Aktenzeichen Au 1 S 19.1772
AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1, Abs.2, § 81 Abs. 4 S. 1
BeschV § 9
SGB VI § 50 Abs. 1 Nr. 1, § 66 Abs. 1 Nr. 1
VwZVG Art. 21a
ZPO § 114 Abs. 1 S.1
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für dieses Verfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die am … 1955 in … geborene Antragstellerin ist russische Staatsangehörige. Sie wendet sich im Rahmen des Eilrechtsschutzes gegen die Ablehnung der Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis sowie gegen drohende aufenthaltsbeendende Maßnahmen.
Nach der Heirat ihres Ehemanns mit deutscher Staatsangehörigkeit am … 2014 in Dänemark reiste die Antragstellerin mit einem Visum zum Familiennachzug am 9. August 2015 in die Bundesrepublik ein, um mit diesem in dessen Wohnhaus in … zu leben. Am 1. Oktober 2015 wurde ihr eine bis 30. September 2018 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ausgestellt.
Am 6. März 2017 verzog die Antragstellerin nach … Gegenüber der Antragsgegnerin gab sie an, von ihrem Ehemann wie eine Gefangene behandelt worden zu sein, sodass sie sich von ihm getrennt habe. Er habe versucht sie durch Pulver im Kaffee zu vergiften. Im Februar 2017 habe er sie zudem geschlagen und vier Tage im Haus eingesperrt. Sie sei daher ins Frauenhaus geflohen und später über eine Freundin nach … gelangt. Ausweislich der durch die Antragsgegnerin angeforderten Strafakte wurde das Strafverfahren durch Beschluss des Amtsgerichts … vom 28. November 2017 (Az….) gegen Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500 EUR an die Antragstellerin eingestellt. In der Beschuldigtenvernehmung gab der Ehemann der Antragstellerin an, diese nicht geschlagen zu haben. Allerdings räumte er ein, die Türen des Hauses für 2-3 Tage verschlossen zu haben, damit seine Frau sich entscheiden könne, ob sie bei ihm bleiben oder sich trennen möchte. Die Antragstellerin habe ihn jedoch auch nie direkt gebeten, die Tür aufzusperren. Nachdem sich die Antragstellerin entschieden habe, ihn zu verlassen, habe er ihr die persönliche Habe und etwas Geld übergeben.
Die Antragstellerin beantragte am 17. November 2018 die Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Am selben Tag wurde ihr eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt. Mit Bescheid vom 18. September 2019 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab (Ziffer 1), forderte die Antragstellerin zur Ausreise auf (Ziffer 2) und drohte ihr die Abschiebung in die Russische Föderation an (Ziffer 3). Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen eheunabhängigen Aufenthaltstitel nach § 31 AufenthG nicht vorlägen. Die eheliche Lebensgemeinschaft habe nur etwas mehr als eineinhalb Jahre bestanden. Zwischenzeitlich sei die Ehe am 28. Juni 2019 geschieden worden. Eine besondere Härte nach § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG komme nicht in Betracht. Das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft sei zumutbar gewesen. Zwar sei die Antragstellerin aus dem gemeinsam bewohnten Haus ausgezogen, habe dann jedoch keine weiteren Schritte zur Beendigung der Ehe vorgenommen. Vielmehr habe der Ehemann die Scheidung beantragt. Die Tatsache, dass er sie am Tag der Trennung auch alleine zur Bank begleitet und ihr eine nicht geringe Summe übergeben habe, spreche ebenfalls gegen eine besondere Härte. In zentralen Fragen des Strafverfahrens stehe Aussage gegen Aussage. Zudem seien die Angaben der Antragstellerin je nach Vernehmung teils stark abweichend gewesen. Letztlich fehle es, selbst bei Einbezug der strafrechtlichen Einstellung unter Auflagen, an der Erheblichkeit des Vergehens. Auch die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit lägen nicht vor. Es handele sich um eine Erlaubnis nach § 18 Abs. 3 AufenthG, welche nicht erteilt werden könne, da weder eine zwischenstaatliche Vereinbarung getroffen sei, noch nach einer Rechtsverordnung die Zustimmung zur Erteilung zulässig sei. § 9 BeschV sei nicht einschlägig, da die Antragstellerin keine Fachkraft sei. Zudem sei der Unterhalt nicht gesichert. Eine Verwurzelung in der Bundesrepublik sei nicht erkennbar, da die Antragstellerin erst seit vier Jahren in der Bundesrepublik lebe und bislang nur das Sprachniveau A2 beherrsche. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet bestünden nicht, ihr Sohn lebe mit seiner Familie nach wie vor in Russland. Da sie beinahe ihr gesamtes Leben in der Russischen Föderation verbracht habe, sei eine Rückkehr möglich und zumutbar.
Hiergegen ließ die Antragstellerin am 16. Oktober 2019 Klage erheben (Au 1 K 19.1730), über welche noch nicht entschieden ist. Vorliegend begehrt sie einstweiligen Rechtsschutz. Für beide Verfahren wurde zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung beantragt. Die aufschiebende Wirkung sei anzuordnen, da die Interessen der Antragstellerin die öffentlichen Interessen deutlich überwiegen würden. Die Antragstellerin habe Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 und 2 AufenthG, wobei von einem dreijährigen rechtmäßigen Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft aufgrund einer besonderen Härte abzusehen sei. Die Antragstellerin sei Opfer häuslicher Gewalt geworden. Sie sei von ihrem Ehemann vergewaltigt und zu sexuellen Handlungen gezwungen sowie geschlagen worden. Zuletzt habe der Ehemann sie für mehrere Tage eingesperrt und vergewaltigt. Der Vorwurf der Vergewaltigung sei nicht weiterverfolgt worden, da die Antragstellerin hierzu keine Angaben habe machen wollen. Dies sei dem Wunsch entsprungen, der volljährigen behinderten Tochter des Ehemanns durch eine eventuell langjährige Haftstrafe nicht den Vater zu nehmen. Zahlreiche Zeugen könnten belegen, dass die Antragstellerin tatsächlich eingesperrt, geschlagen und vergewaltigt worden sei. Ihr Ehemann sei zudem bereits achtmal verheiratet und auch gegenüber diesen Frauen gewalttätig gewesen. Die Antragstellerin könne ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten. Sowohl der Inhalt der Strafakte als auch die Äußerungen der angegebenen Zeugen würden für die besondere Härte sprechen.
Die Antragstellerin beantragt,
Es wird die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16. Oktober 2019 gegen den Bescheid der Stadt … vom 18. September 2019, zugestellt am 25. September 2019, angeordnet.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakte.
II.
Der teilweise zulässige Antrag ist unbegründet.
1. Soweit die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hin sichtlich der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (Ziffer 1 des Bescheids) begehrt, ist der Antrag unzulässig, jedenfalls jedoch unbegründet.
a) Der Antrag ist mangels Statthaftigkeit bereits unzulässig. Er kann sein Ziel, die Wiederherstellung der Fiktionswirkung, nicht erreichen, da eine solche Fiktionswirkung nach Ablauf der zuletzt am 1. Oktober 2015 erteilten Aufenthaltserlaubnis (Bl. 123 der Behördenakte) zum 30. September 2018 nicht eingetreten ist. Die gesetzliche Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG trat nicht ein, da die Antragstellerin die Verlängerung ihres bis dahin bestehenden Aufenthaltstitels nicht vor dessen Ablauf beantragt hat. Der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wurde laut Aktenvermerk der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin am 16. November 2018 (Bl. 213 der Behördenakte) bzw. gemäß Eingangsstempel am 17. November 2018 (Bl. 214 der Behördenakte) eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt war die alte Aufenthaltserlaubnis bereits über einen Monat abgelaufen.
Es liegt auch keine Behördenentscheidung über die Anordnung der Fiktionswirkung wegen Vorliegens einer besonderen Härte nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG vor, da die Antragsgegnerin eine solche nicht getroffen hat. Allein der gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG erteilten Fiktionsbescheinigung (Bl. 249 der Behördenakte) ist ein solcher Verwaltungsakt nicht zu entnehmen, da die Bescheinigung lediglich deklaratorische Wirkung hat (BVerwG, B.v. 21.01.2010 – 1 B 17.09) und auch eine konkludente Anordnung nicht erfolgt ist. Die Fiktionsbescheinigung selbst verweist lediglich auf § 81 Abs. 4 AufenthG und differenziert nicht weiter nach Satz 1 bzw. 3. Zwar kann in der Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung die konkludente Anordnung der Fortgeltung zu erblicken sein; dies hängt jedoch stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Aus Sicht des Empfängers ist eine solche Regelung durch Fiktionsbescheinigung wohl dann anzunehmen, wenn der Betroffene und die Ausländerbehörde von der Verspätung der Antragstellung ausgehen bzw. diese ihnen bewusst ist (FunkeKaiser in: GK-AufenthG, Stand: Januar 2019, § 81 Rn. 112). Dagegen wird ein solches Erklärungsbewusstsein nicht angenommen, wenn die Ausstellung gewissermaßen routinemäßig erfolgte (OVG Lüneburg, B.v. 24.03.2017 – 8 LA 197/16 – juris Rn. 16). Von einer solchen routinemäßigen Ausstellung durch die Antragsgegnerin ist auszugehen. Es sind der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die besonderen Umstände des Falles geprüft und das Vorliegen einer besonderen Härte bejaht wurde.
b) Selbst die nach § 88 VwGO mögliche Umdeutung des durch den Rechtsanwalt der Antragstellerin explizit auf § 80 Abs. 5 VwGO gerichteten Antrags in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO verhilft dem Eilantrag nicht zum Erfolg, da dieser dann jedenfalls unbegründet ist. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da es nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung bereits am Anordnungsanspruch fehlt. Auf die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels hat die Antragstellerin keinen Anspruch.
aa) Es besteht zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt kein Anspruch auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Demnach wird die Aufenthaltserlaubnis eines Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die Lebensgemeinschaft seit mindestens 3 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Der Anspruch besteht nur in dem sich unmittelbar nach Ablauf der Gültigkeit der Aufenthaltserlaubnis anschließenden Jahr (BVerwG, U.v. 22.06.2011 – 1 C 5/10 – juris Rn. 13 f.; Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 31 Rn. 9. m.w.N.). Die der Antragstellerin zuletzt ausgestellte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG war bis zum 30. September 2018 befristet (Bl. 123 der Behördenakte). Somit ist das Verlängerungsjahr, welches nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG beantragt werden kann, mit dem 30. September 2019 abgelaufen. Selbst bei Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere der besonderen Härte, besteht zum jetzigen Zeitpunkt kein Anspruch mehr auf eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG.
bb) Im Übrigen liegen die Erteilungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 1 AufenthG auch nicht vor, da die eheliche Lebensgemeinschaft nicht seit mindestens 3 Jahren bzw. im Falle einer besonderen Härte auch kürzer rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Anknüpfungspunkt des eigenständigen Aufenthaltsrechts des ausländischen Ehepartners ist stets die zunächst erteilte Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug. Diese muss zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG noch gültig sein, um das ursprüngliche Aufenthaltsrecht verlängern zu können. Die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift ist nicht vorgesehen (BayVGH, B.v. 14.02.2017 – 10 ZB 15.2059 – juris Rn. 13). Der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wurde laut Aktenvermerk der Antragsgegnerin durch die Antragstellerin am 16. November 2018 (Bl. 213 der Behördenakte) bzw. gemäß Eingangsstempel am 17. November 2018 (Bl. 214 der Behördenakte) eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt war der ursprüngliche Aufenthaltstitel bereits gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erloschen und konnte nicht verlängert werden. Dieser materielle Rechtsverlust durch eine verfahrensrechtliche Säumnis erweist sich jedenfalls dann nicht als unverhältnismäßig, wenn der Betreffende die verspätete Antragstellung zu vertreten hat (BVerwG, U.v. 22.06.2011 – 1 C 5/10 – juris Rn. 19). Gründe, warum die Antragstellerin ihren Verlängerungsantrag unverschuldet zu spät gestellt haben soll, wurden im Verfahren nicht vorgebracht.
cc) Auch kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bzw. § 18 AufenthG nicht in Betracht, da die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG nicht vorliegen. Das Visumverfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wurde nicht durchgeführt. Die Antragstellerin ist nicht nach § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthG berechtigt, einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet ohne ein solches Visum einzuholen oder verlängern zu lassen, da sie seit dem 30. September 2018 keinen Aufenthaltstitel mehr besitzt. § 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV ist daher auf den Antrag vom 17. November 2018 nicht anzuwenden.
Letztlich ist nach verständiger Prognose auch der Lebensunterhalt der Antragstellerin nicht gesichert. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Da das Ausscheiden der Antragstellerin aus dem Erwerbsleben alsbald bevorsteht, ist auch der Frage der Alterssicherung hierbei nachzugehen (Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Stand: Mai 2014, § 2 Rn. 53). Die Antragstellerin ist derzeit 64 Jahre alt und erreicht nach § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in Kürze die für ihren Jahrgang geltende Regelaltersgrenze von 65 Jahren und 9 Monaten. Zur Absicherung des Alters hat die Antragstellerin eine Bescheinigung des Pensionsfonds der Russischen Föderation (Bl. 224 der Behördenakte) vorgelegt, woraus sich eine Altersrente in Höhe von 6.391 RUB ergibt. Dies entspricht einem monatlichen Betrag in Höhe von ca. 90 EUR. Ein Anspruch auf deutsche Altersrente besteht dagegen nicht, da bei üblicher Erwerbsbiografie mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bis zur Regelaltersgrenze die allgemeine Wartezeit des § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von fünf Jahren nicht mehr erreicht werden kann. Ausweislich eines von der Antragsgegnerin angeforderten Versicherungsverlaufs (Bl. 141 der Behördenakte) bestanden von September 2015 bis Mai 2017 versicherungspflichtige Zeiten in Höhe von 14 Monaten und 5 Tagen. Selbst wenn seitdem ununterbrochen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bestand und bis zum Renteneintritt bestehen wird, kann die Wartezeit von fünf Jahren nicht mehr erreicht werden. Sollte die Antragstellerin die allgemeine Wartezeit durch freiwillige Mehrarbeit überschreiten, ist aufgrund der wenigen Beitragsjahre (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) und des unter dem Durchschnitt (§ 63 Abs. 2 i.V.m. Anlage 1 SGB VI) liegenden Einkommens (Bl. 233 ff. der Behördenakte) und der daraus resultierenden geringen Entgeltpunktezahl hinsichtlich der Rentenberechnung von einem sehr geringen monatlichen Rentenbetrag auszugehen, welcher zusammen mit der russischen Rente bei unveränderter Wohn- und Lebenslage eine tragfähige Finanzierung der Altersruhe ohne staatliche Sozialhilfe, wie Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII, nicht ermöglichen wird.
2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 3 des Bescheids) ist zulässig, jedoch unbegründet.
a) Er ist zulässig, da die Abschiebungsandrohung als Maßnahme der Verwal tungsvollstreckung von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG).
b) Der Antrag ist jedoch unbegründet. Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Ge richt die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen sofort vollziehbaren oder für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag eines Betroffenen ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Dabei trifft das Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Es hat dabei das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 80 Rn. 152; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 68). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Hauptsacheklage dagegen, dass diese voraussichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Schmidt: in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 73ff.).
aa) Die auf Aufhebung der Androhung der Abschiebung gerichtete Klage wird aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben, da der Bescheid insoweit rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Grundlage der Abschiebungsandrohung ist § 59 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Hiernach ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar und die Ausreisefrist abgelaufen sind. Die Antragstellerin ist gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da sie über keinen Aufenthaltstitel mehr verfügt. Ihr zuletzt ausgestellter Aufenthaltstitel ist am 30. September 2018 abgelaufen (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Die Ausreisepflicht der Antragstellerin ist auch vollziehbar. Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist die Ausreisepflicht vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels vollziehbar ist. Die mit Bescheid vom 18. September 2019 in Ziffer 1 erfolgte Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels ist kraft Gesetzes (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) sofort vollziehbar.
bb) Angesichts der geringen Erfolgsaussichten in der Hauptsache fällt die vor liegend anzustellende Interessenabwägung zu Ungunsten der Antragstellerin aus. Überwiegende Interessen, die trotz der geringen bzw. fehlenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine Entscheidung zu ihren Gunsten rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Es erscheint ihr zumutbar, bereits vor einer rechtskräftigen Entscheidung über den Aufenthaltstitel in die Russische Föderation auszureisen. 3. Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Antragstellerin hat als unterlegener Teil die Verfahrenskosten zu tragen.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskosten gesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5, 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
5. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Eilantrag war abzu lehnen, weil vorliegend keine hinreichenden Erfolgsaussichten des Antrags gegeben sind.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Gemessen daran konnte dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entsprochen werden, da der durch die Antragstellerin gestellte Antrag erfolglos geblieben ist (siehe oben).