Verwaltungsrecht

Konkurrentenstreit um die Besetzung der Stelle eines Brandinspektors

Aktenzeichen  W 1 E 19.1444

Datum:
11.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28461
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Grundlegende Voraussetzung für das Vorliegen eines Bewerbungsverfahrensanspruchs ist, dass es sich aus der Sicht des potentiellen Bewerbers um die Vergabe eines Dienstpostens in der Weise handeln muss, dass entweder mit der Übertragung des Dienstpostens unmittelbar eine Beförderung (Ernennung in ein bestimmtes statusrechtliches Amt) verbunden ist oder dass der Dienstposten als „Beförderungsdienstposten“ oder „Bewährungsdienstposten“ zunächst nach den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG im Wege der Unterbesetzung zur Probe übertragen wird, wobei der ausgewählte Bewerber später – ohne weiteres Auswahlverfahren – befördert werden soll. (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Bestenauslesegrundsatz wird nach Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet.  (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Konstitutive Anforderungsprofile dürfen nur aus besonderem Grund in ein Auswahlverfahren eingeführt werden, beispielsweise wenn die Wahrnehmung der Dienstaufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. (Rn. 13 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Berücksichtigung des Dienstalters bei der Besetzung von Beförderungsstellen ist nur im Falle eines Leistungsgleichstands mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar. Der Leistungsvergleich muss anhand von aussagekräftigen, d.h. hinreichend differenzierten und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhenden dienstlichen Beurteilungen vorgenommen werden. (Rn. 18 – 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die ausgeschriebenen Stellen als Brandinspektoren/innen / Disponenten/innen ILS bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Bewerbung des Antragstellers mit einem Mitbewerber zu besetzen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 10.301,55 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … … … geborene Antragsteller ist Oberbrandmeister (Besoldungsstufe A8) bei der Antragsgegnerin und bei dieser seit August 2003 beschäftigt. Für den Beurteilungszeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 30. November 2017 wurde der Antragsteller mit zwölf Punkten im Gesamturteil dienstlich beurteilt. Die Beigeladenen zu 1), zu 2) und zu 3) sind ebenfalls Oberbrandmeister (jeweils Besoldungsstufe A8) bei der Antragsgegnerin. Der Beigeladene zu 1) wurde zuletzt mit elf Punkten dienstlich beurteilt und ist seit mehr als 25 Jahren im Einsatzdienst der Feuerwehr tätig. Der Beigeladene zu 2) wurde zuletzt mit zehn Punkten dienstlich beurteilt und ist ebenfalls seit mehr als 25 Jahren im Einsatzdienst der Feuerwehr tätig. Der Beigeladene zu 3) wurde zuletzt mit zehn Punkten dienstlich beurteilt. Er ist seit 23 Jahren und sechs Monaten im Einsatzdienst der Feuerwehr tätig.
Unter dem 6. September 2019 schrieb die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Stellen zu Brandinspektoren/innen / Disponenten/innen ILS (Besoldungsstufe A9) im Onlineportal aus. Die Stellenausschreibung nannte im Anforderungsprofil unter anderem eine mindestens 25-jährige Verwendung im Einsatzdienst einer Berufsfeuerwehr. Am 17. September 2019 bewarb sich der Antragsteller auf diese Stelle. Unter dem 22. Oktober 2019 erhielt er per E-Mail die Mitteilung seiner Nichtberücksichtigung. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Nichtberücksichtigung des Antragstellers sei allein deshalb erfolgt, weil dieser bei im Übrigen sogar besserer Beurteilung gegenüber seinen Mitbewerbern noch keine 25-jährige Verwendung im Einsatzdienst einer Berufsfeuerwehr nachweisen könne. Das Kriterium der 25-jährigen Verwendung im Einsatzdienst sei rechtswidrig, es handele sich um eine sachwidrige Erwägung. Zudem sei dieses Kriterium bei der Antragsgegnerin bislang überhaupt nicht angewendet worden und entspreche daher nicht der gefestigten Verwaltungspraxis. Sachgerechte Gründe für die Anforderung einer solchen langen Vordienstzeit seien nicht vorhanden.
Der Antragssteller beantragt,
der Antragsgegnerin ist im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu untersagen, die ausgeschriebenen Stellen als Brandinspektoren/innen/Disponenten/innen ILS mit einer Besoldungsgruppe A9 bei der Berufsfeuerwehr Würzburg mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers rechtskräftig entschieden ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen,
hilfsweise festzustellen, dass die Sicherungsanordnung des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. Oktober 2019 dahingehend abgeändert wird, dass sie nicht die beabsichtigten Stellenbesetzungen der Beigeladenen J … und N … umfasst.
Die Anforderung einer mindestens 25-jährigen Verwendung sei eine konstitutive Anforderung. Es handele sich dabei nicht um ein sachfremdes Kriterium. Vielmehr sei es unmittelbar mit dem sehr verantwortungsvollen Tätigkeitsprofil eines Gruppenführers im Einsatzdienst verknüpft. Kenntnisse über das eigentliche Aufgabengebiet hinaus seien für diese Stelle eine wichtige Voraussetzung. Es könne der Antragsgegnern nicht zur Last gelegt werden, dass dieses Kriterium bisher nicht angewandt worden sei. Dienstherren müssten die Möglichkeit haben, ihr Verwaltungshandeln anzupassen. Mit der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung solle erstmalig auch besonders erfahrenen Bewerberinnen und Bewerbern aus der Fachabteilung eine Möglichkeit zur Wahrnehmung der Führungsposition eröffnet werden. Mit dem Merkmal der mindestens 25-jährigen Verwendung im Einsatzdienst einer Berufsfeuerwehr sollten nur solche Bewerber in die Bewerberauswahl einbezogen werden, die durch ihre Berufspraxis zusätzliches Wissen und Können erworben und durch ihre über einen längeren Zeitraum ausgeübte Berufstätigkeit ihre theoretischen und praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten verfestigt hätten. Nur die Beigeladenen zu 1) und 2) hätten die formalen Ausschreibungsmerkmale vollständig erfüllt. Neben den in der Stellenausschreibung geforderten Voraussetzungen seien auch die Beurteilungen der Bewerber einbezogen worden. Im Interesse des Dienstherren galt es auch den dritten Bewerberplatz mit einem geeigneten Kandidaten zu besetzen. Daher sei der Beigeladene zu 3) als derjenige Bewerber zum Zuge gekommen, dessen Profil dem Geforderten am ehesten entsprochen habe. Die Stellenbesetzung sei nach erfolgreichem Abschluss des am 18. November 2019 beginnenden Lehrgangs zur Qualifikation als Gruppenführer und verfügbaren Stellen sukzessive beabsichtigt. Der Antragsteller habe bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden können, da er erst 16 Jahre und zwei Monate Verwendung im Einsatzdienst hinter sich habe. Eine weitere Ausschreibung, etwa mit einer geringeren Anzahl von 20 Jahren im Einsatz, hätte kein anderes Ergebnis gebracht als das vorliegende.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Dabei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung setzt voraus, dass die begehrte einstweilige Anordnung geeignet und notwendig ist, den auf Art. 33 Abs. 2 GG beruhenden materiellen Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers zu sichern und dadurch einen endgültigen Rechtsverlust zu seinem Nachteil abzuwenden. Dieser würde voraussetzen, dass er in einem nach den Auswahlgrundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG – Eignung, Befähigung und fachliche Leistung – durchzuführenden Stellenbesetzungsverfahren wegen möglicher Fehler in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt sein könnte, seine Auswahl bei einer Verfahrenswiederholung möglich erscheint und dass deshalb zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine vorläufige Entscheidung erforderlich wäre.
Grundlegende Voraussetzung für das Vorliegen eines Bewerbungsverfahrensanspruchs ist, dass es sich aus der Sicht des potentiellen Bewerbers um die Vergabe eines Dienstpostens in der Weise handeln muss, dass entweder mit der Übertragung des Dienstpostens unmittelbar eine Beförderung (Ernennung in ein bestimmtes statusrechtliches Amt) verbunden ist oder dass der Dienstposten als „Beförderungsdienstposten“ oder „Bewährungsdienstposten“ (vgl. zum Letzteren VGH Mannheim, B.v. 16.10.2007, Az.: 4 S 2020/07 – juris) zunächst nach den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG im Wege der Unterbesetzung zur Probe übertragen wird, wobei der ausgewählte Bewerber später – ohne weiteres Auswahlverfahren – befördert werden soll. Der Grund für das Bestehen eines Bewerbungsverfahrensanspruchs auch für die zweite der beiden Varianten („Beförderungsdienstposten“ oder „Bewährungsdienstposten“) ergibt sich daraus, dass die Entscheidung über eine Beförderung bereits an die Vergabe des Dienstpostens gekoppelt ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2009 – 3 CE 09.1662 – juris; B.v. 17.6.2008, Az.: 3 CE 08.884 – juris; BVerwG U.v. 25.11.2004 Az. 2 C 17.03 – juris).
Vorliegend handelt es sich aus Sicht des Antragstellers um einen Beförderungsdienstposten. Die ausgeschriebene Stelle ist der Besoldungsstufe A 9 zuzuordnen. Der Antragsteller hat hingegen derzeit die Besoldungsstufe A 8 inne, sodass die Vergabe der infrage stehenden Stelle eine unmittelbare Beförderung des Antragstellers zur Folge hätte.
2. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht, da er eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs rügen kann.
Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes zu besetzen. Die Geltung dieses Grundsatzes wird nach Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Die Vorschrift dient zum einen dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt Art. 33 Abs. 2 GG dem berechtigten Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Mit den Begriffen Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eröffnet Art. 33 Abs. 2 GG bei Beförderungsentscheidungen einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn. Dieser unterliegt schon von Verfassungs wegen einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG verleiht Beamten in diesem Rahmen das Recht, eine Auswahlentscheidung dahingehend überprüfen zu lassen, ob der Dienstherr ermessens- und beurteilungsfehlerfrei über ihre Bewerbung entschieden hat. Damit korrespondiert ein Bewerbungsverfahrensanspruch, dass die im Rahmen der Stellenbesetzung vorzunehmende Auswahlentscheidung gemäß dem Verfassungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 94 Abs. 2 BV (vgl. § 9 BeamtStG, Art. 16 Abs. 1 LlbG) nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen ist (BVerfG, B.v. 11.5.2011 – 2 BvR 764/11 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 19.02.2015 – 3 CE 15.130 – juris Rn. 20). Liegen mehrere Bewerbungen für die infrage stehende Stelle vor, so sind die in der Auswahlentscheidung zutreffenden Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen auf der Grundlage des gesamten für die persönlichen fachliche Einschätzung von Eignung und Leistung der Bewerber bedeutsamen Inhalts der Personalakten in erster Linie auf aktuelle dienstliche Beurteilungen zu stützen, wobei maßgeblich primär das abschließende Gesamturteil der Beurteilung ist, dass durch Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen Leisten Gesichtspunkte zu bilden ist (HessVGH, B. v. 8.2.2018 – 1 B 1830/17 – juris).
Einen solchen Bewerbervergleich anhand des Gesamturteils der dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und der Beigeladenen hat die Antragsgegnerin ausweislich des Auswahlvermerks nicht vorgenommen. Vielmehr wurde der Antragsteller allein deshalb nicht in die Bewerberauswahl mit einbezogen, weil dieser die im Anforderungsprofil vorausgesetzte mindestens 25-jährige Verwendung im Einsatzdienst der Feuerwehr nicht aufweise. Dieses Vorgehen der Antragsgegnerin ist mit den Vorgaben nicht vereinbar.
Grundsätzlich sind zwar abgestufte Auswahlentscheidungen möglich, bei denen auf der ersten Stufe Bewerber ausgeschlossen werden, die die allgemeinen Ernennungsvoraussetzungen bzw. die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder einem von Dienstherrn ohne Rechtsverstoß aufgestellten spezifischen Anforderungsprofil nicht genügen, nach dem bestimmte dienstpostenbezogene Anforderungen von einem Bewerber zwingend zu erfüllen sind (Hess VGH, B. v. 3. März 2016 – 1 B 1064/15 -, juris; B. v. 8.2.2018 – 1 B 1830/ 17 – juris). Dieser absolut wirkenden Ausschlussfunktion entspricht es aber, dass konstitutive Anforderungsprofile nur aus besonderem Grund in ein Auswahlverfahren eingeführt werden dürfen (BayVGH, B. v. 4.2.2009 – 3 CE 08.2852 – juris Rn. 44). Außerdem ist der Dienstherr bei der Bestimmung des Anforderungsprofils an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und damit, soweit eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht, auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauswahl verpflichtet (BVerwG, B. v. 20.6.2013 – 2 VR 1/13 – juris Rn. 23 f.). Bereits das Bewerberfeld einengende konstitutive Anforderungsmerkmale sind folglich nur ausnahmsweise zulässig, wenn die Wahrnehmung der Dienstaufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann. Diese Voraussetzungen hat der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (BVerwG, B. v. 20.6.2013, a. a. O., juris Rn. 31; B.v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14 – juris; Hess VGH, B. v. 8.2.2018 – 1 B 1830/17 – juris; B. v. 11.4.2014 – 1 B 1913/13 – juris; VG München, B. v. 25.3.2014 – M 21 E 13.5890 – juris Rn. 71). Ist das Organisationsermessen des Dienstherren in einer nicht zu beanstandenden Weise ausgeübt, so liegt das in der Art eines Filters wirkende Anforderungsprofil somit gegenständlich und zeitlich vor dem Bewerbungsverfahrensanspruch (BayVGH, B.v. 25.9.2007, Az. 3 CE 07.1954 – juris, RdNr. 23; BayVGH vom 27.3.2008 Az. 3 CE 08.352). Als konstitutive Merkmale eines Anforderungsprofils sind von vornherein nur solche zulässig, die objektiv überprüfbar, also namentlich ohne Rücksichtnahme auf Wertungsspielräume des Dienstherrn unschwer festzustellen sind. Merkmale, die sich demgegenüber erst auf der Grundlage eines persönlichkeitsbedingten, das betreffende Element des Eignungs- und Befähigungsprofils näher in den Blick nehmenden Werturteils erschließen, können in einem Stellenbesetzungsverfahren erst (auf der zweiten Stufe) bei der eigentlichen Auswahl Bedeutung erlangen, rechtfertigen hingegen nicht schon (auf der ersten Stufe) einen Ausschluss aus dem Bewerberkreis (HessVGH, B. v. 3.3.2016 – 1 B 1064/15 -, juris, Rdnr. 11 m. w. N.; B.v. 8.2.2018 – 1 B 1830/17 -, Rn. 15, juris).
Die Abgrenzung zwischen dem konstitutiven und dem beschreibenden Teil des Anforderungsprofils ist eine Frage der Auslegung, die entsprechend § 133 BGB nach dem objektiven Erklärungsinhalt und dem Willen des Erklärenden zu erfolgen hat (OVG Niedersachsen vom 12.3.2004, Az. 5 ME 390/03 – juris, Leitsatz; Thüringer OVG vom 30.3.2007, Az. 2 EO 729/06, ThürVBl 2007, 187, – juris, Rn. 44,45; OVG Bremen vom 16.2.2009, Az 2 B 598/08, DÖD 2009, 202 – juris, Rn. 12); bestätigend kann auch die Handhabung dieses Merkmals durch den Dienstherrn im Rahmen der Auswahlentscheidung herangezogen werden (vgl. BayVGH vom 11.5.2009, Az. 3 CE 09.596 – juris, Rn. 19; BayVGH, B. v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 -juris, Rn. 80 – 81)
Das „konstitutive“ – oder auch spezielle – Anforderungsprofil zeichnet sich dadurch aus, dass es für die Bestenauslese einen ganz neuen, von den dienstlichen Beurteilungen jedenfalls vom Ausgangspunkt her abgekoppelten Maßstab enthält. Bei diesem konstitutiven Anforderungsprofil einerseits und den dienstlichen Beurteilungen andererseits handelt es vom Ansatz her um unterschiedliche Modelle und Maßstäbe für die Auswahl nach dem Leistungsprinzip. Wer ein solches konstitutives Anforderungsprofil nicht erfüllt, kommt für die Auswahl von vornherein nicht in Betracht, mag er auch besser dienstlich beurteilt sein. Erst wenn es darum geht, gegebenenfalls eine Auswahl unter mehreren, das konstitutive Anforderungsprofil erfüllenden Bewerbern zu treffen, kommt den dienstlichen Beurteilungen (wieder) Bedeutung zu (BayVGH, B.v. 16.9.2011, Az. 3 CE 11.1132, RdNrn. 27 f.; vom 25.5.2011, Az. 3 CE 11.605, RdNrn. 33 f.; vom 22.11.2007, Az. 3 CE 07.2274 RdNrn. 66 f.; vom 27.3.2008 Az. 3 CE 08.352 RdNr. 34; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 23.05.2007, Az. 10 B 10318/07, RiA 2008, 31, m.w.N.; BayVGH, B.v. 18.6. 2012 – 3 CE 12.675 -, Rn. 78 – 79, juris).
Demgegenüber lässt ein beschreibendes Anforderungsprofil einem potenziellen Bewerber auch bei seiner Nichterfüllung noch Aussicht auf Erfolg. Es hat gerade nicht das Ziel, die in erster Linie zu berücksichtigenden dienstlichen Beurteilungen maßgeblich zu mindern oder außer Kraft zu setzen, sondern erlangt erst Bedeutung, wenn sich die Konkurrenten hinsichtlich des Gesamtprädikats nicht wesentlich unterscheiden. In diesem Fall kann ein Vergleich der Bewerber anhand der spezifisch auf den zu besetzenden Dienstposten bezogenen Anforderungen des beschreibenden Anforderungsprofils einen Gleichstand oder sogar einen Vorsprung des zunächst rückliegenden Bewerbers begründen (BayVGH vom 25.09.2007 Az. 3 CE 07.1954 RdNr. 23 ; vom 25.05.2011 Az. 3 CE 11.605 RdNr. 34 f. ; vom 13.03.2008 Az. 3 CE 08.53 RdNr. 36 ; vom 22.11.2007 Az. 3 CE 07.2274 RdNr. 68 ; VGH Baden-Württemberg vom 07.12.2010 Az. 4 S 2057/10 RdNr. 4 ; Sächsisches OVG vom 16.09.2009 Az. 2 B 147/11 RdNr. 16 BVerwG vom 27.02.2003 Az. 2 C 16/02 1. Leitsatz ).). Dies sind Hilfskriterien, wie z.B: Vorstellungsgespräche (VGH Baden-Württemberg, B.v. 21.12.2011 Az. 4 S 2543/11 RdNr. 8 ).
Vorliegend steht die Rechtmäßigkeit des Merkmals der mindestens 25-jährigen Verwendung im Einsatzdienst einer Berufsfeuerwehr in Frage. Dieses soll laut Antragsgegnerin ein konstitutives Merkmal sein. Ob dies tatsächlich zutrifft ist bereits zweifelhaft. Durch die Auswahl des Beigeladenen zu 3) hat sich die Antragsgegnerin selbst über ihre Anforderungen hinweggesetzt, sodass der tatsächliche Wille eines konstitutiven Merkmals fernliegt. Auch lässt sich im Rahmen einer Auslegung des Wortlauts der Stellenausschreibung nicht feststellen, ob tatsächlich ein konstitutives Merkmal gegeben ist.
Wollte man mit der Antragsgegnerin von einem konstitutiven Anforderungsmerkmal ausgehen, ist das Merkmal zumindest rechtswidrig. Die Antragsgegnerin konnte nicht darlegen, dass die Wahrnehmung der Dienstaufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber mit einer Dienstzeit von weniger als 25 Jahren regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann.
Die Antragsgegnerin trug zur Begründung des Merkmals der mindestens 25-jährigen Verwendung im Einsatzdienst einer Berufsfeuerwehr vor, dass nunmehr erstmalig besonders erfahrenen Bewerberinnen und Bewerbern aus der Fachabteilung eine Möglichkeit zur Wahrnehmung dieser Führungsposition eröffnet werden sollte. Zuvor seien diese Stellen lediglich mit Bewerberinnen und Bewerbern, die sich in einem anderen Tätigkeitsbereich als dem klassischen Arbeitsdienst der Fachabteilung bewährt hätten, besetzt worden. Da bei einer ausschließlichen Verwendung in der Fachabteilung der Erkenntnisgewinn, gerade in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit anderen Behördenorganisation sowie in der Aus- und Fortbildung oder in der Gefahrenvorbeugung, wesentlich geringer sei als in den voran genannten Tätigkeiten, sei eine ausreichend lange Dienstzeit unbedingt erforderlich. Erforderlich sei dies, damit die Bewerber durch ihre Berufspraxis zusätzliches Wissen und Können erworben hätten und durch ihre über einen längeren Zeitraum ausgeübte Berufstätigkeit ihre theoretischen und praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten sowohl in der Breite als auch in der Tiefe verfestigt hätten. Zu den zentralen Aufgaben gehöre nicht nur das verantwortliche Treffen von Entscheidungen in enormen Stress- und Drucksituationen, sondern dazu kämen die unmittelbar verbundenen Auswirkungen auf Kolleginnen und Kollegen und hilfsbedürftige Personen am Einsatzort. Aus diesem Grund seien Kenntnisse über das eigentliche Aufgabengebiet hinaus eine wichtige Voraussetzung. Ebenso sei ein hohes Maß an menschlicher Reife und Verantwortungsbewusstsein wie auch Erfahrung in den mit der Stelle verbundenen Extremsituationen im Einsatz unbedingt erforderlich. Diese dienst- und lebenspraktischen Erfahrungen würden im Rahmen der Ausübung des Einsatzdienstes erworben. Daher habe sie eine 25-jährige Verwendung im Einsatzdienst einer Berufsfeuerwehr als formale Voraussetzung formuliert.
Dies vermag nicht zu überzeugen. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Anforderungsmerkmale sind gerade solche, die regelmäßig auch Gegenstand einer Beurteilung sind. So enthält die Beurteilung der Antragsstellers etwa die Überschrift „Praktische Arbeitsweise“, sodass durch diese Bewertung bereits festgehalten wird, ob die praktischen Kenntnisse des Antragstellers vorhanden und ausreichend sind; hierunter wurde etwa auch der Punkt „Zusammenarbeit mit Kollegen“ und „Verhalten gegenüber dem Publikum“ bewertet. All dies sind Voraussetzungen, die die Antragsgegnerin nunmehr ausschließlich durch eine lange Verwendungszeit festgestellt haben will.
Zudem konnte auch nicht ausreichend begründet werden, weshalb die Mindestzeit im Einsatzdienst der Feuerwehr gerade bei 25 Jahren liegen müsste. Die Begründung der Antragsgegnerin war allgemein gehalten und bezog sich nicht konkret auf den 25-jährigen Zeitraum. Zudem ist davon auszugehen, dass zumindest auch die vom Antragsteller vorzuweisende erhebliche Verwendungszeit von 16 Jahren und 2 Monaten jedenfalls ausreichend sein müsste, um erforderliches Wissen in der notwendigen Breite zu verfestigen.
Dienst- und Lebensalter gehören nicht zu den unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten, die der Bewerberauswahl für eine Beförderungsstelle zugrunde zu legen sind. Zwar wird sich insbesondere das Dienstalter häufig auf die Beurteilung von leistungsbezogenen Gesichtspunkten auswirken, weil sich die durch ein höheres Dienstalter typischerweise zum Ausdruck kommende umfassendere Berufserfahrung häufig leistungsfördernd niederschlagen wird. Es gibt jedoch keinen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass von einem höheren Dienstalter auf einen höheren Leistungsstand und bessere Bewährungsvoraussetzungen geschlossen werden kann. Dementsprechend ist die Berücksichtigung des Dienstalters bei der Besetzung von Beförderungsstellen nur im Falle eines Leistungsgleichstands mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar. Der Leistungsvergleich muss anhand von aussagekräftigen, d.h. hinreichend differenzierten und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhenden dienstlichen Beurteilungen vorgenommen werden (BVerwG, U. v. 19.12.2002 – BVerwG 2 C 31.01 – Buchholz 237.9 § 20 SaarlLBG Nr. 1; U. v. 27.2.2003 – BVerwG 2 C 16.02 – Buchholz 237.6 § 8 NdsLBG Nr. 10). Erst wenn feststeht, dass ein solcher Vergleich nicht zu einem Ergebnis führt, weil zwei oder mehr Bewerber nach Leistungsgesichtspunkten als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen sind, kann die Auswahlentscheidung auf das Dienstalter gestützt werden (BVerwG, U.v. 25.8.1988, a.a.O., und vom 21.8.2003, a.a.O., , B.v.10.11. 1993, a.a.O; BVerwG, U.v. 28.10.2004 – 2 C 23/03 -, BVerwGE 122, 147-154, Rn. 14 – 15; VG München, B.v. 10.7. 2018 – M 5 E 18.618 -, Rn. 29, juris).
Eine solche Konkurrenzsituation war vorliegend jedoch erst gar nicht gegeben. Der Antragssteller wurde in der dienstlichen Beurteilung zuletzt mit 12 Punkten im Gesamturteil dienstlich beurteilt und erhielt somit die beste Beurteilung im Vergleich zu allen anderen Bewerbern auf die streitgegenständlichen Stellen.
Dem steht auch nicht das von der Antragsgegnerin angeführte Urteil des OVG Bremen, B.v. 16.2.2009 – 2 B 598/08 – juris, welches die Antragsgegnerin analog anzuwenden gedachte, entgegen. Dem Urteil des OVG Bremen lag gerade kein Sachverhalt zu Grunde, bei dem eine Mindestdauer der Berufserfahrung vorausgesetzt wurde. Vielmehr ging es um den Begriff der langjährigen Erfahrung. Dieser ist nicht exakt definiert, über seinen Inhalt herrscht keine allgemeine Übereinstimmung. Aus der Formulierung ergibt sich lediglich, dass es sich um einen Zeitraum von mehreren Jahren handeln muss, eine eindeutige Vorgabe für einen Zeitraum ergibt sich dabei gerade nicht aus dem Wortlaut (OVG Bremen, B. V. 16.2.2009 – 2 B 598/08 – juris). Eine Vergleichbarkeit zu einer festgesetzten, unverhältnismäßig langen Mindestzeit ohne entsprechende Rechtfertigung ist nicht gegeben.
c) Wird das subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der unterlegene Beamte eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d.h. wenn seine Auswahl möglich erscheint, wobei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, B.v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02 – juris). Umgekehrt reicht eine nur theoretische Chance des erfolglosen Bewerbers, die grundsätzlich immer gegeben sein kann, nicht aus. Die Beurteilung, ob die Auswahl möglich erscheint oder aber vollkommen ausgeschlossen ist, setzt eine wertende Betrachtung der Umstände des Einzelfalls voraus (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 22.2.2019 – OVG 10 S 59.18 – juris). Vorliegend besteht eine gute Aussicht, dass der Antragsteller unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Bestenauslese bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommen würde, da er zuletzt in der dienstlichen Beurteilung besser bewertet wurde als seine Konkurrenten. Es besteht daher die realistische Möglichkeit, dass er bei einer rechtmäßigen Auswahl zwischen den Konkurrenten ausgewählt werden wird.
3. Der von der Antragsgegnerin gestellte Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Nachdem der Auswahl aller drei Beigeladenen, insbesondere auch der Beigeladenen zu 1) und 2), ein rechtswidriges Anforderungsprofil zu Grunde lag, ist es Aufgabe der Antragsgegnerin eine erneute, rechtmäßige Auswahlentscheidung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann eine solche nicht für die Antragsgegnerin vornehmen, sodass dem Hilfsantrag nicht entsprochen werden konnte. Andernfalls wäre die von der Antragsgegnerin erneut durchzuführende Auswahlentscheidung bereits teilweise vorweggenommen worden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aufgrund § 52 Abs. 6 GKG und berechnet sich nach einem ¼ der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2019 – 3 C E 19.1166).

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