. 13.11.2018 – RN 4 K 17.60 – n.v.; ebenso VG Freiburg, B.v. 14.6.2012 – 4 K 914/12 – juris Rn. 4).
Weil das Landratsamt Cham die Waffenbesitzkarte des Klägers mit Bescheid vom 20.11.2019 widerrufen hat, handelt es sich bei den sofort sichergestellten Waffen und der Munition nunmehr um Gegenstände im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Die angegriffene Maßnahme stellt sich daher im relevanten Zeitpunkt als rechtmäßig dar.
II.
Rechtmäßig ist auch die Kostenentscheidung in Nr. 3 des angefochtenen Bescheids. Der Kläger hat die sofortige Sicherstellung durch sein Verhalten veranlasst und muss daher nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Kostengesetz (KG) die Kosten dieser Amtshandlung tragen. Die hierfür erhobene Gebühr hält sich in dem von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG, Nr. 2.II.7/40 Kostenverzeichnis gezogenen Rahmen. Gemäß § 114 Satz 1 VwGO überprüfbare Fehler bei der Ermessensausübung im Rahmen des Art. 6 Abs. 2 KG sind nicht erkennbar.
III.
Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Rechtsgrundlage des Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sind § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.