Aktenzeichen M 7 K 17.36867
RVG RVG § 30 Abs. 2
Leitsatz
1 Das Bundesamt trägt nach § 161 Abs. 3 VwGO iVm § 75 VwGO die Kosten einer erledigten Untätigkeitsklage, auch wenn der Kläger ein neues Klageverfahren gegen den Bescheid führt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Reduzierung des Gegenstandswerts auf 2.500 Euro entspricht der Billigkeit iSd § 30 Abs. 2 RVG, wenn das Bestehen materieller Asylansprüche nicht Gegenstand des Verfahrens ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gegenstandswert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger hat am 28. Juli 2017 die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat am 7. Juni 2016 vorab der Erledigung zugestimmt. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
Da ein Fall des § 75 VwGO vorliegt, greift die Kostenregelung des § 161 Abs. 3 VwGO, wonach die Kosten bei einer Untätigkeitsklage von der Beklagten zu tragen sind, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Voraussetzung zwar dann nicht zu bejahen, wenn die Beklagte einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte und der Klägerseite dieser Grund bekannt war oder bekannt sein musste (BVerwG, U.v. 23.7.1991 – 3 C 56.90 – NVwZ 1991,1180 (1181) – juris Rn 9). Insoweit ist die besondere Belastung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in den Jahren 2015 und 2016 zwar durchaus berücksichtigungsfähig (so auch VG München, B.v. 9.5.2017 – M 4 K 15.30864 – juris Rn 3). Bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 7. April 2017 fast anderthalb Jahre nach der Asylantragstellung am 15. November 2015 konnte der Kläger aber dennoch mit einer Entscheidung über seinen Asylantrag rechnen.
Unerheblich ist für die Anwendung der Kostenregelung des § 161 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 75 VwGO, ob der Kläger nach der Erledigterklärung der Untätigkeitsklage ein neues Klageverfahren gegen den Bescheid der Beklagten führt (str., a.A. u.a. VG München, B.v. 23.5.2017 – M 22 K 16.32643 –; VG Gelsenkirchen, B.v. 14.7.2016 – 3 K 4064/16 – juris Rn 4; VG Düsseldorf, B.v. 23.7.2015 – 22 K 3235/15/15 – juris Rn 9; VG Göttingen, B.v. 6.11.2003 – 3 A 200/03 – juris Rn 3). Das Bundesverwaltungsgericht führt zu der Problematik aus, dass für eine Kostenüberbürdung auf den Beklagten nach § 161 Abs. 3 VwGO mangels Kausalität der Untätigkeit keine Rechtfertigung mehr bestünde, wenn nach Ablehnung des beantragten Verwaltungsaktes der Kläger den Rechtsstreit fortsetzt und unterliegt (BVerwG, B.v. 23.7.1991 – 3 C-56/90 – juris). Dies greift jedoch nicht, wenn das Verfahren nicht durch Einbeziehung des Bescheids mit (sachdienlicher) Klageänderung von einer Untätigkeitsklage auf eine Verpflichtungsklage umgestellt und fortgeführt, sondern für erledigt erklärt und in einem neuen Verfahren betrieben wird (a.A. siehe zuvor). Der Kläger bestimmt mit seinen Anträgen grundsätzlich den Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Dieser wurde im vorliegenden Verfahren gerade nicht geändert, sondern beinhaltet die Untätigkeit der Beklagten hinsichtlich des klägerischen Asylantrags. Aufgrund dessen hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen. Wird sie einem zusätzlichen Prozesskostenrisiko durch eine weitere Klage gegen ihren Bescheid ausgesetzt, läge dies in der inhaltlichen Entscheidung der Beklagten begründet, stünde aber mit ihrer vorangegangenen Untätigkeit gerade nicht in kausalem Zusammenhang. Ob bei der Kostenentscheidung im Rahmen einer Klage gegen den Bescheid der Beklagten Berücksichtigung finden könnte – z.B. unter Anwendung von § 155 Abs. 4 VwGO –, dass sich dem Kläger eine prozessökonomischere Vorgehensweise geboten hätte, ist im vorliegenden Einstellungsbeschluss zur Untätigkeitsklage nicht zu beurteilen.
Mit der allgemeinen Prozesserklärung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Juni 2017 hat die Beklagte eine Herabsetzung des Gegenstandswerts in Fällen, die (nur) auf Fortsetzung des Asylverfahrens gerichtet sind, beantragt.
Die Reduzierung des Gegenstandswerts auf 2.500,- Euro entspricht den Gründen der Billigkeit i.S.v. § 30 Abs. 2 RVG, da das Bestehen materieller Ansprüche des Klägers nicht Gegenstand im vorliegenden Verfahren war.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).