Aktenzeichen AN 4 K 17.01003
HKaG § 27, § 29, § 30, § 31, § 33 Abs. 4, Abs. 5
Leitsatz
1 Besteht – hier durch Einreichen der Unterlagen für unstreitig berücksichtigungsfähige Weiterbildungszeiten als Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ – eine einfachere und effektivere Möglichkeit zum Erreichen des Klagebegehrens, fehlt für die letztlich auf die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage gerichtete Klage das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. (Rn. 24 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Ausbildung im Sinne von § 10 WO ist nicht zwingend ein hierzu ermächtigter Weiterbilder erforderlich; bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit handelt es sich vielmehr um einen einen gerichtlich voll nachprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriff. (Rn. 34 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die Klage ist bereits unzulässig. Der Kläger hat kein rechtlich schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung über die Anrechnungsfähigkeit der in Streit stehenden sechs Monate Weiterbildungszeit zwischen Dezember 2003 und Dezember 2005. Um die Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ zu erlangen, ist der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen nicht auf die Anerkennung der in Streit gestellten Fortbildungszeit angewiesen (1.). Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet, da vorliegend keine Umstände zugunsten der Anerkennung einer abweichenden Weiterbildung ersichtlich sind (2.).
1. Der Kläger hat zum Zeitpunkt der Entscheidung kein rechtlich schützenswertes Interesse daran, dass die Beklagte ihm sechs Monate der Weiterbildungszeit aus seiner Tätigkeit in der Inneren Medizin im … vom 1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2005 auf die Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ anerkennt.
Für jedes Rechtsschutzbegehren muss ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis vorliegen (BVerfGE 61, 126, (135)). Das Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, wenn der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtschutzes hat. Hiervon ist grundsätzlich auszugehen. Das Rechtsschutzbedürfnis ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände zu hinterfragen, die auf einen Missbrauch prozessualer Rechte schließen lassen. Das Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte lässt sich dabei auf den Grundsatz von Treu und Glauben zurückführen. Der Rechtsschutzsuchende soll von seiner Rechtsschutzmöglichkeit dann keinen Gebrauch machen können, wenn sich die Inanspruchnahme der Gerichte als unnötig oder rechtsmissbräuchlich erweist. (Bade/Funke-Kaiser/Stuhlfauth, Verwaltungsgerichtsordnung, 6. A. 2014, Vor. §§ 40 ff. VwGO, Rn. 24 unter Hinweis auf BVerwGE 81, 164 f.). Dies zugrunde gelegt hat der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an gerichtlichem Rechtsschutz, da der Kläger auf die Feststellung der geltend gemachten Anrechnungszeiten im Ergebnis nicht angewiesen ist.
Dem Kläger geht es sachlich letztendlich darum, die Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ zu führen. Der Bescheid vom 19. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 2015 basiert auf der Vorschrift des Art. 33 Abs. 5a des Gesetzes über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz – HKaG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 2002, GVBl. S. 42, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. April 2017, GVBl. S. 78). Nach Satz 1 der Vorschrift bestätigt die Landesärztekammer den Antragstellenden binnen eines Monats den Eingang der Unterlagen und teilt ihnen gegebenenfalls mit, welche Unterlagen fehlen. Innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrags mit den vollständigen Unterlagen muss die Entscheidung durch rechtsmittelfähigen und begründeten Bescheid getroffen werden (Satz 2). Der Kläger begehrt in seiner Klage die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung seiner Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ unter Berücksichtigung von sechs Monaten Weiterbildungszeit zwischen 2003 und 2005. Sprachlich verkürzend sprechen die Beteiligten zumeist über die „Anerkennung der Weiterbildungszeiten“. Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger anerkennungsfähige Zeiten bewusst nicht nachweist um vorliegende Klage zu führen. Insoweit kann insbesondere auf die Niederschrift zum Erörterungstermin verwiesen werden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Klage müssen im Zeitpunkt der Sachentscheidung vorliegen. Entgegen des klägerischen Vorbringens zum Hintergrund seiner Klageerhebung ergibt sich nichts anderes aus der Zeit, die seither verstrichen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 20. A., Vor §§ 40, Rn. 2). Vorliegend ist stattdessen der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend. Der Kläger wurde hierauf und auf die Möglichkeit der Klagerücknahme auch hingewiesen.
Auf die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage besteht grundsätzlich kein Anspruch. Das Führen eines Rechtsstreits „aus Prinzip“, das heißt in diesem Zusammenhang aufgrund einer tiefen moralischen Überzeugung, wird vom verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem nicht generell missbilligt. Vielmehr richtet sich die Zulässigkeit einer solchen Klage nach den allgemeinen Voraussetzungen. Diese liegen im konkreten Fall nicht vor, da der Kläger eine einfachere und effektivere Möglichkeit (Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. A., vor § 40 Rn. 12), das letztendliche Ziel, die Erlaubnis zum Führen der Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ zu erreichen, hat. Diese besteht in dem Einreichen der Unterlagen für die nach übereinstimmendem Parteienvortrag unstreitig berücksichtigungsfähigen Zeiten.
2. Die Klage ist im Übrigen auch unbegründet. Die Voraussetzungen unter denen eine Zusatzbezeichnung zu erteilen ist (lit. a) liegen im konkreten Fall unter dem Aspekt der Gleichwertigkeit jedenfalls nicht vor (lit. b).
a) Nach Art. 27 HKaG können Ärzte nach Maßgabe der Art. 28 bis 36 neben ihrer Berufsbezeichnung weitere Bezeichnungen führen, die (…) auf andere zusätzlich erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten (Zusatzbezeichnung) hinweisen.
Eine Bezeichnung nach Art. 27 HKaG darf führen, wer eine Anerkennung hierzu erhalten hat. Diese erhält der Arzt, der die vorgeschriebene Weiterbildung abgeschlossen hat (Art. 29 HKaG). Einzelheiten dieser Weiterbildung sowie das Anerkennungsverfahren sind in den Art. 30 bis 33 HKaG geregelt. Ferner kann die Kammer auf Grundlage des Art. 35 Abs. 1 HKaG eine Weiterbildungsordnung unter Beachtung der dort geltenden Mindestanforderungen erlassen. Anwendbar ist vorliegend die Weiterbildungsordnung in der Fassung der Beschlüsse vom 12. Oktober 2013 (WO 2013).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 WO 2013 setzt die Anerkennung voraus, dass die vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalte und Weiterbildungszeiten abgeleistet und die erforderliche Kompetenz in einer Prüfung nachgewiesen sind. Nach Art. 31 Abs. 1 HKaG erfolgt die Weiterbildung (für Bereiche i.V.m. der WO 2013) unter verantwortlicher Leitung hierzu ermächtigter Ärzte an einer Weiterbildungsstätte. Die Weiterbildungsordnung umfasst auch den Weiterbildungsgang in Bereichen, der zu einer Zusatzbezeichnung führen kann. Die Ermächtigung kann dabei nur erteilt werden, wenn der Arzt fachlich und persönlich geeignet ist (…), Art. 31 Abs. 2 HKaG. Die näheren Voraussetzung hierfür sind insbesondere in § 5 WO 2013 festgelegt. Nach dessen Abs. 3 ist der befugte Arzt insbesondere verpflichtet, die Weiterbildung persönlich zu leiten und grundsätzlich ganztägig durchzuführen sowie zeitlich und inhaltlich entsprechend dieser Weiterbildungsordnung zu gestalten und die Richtigkeit der Dokumentation der Weiterbildung (…) zu bestätigen.
Wer in einem von Art. 30 und 31 HKaG abweichenden Weiterbildungsgang eine Weiterbildung abgeschlossen hat, erhält auf Antrag die Anerkennung, wenn die Weiterbildung gleichwertig ist (Art. 33 Abs. 4 Satz 1 HKaG). Eine solche Gleichwertigkeit liegt vor, wenn die Grundsätze der Weiterbildungsordnung für den Erwerb der vorgeschriebenen ärztlichen Kompetenz im Hinblick auf Inhalte und Zeiten gewahrt sind (§ 10 Satz 2 WO 2013).
b) Der Kläger hat die Gleichwertigkeit seiner Weiterbildung nicht nachgewiesen. Art. 33 Abs. 4 Satz 1 HKaG lässt allein die durch berufliche Praxis gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen in den betroffenen medizinischen Bereichen nicht ausreichen. Nur eine systematische, strukturierte und hinreichend dokumentierte Weiterbildung ermöglicht eine Einschätzung der vermittelten Kompetenz und stellt sicher, dass die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten den Anforderungen der Weiterbildungsordnung entsprechen und der dort vorgesehenen regulären Weiterbildung gleichwertig sind (VGH München, B.v. 20.11.2013 – 7 ZB 13.1677 – juris. Rn. 11). Die vorgelegten Zeugnisse entsprechen diesen Voraussetzungen nicht. Eine strukturierte Weiterbildung konnte so nicht belegt werden.
Zutreffend trägt der Kläger nach Auffassung des erkennenden Gerichts indessen vor, dass für die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Ausbildung nicht zwingend ein hierzu ermächtigter Weiterbilder erforderlich ist. Weder aus der Weiterbildungsordnung 2013 noch aus dem Heilberufekammergesetz ergibt sich eine Beschränkung mit Blick auf die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Weiterbildung dahingehend, dass zwingend ein hierzu ermächtigter Arzt Weiterbilder sein muss. Dies ergibt sich nach Auffassung der erkennenden Kammer eindeutig aus der Vorschrift des Art. 33 Abs. 4 HKaG. Diese spricht vorliegend ausdrücklich „einem von Art. 30 und 31 HKaG abweichenden Weiterbildungsgang“. In Art. 31 HKaG ist die Ermächtigung des Weiterbilders geregelt.
Die von den Beteiligten zitierte Rechtsprechung – insbesondere des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – trifft hierzu keine gegenteiligen Aussagen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof spricht in seinem Beschluss vom 20. November 2013 (VGH München, a.a.O. – juris Rn. 13) davon, dass die erforderliche Qualifikation des Klinikleiters nicht nachgewiesen ist. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass die Anerkennung des gleichwertigen Weiterbildungsganges bereits dann ausgeschlossen ist, wenn der Weiterbilder nicht Inhaber einer entsprechenden Ermächtigung ist.
Die Beurteilung der Gleichwertigkeit dürfte als gerichtlich voll nachprüfbarer, unbestimmter Rechtsbegriff zu werten sein. Anhand der vom Kläger vorgelegten Unterlagen fehlt jeder Ansatzpunkt dafür, dass der Kläger eine mit einem ordentlichen Weiterbildungsgang vergleichbare Weiterbildung abgeschlossen hat. Die Anerkennung einer gleichwertigen Weiterbildung hat von der gesetzlichen Systematik her Ausnahmecharakter zu dem Regelfall, dass die Weiterbildung bei einem hierzu ermächtigten Weiterbilder erfolgt ist. Für die Beurteilung der Gleichwertigkeit müssten daher konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die die Anerkennung der Gleichwertigkeit rechtfertigen ohne zugleich die formale Ermächtigung zu verlangen. Hierfür liegen keinerlei Anhaltspunkte vor und es reicht insbesondere nicht der vom Kläger aufgestellte Umkehrschluss, dass die Nichtanerkennung der Gleichwertigkeit einer Infragestellung der persönlichen und fachlichen Eignung bedeute. Anhand der Sachlage ist hierzu nicht mehr zu sagen.
3. Damit war die Klage abzuweisen und dem Kläger als dem unterliegendem Teil die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, § 154 Abs. 1 VwGO.