Verwaltungsrecht

Meldeauflage für gewaltbereite Fußballanhänger

Aktenzeichen  10 ZB 16.68

Datum:
28.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 124694
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Art. 8 Abs. 1

 

Leitsatz

Gegenüber einer Meldeauflage für gewaltbereite Fußballanhänger kann ein Stadionverbot nicht als weniger belastendes, gleich geeignetes Mittel angesehen werden, wenn nach vorliegenden Erkenntnissen die Gefahr besteht, dass es vor allem auch bei der An- und Abreise der Fangruppen zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen kann, und der Wohn- bzw. Aufenthaltsort des Betroffenen vom Ort des (Sport-) Ereignisses beträchtlich entfernt ist. (Rn. 5 – 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 15.18 2015-11-27 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Fortsetzungsfeststellungsklage weiter, mit der die Rechtswidrigkeit des Bescheids der Beklagten vom 10. Dezember 2014 festgestellt werden soll. Mit diesem Bescheid war dem Kläger auferlegt worden, sich am 20. Dezember 2014 zu drei unterschiedlichen Uhrzeiten persönlich unter Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises bei einer Polizeiinspektion seines Wohnorts zu melden, und für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld angedroht worden.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die ausgesprochene Meldeauflage sei zutreffend auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 LStVG gestützt. Nach der maßgeblichen objektiven ex-ante-Sicht habe eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestanden. Die Beklagte habe auf der Grundlage der ihr von Seiten der Polizei zur Verfügung gestellten konkreten und nachvollziehbaren Erkenntnisse davon ausgehen dürfen, dass der Kläger dem Kreis der gewaltbereiten Fußballanhänger (sog. Hooligan-Szene) angehöre und hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass er sich an gewalttätigen Ausschreitungen anlässlich des bevorstehenden Fußballspiels 1. FC Nürnberg – SpVgg Greuther Fürth am 20. Dezember 2014 beteiligen werde.
Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme hat das Verwaltungsgericht unter anderem dargelegt, dass ein Stadionverbot alleine als milderes Mittel nicht ausreichend gewesen wäre, da es nach den damals vorliegenden Erkenntnissen vor allem auch im Zusammenhang mit der An- und Abreise der Fangruppen zu gewalttätigen Ausschreitungen habe kommen können und auch diese Gefahr sich als konkret im sicherheitsrechtlichen Sinne dargestellt habe. Der Vorfall vom 11. August 2014, bei dem aus einem fahrenden U-Bahn-Zug ein Feuerlöscher geworfen und die Zugführerin des entgegenkommenden Zuges verletzt worden sei, zeige dies mit aller Deutlichkeit. Auch ein Betretungsverbot für das Stadionumfeld erscheine nicht ausreichend. Die Beklagte habe zutreffend auch darauf abgestellt, dass es z.B. anlässlich der Begegnung am 11. August 2014 schon in der Sammlungsphase auf dem Nürnberger Hauptmarkt zu Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gekommen sei. Das Gericht teile nicht die Einschätzung des Klägers, dass die Beklagte zum milderen Mittel eines Betretungsverbots hätte greifen müssen. Eine solche Maßnahme wäre nicht ebenso effektiv gewesen, um Gefahren auch auf dem An- und Abreise Weg zuverlässig zu verhüten, zumal nicht ersichtlich sei, dass die konkreten Sammelpunkte und Reisewege von radikalen Fangruppen bekannt gewesen wären. Auch habe der Kläger anlässlich seiner Anhörung keine Umstände vorgetragen, die die Beklagte gegebenenfalls in die Lage hätten versetzen können, in eine weitere Prüfung einzusteigen. Vielmehr sei allgemein bekannt, dass anreisende Fangruppen teilweise schon im weiteren Umfeld des jeweiligen Stadions bzw. Spielortes getrennt werden und gewalttätige Auseinandersetzungen selbst auf Bahnhöfen und in Zügen vorkommen. Soweit darauf hingewiesen worden sei, dass sich der Kläger in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt außerhalb eines Stadions an solchen Ausschreitungen aktiv beteiligt hätte, möge dies zutreffen. Eine Erhöhung der konkreten Gefahr, die von gewaltbereiten Fans auf dem An- und Abreise Weg ausgehe, könne jedoch bereits darin liegen, dass der Betreffende durch seine Anwesenheit bei einer Gruppe von Hooligans das Geschehene billige und gleichsam psychisch unterstütze.
Der Kläger wendet hiergegen ein, dass das Urteil sich nicht mit der Frage auseinandersetze, ob das örtlich beschränkte Betretungsverbot im Vergleich zu der angegriffenen Meldeauflage ein milderes Mittel darstelle; dass diese das mildere Mittel sei, werde vom Gericht offenbar nicht in Frage gestellt. Allerdings werde nicht nachvollziehbar dargestellt, weshalb die Meldeauflage ein effektiveres Mittel sein sollte. Die Stadt Nürnberg und die Landeshauptstadt München bedienten sich in solchen Fällen eines Betretungsverbotes, obwohl deren Stadtgebiete weitaus größer seien als das der Beklagten.
Damit begründet der Kläger jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Es trifft nicht zu, dass in den Urteilsgründen nicht nachvollziehbar dargestellt werde, weshalb im vorliegenden Fall ein Betretungsverbot für die Umgebung des Nürnberger Stadions gegenüber der verfügten Meldeauflage ein (möglicherweise) ihn weniger belastendes, nicht aber gleich effektives Mittel gewesen wäre (vgl. Art. 8 Abs. 1 LStVG). Das Verwaltungsgericht hat überzeugend dargelegt, dass ein Betretungsverbot für die Umgebung des Nürnberger Stadions nicht verhindern könnte, dass sich die vom Kläger ausgehende Gefahr der Begehung oder Unterstützung von Gewalttaten auch auf der Anreise von dem eine beträchtliche Strecke von Nürnberg entfernten Wohnort des Klägers bzw. auf der Rückreise oder an den Sammelpunkten der gewaltbereiten Fußballfans beispielsweise in der Umgebung des Nürnberger Bahnhofs realisiert. Durch die angeordnete Meldeauflage wurde dagegen bereits verhindert, dass der Kläger im Zeitpunkt des fraglichen Fußballspiels seinen Wohnort verlassen und sich nach Nürnberg begeben konnte.
Dem steht nicht entgegen, dass – unterstellt, der klägerische Sachvortrag trifft zu – von der Stadt Nürnberg oder der Landeshauptstadt München in derartigen Fällen Betretungsverbote für den Umkreis des jeweiligen Fußballstadions angeordnet werden. Insofern ist bereits die Ausgangssituation anders. Bei Personen, die in Nürnberg bzw. München wohnhaft sind, könnte durch Meldeauflagen nicht ausgeschlossen werden, dass diese trotz vorgeschriebener Meldungen bei einer Polizeiinspektion aufgrund der räumlichen Nähe sich in das Stadion oder in dessen Nähe begeben und dort Gewalttaten begehen oder unterstützen könnten; daher ist bei diesem Personenkreis wohl (nur) ein Betretungsverbot ein effektives Mittel der Gefahrenabwehr.
Eventuelle in seiner Person liegende Gründe, die dazu führen könnten, ein Betretungsverbot für den Umkreis des Nürnberger Stadions gegenüber den verfügten Meldepflichten im konkreten Fall als den Kläger weniger belastend, aber zur Gefahrenabwehr gleich wirksam anzusehen – etwa dass er beabsichtigte, sich an dem fraglichen Tag an einem ganz anderen Ort aufzuhalten oder dass er aus anderen Gründen daran gehindert war, den Weg nach Nürnberg anzutreten –, hat der Kläger weder im Rahmen seiner Anhörung im Verwaltungsverfahren noch während des gerichtlichen Verfahrens vorgetragen.
2. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
Die vom Kläger aufgeworfene Frage, „ob ein Betretungsverbot mit einer Bannmeilenregelung ein milderes Mittel und daher vorzuziehen gegenüber einer Meldeauflage bei einer örtlichen Polizeidienststelle ist“, ist nicht in einer über den Einzelfall hinausgehenden Weise grundsätzlich zu klären.
Die Frage, ob ein derartiges Betretungsverbot gegenüber einer Meldeauflage im Sinn des Art. 8 Abs. 1 LStVG ein milderes, aber zur Abwehr der inmitten stehenden Gefahr gleich geeignetes Mittel ist, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Die Beantwortung dieser Frage hängt – wie bereits ausgeführt – von den Umständen des jeweiligen Falles ab, insbesondere wie und wo sich die bestehende Gefahr zu realisieren droht, von der Entfernung des Wohn- bzw. Aufenthaltsortes des Betroffenen zum Ort des jeweiligen anlassgebenden (Sport-)Ereignisses und von in der Person des Betroffenen liegenden besonderen Umständen. Eine allgemeine und grundsätzliche rechtliche Klärung, welche Maßnahme im Einzelfall „vorzuziehen“ ist, ist nicht möglich.
Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen