Aktenzeichen 11 C 18.845
ZPO § 182 Abs. 1 S. 2, § 418 Abs. 1, Abs. 2
Leitsatz
Auf die Anzeige des Versicherers, dass keine Kfz-Haftpflichtversicherung besteht, ist die Behörde nach § 25 Abs. 4 S. 1 FZV verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen. Dies gilt auch dann, wenn die Mitteilung fehlerhaft ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 23 K 17.513 2018-03-12 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Der Kläger verfolgt mit der Beschwerde seinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für eine Klage gegen den Bescheid vom 4. Januar 2017 und die damit verbundenen Kostenentscheidungen weiter.
Am 4. Januar 2017 teilte die … … Versicherungs-Aktiengesellschaft dem Landratsamt L. … (im Folgenden: Landratsamt) mit, dass der Versicherungsschutz für das Fahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen … … am 22. Dezember 2016 geendet habe.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2017 drohte das Landratsamt dem Kläger die Außerbetriebsetzung seines Fahrzeugs wegen fehlenden Versicherungsschutzes nach § 25 Abs. 4 Fahrzeug-Zulassungsverordnung an. Es ordnete die sofortige Vollziehung an und drohte mit zwangsweiser Durchführung der Außerbetriebsetzung, sollte der Kläger nicht binnen drei Tagen Versicherungsschutz nachweisen oder das Fahrzeug selbst außer Betrieb nehmen. Für diesen Bescheid wurden eine Gebühr von 50 Euro sowie Auslagen in Höhe von 3,45 Euro festgesetzt. Gemäß der in der Behördenakte enthaltenen Postzustellungsurkunde hat die Zustellerin das Schriftstück am 7. Januar 2017 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt, da die Übergabe nicht möglich war.
Nachdem der Kläger nicht reagierte, vollzog die Polizeiinspektion L. am 14. Januar 2017 den Bescheid, entstempelte die Kennzeichenschilder und übersandte dem Landratsamt den Fahrzeugschein bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil I. Das Landratsamt setzte daraufhin mit Gebührenrechnung vom 16. Januar 2017 eine Gebühr von 80 Euro für die Zwangsmaßnahmen fest.
Das Verwaltungsgericht München hat über die am 8. Februar 2017 eingegangene Klage gegen den Bescheid vom 4. Januar 2017 und die damit verbundenen Kostenentscheidungen noch nicht entschieden. Den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. März 2018 abgelehnt. Es könne offen bleiben, ob die Klage fristgerecht eingereicht worden sei, denn sie habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Bescheid vom 4. Januar 2017 sei rechtmäßig. Auch die Kostenfestsetzung vom 16. Januar 2017 sei nicht zu beanstanden. Der Bescheid sei gemäß der Postzustellungsurkunde am 7. Januar 2017 zugestellt worden. Einen anderen Geschehensablauf habe der Kläger nicht nachgewiesen. Dies sei aber erforderlich, um die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde zu erschüttern. Er habe selbst eingeräumt, dass er den Brief vielleicht auch nur nicht wahrgenommen habe, da er eventuell von Werbung verdeckt gewesen sei. Den Briefumschlag, auf dem nach Angabe des Klägers kein Zustelldatum vermerkt gewesen sei, habe er nicht vorgelegt. Der zweite Klageantrag sei unzulässig, da schon nicht erkennbar sei, auf was er überhaupt abziele. Das Fahrzeug sei von der Polizei nicht sichergestellt worden und der Kläger habe es nach Abschluss einer neuen Versicherung wieder zugelassen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, der der Beklagte entgegentritt. Der Kläger macht geltend, die Erfolgsaussichten seiner Klage seien zumindest offen. Das Landratsamt habe Maßnahmen eingeleitet, ohne den Kläger zuvor anzuhören oder einen Bescheid zuzustellen. Im Wohnhaus des Klägers gingen regelmäßig Postsendungen verloren oder würden in falsche Briefkästen eingeworfen. Zum Beweis dafür legte der Kläger zwei Bestätigungen seiner Nachbarn und eine eidesstattliche Versicherung bei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Rechtssache keine hinreichenden Erfolgsaussichten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bietet und hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu Recht abgelehnt.
1. Die Klage gegen den Bescheid vom 4. Januar 2017 hat keine hinreichenden Erfolgsaussichten, da sie nicht fristgerecht eingereicht worden ist. Gemäß der Postzustellungsurkunde, die nach § 182 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen begründet, ist der Bescheid dem Kläger am 7. Januar 2017 zugestellt worden. Der Gegenbeweis ist zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO; BVerfG, B.v. 27.3.2001 – 2 BvR 2211.97 – NJW 2001, 1563; BVerwG, B.v. 27.9.2017 – 10 B 11.17 – juris Rn. 4). Er ist erbracht, wenn die Unrichtigkeit des Datums zur vollen Überzeugung des Gerichts feststeht; bloße Zweifel an der Richtigkeit des Zustellungsdatums genügen hingegen nicht (BVerwG, B.v. 27.9.2017 a.a.O. Rn. 4 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, denn der Kläger hat den Beweis der Unrichtigkeit des in der Postzustellungsurkunde vermerkten Zustelldatums nicht geführt. Weder hat er den Briefumschlag vorgelegt, von dem er behauptet hat, es sei kein Zustelldatum darauf vermerkt gewesen, noch beweisen gelegentliche Fehlwürfe von normalen Briefsendungen, dass zuzustellende Schriftstücke nicht ordnungsgemäß in die Briefkästen eingelegt werden. Der Kläger hat auch weder vor dem Verwaltungsgericht noch mit seiner eidesstattlichen Versicherung ausgeschlossen, dass er das Schriftstück zwischen den zahlreichen Werbesendungen, die er erhält, nicht sofort erkannt hat.
Im Übrigen ist der Bescheid auch rechtmäßig, denn nach § 25 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung vom Fahrzeugen zum Straßenverkehr vom 3. Februar 2011 (Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV, BGBl I S. 139), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2016 (BGBl I S. 1679), hat die Zulassungsbehörde das Fahrzeug unverzüglich außer Betrieb zu setzen, wenn sie durch die Anzeige eines Versicherers oder auf andere Weise erfährt, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht. Durch die Anzeige des Versicherers vom 4. Januar 2017 war die Zulassungsbehörde verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen. Erfolgte die Mitteilung fehlerhaft, kann nicht die Zulassungsbehörde dafür einstehen, sondern der Fahrzeughalter muss sich bei seinem Versicherer schadlos halten (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.1992 – 3 C 2.90 – BVerwGE 91, 109).
2. Auch die Klage gegen die Kostenfestsetzung vom 16. Januar 2017 hat keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Der Bescheid vom 4. Januar 2017 ist am 7. Januar 2017 zugestellt worden und ist rechtmäßig, da die Versicherung fehlenden Versicherungsschutz gemeldet hatte (s.o. Nr. 1). Die Androhung unmittelbaren Zwangs nach Art. 34 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) war auch zulässig, da die sofortige Vollziehung angeordnet war (Art. 29 VwZVG). Der Kläger hat die gesetzte Frist von drei Tagen verstreichen lassen, ohne die geforderten Maßnahmen zu ergreifen. Die mit Bescheid vom 4. Januar 2017 angedrohte zwangsweise Außerbetriebsetzung durfte daher durchgeführt werden und der Kläger ist als Veranlasser der Amtshandlung verpflichtet, die Kosten zu tragen.
3. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2 hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass dieser nicht hinreichend bestimmt ist. Es ist auch durch Auslegung nicht zu ermitteln, was der Kläger damit erreichen möchte. Mit seiner Beschwerdebegründung hat er ebenfalls nicht dargelegt, welche Bedeutung er diesem Klageantrag beimisst, sondern hat sich ausschließlich mit der Frage der ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheids befasst.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil für die Zurückweisung der Beschwerde nach dem hierfür maßgeblichen Kostenverzeichnis eine Festgebühr anfällt (§ 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Anlage 1 Nr. 5502).
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).