Aktenzeichen M 24 K 16.3402
AsylG § 50 Abs. 4, § 53 Abs. 1 S. 2, § 55 Abs. 1 S. 2
GG Art. 2 Abs. 1
VwGO § 114
Leitsatz
Die Beschleunigung des Asylverfahrens ist ein legitimer Zweck für eine landesinterne Umverteilung. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil die Klägerin mit Erklärung ihrer Bevollmächtigten vom 19. Dezember 2016 und der Beklagte ebenfalls mit Erklärung vom 19. Dezember 2016 klar, eindeutig und vorbehaltlos auf mündliche Verhandlung verzichtet haben.
2. Das Verwaltungsgericht München ist zur Entscheidung über die Klage insbesondere örtlich zuständig gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es handelt sich um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz (AsylG), weil für die Entscheidung des Rechtsstreits jedenfalls auch § 53 AsylG maßgeblich ist (vgl. VG München, Kammerbeschluss vom 24.6.2015 – M 24 K 15.2322 – juris Rn. 3-6 m.w.N.). Dabei hatte die Klägerin in dem (für die Bestimmung der örtlichen gerichtlichen Zuständigkeit gemäß § 83 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – maßgeblichen) Zeitpunkt des Klageeingangs aufgrund des streitgegenständlichen Bescheides ihren Aufenthalt in der GU …, mithin im Gerichtsbezirk des VG München zu nehmen (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO), zumal die in der Hauptsache erhobene Klage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat (§ 75 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).
Aufgrund des Kammerbeschlusses vom 24. November 2016 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung über die Klage berufen (§ 76 Abs. 1 AsylG).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die vorliegende, gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehende Entscheidung ist der Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG). Deshalb ist der Entscheidung auch die Asyldurchführungsverordnung vom 16. August 2016 (GVBl. S. 258; DVAsyl-2016) zugrunde zu legen, die gemäß § 30 Abs. 1 DVAsyl-2016 am 1. September 2016 in Kraft getreten ist und die Vorgängerregelung der Asyldurchführungsverordnung vom 4. Juni 2002 (DVAsyl-2002) – ohne Übergangsregelung – außer Kraft gesetzt hat (§ 30 Abs. 2 DVAsyl-2016).
3. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, insbesondere statthaft, und zwar hinsichtlich Nr. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGO sowie hinsichtlich der vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen der Nr. 3 und 4 gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).
Das Gericht erachtet die Einbeziehung des Änderungsbescheides vom 9. August 2016 in das bereits rechtshängige Klageverfahren für sachdienlich, da dies der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streits zwischen den Parteien dient (§ 91 Abs. 1 VwGO). Mangels Vorlage einer Behördenakte und damit mangels Nachweises über eine Zustellung oder Zur-Post-Gabe ist die Klageänderung vom 25. August 2016 in Bezug auf den am 12. August 2016 zugegangenen Änderungsbescheid vom 9. August 2016 auch als innerhalb der 2-wöchigen Klagefrist und damit fristgerecht eingegangen anzusehen. Dass der Änderungsbescheid vom 9. August 2016 entgegen des Vorbringens der Bevollmächtigten der Klägerin dieser bereits am 10. August 2016 zugegangen sei, wurde vom Beklagten auch nicht behauptet.
4. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil sich der streitgegenständliche Bescheid in dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt als rechtmäßig erweist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwGO).
Rechtsgrundlage der von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilung ist § 9 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 DVAsyl-2016. Nach dieser Vorschrift kann aus Gründen des öffentlichen Interesses landesintern eine Umverteilung in einen anderen Landkreis oder in eine andere kreisfreie Gemeinde im selben oder in einem anderen Regierungsbezirk erfolgen. Abgesehen von der veränderten Paragraphenzählung führt diese Neufassung der DVAsyl-2016 im Hinblick auf die vorliegend streitgegenständliche landesinterne Umverteilung die Vorgängervorschrift des § 8 DVAsyl-2002 in der Sache unverändert fort.
4.1. Der streitgegenständliche Bescheid ist formell rechtmäßig.
Zuständig ist insoweit gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl-2016 diejenige Regierung, in deren Bezirk die Verteilung erfolgen soll, vorliegend also die Regierung von Oberbayern (ROB), weil … im Regierungsbezirk Oberbayern liegt.
Dabei bedarf es für derartige Verteilungsentscheidungen gemäß § 50 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AsylG (vgl. auch § 9 Abs. 4 und § 7 Abs. 2 Satz 5 DVAsyl-2016) weder einer Anhörung noch einer Begründung. Damit setzt die Asyldurchführungsverordnung voraus, dass wesentliche Teile der Sachverhaltsermittlung und der Begründung auch erst nach Bekanntgabe derartiger Umverteilungsentscheidungen erfolgen können, mithin auch im Wege von Schriftsätzen in nachfolgenden gerichtlichen Verfahren wie vorliegend.
4.2. Der streitgegenständliche Bescheid ist hinsichtlich Nr. 1 und Nr. 2 materiell rechtmäßig.
4.2.1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 DVAsyl-2016 für eine landesinterne Umverteilung liegen vor. Die Klägerin gehört als Asylbewerberin zu dem in § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl-2016 genannten Personenkreis.
An der streitgegenständlichen Umverteilung besteht ein „öffentliches Interesse“, weil damit zu rechnen ist, dass durch die Umverteilung in die GU … das Asylverfahren der Klägerin wegen der dortigen Bündelung der beteiligten Stellen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – BAMF -, Zentrale Ausländerbehörde der ROB, Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts) beschleunigt und unter effizientem Einsatz öffentlicher Mittel fortgeführt werden kann. Hierbei ist von der ukrainischen Staatsangehörigkeit der Klägerin auszugehen, da sie im Asylverfahren als ukrainische Staatsangehörige erfasst wurde und so auch sowohl beim Beklagten wie auch im Ausländerzentralregister geführt wird. Sollte die Klägerin tatsächlich eine andere (oder weitere) Staatsangehörigkeit besitzen, obläge es ihr, diese nachzuweisen und im Asylverfahren wie auch im Verteilungsverfahren eine Berichtigung der Angabe herbeizuführen. Da die Statistik des BAMF für die Zeit von Januar bis einschließlich Juni 2016 für die Ukraine eine bundesweite Gesamtanerkennungsquote von nur 1,9 Prozent ausweist (https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/Asylantraege _und_Entscheidungen0616.pdf), darf davon ausgegangen werden, dass sich nur in wenigen Asylverfahren von Personen dieses Herkunftslandes derart gravierende Asylgründe auftun werden, dass mit besonders langwierigen Asylverfahren zu rechnen ist, so dass die in der GU … vorhandenen freien Kapazitäten durch Umverteilungen von ukrainischen Asylbewerbern sinnvoll ausgelastet werden können und zudem die Umverteilungen in die GU … zu einem beschleunigten Abschluss des Asylverwaltungsverfahrens führen. Dieses aus einer Betrachtung der Gruppe der ukrainischen Asylbewerber folgende „öffentliche Interesse“ schlägt auch auf den Einzelfall der Klägerin durch, weil diese zur Gruppe der ukrainischen Asylbewerber zu rechnen ist. Zwar liegt hierin keine der in § 9 Abs. 5 DVAsyl-2016 genannten Fallvarianten vor; aus dem dort geschriebenen Wort „insbesondere“ folgt aber, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl-2016 auch andere „öffentliche Interessen“ erfasst.
Der streitgegenständliche Bescheid verstößt auch nicht gegen die in § 9 Abs. 6 DVAsyl-2016 genannten Anforderungen, bei denen es sich im Hinblick auf § 53 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 50 Abs. 4 Satz 5 AsylG um gerichtlich vollständig überprüfbare Anforderungen handelt. Nach § 9 Abs. 6 DVAsyl-2016 soll der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie von Eltern und ihren minderjährigen Kindern oder sonstigen humanitären Gründen von gleichem Gewicht Rechnung getragen werden.
Der Aspekt der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern mit ihren minderjährigen ledigen Kindern wurde beachtet, da die Klägerin zusammen mit ihrer minderjährigen Tochter umverteilt wurde.
Der streitgegenständliche Bescheid verstößt auch nicht gegen sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht. Solche ergeben sich insbesondere nicht aus der von der Klägerin vorgetragenen gesundheitlichen Situation.
Dabei hat die Klägerin medizinische Aspekte, aus denen sich sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem, einer landesinternen Umverteilung entgegenstehenden Gewicht ergeben können, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) vorzulegen und zu belegen. Darüber hinaus ist bei einer bloß bayerninternen Umverteilung – angesichts der in Deutschland verfügbaren Medikamente und der im Raum … dichten medizinischen Versorgung – die Klägerin im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht des Weiteren gehalten, solche fachärztlichen/fachtherapeutischen Belege vorzulegen, die eine explizite Begründung enthalten, warum eine Therapie im Raum … nicht möglich sein sollte und womit (mit welcher Wahrscheinlichkeit) konkret gerade im Falle einer Verlegung der Therapie in den Raum … zu rechnen wäre. Vor diesem Hintergrund sind an die Darlegung und Belegung gesundheitlicher Gefahren, die mit einer landesinternen Umverteilung in die Aufnahme- und Rückkehreinrichtung verbunden sein können, insgesamt hohe Anforderungen zu stellen.
Diesen Anforderungen genügen die von der Klägerin vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht.
Soweit vorgetragen und durch ärztliche Unterlagen belegt wurde, dass die Klägerin aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht reisefähig, vielmehr wegen einer drohenden Frühgeburt nicht transportfähig ist, ist dieses Vorbringen jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 23. Dezember 2016 nicht mehr tragfähig, da seit der am 18. Juli 2016 bescheinigten 28. Schwangerschaftswoche mittlerweile mehr als 22 Wochen verstrichen sind, so dass das Kind zwischenzeitlich geboren sein dürfte. In seinem Änderungsbescheid vom 9. August 2016 hat der Beklagte auch berücksichtigt, dass die Klägerin – in Anlehnung an die gesetzlichen Mutterschutzfristen nach § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) – erst zwei Monate nach dem Ende der aktuellen Schwangerschaft, sprich der Geburt, der Umzugsaufforderung nachzukommen hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zusammen mit ihren Kindern zwei Monate nach der Geburt nicht in einen andere Gemeinschaftsunterkunft umziehen könnte, sind nicht ersichtlich.
Im Hinblick auf die vorgetragene Hypertonie ist den vorgelegten Unterlagen nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, dass ein Umzug von der GU in … in die GU in … aufgrund dieser Erkrankung nicht möglich sein sollte bzw. welche Folgen ein solcher Umzug für die Klägerin hätte.
4.2.2. Der streitgegenständliche Bescheid leidet im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nicht unter Ermessensfehlern.
Auf der Rechtsfolgenseite räumt § 9 Abs. 1 DVAsyl-2016 der Verwaltung Ermessen ein, das sowohl hinsichtlich des Entschließungsermessens als auch hinsichtlich des Auswahlermessens gemäß § 114 VwGO gerichtlich hinsichtlich der in § 114 Satz 1 VwGO genannten Ermessensfehler überprüft werden kann. Gemäß § 114 Satz 2 VwGO sind Ergänzungen noch im gerichtlichen Verfahren möglich, wobei stets auch die Wertung von § 50 Abs. 4 Satz 4 AsylG (i.V.m. §§ 9, 7 DVAsyl-2016) zu berücksichtigen ist, wonach auch landesinterne Umverteilungen keiner Begründung bedürfen.
Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens i.S.v. § 114 Satz 1 Alt.1 VwGO werden durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht verletzt.
Dabei sind bei von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilungen vor allem Grundrechte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als gesetzliche Grenzen des Ermessens bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Daran ändert auch
§ 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG nichts, wonach ein Asylbewerber keinen Anspruch auf einen bestimmten Aufenthaltsort hat. Denn bei von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilungen als belastender Verwaltungsakte kommen die Grundrechte in ihrer Ausgangsfunktion als Abwehrrechte gegen den Staat (Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz – GG) zur Anwendung.
Auch ein Eingriff in Grundrechte kann dabei allerdings gerechtfertigt sein, was vorliegend der Fall ist.
Der streitgegenständliche Bescheid greift in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Klägerin ein. Die Intensität dieses Grundrechtseingriffs ist allerdings nicht tiefgreifend; insbesondere ist eine landesinterne Umverteilung innerhalb Bayerns von ihrer Grundrechtsrelevanz her nicht ansatzweise vergleichbar mit einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet heraus, was bei der Prüfung der Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs von Bedeutung ist.
Der Grundrechtseingriff ist gerechtfertigt. Die vorliegende landesinterne Umverteilung verfolgt einen legitimen Zweck. Es geht darum, eine Beschleunigung des Asylverfahrens dadurch zu erreichen, dass einerseits freie Kapazitäten in der GU … und andererseits die dort vorhandene Bündelung behördlicher Kapazitäten genutzt werden, wobei die Klägerin der Gruppe der ukrainischen Asylbewerber angehört, bei der – wie gezeigt – die Anerkennungsquote gering ist (s.o.). Dabei sind die Kriterien der Anerkennungsquote beziehungsweise der geringen Bleibewahrscheinlichkeit dem deutschen Ausländerrecht nicht fremd. So stellt etwa § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) darauf ab, ob bei einem Ausländer „ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“, wobei in der amtlichen Begründung explizit der Aspekt der „guten Bleibeperspektive“ mit dem Aspekt der Herkunft aus einem „Land mit einer hohen Anerkennungsquote“ in Beziehung gesetzt wird (Bundestags-Drucksache 18/6185, S. 48, unten). Vor diesem Hintergrund ist die in dem streitgegenständlichen Bescheid hinsichtlich der Klägerin formulierte „geringe Bleibewahrscheinlichkeit“ als Kehrseite einer geringen Anerkennungsquote im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Maßnahme ist schon deshalb geeignet, um das (legitime) Beschleunigungsziel zu erreichen, weil die Klägerin zur Gruppe der Ukrainer gehört und in der GU … freie Kapazitäten zur Verfügung stehen. Ohne eine Umverteilung könnten die freien Kapazitäten nicht genutzt werden, um den Beschleunigungseffekt zu erzielen, so dass insoweit kein milderes Mittel ersichtlich ist. Auch erscheint der streitgegenständliche Beschied bei einem Vergleich des legitimen Beschleunigungsinteresses mit der geringen Schwere des mit ihnen verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen.
Der Ermessensgebrauch erfolgte vorliegend entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung (§ 114 Satz 1 Alt. 2 VwGO). Vorliegend wurde (wie gezeigt) legitimer Weise im Interesse der Beschleunigung des Asylverfahrens auf den Aspekt der freien Kapazitäten und der möglichen Bündelung von Verwaltungseinrichtungen unter Berücksichtigung der geringen Anerkennungsquote ukrainischer Asylbewerber zurückgegriffen.
Die offene Formulierung des § 9 Abs. 1 DVAsyl-2016 gestattet die Berücksichtigung einer Vielzahl öffentlicher Zwecke und Aspekte. Deshalb können auch divergierende öffentliche Zwecke, die gegen eine Umverteilung sprechen, im Kontext dieser Vorschrift relevant werden. Derartige anderweitige öffentliche Zwecke sind vorliegend aber nicht ersichtlich.
4.3. Auch die Nr. 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheides erweisen sich als rechtmäßig und die Anfechtungsklage deshalb auch insoweit als unbegründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 38 Abs. 1 VwZVG).
Die Formulierung im Bescheid vom 27. Juli 2016 wies ursprünglich in Nr. 3 und 4 unrichtige Bezugnahmen auf die anderen Nummern des Tenors auf: In der in Nr. 3 in Bezug genommenen Nr. 1 des Bescheidtenors wird keine „Unterkunft“ genannt – das erfolgt erst in Nr. 2; in der in Nr. 4 in Bezug genommenen Nr. 2 des Bescheidtenors ist keine „Aufforderung“ enthalten – diese erfolgt erst in Nr. 3.
Es handelt sich insoweit um eine „offenbare Unrichtigkeit“ i.S.v. Art. 42 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Über diese Art von Fehler kann das Gericht nicht hinweggehen, zumal er nicht in Art. 46 BayVwVfG genannt ist. Vielmehr sieht der Gesetzgeber für offenbare Unrichtigkeiten in Art. 42 BayVwVfG eine erleichterte (jederzeitige) Korrekturmöglichkeit für die Verwaltung vor – insbesondere kann eine derartige Berichtigung auch durch ein einfaches Schreiben (etwa in Form eines Schriftsatzes an das Gericht, das diesen dann an die Gegenseite weiterleitet) erfolgen, ohne dass auf dem Verwaltungsakt selbst ein Berichtigungsvermerk angebracht werden müsste (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage (2016), § 42 Rn. 17). Andererseits ist eine derartige formlose Berichtigung durch die Verwaltung selbst unverzichtbar und kann nicht durch das Gericht selbst vorgenommen werden, insbesondere nicht im Wege der „Umdeutung“ (Art. 47 BayVwVfG), weil es bei „offenbaren“ Unrichtigkeiten ja gerade um die von Anfang an von der Verwaltung tatsächlich gewollte Regelung (und nicht um einen „anderen“ Verwaltungsakt i.S.v. Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG) geht.
Vorliegend hat der Beklagte diese Unrichtigkeit im Änderungsbescheid vom 9. August 2016 berichtigt, indem er in Nr. 3 des Änderungsbescheides die Verpflichtung zum Einzug (spätestens zwei Monate nach dem Ende der aktuellen, am 2. August 2016 in der 30 Woche befindlichen Schwangerschaft der Klägerin) in die unter Nr. 2 genannte Unterkunft aussprach und in Nr. 4 die Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang androhte, wenn die Klägerin der Aufforderung in Nr. 3 nicht rechtzeitig nachkomme.
Die in Nr. 3 und Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheides (also des Bescheides vom 27. Juli 2016 in der Fassung vom 9. August 2016) enthaltene Androhung unmittelbaren Zwangs erweist sich deshalb im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung als rechtmäßig (Art. 36, 34, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).