Verwaltungsrecht

Landesinterne Umverteilung einer Asylbewerberin

Aktenzeichen  M 24 S 16.3420

Datum:
8.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 131959
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DVAsyl § 9 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6
AsylG § 50 Abs. 3, Abs. 4, § 53
VwGO § 80 Abs. 5
BayVwVfG Art. 42
MuSchG § 6 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ein öffentliches Interesse iSd § 9 Abs. 1 der bayerischen Asyldurchführungsverordnung an einer landesinternen Umverteilung kann darin liegen, dass durch die Umverteilung das Asylverfahren wegen der Bündelung der beteiligten Stellen am Zielort der Umverteilung beschleunigt und unter effizientem Einsatz öffentlicher Mittel fortgeführt werden kann. (Rn. 29) (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dass eine begonnene Therapie der landesinternen Umverteilung entgegensteht, muss der Asylbewerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht durch fachärztliche/fachtherapeutische Nachweise belegen. Diese müssen auch eine explizite Begründung enthalten, warum eine Therapie am Zielort der Umverteilung nicht möglich sein soll und womit im Falle einer Verlegung der Therapie zu rechnen ist.  (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Rechtsstreit betrifft eine vom Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin verfügte landesinterne Umverteilung in die Gemeinschaftsunterkunft … (GU …).
Die Antragstellerin ist den vorgelegten Unterlagen zufolge ukrainische Staatsangehörige und beantragte zusammen mit ihrer am … geborenen Tochter am 7. April 2016 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27. Juli 2016 wies die Regierung von Oberbayern die Antragstellerin und ihre o.g. Tochter ab 1. August 2016 der Stadt … (Nr. 1) und ihnen dort als künftigen Wohnsitz die Gemeinschaftsunterkunft (Asyl) GU … (… I) in … (Nr. 2) zu, verpflichtete sie, spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheides zum Einzug „in die unter Nr. 1 genannte Unterkunft“ (Nr. 3) und drohte für den Fall, dass „der Aufforderung unter Nr. 2 nicht rechtzeitig nachgekommen werde“, die Vollstreckung durch unmittelbarem Zwang an (Nr. 4).
Ausweislich des streitgegenständlichen Bescheides wohnte die Antragstellerin bislang im Landkreis …- … und dort in einer Gemeinschaftsunterkunft in …
Am 2. August 2016 erhob die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigte Klage mit dem Antrag,
den Bescheid des Antragsgegners vom 27. Juli 2016, zugestellt am 2. August 2016, aufzuheben. Über die unter dem Aktenzeichen M 24 K 16.3402 bei Gericht anhängige Klage wurde noch nicht entschieden.
Zugleich beantragte die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. herzustellen.
Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiege das Vollzugsinteresse des Antragsgegners. Die Antragstellerin sei in der 30. Schwangerschaftswoche. Bereits in der 28. Schwangerschaftswoche sei ihr vom ihrem behandelnden Arzt bescheinigt worden, dass sie aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes nicht reisefähig sei. Seit dem 2. August 2016 befinde sich in stationärer Behandlung in der … in … Sie sei bis auf weiteres transportunfähig. Ein Umzug sei aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes (drohende Frühgeburt) unzumutbar und lebensbedrohend sowohl für sie als auch für das ungeborene Kind. Auch im Falle einer Entlassung erscheine eine Umverteilung unzumutbar, da die Antragstellerin an Hypotonie leide und eine spezielle Diät einhalten müsse. Darüber hinaus erfolge die Essensausgabe in der GU … drei Mal am Tag; das Speisen in den Zimmern sei untersagt. Die Antragstellerin müsse jedoch aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes mindestens fünfmal am Tag essen.
Der Klage- und Antragsschrift beigefügt war u.a. eine ärztliche Bescheinigung zur Vorlage bei der Versicherung vom 18. Juli 2016, wonach sich die Antragstellerin in der 28. SSW befinde und wegen Schwangerschaftsbeschwerden, arterieller Hypotonie und einer instabilen Kreislauflage momentan aus ärztlicher Sicht längere Reisen kontraindiziert seien, und eine undatierte ärztliche Bescheinigung eines Frauenarztes (Belegarztes in der …), wonach sie die Antragstellerin seit 2. August 2016 bis auf Weiteres wegen drohender Frühgeburt in der genannten Klinik in stationärer Behandlung befinde und bis auf Weiteres Transportunfähigkeit bestehe.
Mit Schreiben vom 23. August 2016 teilte der Antragsgegner mit, dass der Umverteilungsbescheid durch Änderungsbescheid vom 9. August 2016 dahingehend abgeändert worden sei, dass die Verpflichtung zum Umzug spätestens zwei Monate nach dem Ende der aktuellen, am 2. August 2016 in der 30. Woche befindlichen Schwangerschaft der Antragstellerin beginne. Sonstige Gründe, die einer Umverteilung entgegenstünden, seien nicht ersichtlich. Daher werde beantragt, die Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen.
Mit Telefax ihrer Bevollmächtigten vom 25. August 2016 änderte die Antragstellerin den Klageantrag dahingehend, den Bescheid des Antragsgegners vom 27. Juli 2016, geändert am 27.07.2016 (gemeint wohl 9. August 2016), zugestellt am 12. August 2016, aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. herzustellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der geänderte Bescheid sei in dieser Form rechtswidrig, da zur Zeit nicht einschätzbar sei, wie sich der gesundheitliche Zustand der Antragstellerin und des noch ungeborenen Kindes zwei Monate nach der Geburt entwickeln werde. Ob sie gesundheitlich in der Lage sein werde, der Zuweisung Folge zu leisten, sei im Moment noch ungewiss.
Mit Beschluss vom 24. November 2016 wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache (M 24 K 16.3402) auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten M 24 S 16.3420 und M 24 K 16.3402 Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Eilantrag bleibt in der Sache erfolglos.
Das Verwaltungsgericht … ist als Gericht der Hauptsache insbesondere örtlich zuständig gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es handelt sich um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz (AsylG), weil für die Entscheidung des Rechtsstreits jedenfalls auch § 53 AsylG maßgeblich ist (vgl. VG München, Kammerbeschluss vom 24.6.2015 – M 24 K 15.2322 – juris Rn. 3-6 m.w.N.). Dabei hatte die Antragstellerin in dem (für die Bestimmung der örtlichen gerichtlichen Zuständigkeit gemäß § 83 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – maßgeblichen) Zeitpunkt des Klageeingangs aufgrund des streitgegenständlichen Bescheides ihren Aufenthalt in der GU Ingolstadt, mithin im Gerichtsbezirk des VG München zu nehmen (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO), zumal die in der Hauptsache erhobene Klage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat (§ 75 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).
Zur Entscheidung berufen ist der Berichterstatter als Einzelrichter (§ 76 Abs. 4 AsylG).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die vorliegende, gemäß § 101 Abs. 3 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehende Entscheidung ist der Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG). Deshalb ist der Entscheidung auch die Asyldurchführungsverordnung vom 16. August 2016 (GVBl. S. 258; DVAsyl-2016) zugrunde zu legen, die gemäß § 30 Abs. 1 DVAsyl-2016 am 1. September 2016 in Kraft getreten ist und die Vorgängerregelung der Asyldurchführungsverordnung vom 4. Juni 2002 (DVAsyl-2002) – ohne Übergangsregelung – außer Kraft gesetzt hat (§ 30 Abs. 2 DVAsyl-2016).
2. Der Eilantrag ist zulässig (§ 80 Abs. 5 VwGO), insbesondere statthaft, weil – wie gezeigt – die in der Hauptsache erhobene Klage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat.
3. Der Eilantrag ist unbegründet.
3.1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall eines gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht selbst abzuwägen, ob diejenigen Interessen, die für einen gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts streiten, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht als alleiniges Indiz zu berücksichtigen (beispielsweise BVerwG, B.v. 25.3.1993 – 1 ER 301/92 – NJW 1993, 3213, juris Rn. 3). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, weil er zulässig und begründet ist, so wird im Regelfall nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt voraussichtlich erfolglos. Sind die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen zu beurteilen, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
3.2. Nach summarischer Prüfung ist in dem für das Eilverfahren maßgeblichen Zeitpunkt des vorliegenden Beschlusses davon auszugehen, dass sich der streitgegenständliche Bescheid vom 27. Juli 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. August 2016 (im Folgenden: der streitgegenständliche Bescheid) als rechtmäßig erweisen und die in der Hauptsache erhobene Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, so dass das staatliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt.
3.3. Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere statthaft, und zwar hinsichtlich Nr. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGO sowie hinsichtlich der vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen der Nr. 3 und 4 gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).
Das Gericht erachtet die Einbeziehung des Änderungsbescheides vom 9. August 2016 in das bereits rechtshängige Klageverfahren für sachdienlich, da dies der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streits zwischen den Parteien dient (§ 91 Abs. 1 VwGO). Mangels Vorlage einer Behördenakte und damit mangels Nachweises über eine Zustellung oder Zur-Post-Gabe ist die Klageänderung vom 25. August 2016 in Bezug auf den am 12. August 2016 zugegangenen Änderungsbescheid vom 9. August 2016 auch als innerhalb der 2-wöchigen Klagefrist und damit fristgerecht eingegangen anzusehen. Dass der Änderungsbescheid vom 9. August 2016 entgegen des Vorbringens der Antragstellerbevollmächtigten dieser bereits am 10. August 2016 zugegangen sei, wurde vom Antragsgegner auch nicht behauptet.
3.4. Nr. 1 und Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides erweisen sich nach summarischer Überprüfung in dem für das vorliegende Eilverfahren maßgeblichen Zeitpunkt des vorliegenden Eilbeschlusses als rechtmäßig und die Anfechtungsklage deshalb als unbegründet (§§ 113 Abs. 1 Satz1, 114 VwGO).
3.4.1. Rechtsgrundlage der von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilung ist im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung § 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 DVAsyl-2016. Nach dieser Vorschrift kann aus Gründen des öffentlichen Interesses landesintern eine Umverteilung in einen anderen Landkreis oder in eine andere kreisfreie Gemeinde im selben oder in einem anderen Regierungsbezirk erfolgen. Abgesehen von der veränderten Paragraphenzählung führt diese Neufassung der DVAsyl-2016 im Hinblick auf die vorliegend streitgegenständliche landesinterne Umverteilung die Vorgängervorschrift des § 8 DVAsyl-2002 in der Sache unverändert fort.
3.4.2. Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig.
Zuständig ist insoweit gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl-2016 diejenige Regierung, in deren Bezirk die Verteilung erfolgen soll, vorliegend also die Regierung von Oberbayern (ROB), weil Ingolstadt im Regierungsbezirk Oberbayern liegt.
Dabei bedarf es für derartige Verteilungsentscheidungen gemäß § 50 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AsylG (vgl. auch § 9 Abs. 4 und § 7 Abs. 2 Satz 5 DVAsyl-2016) weder einer Anhörung noch einer Begründung. Damit setzt die Asyldurchführungsverordnung voraus, dass wesentliche Teile der Sachverhaltsermittlung und der Begründung auch erst nach Bekanntgabe derartiger Umverteilungsentscheidungen erfolgen können, mithin auch im Wege von Schriftsätzen in nachfolgenden gerichtlichen Verfahren wie vorliegend.
3.4.3. Der streitgegenständliche Bescheid ist hinsichtlich Nr. 1 und Nr. 2 materiell rechtmäßig.
3.4.3.1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 DVAsyl-2016 für eine landesinterne Umverteilung liegen vor. Die Antragstellerin gehört als Asylbewerberin zu dem in § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl-2016 genannten Personenkreis.
An der streitgegenständlichen Umverteilung besteht ein „öffentliches Interesse“, weil damit zu rechnen ist, dass durch die Umverteilung in die GU … das Asylverfahren der Antragstellerin wegen der dortigen Bündelung der beteiligten Stellen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – BAMF –, Zentrale Ausländerbehörde der ROB, Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts) beschleunigt und unter effizientem Einsatz öffentlicher Mittel fortgeführt werden kann. Hierbei ist von der ukrainischen Staatsangehörigkeit der Antragstellerin auszugehen, da sie im Asylverfahren als ukrainische Staatsangehörige erfasst wurde und so auch sowohl beim Antragsgegner wie auch im Ausländerzentralregister geführt wird. Sollte die Antragstellerin tatsächlich eine andere (oder weitere) Staatsangehörigkeit besitzen, obläge es ihr, diese nachzuweisen und im Asylverfahren wie auch im Verteilungsverfahren eine Berichtigung der Angabe herbeizuführen. Da die Statistik des BAMF für die Zeit von Januar bis Juli 2016 für die Ukraine eine bundesweite Gesamtanerkennungsquote von nur 1,9 Prozent ausweist (https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/ Asylantraege_und_Entscheidungen0616.pdf), darf davon ausgegangen werden, dass sich nur in wenigen Asylverfahren von Personen dieses Herkunftslandes derart gravierende Asylgründe auftun werden, dass mit besonders langwierigen Asylverfahren zu rechnen ist, so dass die in der GU … vorhandenen freien Kapazitäten durch Umverteilungen von ukrainischen Asylbewerbern sinnvoll ausgelastet werden können und zudem die Umverteilungen in die GU … zu einem beschleunigten Abschluss des Asylverwaltungsverfahrens führen. Dieses aus einer Betrachtung der Gruppe der ukrainischen Asylbewerber folgende „öffentliche Interesse“ schlägt auch auf den Einzelfall der Antragstellerin durch, weil diese zur Gruppe der ukrainischen Asylbewerber zu rechnen ist. Zwar liegt hierin keine der in § 9 Abs. 5 DVAsyl-2016 genannten Fallvarianten vor; aus dem dort geschriebenen Wort „insbesondere“ folgt aber, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl-2016 auch andere „öffentliche Interessen“ erfasst.
Der streitgegenständliche Bescheid verstößt auch nicht gegen die in § 9 Abs. 6 DVAsyl-2016 genannten Anforderungen, bei denen es sich im Hinblick auf § 53 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 50 Abs. 4 Satz 5 AsylG um gerichtlich vollständig überprüfbare Anforderungen handelt. Nach § 9 Abs. 6 DVAsyl-2016 soll der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie von Eltern und ihren minderjährigen Kindern oder sonstigen humanitären Gründen von gleichem Gewicht Rechnung getragen werden.
Der Aspekt der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern mit ihren minderjährigen ledigen Kindern wurde beachtet, da die Antragstellerin zusammen mit ihrer minderjährigen Tochter umverteilt wurde.
Der streitgegenständliche Bescheid verstößt auch nicht gegen sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht. Solche ergeben sich insbesondere nicht aus der von der Antragstellerin vorgetragenen gesundheitlichen Situation.
Dabei hat die Antragstellerin medizinische Aspekte, aus denen sich sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem, einer landesinternen Umverteilung entgegenstehenden Gewicht ergeben können, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) vorzulegen und zu belegen. Darüber hinaus sind bei bloß bayerninternen Umverteilungen – angesichts der in Deutschland verfügbaren Medikamente und der im Raum Ingolstadt dichten medizinischen Versorgung – die Antragsteller im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht des Weiteren gehalten, solche fachärztlichen/fachtherapeutischen Belege vorzulegen, die eine explizite Begründung enthalten, warum eine Therapie im Raum … nicht möglich sein sollte und womit (mit welcher Wahrscheinlichkeit) konkret gerade im Falle einer Verlegung der Therapie in den Raum … zu rechnen wäre. Vor diesem Hintergrund sind an die Darlegung und Belegung gesundheitlicher Gefahren, die mit einer landesinternen Umverteilung in die Aufnahme- und Rückkehreinrichtung verbunden sein können, insgesamt hohe Anforderungen zu stellen.
Diesen Anforderungen genügen die von der Antragstellerin vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht.
Soweit vorgetragen und durch ärztliche Unterlagen belegt wurde, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht reisefähig, vielmehr wegen einer drohenden Frühgeburt nicht transportfähig ist, ist dieses Vorbringen jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 8. Dezember 2016 nicht mehr tragfähig, da seit der am 18. Juli 2016 bescheinigten 28. Schwangerschaftswoche mittlerweile mehr als 20 Wochen verstrichen sind, so dass das Kind zwischenzeitlich geboren sein dürfte. In seinem Änderungsbescheid vom 9. August 2016 hat der Antragsgegner auch berücksichtigt, dass die Antragstellerin – in Anlehnung an die gesetzlichen Mutterschutzfristen nach § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) – erst zwei Monate nach dem Ende der aktuellen Schwangerschaft, sprich der Geburt, der Umzugsaufforderung nachzukommen hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin zusammen mit ihren Kindern zwei Monate nach der Geburt nicht in einen andere Gemeinschaftsunterkunft umziehen könnte, sind nicht ersichtlich.
Im Hinblick auf die vorgetragene Hypertonie ist den vorgelegten Unterlagen nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, dass ein Umzug von der GU in … in die GU in … aufgrund dieser Erkrankung nicht möglich sein sollte bzw. welche Folgen ein solcher Umzug für die Antragstellerin hätte.
3.4.3.2. Der streitgegenständliche Bescheid leidet im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nicht unter Ermessensfehlern.
Auf der Rechtsfolgenseite räumt § 9 Abs. 1 DVAsyl-2016 der Verwaltung Ermessen ein, das sowohl hinsichtlich des Entschließungsermessens als auch hinsichtlich des Auswahlermessens gemäß § 114 VwGO gerichtlich hinsichtlich der in § 114 Satz 1 VwGO genannten Ermessensfehler überprüft werden kann. Gemäß
§ 114 Satz 2 VwGO sind Ergänzungen noch im gerichtlichen Verfahren möglich, wobei stets auch die Wertung von § 50 Abs. 4 Satz 4 AsylG (i.V.m. §§ 9, 7 DVAsyl-2016) zu berücksichtigen ist, wonach auch landesinterne Umverteilungen keiner Begründung bedürfen.
Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens i.S.v. § 114 Satz 1 Alt.1 VwGO werden durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht verletzt.
Dabei sind bei von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilungen vor allem Grundrechte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als gesetzliche Grenzen des Ermessens bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Daran ändert auch
§ 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG nichts, wonach ein Asylbewerber keinen Anspruch auf einen bestimmten Aufenthaltsort hat. Denn bei von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilungen als belastender Verwaltungsakte kommen die Grundrechte in ihrer Ausgangsfunktion als Abwehrrechte gegen den Staat (Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz – GG) zur Anwendung.
Auch ein Eingriff in Grundrechte kann dabei allerdings gerechtfertigt sein, was vorliegend der Fall ist.
Der streitgegenständliche Bescheid greift in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Antragstellerin ein. Die Intensität dieses Grundrechtseingriffs ist allerdings nicht tiefgreifend; insbesondere ist eine landesinterne Umverteilung innerhalb Bayerns von ihrer Grundrechtsrelevanz her nicht ansatzweise vergleichbar mit einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet heraus, was bei der Prüfung der Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs von Bedeutung ist.
Der Grundrechtseingriff ist gerechtfertigt. Die vorliegende landesinterne Umverteilung verfolgt einen legitimen Zweck. Es geht darum, eine Beschleunigung des Asylverfahrens dadurch zu erreichen, dass einerseits freie Kapazitäten in der GU … und andererseits die dort vorhandene Bündelung behördlicher Kapazitäten genutzt werden, wobei die Antragstellerin der Gruppe der ukrainischen Asylbewerber angehört, bei der – wie gezeigt – die Anerkennungsquote gering ist (s.o.). Dabei sind die Kriterien der Anerkennungsquote beziehungsweise der geringen Bleibewahrscheinlichkeit dem deutschen Ausländerrecht nicht fremd. So stellt etwa § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) darauf ab, ob bei einem Ausländer „ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“, wobei in der amtlichen Begründung explizit der Aspekt der „guten Bleibeperspektive“ mit dem Aspekt der Herkunft aus einem „Land mit einer hohen Anerkennungsquote“ in Beziehung gesetzt wird (Bundestags-Drucksache 18/6185, S. 48, unten). Vor diesem Hintergrund ist die in dem streitgegenständlichen Bescheid hinsichtlich der Antragstellerin formulierte „geringe Bleibewahrscheinlichkeit“ als Kehrseite einer geringen Anerkennungsquote im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Maßnahme ist schon deshalb geeignet, um das (legitime) Beschleunigungsziel zu erreichen, weil die Antragstellerin zur Gruppe der Ukrainer gehört und in der GU … freie Kapazitäten zur Verfügung stehen. Ohne eine Umverteilung könnten die freien Kapazitäten nicht genutzt werden, um den Beschleunigungseffekt zu erzielen, so dass insoweit kein milderes Mittel ersichtlich ist. Auch erscheint der streitgegenständliche Beschied bei einem Vergleich des legitimen Beschleunigungsinteresses mit der geringen Schwere des mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen.
Der Ermessensgebrauch erfolgte vorliegend entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung (§ 114 Satz 1 Alt. 2 VwGO). Vorliegend wurde (wie gezeigt) legitimer Weise im Interesse der Beschleunigung des Asylverfahrens auf den Aspekt der freien Kapazitäten und der möglichen Bündelung von Verwaltungseinrichtungen unter Berücksichtigung der geringen Anerkennungsquote ukrainischer Asylbewerber zurückgegriffen.
Die offene Formulierung des § 9 Abs. 1 DVAsyl-2016 gestattet die Berücksichtigung einer Vielzahl öffentlicher Zwecke und Aspekte. Deshalb können auch divergierende öffentliche Zwecke, die gegen eine Umverteilung sprechen, im Kontext dieser Vorschrift relevant werden. Derartige anderweitige öffentliche Zwecke sind vorliegend aber nicht ersichtlich.
3.5. Auch die Nr. 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheides erweisen sich nach summarischer Prüfung in dem für das vorliegende Eilverfahren maßgeblichen Zeitpunkt des vorliegenden Eilbeschlusses als rechtmäßig und die Anfechtungsklage deshalb auch insoweit als unbegründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 38 Abs. 1 VwZVG).
Die Formulierung im Bescheid vom 27. Juli 2016 wies ursprünglich in Nr. 3 und 4 unrichtige Bezugnahmen auf die anderen Nummern des Tenors auf: In der in Nr. 3 in Bezug genommenen Nr. 1 des Bescheidtenors wird keine „Unterkunft“ genannt – das erfolgt erst in Nr. 2; in der in Nr. 4 in Bezug genommenen Nr. 2 des Bescheidtenors ist keine „Aufforderung“ enthalten – diese erfolgt erst in Nr. 3.
Es handelt sich insoweit um eine „offenbare Unrichtigkeit“ i.S.v. Art. 42 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Über diese Art von Fehler kann das Gericht nicht hinweggehen, zumal er nicht in Art. 46 BayVwVfG genannt ist. Vielmehr sieht der Gesetzgeber für offenbare Unrichtigkeiten in Art. 42 BayVwVfG eine erleichterte (jederzeitige) Korrekturmöglichkeit für die Verwaltung vor – insbesondere kann eine derartige Berichtigung auch durch ein einfaches Schreiben (etwa in Form eines Schriftsatzes an das Gericht, das diesen dann an die Gegenseite weiterleitet) erfolgen, ohne dass auf dem Verwaltungsakt selbst ein Berichtigungsvermerk angebracht werden müsste (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage (2016), § 42 Rn. 17). Andererseits ist eine derartige formlose Berichtigung durch die Verwaltung selbst unverzichtbar und kann nicht durch das Gericht selbst vorgenommen werden, insbesondere nicht im Wege der „Umdeutung“ (Art. 47 BayVwVfG), weil es bei „offenbaren“ Unrichtigkeiten ja gerade um die von Anfang an von der Verwaltung tatsächlich gewollte Regelung (und nicht um einen „anderen“ Verwaltungsakt i.S.v. Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG) geht.
Vorliegend hat der Antragsgegner diese Unrichtigkeit im Änderungsbescheid vom 9. August 2016 berichtigt, indem er in Nr. 3 des Änderungsbescheides die Verpflichtung zum Einzug (spätestens zwei Monate nach dem Ende der aktuellen, am 2. August 2016 in der 30 Woche befindlichen Schwangerschaft der Antragstellerin) in die unter Nr. 2 genannte Unterkunft aussprach und in Nr. 4 die Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang androhte, wenn die Antragstellerin der Aufforderung in Nr. 3 nicht rechtzeitig nachkomme. Die in Nr. 3 und Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheides (also des Bescheides vom 27. Juli 2016 in der Fassung vom 9. August 2016) enthaltene Androhung unmittelbaren Zwangs erweist sich deshalb im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung als rechtmäßig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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