Verwaltungsrecht

Kostenerinnerung nach Erledigung der Hauptsache

Aktenzeichen  15 C 16.1973

Datum:
30.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 146
RVG RVG § 2 Abs. 2
BayBO BayBO Art. 71

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 5 M 16.950 2016-07-14 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I. Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Augsburg (Az. Au 5 K 15.1506) war die von der Antragstellerin begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung von bestehenden Lagerräumen und Büros in eine Spielothek. Laut der Niederschrift hatte die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 24. März 2016 folgenden Ablauf:
„(…) Die Vorsitzende erörtert mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage.
Die Vorsitzende weist die Beteiligten darauf hin, dass nach vorläufiger Rechtsauffassung der Kammer viel dafür spreche, dass bei der Entscheidung über den Bauantrag vom 13. Mai 2015 die Bindungswirkung des Vorbescheids vom 16. Mai 2012 noch zu berücksichtigen sei. Auch seien ausweislich der vorgelegten Akten die erforderlichen Antragsunterlagen am 13. Mai 2015 eingereicht worden. Der Antrag auf Verlängerung des Vorbescheids vom 29. April 2015 stehe der Bindungswirkung vorliegend nicht entgegen, weil er nur den Zeitraum nach Ablauf der Geltungsdauer des Vorbescheids betreffe. Die Klägerin als Bauherrin habe die Möglichkeit, den Bauantrag unter voller Ausnutzung der 3-Jahresfrist des Art. 71 BayBO zu stellen und damit die Bindungswirkung des Vorbescheids jedenfalls bis zur Entscheidung über diesen Bauantrag zu verlängern.
Die Vertreterin der Beklagten sichert für den Fall der Erledigungserklärung zu, über den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung vom 13. Mai 2015 unter Aufhebung des Bescheids 25. September 2015 erneut unter Beachtung der bauplanungsrechtlichen Vorgaben des Vorbescheids vom 16. Mai 2012 zu entscheiden. Des Weiteren erklärt sie sich damit einverstanden, die Kosten des Verfahrens zu tragen. (…)“
Die Parteien erklärten hierauf den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt; durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, entschied, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, und setzte den Streitwert auf 86.400,00 Euro fest.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Juni 2016 setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts die zu erstattenden Aufwendungen der Antragstellerin auf 3.590,00 Euro fest. Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2016 legte der Bevollmächtigte der Antragstellerin Erinnerung ein und beantragte die Entscheidung des Gerichts. Die Kostenbeamtin des Verwaltungsgerichts half der Erinnerung nicht ab.
Das Verwaltungsgericht änderte bzw. ergänzte mit Beschluss vom 14. Juli 2016 den Kostenfestsetzungsbeschluss und anerkannte als außergerichtliche Aufwendungen zusätzlich Fahrtkosten i.H. von 29,40 Euro zzgl. 19% MWSt; im Übrigen wurde die Erinnerung zurückgewiesen. Die Festsetzung einer von der Antragstellerin beantragten Erledigungsgebühr könne nicht beansprucht werden.
Am 21. Juli 2016 legte der Bevollmächtigte der Antragstellerin Beschwerde ein. Laut der Niederschrift über die mündliche Verhandlung habe das Verwaltungsgericht mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage umfassend erörtert. Im Rahmen dieser Erörterung sei die Rechtsauffassung der Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten dargelegt worden. Diese Erörterung habe zu der Zusicherung der Antragsgegnerin und damit zur Erledigung geführt. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin habe daher in einem ausreichenden Maße daran mitgewirkt, eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Die Antragstellerin beantragt in der Sache,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14. Juli 2016 abzuändern und die mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 30. März 2016 geltend gemachte Erledigungsgebühr (1.418,00 Euro) als erstattungsfähig festzusetzen.
Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der beigezogen Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Augsburg (Az. Au 5 M 16.950 und Au 5 K 15.1506) sowie die Kostenakte des Verwaltungsgerichts Augsburg (im Verfahren Au 5 K 15.1506) verwiesen.
II. Die zulässige Beschwerde, über die gemäß § 150 VwGO der Senat entscheidet (vgl. BayVGH, B. v. 19.1.2007 – 24 C 06.2426 – juris Rn. 19), hat keinen Erfolg.
Nach Nr. 1002 des Vergütungsverzeichnisses (VV RVG, Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt; das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Der innere Grund für diese zur Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) oder Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) hinzutretende Gebühr liegt darin, dass ein Rechtsanwalt, der besondere Mühe darauf verwandt hat, die aus einem Verwaltungsakt folgende Belastung von seinem Mandanten abzuwenden, ohne es auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen zu lassen, im Erfolgsfalle dem Mandanten in besonderer Weise genützt hat, weil er ihm die mit einem Prozess verbundene Unsicherheit sowie den Zeit- und Kostenaufwand erspart (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2016 – 4 C 16.755 – juris Rn. 12 m. w. N.). Die Erledigungsgebühr ist Ersatz für eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG und soll die Entlastung der Gerichte und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens zwischen den Beteiligten ohne gerichtliche Entscheidung honorieren (BayVGH. B. v. 16.12.2011 – 15 C 11.2050 – juris Rn. 14).
Eine Mitwirkung bei der Erledigung im Sinn von Nr. 1002 VV RVG setzt daher eine besondere, auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten voraus, die zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen hat. Der Bevollmächtigte muss die Erledigung dabei nicht überwiegend oder allein herbeigeführt, sondern lediglich einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Beitrag dazu geleistet haben. Dies ist dann der Fall, wenn seine Tätigkeit nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass es zu einer streitigen Erledigung des Rechtsstreits gekommen wäre. Dabei muss die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung in einer besonderen Tätigkeit des Bevollmächtigten liegen, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgeht (vgl. BVerwG, B. v. 28.11.2011 – 6 B 34.11 – juris Rn. 4) und die auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichtet ist (zum Ganzen: BayVGH, B. v. 19.1.2007 – 24 C 06.2426 – juris Rn. 34 ff.; B. v. 14.12.2011 – 15 C 11.1714 – juris Rn. 10; B. v. 20.5.2014 – 10 C 12.1343 – juris Rn. 40; B. v. 18.5.2015 – 2 C 14.2703 – juris Rn. 14; B. v. 2.9.2015 – 10 C 13.2563 – juris Rn. 41; OVG NW, B. v. 19.8.2016 – 18 E 66/16 – juris Rn. 6; SächsOVG, B. v. 6.10.2015 – 3 E 82/15 – juris Rn. 5 – jeweils m. w. N.).
Es ist nicht ersichtlich, dass die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung hervorgehobene Teilnahme am Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung über das hinausging, was bereits durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist. Im vorliegenden Fall führte letztlich die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung die Erledigung durch Abgabe einer Zusicherung, über den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids erneut unter Beachtung der Vorgaben eines vorher ergangenen Bauvorbescheids zu entscheiden, herbei. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde diese Zusicherung aufgrund eines vorherigen Hinweises des Gerichts zur Rechtslage abgegeben. Dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage für seine Mandantin deren Rechtsauffassung dargelegt hat, wird bereits von der Verfahrensgebühr abgedeckt. Denn die Erörterung der Sach- und Rechtslage ist gem. § 104 Abs. 1 VwGO obligatorischer und daher typischer Bestandteil einer mündlichen Verhandlung. Zudem stellen schlichte Ausführungen zur Sach- und Rechtslage im Rahmen des Rechtsgesprächs in der mündlichen Verhandlungen regelmäßig – d. h. soweit nicht darüber hinaus z. B. konstruktive Vorschläge für eine gütliche Einigung unterbreitet werden – schlichte Konkretisierungen der Begründung des eingelegten Rechtsbehelfs (hier der erhobenen Klage) dar. Allein der Umstand, dass der zur Erledigung führende Hinweis des Gerichts im Anschluss an die – in einer mündlichen Verhandlung regelmäßig stattfindende – Erörterung der Sach- und Rechtslage erfolgte, vermag mithin keinen relevanten Beitrag des Bevollmächtigten der Antragstellerin an der Herbeiführung der Erledigung zu begründen.
Auch die bloße Abgabe der Erledigungserklärung als prozessbeendende Erklärung begründet keine Tätigkeit, die über die allgemeine Verfahrensförderung eines Prozessbevollmächtigten hinausführt. Zwar führen die übereinstimmenden Prozesserklärungen, die Hauptsache für erledigt zu erklären, ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist, zu einer Beendigung des Rechtsstreits. Umgekehrt stellt diese Prozesserklärung als solche jedoch nicht selbst das erledigende Ereignis dar, an welchem der Bevollmächtigte in besonderer Weise mitgewirkt haben muss, um in den Genuss einer Erledigungsgebühr zu kommen (BayVGH, B. v. 18.5.2015 – 2 C 14.2703 – juris Rn. 15).
Dass vorliegend der Bevollmächtigte der Antragstellerin über die allgemeine Verfahrensförderung hinaus an der vollständigen Erledigung kausal mitgewirkt hat, ist nicht erkennbar. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24. März 2016 wurde die Prozesserklärung zeitlich unmittelbar nach der seitens der Antragsgegnerin verlautbarten Zusicherung sowie der von ihr abgegebenen Kostenübernahmeerklärung abgegeben. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass eine besondere Einwirkung auf seine Mandantin notwendig gewesen ist (vgl. BayVGH, B. v. 18.5.2015 a. a. O.; B. v. 2.9.2015 – 10 C 13.2563 – juris Rn. 45; vgl. auch BayVGH, B. v. 20.5.2014 – 10 C 12.1343 – juris Rn. 41 ff., dort im Fall der Beratung der beklagten Behörde durch ihren Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, die zu einer Änderung des dort streitgegenständlichen Bescheids und damit zur Erledigung führte). Entsprechendes ist auch nicht aus der Niederschrift ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG ergibt (60,00 Euro).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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