Verwaltungsrecht

Mangelnde Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  7 ZB 16.197

Datum:
27.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 47048
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1 Allein mit dem Hinweis auf den im Umfang einer Entscheidung gesehenen Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts ist eine zur Berufungszulassung führende rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeit der Rechtssache nicht dargelgt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass ein Gericht von ihm entgegengenommenes Vorbringen auch in seine Erwägungen einbezogen hat, erfordert die Darlegung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs die Benennung deutlicher gegenteiliger Anhaltspunkte. (redaktioneller Leitsatz)
3 Stellt ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag, kann er eine Verletzung der Aufklärungspflicht mit der Berufungszulassung nur geltend machen, wenn er darlegt, warum sich dem Gericht eine Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 K 14.565 2015-11-19 Endurteil VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag ist bereits unzulässig, weil die behaupteten Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden sind.
Der Kläger macht zunächst den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend. Er weist zur Begründung auf den Begründungsaufwand des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils hin und nimmt auf die folgende umfangreiche Antragsbegründung Bezug, der sich nicht entnehmen lässt, welche Zulassungsgründe im Einzelnen dargelegt werden sollen.
Allein der Hinweis auf den im Umfang der Entscheidung gesehenen Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts vermag tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache nicht darzulegen. Die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts sind zwar umfangreich, jedoch liegt das nicht an einem erhöhten Argumentationsaufwand, sondern vielmehr an einer ausführlichen Darstellung der rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Aufhebung von Prüfungsentscheidungen und der eingehenden Behandlung einer Vielzahl von Rügen. Ein erhöhter Begründungsaufwand in dem Sinn, dass eine Vielzahl von Argumenten herangezogen und gegeneinander abgewogen worden ist, kann der Antragsbegründung nicht entnommen werden. Das durchschnittliche Niveau von prüfungsrechtlichen Verfahren übersteigende tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten lassen sich der Antragsbegründung auch im Übrigen nicht entnehmen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Kritik an den einzelnen Prüfungen mit den Gegenständen Unternehmungsgründung, Haushaltsmanagement, Gesprächsführung sowie Erziehung und Familie. Insoweit wird an Aufgabenstellung und Bewertung in der Art einer Berufungsbegründung Kritik geübt, ohne dass hierbei ein Bezug zu einem der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO erkennbar wäre. Ehestens wäre das noch im Hinblick auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO der Fall, der allerdings nicht geltend gemacht worden ist.
Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, wurde ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Hierzu ist es erforderlich, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ihre Entscheidungserheblichkeit für den Rechtsstreit ausführt, die Klärungsbedürftigkeit der Frage erläutert und darlegt, warum die Frage über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Diesen Anforderungen entspricht die schlichte Behauptung, die Berufung sei zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, in keiner Weise.
Ebenso wenig wurden Verfahrensmängel als Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise dargelegt. Ausdrücklich nennt der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und sinngemäß eine Verletzung der Aufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts gemäß § 86 Abs. 1 VwGO.
Weder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch die Verletzung der Aufklärungspflicht wird allein dadurch den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargelegt, indem mit der Behauptung, das Gericht sei darauf nicht eingegangen, umfangreich der Vortrag im ersten Rechtszug einschließlich der Beweisangebote wiederholt wird. Wenn das Gericht auf ein Vorbringen eines Beteiligten in seiner Entscheidungsbegründung nicht ausdrücklich eingeht, so bedeutet das nicht automatisch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass ein Gericht von ihm entgegengenommenes Vorbringen auch in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur bei Vorliegen deutlich gegenteiliger Anhaltspunkte kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör angenommen werden (Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 32). Solche Anhaltspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Hinblick auf eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO ist darüber hinaus vorzutragen, welche Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten und weshalb eine unterbliebene Beweisaufnahme sich hätte aufdrängen müssen oder womit in der mündlichen Verhandlung auf die Aufklärung hingewirkt worden ist. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass sich ein Beteiligter insoweit nicht auf die Verletzung der Aufklärungspflicht berufen kann, als er in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt hat. In diesem Fall wäre darzulegen, inwieweit sich die Beweiserhebung dem Gericht hätte aufdrängen müssen (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 74 f.). Solche Darlegungen können der Antragsbegründung jedoch nicht entnommen werden.
Nicht geeignet zur Darlegung von Verfahrensmängeln sind Rügen im Hinblick auf die sachliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts, hier, dass das Verwaltungsgericht Fehler im Prüfungsablauf und insbesondere Verstöße der Prüfer gegen Prüfungsmaßstäbe, Chancengleichheit, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie eine Verletzung des Fairness- und Sachlichkeitsgebots unzutreffend gewürdigt habe (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 48).
Der Kläger hat mit diesen Rügen, insbesondere aber seiner Kritik an der Bewertung der einzelnen Prüfungsaufgaben, auch nicht den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, nämlich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht. Er hat diesen Zulassungsgrund in der Antragsbegründung nicht erwähnt. Dieser lässt sich ferner nicht entnehmen, dass der Zulassungsgrund sinngemäß geltend gemacht wird. Denn auch insoweit wird lediglich der erstinstanzielle Vortrag wiederholt und behauptet, das Verwaltungsgericht habe sich damit nicht auseinandergesetzt.
Unabhängig davon lassen sich den Darlegungen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vom 19. November 2015 entnehmen.
Weder der – zugegebenermaßen etwas einfältigen – Bemerkung hinsichtlich der Formulierung des Klägers, dass in Familien Kinder „erzeugt“ würden, noch der Anspielung bei der Begründung der Bewertung der Prüfungsaufgabe zum Thema „Unternehmungsgründung“ auf den Titel des vom Kläger vorgestellten Projekts: „Den Tag zur Nacht machen und viel mehr …“ mit der Begründung, dass sich auch durch Nachfragen kein Licht habe ins Dunkel bringen lassen, kann eine Voreingenommenheit der Prüfer gegenüber dem Kläger entnommen werden.
Die Rüge, das Bestehen der Prüfung dürfe nicht an einem „Misserfolg“ in einer Teilprüfung gemessen werden, vielmehr sei die insgesamt erbrachte Leistung maßgebend, greift nicht durch, denn die vom Kläger hier aufgeworfene Problematik unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das sich mit Mindestbestehensregelungen beim Antwortwahlverfahren in ärztlichen Prüfungen befasst, ist mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Prüfungsanmerkungen und die zusammenfassende Bewertung in der Aktennotiz vom 14. Januar 2013 (S. 203 f. der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen) hinsichtlich des Prüfungsgegenstands „Unternehmensgründung“ nachvollziehbar. Sie müssen insbesondere nicht übereinstimmen. Vielmehr ist die Aktennotiz eine zusammenfassende Bewertung, während die handschriftlichen Prüfungsnotizen den unmittelbaren Eindruck wiedergeben. Die zusammenfassende Bewertung und die Prüfungsnotizen widersprechen einander nicht. Mit seiner Einschätzung, er habe mindestens eine ausreichende Leistung erbracht, setzt der Kläger unzulässiger Weise seine Bewertung an die der dazu berufenen Prüfer.
Hinsichtlich des Prüfungspunkts „Haushaltsmanagement“ ist dem Kläger zuzugeben, dass die Antworten der Musterlösung nicht zwingend sind. Sie zeigt aber die mit der Prüfungsaufgabe beabsichtigte Problemstellung auf und gibt somit Anhaltspunkte für die Bewertung. Willkür ist bei der Bewertung nicht erkennbar. Auch hier setzt der Kläger seine eigene Einschätzung der Prüfungsleistung unzulässiger Weise an die Stelle derjenigen der hierzu berufenen Prüfer.
Handschriftliches Prüfungsprotokoll und die schriftliche zusammenfassende Bewertung der Prüfung hinsichtlich des Prüfungspunkts „Gesprächsführung“ widersprechen sich nicht. Die auf Juli 2013 datierte zusammenfassende Bewertung ist auch zeitnah zur Prüfung am 4. Juli 2013 verfasst worden. Die Prüfungsanmerkungen sind nachvollziehbar, eine Differenzierung danach, welcher Prüfer welche Meinung hierzu geäußert hat, ist zumindest dann nicht erforderlich, wenn sie sich – wie hier – offenkundig einig sind. Wie schon hinsichtlich der vorhergehenden Prüfungspunkte setzt der Kläger mit der Behauptung, eine mindestens ausreichende Leistung erbracht zu haben, seine Bewertung an Stelle derjenigen der dazu berufenen Prüfer.
Gleiches gilt hinsichtlich des Prüfungspunkts „Erziehung und Familie“. Die Aufgabenstellung mit den einzelnen Fragen ist durchaus konkret. Die Musterlösung zu den jeweiligen Einzelfragen ergibt brauchbare Hinweise zur Bewertung der jeweiligen Antworten.
Soweit die Antragsbegründung auf einen Pressebericht Bezug nimmt, wird nicht deutlich gemacht, inwieweit daraus erkennbar sein soll, dass verfahrensfremde Gründe wesentlich gewesen sein sollen, den Kläger durchfallen zu lassen. Nach dem Pressebericht hat die Beklagte im Einzelnen nicht Stellung genommen. Der Redakteur hat sich offenkundig hauptsächlich auf den Vortrag des Klägers gestützt.
Wie schließlich der Widerspruchsbescheid vom 3. April 2014 zeigt, hat die Beklagte auch dem Anspruch des Klägers auf Überdenken der Bewertung der Prüfungsleistungen (vgl. hierzu Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 786 ff.) Rechnung getragen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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