Verwaltungsrecht

Konversion nicht glaubhaft

Aktenzeichen  M 28 K 16.34107

Datum:
3.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154039
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4, § 26a Abs. 1, Abs. 2, § 38 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Asylsuchender muss seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht haben, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen neuen Glauben auch im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland ungehindert leben zu können.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylG), noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG), noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG ist der Bescheid vom 24. Oktober 2016 bestandskräftig geworden, nachdem insoweit ausdrücklich kein Verpflichtungsantrag gestellt wurde und beim Aufhebungsantrag Ziffer 2. des Bescheids ausdrücklich ausgenommen worden ist; ohnehin wäre eine Klage insoweit allein deshalb ohne Erfolg geblieben, weil der Kläger nach eigenem Vortrag u.a. über Österreich und damit über einen sicheren Drittstaat nach Deutschland gelangt ist, Art. 16 a Abs. 2 GG i.V.m. § 26 a Abs. 1 und 2 AsylG). Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5. des Bescheids vom 24. Oktober 2016 und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 6. dieses Bescheids sind rechtmäßig.
Hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sowie die Feststellung von Abschiebungsverboten, ferner hinsichtlich der Abschiebungsandrohung und der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots wird zunächst auf den Bescheid des Bundesamts vom 24. Oktober 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist zur vorgetragen Hinwendung zum Christentum (sogleich 1.), zu der behaupteten Übersendung von Fotos in den Iran und einer damit verbundenen Verfolgung wegen eines zugeschriebenen Merkmals (sogleich 2.) sowie zu der angeblichen Bedrohung des Klägers durch Familienangehörige wie v. a. den ersten Ehemann der (dem Kläger religiös angetrauten) Ehefrau und den Bruder (sogleich 3.) wie folgt auszuführen:
1. Die behauptete Hinwendung des Klägers zum Christentum kann der Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Erfolg verhelfen.
Zwar können im Iran gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vgl. etwa die Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 9. Dezember 2015, S. 15 f., sowie vom 8. Dezember 2016, S. 10) zum Christentum konvertierte Muslime durch die aktive Glaubensausübung im konkreten Einzelfall landesweit einer beachtlichen Gefahr von Verfolgungshandlungen durch den iranischen Staat oder diesem zurechenbaren Akteuren ausgesetzt sein, jedenfalls dann, wenn sie ihren christlichen Glauben öffentlich leben, so dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 ff. AsylG) oder zumindest des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) oder zumindest die Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) in Betracht kommen kann (vgl. hierzu: OVG NW, U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 48 ff.; HessVGH, U. v. 18.11.2009 – 6 A 2105/08.A – juris Rn. 34 ff.; OVG NW, B. v. 30.7.2009 – 5 A 1999/07.A – juris; SächsOVG, U. v. 3.4.2008 – A 2 B 36/06 – juris Rn. 34 ff.; BayVGH, U. v. 23.10.2007 – 14 B 06.30315 – juris Rn. 20 f.).
Die Annahme einer solchen Verfolgungsgefährdung setzt im konkreten Einzelfall allerdings voraus, dass die vorgetragene Hinwendung des Asylsuchenden zu der angenommenen Religion zur vollen Überzeugung des Gerichts auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine ernsthafte, dauerhafte und nicht lediglich auf Opportunitätserwägungen oder asyltaktischen Gründen beruhende Hinwendung zum Christentum vorliegt und der neue Glaube die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt. Hierzu gehört auch, aber nicht nur, dass dem Konvertiten die wesentlichen Grundelemente seiner neuen Religion vertraut sind, wobei seine Persönlichkeit und seine intellektuellen Fähigkeiten zu berücksichtigten sind. Allein der formale Übertritt zum Christentum durch eine kirchenrechtlich wirksame Taufe genügt nicht. Das Gericht ist auch nicht an die Beurteilung des Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden, der Taufe des Betroffenen liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Eine beachtliche Verfolgungsgefährdung lässt sich ferner auch nicht allein daraus ableiten, dass sich der Asylsuchende in Deutschland religiös betätigt hat, selbst wenn dies öffentlich (z.B. im Internet) bekannt geworden ist. Das Gericht muss vielmehr die volle Überzeugung gewinnen, dass der Asylsuchende die religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet. Es muss davon ausgehen können, dass der Asylsuchende seinen neuen Glauben in einer Weise verinnerlicht hat, dass es ihm ein tief empfundenes Bedürfnis ist, diesen Glauben auch im Fall der Rückkehr in das Herkunftsland ungehindert leben zu können. Hingegen ist nicht zu erwarten, dass ein Asylsuchender nach der Rückkehr in sein Herkunftsland eine Religion aktiv lebt, die er in seinem Zufluchtsland nur vorgeblich, oberflächlich oder aus asyltaktischen Gründen angenommen hat (zum Ganzen: BVerwG, B. v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – juris Rn. 9 ff. m.w.N.; BayVGH, B. v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7 ff., 12, B. v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 10.2.2017 – 13 A 2648/16.A – juris Rn. 11 f., B. v. 27.4.2015 – 13 A 440/15.A – juris Rn. 10 ff. m.w.N., B. v. 24.5.2013 – 5 A 1062/12.A – juris Rn. 8 ff. m.w.N.; U. v. 7.11.2012 – 13 A 1999/07.A – juris Rn. 37 ff. m.w.N; OVG Lüneburg, B. v. 16.9.2014 – 13 LA 93/14 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.; VGH BW, B. v. 23.4.2014 – A 3 S 269/14 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist im Fall des Klägers bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere dessen Einlassung beim Bundesamt und gegenüber dem Gericht zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung zum Christentum nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche die religiöse Identität des Klägers prägte, vielmehr dass dieser asyltaktische Überlegungen zugrunde liegen. Im Einzelnen:
a) Der Kläger konnte schon nicht überzeugend darlegen, dass und aufgrund welcher Erlebnisse, Erfahrungen oder sonstigen eigenen Beweggründe er sich dem Christentum im Sinne eines religiösen Bekenntnisses zugewandt hat:
Hinsichtlich der Zeit im Iran hat der Kläger selbst angegeben, dass er dort noch kein gläubiger Christ gewesen sei (S. 6 des Sitzungsprotokolls – SP) und sich dort auch noch nicht mit dem Christentum näher auseinandergesetzt habe (Bl. 108 BA; Klagebegründung vom 9. November 2016). Soweit der Kläger vorbringt, er habe das Christentum im Iran jedoch schon etwas kennengelernt bzw. sei mit diesem in Berührung gekommen (was für sich betrachtet ohnehin nicht für die Annahme einer identitätsprägenden Glaubensüberzeugung ausreichte), ist dies zur Überzeugung des Gerichts unglaubhaft: Diesbezüglich hat sich der Kläger widersprüchlich geäußert. Beim Bundesamt hatte er noch allein davon berichtet, er habe angeblich über eine christliche Freundin seiner Ehefrau namens T … das Christentum etwas kennengelernt gehabt. Bei Gericht kam der Kläger auf diese Freundin nicht von sich aus, sondern erst auf gerichtlichen Vorhalt hin zu sprechen. Stattdessen stellte er gänzlich neu als wesentlich heraus, dass er im Iran über einen Freund, der in Australien lebe und in die Kirche gehe, sowie mittels Fernsehsendungen in persischsprachigen christlichen Sendern das Christentum kennengelernt habe. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger diesen angeblichen Freund und die Fernsehsendungen beim Bundesamt nicht erwähnt hatte, wenn er tatsächlich vor allem auf diesem Weg das Christentum kennengelernt und sich für dieses interessiert haben will. Die Einlassung des Klägers auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts, seine Ehefrau habe ihm in der Pause der Anhörung gesagt, er solle nur das mit T … sagen, weil sie gewollt habe, dass seine Anhörung nicht erfolgreich verlaufe, ist gänzlich unplausibel und überzeugt nicht: Es ist kein nachvollziehbarer Grund dafür erkennbar, weshalb der Kläger einer solchen Anweisung seiner Ehefrau Folge geleistet haben sollte, wenn es sich hinsichtlich des angeblichen Kennenlernens des Christentums im Iran nicht nur um einen erfundenen und abgesprochen Sachvortrag gehandelt hat, der Kläger vielmehr tatsächlich das Christentum über den Freund und die Fernsehsendungen kennengelernt hatte. Letzteres vorzubringen hätte sein Vorbringen nur stützen können. Es ist auch nicht ersichtlich, wie es seiner Ehefrau hätte schaden können, wenn er neben der ihn und seine Ehefrau betreffenden christlichen Freundin der Ehefrau darüber hinaus erwähnt hätte, dass er selbst zusätzlich vor allem auch über einen australischen Freund und durch Fernsehsendungen Kenntnisse über das Christentum erworben hat. Nicht stichhaltig ist auch die weitere Einlassung des Klägers, die Anhörung sei mit 1 ½ – 2 Stunden nur kurz gewesen. Hierbei handelt es sich zweifelsohne um eine ausreichende Zeitspanne, um den Umstand vorzutragen, über den angeblichen australischen Freund und Fernsehsendungen Kenntnisse über das Christentum erworben zu haben.
Auch hinsichtlich der Zeit nach seiner Ankunft in Deutschland konnte der Kläger keinen Anlass und kein Motiv für eine Hinwendung zum Christentum darlegen, der auf eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung schließen lassen könnte. Vielmehr hat er beim Bundesamt (Bl. 108 BA) und auch in der mündlichen Verhandlung (SP S. 7) lediglich vorgebracht, er sei von einer Person, die jetzt auch sein Chef sei, mit der persischsprachigen Kirche in der H … bekanntgemacht worden, ihm sei empfohlen worden, zu dieser Kirche zu gehen, er solle es dort einmal probieren. Er habe dann zum ersten Mal im Mai 2016 Kontakt mit der persischsprachigen Kirche gehabt. Diese Einlassungen lassen nicht ansatzweise erkennen, dass und ggf. inwiefern sich der Kläger aufgrund eigener Beweggründe dem Christentum zugewandt haben könnte. Auch die substanzlosen und oberflächlichen Einlassungen des Klägers, dort sei er „sehr beruhigt“ worden, dies habe ihm sehr gut getan, er habe dort gebetet und an Veranstaltungen teilgenommen, es habe ihm „sehr gut gefallen“ (Bl. 108 BA), machen nicht ansatzweise eine identitätsprägende Hinwendung zum Christentum im Sinne eines religiösen Bekenntnisses deutlich.
Vor allem auch hat der Kläger nicht deutlich machen können, dass seine Taufe am 29. Mai 2016 in der Evangelischmethodistischen Kirche M … Ausdruck einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung war: Auffällig ist schon, dass der Kläger bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 29. September 2016 nicht sagen konnte, wann diese Taufe stattfand (Bl. 109 BA). Wer tatsächlich aufgrund einer inneren Glaubensüberzeugung den christlichen Glauben annimmt, bei dem ist zu erwarten, dass er viel genauer weiß, wann das für ihn wichtige Fest der Taufe stattfand. Daran ändert nichts, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung das Datum seiner Taufe nunmehr nennen konnte (SP S. 8): Der Kläger wusste durch die Anhörung beim Bundesamt, dass das Datum der Taufe relevant werden könnte. Entscheidend bleibt der Umstand, dass der Kläger, als die Frage nach dem Taufdatum beim Bundesamt erstmals gestellt wurde, dieses nicht angeben konnte. Vor allem hat sich der Kläger, obwohl er nach seinen Angaben erst im Mai 2016 erstmals Kontakt mit der Evangelischmethodistischen Kirche gehabt hatte (SP S. 7), bereits am 29. Mai 2016, mithin höchstens nach ungefähr einem Monat dort taufen lassen. Dementsprechend hat die vom Kläger in der Gemeinde absolvierte Taufvorbereitung, wie dieser auf Frage ausdrücklich bestätigt hat, nur ungefähr einen Monat gedauert (SP S. 8). Diese sehr rasche Taufe nur einen Monat nach dem erstmaligen Kontakt zu der Kirche und die sehr kurze Zeit der Taufvorbereitung streiten massiv gegen die Annahme, der Kläger habe sich aufgrund einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung taufen lassen. Der Kläger konnte auch kein überzeugendes Motiv für seine Taufe nennen: Beim Bundesamt hat er als persönliche Beweggründe für die Konversion nur oberflächlich und phrasenhaft vorbringen können, diese Religion habe ihm gefallen, weil „alle miteinander befreundet waren“, es sei eine „tolle Atmosphäre“ gewesen, die „schlechten Gedanken“ seien von ihm „entfernt“ worden, sein „Herz“ sei „beruhigt“ worden, er sei „seelenruhig“ gewesen (Bl. 108 BA). Eine solch substanzlose Einlassung hat mit einem spezifisch religiösen Bekenntnis aufgrund einer identitätsprägenden Hinwendung zum Christentum nicht ansatzweise etwas zu tun. Auch die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe sich taufen lassen, weil sich auch Jesus habe taufen lassen (SP S. 7), lässt nicht ansatzweise erkennen, dass und ggf. aufgrund welcher inneren Glaubensüberzeugungen der Kläger gemeint haben könnte, dem Vorbild Jesu nacheifern zu müssen.
b) Auch aus den Angaben des Klägers zu seiner Glaubensbetätigung lassen sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung ableiten.
Zwar hat der Kläger gemessen an seinen Angaben in mittlerweile drei Kirchengemeinden Gottesdienste besucht und zwar von Mai 2016 bis etwa Oktober 2016 in der Evangelischmethodistischen Kirche M …, von November 2016 bis März 2017 in der Freie Christengemeinde M … sowie ab April 2017 in der Evangelische Kirchengemeinde G … (SP S. 7, S. 8 f.; siehe auch die vorgelegte Bestätigung des Pastors der Evangelischmethodistischen Kirche Bezirk M … vom 26. September 2016 sowie jene der Freien Christengemeinde M … vom 22. Juli 2017). Derartige Gottesdienstbesuche sind für sich allein betrachtet für die gerichtliche Überzeugungsbildung hinsichtlich einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung allerdings nicht ausreichend, weil einem derartigen Verhalten auch rein asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen können. Im Fall des Klägers streiten zusätzliche Umstände dafür, dass die Gottesdienstbesuche für den Kläger eher Pflichtübungen zur Erlangung eines asylrechtlichen Status als Ausdruck eines von einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung getragenen lebendigen christlichen Glaubens sind: Zum einen wusste der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht einmal, wie die Kirche, die er von November 2016 bis März 2017 besucht hatte, heißt (SP S. 10). Auch bezüglich der von ihm zuerst besuchten Kirche, in der er auch getauft wurde, sprach er in der mündlichen Verhandlung nur ungenau von der „Leuchtturmkirche“ (SP S. 7, S. 8 f.). Wer Gottesdienste als Ausdruck einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung besucht, bei dem ist zu erwarten, dass er viel genauer weiß, wie die von ihm zur Betätigung seines Glaubens aufgesuchten Kirchengemeinden heißen. Hinzu kommt die Begründung, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung für seinen erneuten Wechsel von der Freien Christengemeinde M … zur Evangelischen Kirchengemeinde G … angeführt hat: Diesen Wechsel hat er allein damit erklärt, dass der Weg in die andere Kirche sehr weit gewesen sei, er arbeite jeden Tag, die Kirche in G … sei nicht sehr weit (SP S. 9; vgl. auch die Bestätigung der Freien Christengemeinde M … vom 22. Juli 2017). Grund dafür, dass der Kläger nunmehr die Gottesdienste in der Evangelische Kirchengemeinde G … besucht, ist für den Kläger demnach offenbar allein, dass dies für ihn wegen des kürzeren Wegs bequemer ist, es insbesondere weniger Zeit beansprucht. Inhaltlichreligiöse Fragen, wie etwa die Konfession und die Art und Weise der Feier der Gottesdienste, haben für den Kläger gemessen an seiner Einlassung offenbar keine Rolle gespielt. Auch dies lässt die Gottesdienstbesuche des Klägers eher wie Pflichtübungen zur Erlangung eines asylrechtlichen Status denn als Ausdruck eines von einer identitätsprägenden inneren Glaubensüberzeugung getragenen lebendigen christlichen Glaubens erscheinen.
Über die Kirchenbesuche hinausgehende, besondere Glaubensbetätigungen des Klägers in den jeweiligen Kirchengemeinden, die auf eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung hindeuteten, sind nicht ersichtlich. Zwar soll der Kläger in der Evangelischmethodistischen Kirche M … den dortigen Büchertisch betreut haben. Eine solche Tätigkeit ist indes schon ihrer Art nach kein Ausdruck eines spezifisch religiösen Bekenntnisses und deshalb nicht aussagekräftig. In der vom Kläger anschließend besuchten Freien Christengemeinde M … hat dieser laut der Bestätigung vom 22. Juli 2017 nicht am weiteren Gemeindeprogramm teilgenommen.
Hinsichtlich der Betätigung seines christlichen Glaubens im Alltag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nur oberflächlich davon gesprochen, er habe „die Nächstenliebe kennengelernt“, er habe versucht, „allen Menschen Liebe zu geben“, er habe versucht, nach den „10 Geboten zu leben, nicht zu lügen, nicht zu stehlen, die Eltern zu ehren“ (SP S. 8). Derart oberflächliche und floskelhafte Wendungen streiten nicht durchgreifend für eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung des Klägers.
c) Obwohl der Kläger ab 31. März 2017 regelmäßig an einer wöchentlichen persischsprachigen Internet-Glaubenskurs der Freien Christengemeinde … teilgenommen hatte (vgl. SP S. 10, S. 12 f., Bestätigung der Freien Christengemeinde M … vom 22. Juli 2017) deutet auch das Wissen des Klägers über die christliche Religion nicht auf eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung hin: Zwar konnte er eine Bibelstelle nennen und erklären. Als christliches Gebet konnte er indes nur sinngemäß den angeblichen Inhalt eines namenlosen Gebets nennen. Hinsichtlich der christlichen Feiertage wies das klägerische Wissen erhebliche Lücken auf (dies gilt gerade auch im Vergleich zu anderen Asylbewerbern aus dem Iran, die sich ebenfalls auf eine Konversion zum Christentum berufen): Als christliche Feiertage nannte er den „Geburtstag Jesu“, Pfingsten und das Passahfest (SP S. 10). Die Bedeutung des Pfingstfestes konnte er auch auf Nachfrage nicht erläutern (SP S. 11). Er wusste auch nicht, was bei dem von ihm genannten Passahfest gefeiert wird (SP S. 11 f.). Zudem handelt es sich beim Passahfest um ein jüdisches Fest. Die gerichtliche Frage nach wichtigen, zentralen Glaubensaussagen des Christentums konnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung nur mit oberflächlichen und substanzlosen Wendungen beantworten: Im Christentum habe man „Nächstenliebe zu zeigen“, man dürfe nicht „lügen“, das Christentum sei „der Weg zu Glück und Erlösung“ (SP S. 11). Die Frage der Bevollmächtigten nach Inhalten des christlichen Studienprogramms, an dem der Kläger teilgenommen hatte, konnte dieser nur gänzlich unsubstantiiert damit beantworten, es sei um Inhalte gegangen, damit sie „Jesus besser kennenlernen und den Weg zu Jesus besser kennenlernen“. Auch nach längerem Überlegen konnte der Kläger keine konkreten Inhalte nennen (SP S. 12).
d) Eine identitätsprägende innere Glaubensüberzeugung des Klägers lässt sich schließlich auch nicht allein aus der vorgelegten Bestätigung des Pastors K. F. von der Evangelischmethodistischen Kirche M … vom 26. September 2016 ableiten: Das Gericht ist an die Beurteilung eines kirchlichen Amtsträgers nicht gebunden, vielmehr hat es sich wie geschehen eine eigene Überzeugung zu bilden.
Nach alldem ist bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände zur Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass die behauptete Hinwendung zum Christentum im Fall des Klägers nicht auf einer inneren Glaubensüberzeugung beruht, welche dessen religiöse Identität prägte, vielmehr dass dieser Behauptung Opportunitätserwägungen und asyltaktische Überlegungen zu Grunde liegen.
2. Auch das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der angeblich von seiner Ehefrau in den Iran an ihren ersten Ehemann gesandten Fotos, die in der „Leuchtturmkirche“ gemacht worden seien und z.B. ein Kreuz zeigten, und die der erste Ehemann der Ehefrau des Klägers der Familie des Klägers gezeigt haben soll, so dass diese jetzt wüsste, dass er zum Christentum übergetreten sei, wobei der Bruder des Klägers angeblich damit gedroht habe, ihn im Falle der Rückkehr den Sepa zu übergeben, lässt keine Verfolgung des Klägers durch den iranischen Staat oder ihm zurechenbare Akteure befürchten. Dies gilt selbst dann, wenn dem iranischen Staat oder ihm zurechenbaren Akteuren die angeblich in den Iran gesandten Fotos bekannt werden sollten oder der Bruder des Kläger diese über die vermeintliche (siehe dazu oben 1.) Hinwendung des Klägers zum Christentum informieren würde. Denn es kann sich zwar ein asylrelevanter Verfolgungsgrund grundsätzlich auch daraus ergeben, dass ein tatsächlich nicht bestehendes religiöses Merkmal vom Verfolger zugeschrieben wird (vgl. § 3 b Abs. 2 AsylG). Indes steht vorliegend zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Iran auch keine asylrelevante und asylerhebliche Verfolgung, Bedrohung oder Gefährdung durch den iranischen Staat wegen eines ihm lediglich zugeschriebenen religiösen Merkmals befürchten müsste:
Nach ständiger Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass den iranischen Stellen bekannt ist, dass eine große Zahl iranischer Asylbewerber aus wirtschaftlichen oder anderen unpolitischen Gründen versucht, im westlichen Ausland und insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland dauernden Aufenthalt zu finden, und hierzu Asylverfahren betreibt, in deren Verlauf bestimmte Asylgründe geltend gemacht werden und deshalb auch entsprechende Betätigungen stattfinden. Dies betrifft etwa eine oppositionelle Betätigung in Exilgruppen, den Beitritt zu religiösen Exilorganisationen, die häufig, wenn nicht vorwiegend dazu dienen, Nachfluchtgründe zu belegen, oder auch das bei iranischen Asylbewerbern mittlerweile nahezu stereotyp anzutreffende Vorbringen einer Konversion zum Christentum. Es besteht kein Zweifel, dass die iranischen Behörden diese Nachfluchtaktivitäten realistisch einschätzen. Hinsichtlich der Konversion zum Christentum wird dies zusätzlich belegt durch den Umstand, dass der iranische Staat nach den Erkenntnismitteln (insbesondere den Lageberichten des Auswärtigen Amts) nur Konvertiten verfolgt, die ihre neue Religion aktiv im Iran ausüben, und nicht lediglich formal im Ausland Übergetretene (zum Ganzen: BayVGH, B. v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 12 m.w.N.).
3. Schließlich führt auch die angebliche Bedrohung des Klägers durch nichtstaatliche Akteure wie insbesondere den ersten Ehemann der Ehefrau und den Bruder des Klägers nicht zum Erfolg der Klage:
Beim Bundesamt hatte der Kläger (ebenso seine Ehefrau) noch vorgebracht, sie seien im Iran deshalb von ihren Familien bedroht und verfolgt worden, weil diese die Beziehung zwischen ihnen nicht akzeptiert hätten. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dann vorgebracht, trotz der zwischenzeitlichen Trennung von seiner Ehefrau sei unverändert eine Bedrohung und Verfolgung vor allem durch den ersten Ehemann der Ehefrau und seinen Bruder zu befürchten. Der ehemalige Ehemann bedrohe ihn vor allem, weil er ihn dafür verantwortlich mache, dass die mit seiner Ehefrau ausgereisten Kinder nicht mehr bei ihm seien. Auch sei seine Konversion der Grund gewesen, warum der erste Ehemann so dagegen gewesen sei. Es würde sich um eine Ehrverletzung handeln, wegen der Kinder und weil er seine Ehefrau einfach so mitgenommen habe. Sein Bruder bedrohe ihn vor allem wegen der früheren Beziehung und (religiösen) Heirat mit seiner Ehefrau. Der Bruder sei sehr religiös und Mitglied der Bassij. Er wolle nicht, dass er mit einer Frau zusammen sei, die schon verheiratet war und zwei Kinder hat. Außerdem habe er wegen seiner Konversion zum Christentum ein Problem mit seinem Bruder.
Ob dieses klägerische Vorbringen, das sich in bloßen unsubstantiierten Behauptungen erschöpft, der Wahrheit entspricht, ist durchaus fraglich. Insbesondere auch dürfte hinsichtlich der angeblichen Bedrohung durch die nichtstaatlichen Akteure aus dem familiären Bereich wegen einer vermeintlichen (siehe dazu oben 1.) Hinwendung des Klägers zum Christentum letztlich das gleiche gelten wie hinsichtlich der staatlichen Akteure (siehe dazu oben 2.): Denn auch den nichtstaatlichen Akteuren dürfte das bei iranischen Asylbewerbern mittlerweile nahezu stereotyp anzutreffende Vorbringen einer Konversion zum Christentum aus asyltaktischen Gründen nicht unbekannt sein. Dies alles kann indes gänzlich dahingestellt bleiben: Denn eine Schutzgewährung wegen einer Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure scheidet jeweils allein deshalb aus, weil insoweit zur Überzeugung des Gerichts sowohl hinreichender staatlicher Schutz (sogleich a)) als auch eine inländische Fluchtalternative (sogleich b)) bestehen. Der zur Verfügung stehende staatliche Schutz und die inländische Fluchtalternative stehen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (s. §§ 3 d, 3 e AsylG) und des subsidiären Schutzes (s. § 4 Abs. 3 i.V.m. §§ 3 d, 3 e AsylG) von Vornherein entgegen. Auch die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG scheidet aus, wenn wie vorliegend der iranische Staat hinreichend Schutz gewährt und eine inländische Fluchtalternative besteht.
a) Bei einer etwaigen asylrelevanten und asylerheblichen Bedrohung, Gefährdung oder Verfolgung insbesondere durch den ersten Ehemann der Ehefrau des Klägers und den Bruder des Klägers handelte es sich (lediglich) um eine Bedrohung, Gefährdung oder Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus dem familiären Bereich. Es gibt keinen Anlass daran zu zweifeln, dass der iranische Staat willens und in der Lage ist, asylrechtlich hinreichenden Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren aus dem familiären Bereich zu gewähren (vgl. dazu auch den Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 8. Dezember 2016, S. 13, wonach Repressionen von Seiten nichtstaatlicher Akteure nicht bekannt seien). Dies wird gerade auch durch die Angaben der Ehefrau des Klägers beim Bundesamt (Bl. 112 ff. BA) belegt: Danach hat sich die Ehefrau, nachdem ihr erster Ehemann sie angeblich beschimpft hatte und sie angeblich habe schlagen wollen, an die Polizei gewandt, die Polizei sei dann mit ihr zum Haus ihres ersten Ehemanns gekommen und habe ihr zu einer Anzeige geraten. Ferner hat sich die Ehefrau nach ihrem eigenen Bekunden beim Bundesamt gegen die angebliche Anschuldigung ihres ersten Ehemanns, sie habe ihn und dessen Mutter per SMS beleidigt, erfolgreich mit Hilfe eines Anwalts vor Gericht zur Wehr setzen können. Ergänzend wird diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im Bescheid vom 24. Oktober 2016 verwiesen (v. a. S. 4; § 77 Abs. 2 AsylG). Nicht durchgreifend ist der Einwand des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf gerichtlichen Vorhalt des staatlichen Schutzes, es handele sich um Araber, die in Sachen der Ehre den Betroffenen umbringen würden. Von dem abgesehen, dass das Gericht nicht zu erkennen vermag, dass vorliegend eine Ehrverletzung inmitten stünde – die Einlassung des Klägers auf den entsprechenden Vorhalt der Bevollmächtigten überzeugt nicht (vgl. SP S. 4 f.)) – bestehen gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der iranische Staat bei Bedrohungen durch nichtstaatliche Akteure aus dem familiären Bereich, die Araber sind, nicht schutzfähig und -willig wäre.
b) Zum andern verfügte der Kläger hinsichtlich der angebliche Bedrohung, Gefährdung oder Verfolgung durch die nichtstaatlichen Akteure aus dem familiären Bereich über eine inländische Fluchtalternative innerhalb Irans (einem Land mit ca. 80 Mio. Einwohnern und mehreren Millionenstädten): Er kann in einen anderen Landesteil Irans ziehen, insbesondere nach T … oder eine andere iranische Großstadt, wo er zur Überzeugung des Gerichts mit asylrechtlich hinreichender Wahrscheinlichkeit von den nichtstaatlichen Akteuren aus dem familiären Bereich nicht ausfindig gemacht werden kann. Im Falle des Klägers sind auch die Voraussetzungen des § 3 e Abs. 1 Nr. 2 AsylG gegeben: Insbesondere ist gemessen an der individuellen Situation des Klägers – dieser hat Abitur, hatte im Iran zuletzt einen eigenen Supermarkt, seine wirtschaftliche Situation im Iran war gut (vgl. Bl. 106 BA) – davon auszugehen, dass dieser auch in einem anderen Landesteil Irans in der Lage sein wird, für sich eine existenzsichernde Lebensgrundlage aufzubauen.
Nach alldem war die gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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