Aktenzeichen AN 4 K 16.01653
BestV § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit. b, § 15
SGB XII SGB XII § 74
BGB BGB § 1754
Leitsatz
1 Notwendige Kosten der Bestattung sind sämtliche Kosten der Beklagten, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 14 Abs. 2 S. 1 BestG aufwenden musste, um eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren. Was notwendige Kosten einer Bestattung sind, entspricht im Regelfall jedenfalls den Kosten einer Sozialbestattung im Sinne des § 74 SGB XII (ebenso VG München BeckRS 2015, 48758). Zu den notwendigen Kosten einer Bestattung gehören insbesondere auch Aufwendungen, die infolge von Unsicherheiten im Sachverhalt entstanden sind. (redaktioneller Leitsatz)
2 Maßgeblich sind auch die Vorschriften des Bestattungs- und Friedhofsrechts. Die Anforderungen der örtlichen Friedhofs- und Bestattungssatzung sind daher zu beachten. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Kostenübernahmepflicht trifft auch ein adoptiertes Kind, welches ein schlechtes persönliches Verhältnis zum Verstorbenen hatte, sofern nicht die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 S. 2 BestG gegeben sind. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der teilweise angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2016 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die angegriffenen Kostenpositionen waren notwendige Kosten der Bestattung des verstorbenen Vaters der Klägerin. Die Beklagte konnte die Klägerin auch insoweit zur Bestattung heranziehen.
I.
Die Beklagte hat den streitgegenständlichen Bescheid als zuständige Behörde erlassen. Die Gemeinde ist nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 des Bestattungsgesetzes (BestG) ermächtigt, von einem Pflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten zu verlangen.
Der Bescheid ist zwar unter dem Briefkopf der Verwaltungsgemeinschaft … ohne den sonst, und auch im gerichtlichen Verfahren, verwendeten Zusatz „für die Gemeinde …“ erlassen worden. Aus dem Gesamtzusammenhang und dem Inhalt des Bescheides ergibt sich jedoch, dass die Gemeinde … als handelnde Behörde auftreten sollte. Insbesondere verweist die Rechtsbehelfsbelehrung auf die Beklagte als richtige Klagegegnerin. Darüber hinaus wurde dieser Zusammenhang auch in der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2016 klargestellt.
II.
Die geltend gemachten, notwendigen Kosten der Bestattung sind nicht zu beanstanden.
Die Klägerin ist als Tochter des Verstorbenen bestattungspflichtige Angehörige (Art. 15 BestG i. V. m. §§ 15, 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. b BestV) und damit nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Erstattung der notwendigen Kosten der Bestattung verpflichtet. Nichts anderes ergibt sich aus der Stellung als Adoptivtochter, da sie durch die Adoption jedenfalls die rechtliche Stellung eines Kindes erlangt hat, § 1754 BaB.
Notwendige Kosten der Bestattung sind sämtliche Kosten der Beklagten, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG aufwenden musste, um eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren. Was notwendige Kosten einer Bestattung sind, entspricht im Regelfall jedenfalls den Kosten einer Sozialbestattung im Sinne des § 74 SGB XII (VG München, U.v. 12.5.2012, M 12 K 15.1080 – juris Rn. 30; Drescher, Bestattungsrecht, 26. EL Stand: Juli 2013, B6 Erl. 91). Das Sozialrecht verweist dabei umgekehrt darauf, was nach dem Ordnungsrecht für eine Bestattung aufgewendet werden darf. Die Interpretationen lehnen sich also aneinander an. Wünsche des Verstorbenen sind in Fällen der Sozialbestattung nur eingeschränkt maßgeblich. Maßgeblich sind ferner Vorschriften des Bestattungs- und Friedhofsrechts. Anerkannt ist dabei die Erstattungsfähigkeit aller öffentlich-rechtlichen Gebühren, der Kosten für die Sargträger sowie im Einzelfall für einen Grabstein (Grube /Wahrendorf, Kommentar zu § 74 SGB XII 5. A. 2014, Rn. 31 f.). Zu den notwendigen Kosten einer Bestattung gehören insbesondere auch Aufwendungen, die infolge von Unsicherheiten im Sachverhalt entstanden sind.
1. Das Grabkreuz gehört im vorliegenden Fall zu den notwendigen Kosten der Bestattung. Ausweislich des § 17 Abs. 1 der Friedhofs- und Bestattungssatzung der Beklagten muss sich jedes Grabmal in die Umgebung der Grabstätte einfügen. Da auf dem Friedhof der Gemeinde … keine Wiesengräber ohne Grabkreuz existieren, wäre das Merkmal des Einfügens bei einer Ausgestaltung ohne Grabkreuz verletzt. Dabei kommt es nicht auf die Wesentlichkeit an. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die Friedhofssatzung insoweit unter dem Aspekt der Ortsüblichkeit Regelungen treffen kann (Drescher, Bestattungsrecht, 26. EL Stand: Juli 2013, B6 Erl. 93).
Die Beklagte kann aufgrund ihrer Ermächtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ihrer Friedhofs- und Bestattungssatzung im Übrigen weitergehende Anforderungen festlegen. Auch insoweit erschiene die Forderung nach einem Grabkreuz für 90,00 EUR zur Schaffung eines einheitlichen Friedhofsbildes nicht unverhältnismäßig.
2. Der Kostenpunkt „Erledigung der Formalien“ beinhaltet nach dem Vortrag der Beklagten die vom Bestattungsinstitut geltend gemachten Kosten für die Erledigung der Beurkundung des Sterbefalls beim Standesamt der Verwaltungsgemeinschaft … sowie für die Terminierung und die Organisation der Bestattung.
Soweit in dieser Position nicht ohnehin erstattungsfähige Gebühren enthalten sind, ist die Beklagte nicht verpflichtet, zur Minimierung der Kosten die entsprechenden Formalien selbst zu erledigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich insoweit um Dienstleistungen handelt, die üblicherweise auch vom Bestattungsunternehmen erbracht werden.
3. Zu den Kosten der Kühlung gehören die Kühlung selbst sowie die Überführungskosten von und zu der Kühlanlage. Offen kann bleiben, inwieweit die Überführungskosten ohnehin angefallen wären. Denn im Ergebnis gehören auch die Positionen zur Kühlung des Verstorbenen zu den notwendigen Kosten der Bestattung.
Vorliegend stellte sich der Sachverhalt im Zeitpunkt des Todes von … so dar, dass er den Wunsch hatte, in Italien erdbestattet zu werden und über eine Sterbegeldversicherung verfügte. Auch ein zu verständigender Angehöriger wurde benannt. Eine Sozialbestattung hatte sich nicht von Anfang an abgezeichnet. Der Wunsch nach einer Bestattung in Italien wurde zunächst auch telefonisch durch die Tochter des Verstorbenen bestätigt. Entsprechende Wünsche sind grundsätzlich nach Art. 1 Abs. 2 BestG berücksichtigungsfähig. Die Aufwendungen, die sich aus der Verzögerung der Bestattung ergeben, dienten der Umsetzung dieses Wunsches. Diese Aufwendungen sind vor dem Hintergrund der fehlenden Kenntnis darüber, dass es trotz bestattungspflichtiger Angehöriger und trotz Sterbegeldversicherung auf eine Sozialbestattung hinauslaufen würde, notwendige Kosten der Bestattung und als solche von der bestattungspflichtigen Klägerin zu tragen.
Der Klägerin kommt ebenfalls nicht zugute, dass aufgrund § 19 Abs. 1 BestV ein Verstorbener binnen 96 Stunden zu bestatten ist. Insoweit handelt es sich mit Blick auf die Möglichkeit von Ausnahmen nach § 19 Abs. 2 BestV nämlich um eine gesundheitspolizeiliche Vorschrift im Allgemeininteresse, auf die sich die Klägerin nicht berufen kann.
Auch in der Gesamtschau erscheint diese Sichtweise interessengerecht, da die Gemeinde ansonsten jede Bestattung sofort und ohne Rücksicht auf mögliche Bereitschaft oder Wünsche der Angehörigen oder Wünsche des Verstorbenen veranlassen müsste.
4. Auch die geltend gemachte Kostenposition über eine „Trauerfeier“ gehört zu den notwendigen Kosten der Bestattung.
Insoweit ist zunächst zuzugestehen, dass eine Trauerfeier bei einer Sozialbestattung ungewöhnlich erscheint. Umfasst wird im konkreten Fall jedoch ein äußerer Rahmen, der sowohl den Bestattungsvorgang selbst abdeckt als auch Trauernden die Gelegenheit zum Abschied gibt. Die Rechnung bezeichnet folgende Leistungen: die Betreuung der Trauerfeier, das Anführen des Trauerzugs auf dem Friedhof, die Einteilung der Sargträger und die Anwesenheit eines Bestatters. Damit ist der Begriff „Trauerfeier“ irreführend verwendet worden, da es sachlich um den Bestattungsvorgang selbst und um einen Rahmen hierfür geht.
Es gehört zum äußeren Bild einer würdevollen Bestattung, dass Trauernden im Rahmen der Bestattung die Gelegenheit gegeben wird, Abschied zu nehmen. Auch die Höhe der geltend gemachten Kosten lässt mit 200,00 EUR nicht den Schluss auf einen unverhältnismäßigen Aufwand zu.
5. Im Ergebnis offen bleiben kann die Frage, ob der unbestimmte Rechtsbegriff der notwendigen Kosten der Bestattung in Fällen, in denen der Bestattungspflichtige zugleich Alleinerbe geworden ist, einheitlich mit der Erstattungspflicht des Erben nach bürgerlichem Recht auszulegen ist. Dem Grunde nach ist geklärt, dass die öffentlich-rechtliche Kostenerstattungspflicht unabhängig von den zivilrechtlichen Bestimmungen gilt (VGH München, B.v. 19.12.2013, 4 ZB 13.1845). Es spricht jedoch vieles dafür, auch hinsichtlich der Höhe der notwendigen Kosten nicht ergänzend auf eine zivilrechtliche Erstattungspflicht abzustellen.
III.
Für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung ergibt sich nichts anderes aus dem schlechten persönlichen Verhältnis zwischen Vater und Tochter. In der Rechtsprechung zum Kostenerstattungsanspruch nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG ist geklärt, dass allenfalls außergewöhnliche Umstände im persönlichen Verhältnis berücksichtigt werden können. Der Kostenerstattungsanspruch knüpft an die den Angehörigen obliegende Totenfürsorge an, die grundsätzlich auch bei gestörten Familienverhältnissen besteht. Eine Sozialisierung der Beerdigungskosten zulasten der Allgemeinheit käme ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Verstorbene etwa schwere Straftaten zulasten des Bestattungspflichtigen begangen hat (VGH München, B.v. 17.1.2013, 4 ZB 12.2374 – juris Rn. 7).
Diese hohe Schwelle für die Annahme eines unverhältnismäßigen Erstattungsanspruchs ist im konkreten Fall nicht erfüllt. Ausweislich des anwaltlichen Vortrags in der mündlichen Verhandlung am 30. November 2016 bestand zwischen Vater und Tochter seit Jahren kein Kontakt mehr. Graduell liegt das unterhalb des „Verstoßes gegen Unterhaltsverpflichtungen“ und „nicht kümmern“, was nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch schon nicht ausreichen würde, um eine unverhältnismäßige Festsetzung des Kostenerstattungsanspruchs annehmen zu können (VGH München, a. a. O. sowie B.v. 19.12.2011, 4 C 11.2581 – juris Rn. 7).
IV.
Die Klage war daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.648,95 EUR festgesetzt
(§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.