Verwaltungsrecht

Mangelnde Reife eines Polizeimeisteranwärters

Aktenzeichen  B 5 K 18.670

Datum:
10.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53039
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BPolBG § 2
BBG § 37 Abs. 1 S. 1
StGB § 86a
StPO § 170 Abs. 2
VwVfG § 28 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die fristlose Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf durch Bescheid vom 10.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) In Bezug auf die formelle Rechtmäßigkeit begegnet der streitgegenständliche Bescheid keinen Bedenken.
Der Kläger ist ordnungsgemäß nach § 28 VwVfG angehört worden. Soweit er schriftsätzlich gerügt hat, dass eine Anhörung zu dem in die Bescheidsbegründung eingeflossenen Persönlichkeits- und Leistungsbild nicht stattgefunden habe, ist dieser Mangel jedenfalls im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gemäß § 45 VwVfG geheilt worden.
Gleichstellungsbeauftragte und Personalrat sind gemäß § 27 Abs. 1 Nummer 1e) des Bundesgleichstellungsgesetzes (BGleiG) und § 78 Abs. 1 Nummer 4, Abs. 2 Satz 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) beteiligt worden und haben mit Schreiben vom 03.07.2017 und 06.07.2017 jeweils mitgeteilt, dass keine Einwände erhoben werden.
b) Auch in materieller Hinsicht ist die Entlassungsverfügung rechtmäßig.
(1) Rechtsgrundlage für die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist § 2 BPolBG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 BBG. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG können Beamtinnen und Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Es genügt zur Rechtfertigung der Entlassung jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267 f.).
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.7.2004 – 2 B 11152/04 – NVwZ-RR 2005, 253), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst – wie hier – für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 17 m.w.N.). Die Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6).
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn – mit Blick auf den Kläger also des (mittleren) Polizeivollzugsdienstes – nicht gerecht wird. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 Satz 1 BBG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267 f.; BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 20). Berechtigte Zweifel können sich sowohl aus dienstlichem, als auch außerdienstlichem Verhalten des Beamten oder aus sonstigen Umständen ergeben. Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig, ist aber im Umkehrschluss umso eher möglich, wenn ein Dienstvergehen vorliegt.
§ 37 BBG ermöglicht in der Gesamtschau eine leichte Lösbarkeit des Beamtenverhältnisses auf Widerruf. Dies entspricht dem Wesen dieses Beamtenverhältnisses als Ausbildungsverhältnis. Die Grundkonzeption dieses Beamtenverhältnisses ist nicht darauf gerichtet, über das Ende des Vorbereitungsdienstes hinaus irgendwelche objektiv-rechtlichen Verpflichtungen, Soll-Vorschriften oder gar subjektiv-rechtlichen Rechts- bzw. Anwartschaftspositionen für den Widerrufsbeamten für ein Fortsetzen des Dienstverhältnisses zu begründen (Hebeler in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Auflage 2017, § 37 Rn. 2).
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (OVG NW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4).
(2) Gemessen daran begegnet die Entlassungsverfügung der Beklagten keinen durchgreifenden Bedenken. Die Bundespolizeiakademie hat ihre Entscheidung auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt (dazu unter aa)) und daraus unter Wahrung der Grenzen ihres Beurteilungs- und Ermessensspielraums begründete Zweifel an der persönlichen und charakterlichen Eignung des Klägers abgeleitet (dazu unter bb)). Die Zweifel sind so erheblich, dass sie die fristlose Entlassung rechtfertigen (dazu unter cc)).
aa) Die Beklagte hat den der Entlassung zugrunde liegenden Sachverhalt ausreichend ermittelt. Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Nach Abs. 2 hat die Behörde dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Ergänzend legt § 26 Abs. 1 VwVfG fest, dass sich die Behörde der Beweismittel bedient, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann dafür u.a. Auskünfte jeder Art einholen, Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen.
Gemessen an diesen Vorschriften begegnet die Vorgehensweise der Beklagten keinen Bedenken. Bei Rückgriff auf die strafrechtlichen Vernehmungsprotokolle hat sie erkennbar keine strafrechtlichen Maßstäbe angelegt, sondern lediglich die bloße Sachverhaltsdarstellung der einvernommenen Zeugen übernommen und einer eigenen, beamtenrechtlichen Wertung unterzogen. Dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, führt nicht zur Unverwertbarkeit der dort gewonnenen Erkenntnismittel. Die Durchführung weiterer Ermittlungen, insbesondere nach disziplinarrechtlichen Vorschriften, war im Rahmen von § 37 BBG nicht geboten.
bb) Aufgrund der so getroffenen Feststellungen durfte die Bundespolizeiakademie davon ausgehen, dass ein Entlassungsgrund in Form berechtigter Zweifel an der persönlichen, insbesondere charakterlichen Eignung des Klägers für den Bundespolizeivollzugsdienst vorliegt.
In das Beamtenverhältnis darf nach § 7 Abs. 1 Nummer 2 BBG nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG gehört es zu den Grundpflichten eines Beamten, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Die Verfassungstreuepflicht ist ein hergebrachter und zu beachtender Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG und zudem ein Merkmal der persönlichen Eignung im Sinn von Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. Battis in: Battis, Bundesbeamtengesetz, 5. Aufl. 2017, § 7 Rn. 10 ff. m.w.N.).
Ein (weiterer) Unterfall der persönlichen Eignung ist die charakterliche Eignung. Hierfür ist die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Das erfordert eine – dem Dienstherrn vorbehaltene und von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbare – wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen (BVerwG, B.v. 20.7.2016 2 B 17.16 – juris Rn. 26; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174.18 – juris Rn. 10).
Berechtigte Zweifel an der persönlichen, charakterlichen Eignung des Klägers für den Dienst als Bundespolizist ergeben sich zum einen aus dem Vorfall vom 01.09.2016 selbst, verstärkt noch durch das Verhalten des Klägers im Nachgang zu dem Vorfall, und zum zweiten aus dem Persönlichkeits- und Leistungsbild des Klägers.
Der am 01.09.2016 vom Kläger in der Gemeinschaftsunterkunft der Polizeimeisteranwärter unstreitig getätigte Ausruf „Sieg Heil“ hat einen offenkundigen nationalsozialistischen Symbolgehalt. Er erfolgte zwar nicht öffentlich – und war damit nicht strafbar gem. § 86a Abs. 1 Nummer 1 StGB -, aber im Beisein zweier anderer Polizeimeisteranwärter und so laut, dass die Ausbilderin und Zeugin, PHMin …, wie sie im Rahmen ihrer Zeugeneinvernahme glaubhaft angegeben hat, ihn durch die geschlossene Zimmertüre hören konnte. Zunächst behauptete der Kläger, lediglich einen Vorfall auf dem Erlanger S.platz wiedergegeben zu haben. Davon rückte er im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens ab. Nach Ansicht seiner Kollegen erfolgte der Ausruf ohne jeden Zusammenhang. Entsprechendes erklärten sie übereinstimmend und glaubhaft im Rahmen ihrer Zeugeneinvernahme in der mündlichen Verhandlung.
Die Äußerung des Klägers ist geeignet, das Vertrauen der Bürger in die Integrität der Amtsführung zu beschädigen und Zweifel an seiner Verfassungstreue zu begründen, weil sie den Eindruck ideologischer Nähe zum Nationalsozialismus erweckt. Wer im Polizeidienst, noch dazu mit lauter Stimme, Ausdrücke verwendet, die zweifelsfrei dem nationalsozialistischen Bereich zuzuordnen sind, ist nicht geeignet dem Bürger bzw. der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass er sich uneingeschränkt den Werten des Grundgesetzes verpflichtet fühlt und jederzeit bereit ist, für die demokratische Grundordnung einzutreten.
Der laute Ausruf der Parole stellt sogar ein nicht unerhebliches Dienstvergehen dar, auch wenn er außerhalb der Dienstzeit, allerdings innerhalb einer dienstlichen Unterkunft gegenüber Anwärterkollegen, erfolgt ist. Der Kläger hat damit gegen die ihm nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG obliegende Pflicht verstoßen, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns ist er verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Vereinigungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine Dienstpflichtverletzung dar (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.2001 – 1 DB 15.01 – NVwZ 2001, 1410/1412; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 14.6.2013 – OVG 6 S 1.13 – juris Rn. 36). Eine solche muss sich der Kläger vorhalten lassen. Dass der laute „Sieg Heil“-Ruf unabhängig von den tatsächlichen politischen Einstellungen des Klägers den Schein der Sympathie für den Nationalsozialismus hervorruft, war für ihn erkennbar. Nach eigener Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung war ihm der Bezug dieser Parole zum Nationalsozialismus aus dem Schulunterricht bekannt.
Die Umstände, die der Kläger zur Erklärung des getätigten Ausrufs anführt, begründen keine andere Bewertung. Der Kläger trägt zum einen vor, er sei durch das Erleben des ersten Tages und emotional durch eine jugendliche Stimmungslage geprägt gewesen. Der Ausruf sei aus jugendlicher Naivität und der Aufregung der vielen neuen Eindrücke heraus erfolgt. Dies lässt den Ausruf allerdings insofern nicht in besserem Licht erscheinen, als sich dann die Frage aufdrängt, weshalb der Kläger in der für ihn noch ungewohnten Umgebung ein derartiges Maß an Unbedachtheit an den Tag gelegt hat und nicht vielmehr bemüht gewesen ist, ein positives Bild von sich zu vermitteln. Der Verweis auf jugendlichen Leichtsinn legt eher Zweifel an der geistigen Reife des Klägers nahe, als dass er geeignet wäre, den Ausruf zu rechtfertigen. Insbesondere haben die gleichaltrigen Kollegen PMA … und PMA … die Tragweite des Vorfalls sofort erkannt und deutlich ernster genommen als der Kläger. Von einem angehenden Polizeibeamten, der die Werte des Grundgesetzes zu schützen und zu achten hat, muss erwartet werden können, dass er die deutsche Geschichte verinnerlicht hat und ein Bewusstsein für die Tragweite eines Ausrufs, wie ihn der Kläger selbst getätigt hat, besitzt, geschweige denn, dass er leichtfertig nationalsozialistisches Wortgut verwendet. Im Übrigen mindert es auch den Ansehens- und Vertrauensverlust der Bundespolizei in der Öffentlichkeit allenfalls unwesentlich, wenn eine nationalsozialistische Grußformel nicht aus einer entsprechenden Gesinnung, sondern schierer Unüberlegtheit heraus getätigt wird.
Der zweite Ansatz des Klägers geht dahin, dass er mit der Äußerung eine architekturkritische Bemerkung über das seinem Eindruck nach sehr altmodische, heruntergekommene Erscheinungsbild des Gebäudes, das ihn an die Kriegs- und Nachkriegszeit erinnert habe, habe tätigen wollen. Das widerspricht der glaubhaften und widerspruchsfreien Darstellung durch die Zeugen … und …, wonach es sich um einen spontanen, völlig zusammenhanglosen Ausruf gehandelt habe. Die Zeugen konnten bei ihrer Befragung auch einen auffällig heruntergekommen Eindruck des Gebäudes nicht bestätigen. Außerdem würde selbst eine berechtigte Architekturkritik nicht die Verwendung einer nationalsozialistischen Parole durch jemanden rechtfertigen, der sich als Polizeimeisteranwärter dem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat verpflichtet hat.
Das Verhalten des Klägers im Nachgang zu dem Ausruf am 01.09.2016 vertieft die Zweifel an seiner charakterlichen Eignung, weil er nicht umgehend aktiv zur Aufklärung beitrug und sich nicht mit dem Vorfall selbstkritisch auseinandersetzte. Stattdessen verwendete er zunächst eine wahrheitswidrige Ausrede, in die er auch noch seinen Kollegen … einbezog, dem daraus disziplinarrechtliche Konsequenzen erwuchsen. Von der Ausrede rückte der Kläger auch nicht freiwillig ab, sondern erst, als er erfahren hatte, dass PMA … im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung mehrere Wochen später bereits wahrheitsgemäß ausgesagt hatte. Aus diesem Verhalten heraus verstärkt sich der Eindruck, dass der Kläger Tragweite und Folgen seines Handelns über die Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens hinaus nicht überblickt hat und der Angelegenheit nicht mit dem nötigen Ernst und der erforderlichen Selbstreflektion begegnet ist. Ein selbstkritischer und aufrichtiger Umgang mit eigenen Fehlern kann und muss aber von angehenden Bundespolizisten erwartet werden. Ein entsprechendes Verantwortungsbewusstsein lag beim Kläger offenbar nicht vor.
Weitere Zweifel an der persönlichen, charakterlichen Eignung des Klägers ergeben sich aus dem in der Entlassungsverfügung dargelegten und anhand einer Reihe konkreter Umstände belegten Persönlichkeits- und Leistungsbild des Klägers. Die teilweise mangelnde Distanz- und Respektlosigkeit gegenüber Ausbildern und Vorgesetzten, aber auch gegenüber Mitschülern, sowie die mangelhaften Prüfungsleistungen stützen die Prognose, dass der Kläger auf Dauer der von ihm als Polizeivollzugsbeamten erwarteten Loyalität, Zuverlässigkeit, Belastbarkeit und Dienstauffassung nicht genügen würde. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Seine Schilderung, dass er keine Unterstützung ob mangelhafter Prüfungsergebnisse erhalten habe, dass er unfair behandelt worden sei und in den Akten notierte Gespräche mit den Ausbildungsleitern so nicht stattgefunden hätten, widerspricht den Aufzeichnungen des BPOLAFZ und der glaubhaften Aussage des Ausbildungsleiters …, der das Gericht folgt. Die genauen Abläufe während der Ausbildungszeit des Klägers bleiben insofern offen. Aber selbst wenn der Kläger infolge des – selbst verschuldeten – Vorfalls vom 01.09.2016 im Vergleich zu seinen Kollegen strenger behandelt worden sein sollte und im Fokus der Ausbilder gestanden haben sollte, so hätte er diese Umstände als Ansporn zur Besserung und Rehabilitation verstehen müssen und nicht mit deutlich eingeschränkter Leistung reagieren dürfen. Soweit der Kläger vorträgt, seine schlechten Leistungen würden auch darauf beruhen, dass er ab dem Frühjahr 2017 von einzelnen Ausbildungseinheiten ausgeschlossen, auf sein Zimmer oder in die Kleiderkammer geschickt und zum Unterricht dann nicht wieder hinzugebeten worden sei, widerspricht dem der Umstand, dass sich seine Prüfungsleistung konstant auf sehr niedrigem Niveau befand. Auch in dem ersten halben Jahr der Ausbildung, in dem er noch voll am Unterrichtsgeschehen teilnehmen durfte, hatte er keine genügenden Prüfungsergebnisse erbracht. Ein Leistungsknick erst nach dem teilweisen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte war nicht feststellbar. Es konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Zwischen- und Abschlussprüfung bestehen würde, sodass zur fehlenden charakterlichen noch Zweifel an der fachlichen Eignung hinzutraten. Eine besondere Förderung musste ihm das BPOLAFZ nicht angedeihen lassen. Im Rahmen einer Ausbildung wird zulässigerweise von den Bewerbern Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit verlangt. Auch das Vorbringen, der Kläger habe psychische Probleme aufgrund der als erniedrigend empfundenen Arbeit in der Kleiderkammer erlitten, könnte sein durchweg negatives Persönlichkeits- und Leistungsbild bestenfalls ab dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte im Juni 2017 erklären, der von PHK … verfasste Bericht stammt aber schon vom 12.02.2017. Überdies haben Aufräum- und Putzarbeiten – mögen sie auch als unangenehm empfunden werden – nicht per se diskriminierenden Charakter.
cc) In der Gesamtschau ergeben sich aus dem Vorfall vom 01.09.2016, dem Verhalten des Klägers in der Folgezeit und seinem Persönlichkeits- und Leistungsbild erhebliche Zweifel an der persönlichen, charakterlichen Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder Lebenszeit entgegenstehen würden. Die Zweifel besitzen durch das Zusammentreffen der oben genannten Gesichtspunkte ein solches Gewicht, dass es gerechtfertigt war, den Kläger in Ausnahme zu der Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf fristlos zu entlassen, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nummer 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung von Vollstreckungsschutz bedurfte es aufgrund der allenfalls geringen vollstreckbaren Aufwendungen der Beklagten nicht.

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