Verwaltungsrecht

Klage gegen tierschutzrechtliche Anordnungen

Aktenzeichen  RO 4 K 19.1130

Datum:
1.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 60083
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 28, Art. 46
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Ein Halter ist jede Person, die ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat. Mehrere Personen können gleichzeitig Halter in diesem Sinne eines Tieres sein und dann auch gleichzeitig in Anspruch genommen werden. Darauf, ob der in Anspruch genommene Halter zugleich auch Eigentümer der Tiere ist, kommt es grundsätzlich nicht an, denn das Gesetz stellt ausdrücklich nur auf die Eigenschaft als Halter ab. Ausschlaggebend ist allein das Obhutsverhältnis (vgl. Hirt/Maisack/Moritz Tierschutzgesetz Kommentar 3. Auflage § 16a Rn. 21 m.w.N.). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung gleiche Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamts R. vom 20.3.2018 ist rechtmäßig, er verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I. Der streitgegenständliche Bescheid ist nicht deswegen rechtswidrig, weil die ergangene Anordnung nicht deckungsgleich mit der erfolgten Anhörung vom 22.2.2018 war. In diesem Schreiben wurden die Kläger zu einer beabsichtigten Fortnahme und anderweitigen Unterbringung der Pferde angehört. Tatsächlich wurde eine Haltungsuntersagung bezogen auf das Anwesen M. und eine Anordnung zur Durchsetzung dieser Haltungsuntersagung erlassen. Ob hierin eine Verletzung der Anhörungspflicht nach Art. 28 BayVwVfG darstellt, kann dahingestellt bleiben, da jedenfalls gemäß Art. 46 BayVwVfG die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids deshalb nicht beansprucht werden könnte. Da sich die Kläger zu der angekündigten Anordnung, die gleichermaßen zur Fortnahme der Pferde geführt hätte, nicht geäußert haben, ist davon auszugehen, dass sich die Kläger ebenso wenig geäußert hätten, wenn die sodann getroffene Anordnung genannt worden wäre.
II. Rechtsgrundlage für die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG. Danach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnung.
Die getroffene Anordnung konnte gegenüber den Klägern ergehen, da sie Halter i.S.d. § 16a TierSchG sind. Ein Halter in diesem Sinne ist jede Person, die ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat. Mehrere Personen können gleichzeitig Halter in diesem Sinne eines Tieres sein und dann auch gleichzeitig in Anspruch genommen werden. Darauf, ob der in Anspruch genommene Halter zugleich auch Eigentümer der Tiere ist, kommt es grundsätzlich nicht an, denn das Gesetz stellt ausdrücklich nur auf die Eigenschaft als Halter ab. Ausschlaggebend ist allein das Obhutsverhältnis (vgl. Hirt/Maisack/Moritz Tierschutzgesetz Kommentar 3. Auflage § 16a Rn. 21 m.w.N.).
Die Untersagung der weiteren Haltung der 16 Pferde im Anwesen in M. wurde auf zahlreiche Verstöße und Beanstandungen gestützt. Das Gericht nimmt auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist auszuführen:
Der Sachvortrag der Kläger, dass alle Pferde jeden Tag auf der Koppel gewesen wären, überzeugt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Pferde üblicherweise gegen 13 Uhr auf die Koppel gekommen wären, die Amtstierärzte aber nur vormittags kontrolliert hätten, nicht. Zum einen fanden ausweislich der Akten Kontrollen auch ab 13 Uhr statt, zum Beispiel am 19.4.2016, 8.11.2016, 24.11.2016 und 23.3.2017. Zum anderen haben die Amtstierärzte am 23.3.2017 und 20.4.2017 vermerkt, dass Hufspuren auf den Koppeln nicht vorhanden waren. Der Umstand, dass die Kontrollberichte keine Angaben hinsichtlich des jeweiligen Wetters enthalten, ist unschädlich. Grundsätzlich ist schlechtes Wetter kein Grund, Pferden nicht den erforderlichen Freilauf zu gewähren, insbesondere wenn sie nicht anderweitig bewegt werden. Zum anderen wurde den Klägern durch Bescheid vom 3.4.2017 aufgegeben, den gewährten Freilauf zu dokumentieren und der Behörde nachzuweisen. Dem sind sie nicht nachgekommen. Das hiergegen vorgetragene Argument, man hätte ihnen ja doch nicht geglaubt, ist nicht belegt. Der weitere Vortrag der Klägerseite, dass sie im Oktober 2017 Kontakt zur Regierung der Oberpfalz aufgenommen habe, ihnen von dort eine Kontaktperson benannt worden sei, über die die weitere Kommunikation mit dem Veterinäramt des Landratsamts R. zu erfolgen gehabt hätte, entspricht nicht der Aktenlage. Aus den Akten ergibt sich, dass die Klägerin unter dem 29.1.2018 (Blatt 741 der Behördenakte) eine Eingabe an Herrn M. Dr. S. gerichtet hatte, die sodann an die Regierung der Oberpfalz weitergleitet wurde, die wiederum das Landratsamt R. am 21.2.2018 um Stellungnahme bis zum 26.2.2018 ersucht hatte. Einer E-Mail der Regierung der Oberpfalz vom 23.3.2018 (Blatt 815 der Behördenakte) an das Landratsamt R. ist zu entnehmen, dass seitens der Regierung Herr Dr. … als Ansprechpartner benannt wurde. Hieraus ergibt sich, welche Person für die von den Klägern erhobenen Vorwürfen innerhalb der Regierung der Oberpfalz zuständig war. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Regierung der Oberpfalz den weiteren verwaltungsmäßigen Vollzug an sich gezogen hätte, wie dies wohl durch die Kläger interpretiert wurde. Im Übrigen erfolgte die Benennung dieser Kontaktperson nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom 20.3.2018.
Zur mangelhaften Hufpflege ist ergänzend auszuführen: Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie im Februar 2016 in den Landkreis R. gezogen seien. Ihr früherer Hufschmied sei zu diesem Zeitpunkt in Ruhestand gegangen. Der neue Schmid habe ab diesem Zeitpunkt alle Pferde in drei Terminen behandelt. Er sei aber zu teuer und grob zu den Tieren gewesen, deshalb hätten sie einen neuen Schmied gesucht. Erst 2017 hätten sie diesen gefunden, es habe aber Terminprobleme gegeben.
Ausweislich der Akten haben die Kläger das Veterinäramt darüber informiert, wann Hufpflegetermine stattgefunden haben bzw. stattfinden hätten sollen. Als erster Termin der Hufpflege durch den neu gefundenen Hufschmied wurde der 14.6.2017 genannt (Blatt 562 der Behördenakte). An diesem Tag wurden 5 Pferde behandelt (Blatt 562 der Behördenakte). Bei einem zweiten Termin am 28.6.2017 wurden 3 Pferde behandelt (Blatt 580 der Behördenakte). Ein weiterer Termin wurde wiederholt verschoben. In der Folgezeit wurde ein weiteres Tier behandelt (vgl. Mitteilung von Herrn … vom 26.7.2017, Blatt 598 der Behördenakte). Am 16.11.2017 (Blatt 652 der Behördenakte) wurde mitgeteilt, dass zwei Sedierungsversuche bei R. gescheitert seien und dass mit den anderen Pferden in der kommenden Woche fortgefahren werden würde. Am 4.12.2017 (Blatt 666 der Behördenakte) wurde die Nachholung bis 15.12.2017 angekündigt. Weitere Meldungen über erfolgreiche Hufpflegemaßnahmen bei den anderen 8 Pferden liegen nicht vor.
Angesichts dessen kann von einer regelmäßigen und ordnungsgemäßen Hufpflege nicht die Rede sein. Nicht erforderlich für den Erlass einer Anordnung ist, dass bei allen Tieren eine Vernachlässigung der Hufpflege dokumentiert ist. Auch wenn nur einige Tiere eines Bestands vernachlässigt sind, ist es im Interesse eines wirksamen Tierschutzes möglich, dem Halter alle Tiere wegzunehmen (vgl. hierzu Hirt/Maisack/Moritz § 16a a.a.O. Rn. 22 m.w.N).
Zur tierschutzwidrigen Haltung des Hengstes ist zu ergänzen, dass die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung noch eine Haltung eines geschlechtsreifen Hengstes mit seiner Mutter in der gleichen Box für nicht problematisch erachtet hat, sondern diese Haltung noch verteidigte. Ob der Hengst durch die Anwesenheit weiterer Stuten im Stall beeinträchtigt war, kann dahingestellt bleiben.
Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG, dem Halter eine Frist zur Herstellung tierschutzgerechter Umstände zu gewähren, wurde in der Anhörung vom 22.2.2018 eine Frist von 2 Wochen gesetzt. Darüber hinaus bedurfte es keiner weiteren Fristsetzung, da die Behörde eine Beendigung der Haltung der betroffenen Tiere im Anwesen M. auf Dauer beabsichtigte.
III. Auch die Anordnung in Nr. 2 des Bescheids vom 20.3.2018 ist nicht zu beanstanden.
Bei der auf Art. 34 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) gestützten Anordnung handelt es sich um die Durchsetzung der Haltungsuntersagung aus Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids gemäß Art. 34 VwVZG durch unmittelbaren Zwang. Gemäß Art. 29 Abs. 1 VwZVG kann ein Verwaltungsakt, mit dem eine Unterlassung gefordert wird, vollstreckt werden. Liegt die in Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG genannte Voraussetzung, dass der zu vollstreckende Verwaltungsakt sofort vollziehbar ist, vor, kann die Vollstreckungsbehörde den Verwaltungsakt durch unmittelbaren Zwang vollziehen, wenn die sonstigen zulässigen Zwangsmittel nicht zum Ziel führen oder wenn sie dem Pflichtigen einen erheblich größeren Nachteil verursachen würden als unmittelbarer Zwang oder ihre Anwendung keinen zweckentsprechenden oder rechtzeitigen Erfolg erwarten ließen. Vorliegend war in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids dessen Nr. 1 für sofort vollziehbar erklärt worden. Angesichts der Erfahrungen aus dem Verwaltungsverfahren war davon auszugehen, dass die Festsetzung weiterer Zwangsgelder nicht erfolgreich sein werde. Das in der Haltungsuntersagung liegende Verbot, diese Pferde weiter auf diesem Anwesen zu halten, stellt keine vertretbare Handlung dar, die durch eine Ersatzvornahme nach Art. 32 VwZVG vollstreckt hätte werden können. Soweit im streitgegenständlichen Bescheid darauf hingewiesen wurde, dass die Ersatzvornahme in Sachen Freilauf und Hufpflege auszuschließen sei, kommt es darauf nicht an, da es vorliegend nur um die Vollstreckung der Haltungsuntersagung geht. Diese Ausführungen führen jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung. Die abschließende Bewertung unmittelbaren Zwangs als letztendlich sachgerechtes Mittel, um die fortlaufenden Verstöße gegen das Tierschutzrecht wirksam und dauerhaft zu unterbinden, ist nicht zu beanstanden.
Die Klage war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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