Verwaltungsrecht

Nachreichung der Begründung des Berufungszulassungsantrags in Asylverfahren

Aktenzeichen  11 ZB 17.31646

Datum:
2.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 507
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3, Abs. 4 S. 1, S. 2, S. 4
VwGO § 86 Abs. 2, § 108 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 5, § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Wird die Begründung des beim Verwaltungsgericht eingereichten Berufungszulassungsantrags in Asylverfahren nicht mit dem Antrag selbst verbunden, können die Gründe innerhalb der vorgesehenen Frist auch direkt beim VGH/OVG nachgereicht werden. (Rn. 2 – 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 K 16.31009 2017-09-27 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig, obwohl die Antragsbegründung innerhalb der Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen ist und weder gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG mit dem Antrag verbunden war noch beim Verwaltungsgericht nachgereicht worden ist. Aus § 78 Abs. 4 Satz 2 AsylG ergibt sich zwar, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung zwingend beim Verwaltungsgericht einzureichen ist. Wo die Gründe nachzureichen sind, wenn diese in zulässiger Weise (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2017 – 20 ZB 17.30609 – juris Rn. 2 m.w.N.) nicht mit dem Antrag verbunden werden, ist jedoch im Asylgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Deshalb kann diesbezüglich ergänzend § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO herangezogen werden (a.A. OVG NW, B.v. 16.11.2017 – 13 A 2517/17.A – juris Rn.1).
Darüber hinaus ist dem Klägerbevollmächtigten im vorliegenden Fall schon mit Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. November 2017, und damit weit vor Ablauf der Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG, der Eingang des Antrags und das Aktenzeichen beim Verwaltungsgerichtshof mitgeteilt worden (vgl. insoweit auch BT-Drs. 15/3482, S. 24, zur Änderung des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO im Hinblick auf die Fehleranfälligkeit der Vorgängerregelung). Da dem Verwaltungsgericht im Berufungszulassungsverfahren keine Abhilfemöglichkeit offen steht (§ 78 Abs. 5 AsylG) und die Verfahrensakten schon mit Schreiben vom 15. November 2017 an den Verwaltungsgerichtshof abgegeben worden waren, diente es auch der Verfahrensbeschleunigung, die Begründung direkt beim Verwaltungsgerichtshof einzureichen (vgl. OVG Hamburg, B.v. 1.7.2009 – 5 Bf 47/09.AZ – juris Rn. 10).
2. Der Antrag hat jedoch keinen Erfolg, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 und 3 AsylG) hinreichend dargelegt ist.
2.1 Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O., § 124a Rn. 72).
Diese Voraussetzungen erfüllt der Zulassungsantrag nicht. Die Kläger halten für grundsätzlich klärungsbedürftig, wie weit die im vorliegenden Fall ganz besonders vorliegenden Integrationsleistungen der Klagefamilie von der Beklagten zu berücksichtigen sind, ob für die Kläger Art. 4 GG gilt und dieser verletzt ist und wie die Lage in der Ukraine zu bewerten ist. Darüber hinaus besteht nach Ansicht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Bewertung ihrer Glaubwürdigkeit. Damit werden zum einen keine grundsätzlichen Fragen formuliert, sondern es wird nur die Bewertung der individuellen Umstände der Kläger durch das Verwaltungsgericht angegriffen. Zum anderen wird bei keiner der Fragen hinreichend aufgezeigt, weshalb sie im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sein soll und worin die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Es ist schon nicht ersichtlich, auf welchen Schutzstatus (§§ 3 oder 4 AsylG oder § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG) sich die für grundsätzlich gehaltenen Fragen überhaupt beziehen sollen. Eine grundsätzliche Bedeutung ist damit nicht hinreichend dargelegt.
2.2 Der geltend gemachte Verfahrensmangel nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO ist ebenfalls nicht ausreichend dargelegt (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) und liegt jedenfalls nicht vor.
Die Ablehnung von Beweisanträgen i.S.v. § 86 Abs. 2 VwGO verstößt dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn.10 m.w.N.). Dass ein solcher Fall hier vorliegt, haben die Kläger nicht aufgezeigt.
Sie haben in der mündlichen Verhandlung zum Beweis der Tatsache, dass es aktuell von Seiten der ukrainischen Regierung keinen Aufklärungswillen hinsichtlich des Attentats von Odessa vom 3. Mai 2014 gebe, hilfsweise die Einvernahme eines Sachverständigen nach Auswahl des Gerichts beantragt. Das Verwaltungsgericht hat diesen bedingten Beweisantrag im Urteil als unbehelflich abgelehnt, da die aus Sicht der Kläger beweisbedürftige Tatsache, nämlich der angeblich fehlende Aufklärungswillen der ukrainischen Regierung hinsichtlich der Ereignisse in Odessa im Mai 2014 keinerlei Relevanz für den zur Entscheidung stehende Fall habe.
Demgegenüber legen die Kläger auch mit ihrem Zulassungsantrag nicht dar, welchen Bezug die unter Beweis gestellte Tatsache zum vorliegenden Fall haben soll. Zwar wird ausgeführt, es gehe dabei um die Sicherheitslage in der Ukraine, es herrsche dort Bürgerkrieg und die üblichen staatlichen Aufgaben würden nicht ordnungsgemäß erfüllt. Es wird jedoch nicht ausgeführt, welche konkrete Verbindung zwischen dem angeblich fehlenden Aufklärungswillen des ukrainischen Staats hinsichtlich des Attentats von Odessa und den Lebensumständen der Kläger besteht, insbesondere weshalb sich daraus eine politische Verfolgung der Kläger, das Drohen eines ernsthaften Schadens oder ein Abschiebungsverbot ergeben soll. Selbst in Zusammenschau mit den Angaben des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2 bei der Anhörung vor dem Bundesamt, wo beide Schwierigkeiten mit ihren Nachbarn sowie der psychisch kranken Schwester und dem alkoholkranken Vater der Klägerin zu 2 und Probleme in der Schule der Kinder geschildert haben, da der Kläger zu 1 der Religionsgemeinschaft der Baptisten angehöre und die Familie zahlreiche Kinder habe, ist nicht ersichtlich, welchen Zusammenhang die unter Beweis gestellte Tatsache mit dem zu beurteilenden Sachverhalt hat.
Auch hinsichtlich der in der Begründung des Zulassungsantrags genannten weiteren Erkenntnismittel ist nicht ersichtlich, wie sich daraus eine politische Verfolgung der Kläger ableiten lassen soll.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
4. Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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