Verwaltungsrecht

Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigterklärung

Aktenzeichen  20 CS 17.1609

Datum:
27.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) Nr. 882/2004 Art. 54 Abs. 1, Abs. 2a VO (EG) Nr. 882/2004
VwGO VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
VwGO VwGO § 161 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Im Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung in der Rechtsmittelinstanz hat das Rechtsmittelgericht über die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu entscheiden (Anschluss an BayVGH BeckRS 2005, 29031).  (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Lebensmittelrecht können das Interesse am Erlass eines Verwaltungsakt und dasjenige an seinem sofortigen Vollzug zusammenfallen (Anschluss an OVG Lüneburg BeckRS 2012, 51138). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 5 S 17.1042 2017-07-31 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 31. Juli 2017, Az. RN 5 S 17.1042, ist wirkungslos geworden.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigterklärungen der Beteiligten war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 31. Juli 2017, Az. RN 5 S. 17.1042 ist damit wirkungslos geworden (§§ 92 Abs. 3 Satz 1, 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
2. Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO war über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsmittelgericht über die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu entscheiden (BayVGH, B.v. 9.2.1999 – 11 ZE 98.3358, BayVBl. 1999, 309; Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 161 Rn. 18 m.w.N.). Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen, weil diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre.
Zur Begründung ist zunächst auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses zu verweisen, mit welchem der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Anordnungen in Ziffern 1.4 (Reinigung, Desinfektion bzw. Austausch stark kotverschmutzter Nestmatten) und 1.5 (Ablegen und Beseitigung der Einmalschutzkleidung nach Verlassen des Stalls bzw. vor Betreten des Schutzraumes, konsequente Umsetzung des Hygieneregimes) sowie der dazugehörigen Nebenentscheidungen in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides vom 19. Mai 2017 abgelehnt wurde. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der nach §§ 146, 147 VwGO zulässigen Beschwerde grundsätzlich zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führt zu keiner anderen Betrachtung.
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die im Bescheid vom 19. Mai 2017 gegebene Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinsichtlich der Anordnungen in den Ziffern 1.4 und 1.5 den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (noch) entspricht. Die schriftliche Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat drei Funktionen zu erfüllen. Dabei handelt es sich zunächst um eine Warnfunktion, kraft derer die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses angehalten werden soll, des Weiteren um eine Unterrichtungsbzw. Informationsfunktion, welche den von dem Sofortvollzug Betroffenen in die Lage versetzen soll, von den Erwägungen, welche den Sofortvollzug tragen, Kenntnis zu nehmen und die Erfolgsaussichten eines etwaigen Rechtsbehelfs einzuschätzen, sowie schließlich um eine Kontrollfunktion, welche dem Gericht die Nachprüfung der Einhaltung der Anforderungen an die Anordnung des Sofortvollzugs ermöglichen soll (vgl. Gersdorf in Posser/Wolff, Beck´scher Online-Kommentar VwGO, Stand 1.7.2016, § 80 Rn. 86; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2016, § 80 Rn. 245). Diesen Funktionen wird die Begründung im angefochtenen Bescheid (noch) gerecht. Sie nimmt eine aufbautechnisch von der Begründung der streitigen Anordnungen abgesetzte Stellung innerhalb des Bescheides ein. In dem betreffenden Absatz wird die Erforderlichkeit des Sofortvollzugs (im hier interessierenden Zusammenhang) zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Verbraucher, zum Zweck der Gefahrenabwehr und wegen der Unaufschiebbarkeit der Maßnahmen auch unter Berücksichtigung der Grundrechte der Antragstellerin genannt. Daraus wird deutlich, dass das Landratsamt sich die besondere Rechtfertigungsbedürftigkeit des Sofortvollzugs bewusst gemacht hat. Die gegebene Begründung ist auch geeignet, den Betroffenen über die den Sofortvollzug tragenden Erwägungen in Kenntnis zu setzen und damit die Erfolgsaussichten seines Rechtsbehelfs einzuschätzen, sowie dem Gericht die Nachprüfung der Voraussetzungen des Sofortvollzugs zu ermöglichen. Denn es wird hinreichend deutlich, weshalb das Landratsamt die sofortige Vollziehbarkeit der genannten Anordnungen im besonderen öffentlichen Interesse für erforderlich hält. Dass die genannten Gründe teilweise mit denen zusammenfallen, welche die streitigen Anordnungen tragen, ist insoweit ohne Bedeutung, weil im Sicherheitsrecht und damit auch im Lebensmittelrecht Erlassinteresse und Vollzugsinteresse zusammenfallen können (vgl. OVG NRW, B.v. 8.5.2012 – 13 B 427/12 – juris Rn. 5 m.w.N.). Ob daneben die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft – wofür allerdings vieles spricht –, dass bei lebensmittelrechtlichen Anordnungen, die auf Verstöße reagieren, wie sie in gleichartigen Betrieben in gleichartiger oder ähnlicher Weise vielfach vorkommen können, wegen der Gleichartigkeit der Tatbestände eine „gruppentypisierte“ Begründung ausreicht, kann damit offen bleiben (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 85).
Die Einwendungen der Antragstellerin gegen die inhaltliche Bestimmtheit der genannten Anordnungen in Ziffern 1.4 und 1.5 des streitgegenständlichen Bescheides greifen ebenfalls nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat sich in dem angefochtenen Beschluss mit den diesbezüglichen Einwendungen auseinander gesetzt. Hinsichtlich der Anordnung in Ziffer 1.4 hat es ausgeführt, dass der Antragstellerin bewusst und für sie mit hinreichender Sicherheit auch erkennbar sei, was unter einer „stark kotverschmutzten“ Nestmatte zu verstehen sei. Eine weitere Konkretisierung des Verschmutzungsgrades erscheint, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, aus Gründen effektiver Gefahrenabwehr sowie der Praktikabilität nicht möglich. Eine solche Konkretisierung erscheint auch nicht erforderlich. Denn die Antragstellerin trägt selbst vor, dass ein Austausch verschmutzter Matten stets erfolge. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Bestimmtheit der Anforderung der „konsequenten Umsetzung des Hygieneregimes“ in Satz 1 der Ziffer 1.5 greift die Antragstellerin nicht substantiiert an. Sie führt lediglich pauschal aus, dass die diesbezügliche Argumentation des Verwaltungsgerichts fehlgehe.
Die Angriffe der Antragstellerin gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtsgrundlage der hier im Streit stehenden Anordnungen sind ebenfalls nicht geeignet, die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis in Frage zu stellen. Aus der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses (S. 9/11 des Beschlussabdrucks) wird deutlich, dass das Verwaltungsgericht bereits Art. 54 Abs. 1 und 2a der VO (EG) Nr. 882/2004 für die einschlägige Rechtsgrundlage hält. Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass die Anordnungen „gegebenenfalls“ auch auf § 39 Abs. 2 Satz 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches – LFGB gestützt werden könnten, tragen die Entscheidung damit nach dem insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts im Ergebnis nicht, sodass es auf die diesbezüglichen Einwendungen der Antragstellerin nicht ankommt.
Schließlich hat das Verwaltungsgericht sich auch ausführlich mit der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides befasst und ist dabei auf die Höhe der angedrohten Zwangsgelder und das wirtschaftliche Interesse eingegangen (S. 13/15 des Beschlussabdrucks). Das Beschwerdevorbringen stellt diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert in Frage. Insbesondere hat sich das Verwaltungsgericht auch mit der Begründung des wirtschaftlichen Interesses durch den Antragsgegner befasst und ist damit gerade nicht, wie die Antragstellerin meint, von der Entbehrlichkeit einer Begründung ausgegangen.
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013, wonach im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Streitwert grundsätzlich die Hälfte des Hauptsachestreitwertes beträgt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 158 Abs. 2 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).

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