Verwaltungsrecht

Kosovo als sicherer Herkunftsstaat – Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt

Aktenzeichen  M 17 S 16.31329

Datum:
29.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3c, § 3d, § 3e,  § 4, § 26a Abs. 1, Abs. 2, § 29a Abs. 2, § 36
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG GG Art. 16a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Der Abschiebungsschutz des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG gewährleistet nicht die Heilung oder bestmögliche Linderung von Krankheiten im Bundesgebiet, sondern „nur“, dass sich im Fall der Rückkehr in das Heimatland eine vorhandene Erkrankung nicht aufgrund der Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung oder aufgrund individuell eingeschränkten Zugangs zu Behandlungsmöglichkeiten in dem Zielstaat alsbald und in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führen würde. Ein Ausländer muss sich auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. OVG Münster BeckRS 2006, 24879). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger des Kosovo. Er reiste nach eigenen Angaben am … Februar 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 30. April 2015 Asylantrag.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … März 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass sein Onkel in der LDK gewesen sei. Nachbarn und Bekannte hätten geglaubt, dass sie auch dazu gehörten und sie deswegen bedrängt und belästigt. Sie seien auch geschlagen und mit Steinen beworfen worden und er sei mit einem Messer angegriffen worden. Das sei schon so gewesen seit er in der ersten Klasse gewesen sei. Von 2001 bis 2006 habe man auch Schutzgeld von ihnen erpresst. Sein Vater sei zur Polizei und zum Gericht gegangen. Die Polizei habe aber nichts unternommen und danach sei es schlimmer geworden, weil ihre Peiniger davon erfahren hätten. Bevor sie ausgereist seien, hätten vier bis fünf unbekannte Personen vor der Tür gestanden, sie bedroht und versucht, in die Wohnung einzudringen.
Unter anderem wurden Berichte von Herrn Dr. med. … … vom … Mai 2015 und … September 2015 vorgelegt, wonach beim Antragsteller Angst und depressive Störung sowie der Verdacht auf andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bestehe. Zudem wurde ein Attest von Dr. med … … vom … Februar 2016, in dem eine schwere depressive Episode und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert werden, übermittelt. Eine neuerliche Exposition mit den traumatisierenden Bedingungen im Heimatland würde zu einer erheblichen Einschränkung des Gesundheitszustands führen. Aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht sei es unerlässlich, dass die Familienmitglieder nicht getrennt würden.
Mit Bescheid vom 26. Mai 2016, als Einschreiben am 7. Juni 2016 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen. Der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat, so dass vermutet werde, dass er nicht verfolgt werde. Der Antragsteller habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass, entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat, in seinem Fall die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien. Der Vater des Klägers habe in seinem Verfahren angegeben, dass es seit 2008 und nach der Klärung der Frage um einen Brunnen, der der Familie den Zugang zum Wasser sicherte, ruhiger gewesen sei und es sich nur noch um Rechtsstreitigkeiten handele. Dabei sei es um Bauarbeiten der Kommune gegangen, die seine geschäftlichen Interessen torpediert hätten. Der Vater habe hinter alledem mafiöse Strukturen vermutet, um ihm wegen seiner Tätigkeit für das norwegische Rote Kreuz in den Jahren 1999/2000 zu schaden. Der Antragsteller und sein Vater hätten Hintergründe und Ausgang des Anlasses für die Ausreise nicht erwähnt. Dass Hintergrund die Tatsache gewesen sein solle, dass der Vater nicht Mitglied der PDK geworden sei, erscheine angesichts des langen Zeitraums und der Tatsache, dass der Vater des Antragsteller ein ehemaliger Kämpfer der UCK gewesen sei, deren Einfluss heute noch weitreichend sei, unglaubhaft. Gegen rechtswidrige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure stehe hinreichender staatlicher Schutz zur Verfügung, einen lückenlosen Schutz vor möglicher Gewaltanwendung durch Dritte vermöge aber letztlich kein Staatswesen zu gewährleisten. Die pauschale Behauptung, es sei immer schlimmer geworden, je öfter man die Polizei aufgesucht habe, sei angesichts ihrer Ungenauigkeit und Pauschalität wenig überzeugend. Im Übrigen könnte einer etwaigen regional bestehenden individuellen Gefährdung durch Wohnsitznahme in einem anderen Landesteil Kosovos oder auch in Serbien entgangen werden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, insbesondere sei weder von der kosovarischen Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte eine unmenschliche Behandlung zu erwarten. Die nationalen und internationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten grundsätzlich Schutz und Sicherheit. Der Vortrag des Antragstellers sei nicht geeignet, zu einem für ihn abweichenden Ergebnis einer dennoch bestehenden individuellen Gefährdung zu gelangen. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Kosovo führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Wohnraum, wenn auch mitunter auf niedrigem Standard, stehe ausreichend zur Verfügung. Rückkehrer könnten zudem die Unterstützungen der in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (MOCR) in Anspruch nehmen und bedürftige Personen erhielten Unterstützung in Form von Sozialhilfe. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot, sie müsse und könne vom Antragsteller ebenso wie von vielen seiner Landsleute gegebenenfalls unter Aufbietung entsprechender Aktivitäten bewältigt werden. Eine Rückkehr sei für den Antragsteller insofern zumutbar. Diesem drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib und Leben. Die vom Antragsteller bislang eingereichten medizinischen Unterlagen genügten nicht den Anforderungen, um gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weitere Nachforschungen erforderlich zu machen. Hinzu komme, dass die pauschale Behauptung, bei einer Rückkehr drohe eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands, nicht ausreichend sei. Dies gelte umso mehr, als sich der Antragsteller bereits in seinem Heimatstaat in entsprechender fachärztlicher Behandlung befunden habe. Ausgehend von der Erkenntnislage könnten psychische Erkrankungen und PTBS in Kosovo – wenn auch nicht optimal – grundsätzlich behandelt werden.
Hiergegen erhoben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 9. Juni 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, Klage (M 17 K 16.31328) und beantragten mit Schriftsatz vom gleichen Tag,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 26. Mai 2016 anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der derzeitigen humanitären Bedingungen im Kosovo nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde. Die Politiker prüften derzeit die Gesamtsituation in dieser Hinsicht und seien auch in den Kosovo gereist. Bis zum Abschluss dieser Überprüfung müsse in jedem Fall die Rückführung verhindert werden. Der Antragsteller habe glaubhaft und nachvollziehbar dargetan, dass wegen seiner persönlichen Not- und Verfolgungssituation konkrete Gefahren für Gesundheit und Leben bei einer Rückkehr in das Herkunftsland bestünden. Die dargestellten Umstände müssten im Hauptverfahren eingehend überprüft werden und gegebenenfalls seien Zeugen zu hören.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.31328 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antragsteller möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 26. Mai 2016 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.
Derer Antrag ist zulässig, aber unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
I.
Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich (vgl. §§ 29a, 30 AsylG) nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob dieser weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – BVerfGE 67, 43). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen des § 3 AsylG offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
II.
An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
1. Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet bereits deswegen aus, weil der Antragsteller auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylG).
2. Aber auch ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Antragstellers nicht erkennbar.
2.1 Die Ablehnung der Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i. S. d. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
2.2 Das Heimatland des Antragstellers, Kosovo, ist ein sicherer Herkunftsstaat (vgl. § 29a Abs. 2 AsylG und Anlage II zu § 29a AsylG). Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – juris Rn. 65). Verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen die Einstufung Kosovos als sicherer Herkunftsstaat sind nicht ersichtlich.
2.3 Der Antragsteller hat die durch § 29a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können.
a) Zum einen ist sein Vorbringen zu Bedrohungen und Misshandlungen durch Nachbarn und Bekannte vollkommen unsubstantiiert und pauschal. Das Gericht muss aber sowohl von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewinnen. Dem persönlichen Vorbringen des Rechtssuchenden und dessen Würdigung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Für die Glaubwürdigkeit ist insbesondere auf die Plausibilität des Tatsachenvortrags des Asylsuchenden, die Art seiner Einlassung und seine Persönlichkeit, insbesondere seine Vertrauenswürdigkeit, abzustellen. Der Asylsuchende ist insoweit gehalten, seine Gründe für eine Verfolgung bzw. Gefährdung schlüssig und widerspruchsfrei mit genauen Einzelheiten vorzutragen (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1985 – 9 C 27.85 – juris). Dies hat der Antragsteller hier jedoch gerade nicht getan.
b) Zum anderen erfordert § 3c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der kosovarischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 9. Dezember 2015, im Folgenden: Lagebericht; Ausführungen im Bescheid des Bundesamts zu Polizei, Justiz und EULEX, § 77 Abs. 2 AsylG; ebenso u. a. VG Leipzig, U. v. 16.10.2015 – 7 K 643/15.A – juris; VG Darmstadt, B. v. 24.4.2015 – 2 L 430/15.DA.A – juris). Vielmehr ist der kosovarische Staat bei einer Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelte, in der Lage und auch willens, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 und 2 AsylG). Falls die örtliche Polizei dem Antragsteller bisher wirklich nicht geholfen haben sollte, könnte sich dieser gegebenenfalls an übergeordnete staatliche Stellen wenden.
c) Ferner ist davon auszugehen, dass – jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden – ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht (§ 3e AsylG). Der Antragsteller kann jedenfalls durch Verlegung seines Wohnsitzes in andere Landesteile Kosovos, insbesondere urbane Zentren, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und ihn nichtstaatliche Dritte mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen können, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden (st. Rspr. der Kammer, vgl. z. B. VG München, U.v. 5.2.2015 – M 17 K 14.31233; VG Würzburg, B.v. 29.11.2010 – W 1 S 10.30287 – juris Rn. 20; VG Gelsenkirchen, U.v. 30.5.2012 – 7a K 646/12.A – juris Rn. 20; VG Aachen, B.v. 18.7.2014 – 9 L 424/14.A – juris bzgl. Blutrache bei Grundstücksstreit). Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (Lagebericht S. 17).
3. Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen.
3.1 Eine Verletzung des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr des Antragstellers ist nicht ersichtlich und wird auch von seinem Prozessbevollmächtigten nur pauschal und vollkommen unsubstantiiert behauptet.
3.2 Die psychischen Schwierigkeiten des Klägers können kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst zwar nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann aber gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u.a – juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NRW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56).
Diese Rechtsprechung hat nunmehr auch in § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG seinen Niederschlag gefunden, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vorliegt bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
Demnach kann hier von einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nicht ausgegangen werden:
a) Zum einen hat die Klägerseite keine aktuellen Atteste o.ä. vorgelegt, die den Mindestanforderungen des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – juris Rn. 15) genügen (vgl. § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG).
b) Zum anderen können psychische Erkrankungen im Kosovo grundsätzlich behandelt werden. Laut Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 9. Dezember 2015 (S. 25ff.) wird die Behandlung von psychischen Erkrankungen im öffentlichen Gesundheitssystem in neun regionalen Gesundheitszentren durchgeführt. Patienten, die einer stationären Behandlung bedürfen, werden in den vier Regionalkrankenhäusern in den Abteilungen für stationäre Psychiatrie sowie in der Psychiatrischen Klinik der Universitätsklinik Pristina behandelt. In diesen Regionalkrankenhäusern stehen ausreichende Bettenkapazitäten zur Verfügung. Freiwillige Rückkehrer sowie Zurückgeführte aus Deutschland können bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung/Traumatisierung unmittelbar nach ihrer Ankunft kostenlos die Hilfs- und Unterstützungsleistungen des Kosovo-Rückkehrerprojekts „URA II“ bzw. Eingliederungshilfen einschließlich Beratungen und psychologische Betreuung durch die Rückkehrerprojekte der NRO „Diakonie Kosova“ oder der Arbeiterwohlfahrt in Anspruch nehmen.
Zwar könnte der Antragsteller bei einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet wohl eine bessere gesundheitliche Versorgung erlangen. Wie in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG jedoch ausdrücklich klargestellt ist, ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Der Abschiebungsschutz des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gewährleistet nicht die Heilung oder bestmögliche Linderung von Krankheiten im Bundesgebiet, sondern „nur“, dass sich im Fall der Rückkehr in das Heimatland eine vorhandene Erkrankung nicht aufgrund der Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung oder aufgrund individuell eingeschränkten Zugangs zu Behandlungsmöglichkeiten in dem Zielstaat alsbald und in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führen würde. Ein Ausländer muss sich auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. OVG NRW, B.v. 27.7.2006 – 18 B 586/06; v. 14.6.2005 – 11 A 4518/02.A – juris).
4. Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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