Verwaltungsrecht

Nachträgliche Nebenbestimmung zu einer wasserrechtlichen Erlaubnis zur Niederschlagswasserbeseitigung

Aktenzeichen  M 2 K 15.5308

Datum:
26.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG WHG § 13 Abs. 1, § 52 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Die nachträglich einer wasserrechtlichen Erlaubnis beigefügte Inhaltsbestimmung, Niederschlagswasser nicht über Rigolen, sondern in Sickermulden mit je 10 cm Humusüberdeckung zu beseitigen, ist nicht unverhältnismäßig.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die in vorliegender Verwaltungsstreitsache zuletzt allein noch streitgegenständliche Regelung in Ziffer II. 1. des Bescheids vom 2. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für Ziffer II. 1. des Bescheids vom 2. Juni 2015 ist § 13 Abs. 1 WHG.
Nach dieser Vorschrift sind bei einer wasserrechtlichen Erlaubnis Inhalts- und Nebenbestimmungen u. a. auch nachträglich zulässig. Diese nachträglichen Inhalts- und Nebenbestimmungen sind dabei bei einer (beschränkten) Erlaubnis – anders als bei einer Bewilligung, dazu § 13 Abs. 3 WHG – nicht auf die in § 13 Abs. 2 WHG genannten Maßnahmen beschränkt. Vielmehr sind bei einer Erlaubnis umfassend nachträgliche Inhalts- und Nebenbestimmungen möglich, sofern die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen wie etwa das Bestimmtheitsgebot und das Übermaßverbots erfüllt sind (Knopp in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, Stand September 2015, § 13 Rdnr. 34).
Diese Befugnis zum Erlass nachträglicher Inhalts- und Nebenbestimmungen nach § 13 Abs. 1 WHG wird auch nicht durch die in § 52 Abs. 1 bzw. Abs. 2 WHG eingeräumte Möglichkeit verdrängt, in einem Wasserschutzgebiet bzw. in einem als Wasserschutzgebiet vorgesehenen Gebiet Einzelfallanordnungen zu treffen. Auch in einem Wasserschutzgebiet und einem als Wasserschutzgebiet vorgesehenen Gebiet besteht die Berechtigung, gestützt auf § 13 Abs. 1 WHG eine bereits erteilte wasserrechtliche Erlaubnis mit nachtäglichen Inhalts- und Nebenbestimmungen zu versehen. § 52 Abs. 1 und 2 WHG wollen im Interesse des hohen Guts einer gesicherten öffentlichen Wasserversorgung die Befugnisse der Wasserrechtsbehörden erweitern, hingegen nicht die bereits durch § 13 Abs. 1 WHG eingeräumte Befugnis einschränken, hinsichtlich bereits erteilter Erlaubnisse nachträgliche Inhalts- und Nebenbestimmungen zu erlassen.
Daran gemessen konnte vorliegend der Beklagte ganz unabhängig von der Frage, ob Ziffer II. 1. des Bescheids vom 2. Juni 2015 zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses bzw. zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch auf § 52 Abs. 1 oder Abs. 2 WHG hätte gestützt werden können, auf Grundlage des § 13 Abs. 1 WHG die nachträgliche Inhaltsbestimmung treffen, dass in Abänderung der dem Kläger mit Bescheid vom 25. Juni 2013 erteilten beschränkten Erlaubnis auch das auf den Straßenflächen Ost (Wendeplatz) und Straßenflächen Ost und Süd bis Achse 15 anfallende Niederschlagswasser nicht über Rigolen, sondern in Sickermulden mit je 10 cm Humusüberdeckung zu beseitigen ist.
2. Die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Anordnung sind erfüllt. Insbesondere ist Ziffer II. 1. des Bescheids vom 2. Juni 2015 entgegen der Auffassung des Klägers nicht unverhältnismäßig:
Zweck der nachträglichen Anordnung ist ein verbesserter Schutz des Grundwassers und damit der öffentlichen Wasserversorgung. Es liegt auf der Hand, dass eine Versickerung von Niederschlagswasser über Sickermulden statt Rigolen geeignet ist, eine solche Verbesserung zu bewirken: Zum einen muss das Niederschlagwasser bei Sickermulden anders als bei im Boden liegenden Rigolen zusätzlich durch die oberste Schicht des Bodens sickern und wird dabei gefiltert. Zum andern ist es bei Sickermulden anders als bei im Boden liegenden Rigolen möglich, etwaige Verunreinigungen des Niederschlagswassers zu erkennen.
Das Wasserwirtschaftsamt … als amtlicher Sachverständiger hat zudem festgestellt, dass es im Hinblick auf die erhöhten Anforderungen zur Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung auch erforderlich ist, das Niederschlagswasser der befestigten Bodenflächen insgesamt, also auch hinsichtlich der in Ziffer II. 1. des Bescheids vom 2. Juni 2015 genannten Straßenflächen, über Sickermulden zu beseitigen. Nur dann, wenn u. a. diese Voraussetzung erfüllt ist, hält der amtliche Sachverständige den klägerischen Gartenbaubetrieb für „vertretbar“ (Gutachten vom 3. März 2015). Auf klägerische Einwände hin hat das Wasserwirtschaftsamt … mit E-Mail vom 23. April 2015 ausdrücklich bekräftigt, dass eine Rigolenversickerung von Straßenabwasser in einem Schutzgebiet nicht zulässig ist. Dieser fachlichen Einschätzung des amtlichen Sachverständigen setzt der Kläger nichts Maßgebliches entgegen.
Hiergegen kann der Kläger nicht durchgreifend einwenden, eine abschließende und verbindliche Entscheidung über das Wasserschutzgebiet habe noch nicht vorgelegen, auch sei es keineswegs sicher, ob das Wasserschutzgebiet letztendlich Bestand haben werde, die Gemeinde … könne auch mit dem Markt … zusammengehen. Zwar ist es durchaus richtig, dass vorliegend nicht nur Normenkontrollanträge gegen die Wasserschutzgebietsverordnung angekündigt sind, sondern es offenbar sogar dem Beklagten selbst denkbar erscheint, dass der von der Wasserschutzgebietsverordnung geschützte Brunnen 1 möglicherweise in Zukunft nicht mehr für die Wasserversorgung der Gemeinde … benötigt werden könnte: Denn das Landratsamt … hat der Gemeinde … für das Zutagefördern und Ableiten von Grundwasser aus dem Brunnen 1 mit Bescheid vom 30. Dezember 2015 ungewöhnlicherweise zunächst lediglich eine beschränkte Erlaubnis für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2017 erteilt. Diese steht zudem unter dem Vorbehalt des Widerrufs, sollte es zu einer gemeinsamen Wassergewinnung der Gemeinde … und des Marktes … kommen. Auch steht die für die anschließende Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2047 erteilt Bewilligung unter der auflösenden Bedingung des Widerrufs der beschränkten Erlaubnis. Indes kommt es auf all dies nicht entscheidungserheblich an: Der Brunnen 1 der Gemeinde … wurde zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses und wurde auch noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung tatsächlich zur Wassergewinnung für die öffentliche Wasserversorgung genutzt. Auch ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Brunnen 1 auch zukünftig noch über Jahrzehnte hinweg für die öffentliche Wasserversorgung benötigt werden wird. Allein diese Sachlage macht es hinreichend erforderlich, zum Schutz der öffentlichen Wasserversorgung nachträgliche Auflagen für die Beseitigung des Niederschlagswassers auf den klägerischen Grundstücken Fl.Nrn. … und … zu erlassen, nachdem der amtliche Sachverständige nachträglich festgestellt hatte, dass diese Niederschlagswasserbeseitigung die Wassergewinnung durch den Brunnen 1 beeinträchtigen könnte. Es kommt hinsichtlich der nachträglichen Inhaltsbestimmung nach § 13 Abs. 1 WHG nicht darauf an, ob eine Wasserschutzgebietsverordnung erlassen ist, ob dies vorgesehen ist oder ob diese Bestand haben wird. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass nach der Bewertung des amtlichen Sachverständigen bei einer Niederschlagswasserbeseitigung mittels Rigolen statt über Sickermulden eine Gefährdung des Grundwassers und damit der (bestehenden und gut möglich auch künftigen) öffentlichen Wasserversorgung tatsächlich zu besorgen ist.
Schließlich erweist sich Ziffer II. 1. des Bescheids vom 2. Juni 2015 auch nicht als unangemessen. Mit dieser Anordnung sind keine Nachteile für den Kläger verbunden, die außer Verhältnis zu deren Zweck stünden: Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass dem Kläger für die Niederschlagswasserbeseitigung nur eine beschränkte Erlaubnis erteilt wurde, hinsichtlich der nicht nur umfassende nachträgliche Inhalts- und Nebenbestimmungen erlassen werden können (§ 13 Abs. 1 WHG), sondern die auch jederzeit widerruflich ist (§ 18 Abs. 1 WHG), die mithin nur eine vergleichsweise „schwache“ Rechtsposition vermittelt. Nicht plausibel ist vor allem auch das weitere Vorbringen des Klägers, durch die Anordnung in Ziffer II. 1. des Bescheids vom 2. Juni 2015 entstünden hohe Kosten: Dies hatte der Kläger schriftsätzlich nur unsubstantiiert vorbringen lassen, in der mündlichen Verhandlung hat er dazu erklärt, er könne nicht beziffern, inwieweit für den Bau von Sickermulden statt Rigolen Mehrkosten entstünden, es müsse jedenfalls umgeplant werden. Hingegen hat der Vertreter des Wasserwirtschaftsamts … in der mündlichen Verhandlung gut nachvollziehbar dargelegt, dass Sickermulden sowohl hinsichtlich der Herstellung als auch hinsichtlich der Unterhaltung kostengünstiger seien als Rigolen. Es gibt somit keinerlei Anhaltspunkte dafür, dem Kläger entstünden durch die Anordnung in Ziffer II. 1. des Bescheids unangemessene Mehrkosten. Daraus folgt weiter: Sind keine unangemessenen Mehrkosten bei einer Versickerung in Sickermulden statt Rigolen zu erwarten, kann die Anordnung in Ziffer II. 1. des Bescheids entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht deshalb unangemessen sein, weil zum jetzigen Zeitpunkt nicht gänzlich sicher absehbar ist, ob der Brunnen 1 auch in einigen Jahren noch für die Wasserversorgung benötigt werden wird. Möglicherweise nutzlos werdende, unangemessene Mehraufwendungen sind entgegen der Befürchtung des Klägers nicht zu erwarten. Schließlich ergibt sich eine Unangemessenheit der streitgegenständlichen Anordnung nach § 13 Abs. 1 WHG entgegen der Darstellung des Klägers auch nicht daraus, dass weder im Gesetz – anders im Fall von Anordnungen nach § 52 Abs. 1 und 2 WHG – noch im Bescheid eine Entschädigung vorgesehen ist: Da vorliegend nicht davon auszugehen ist, dass die Anordnung in Ziffer II. 1. des Bescheids vom 2. Juni 2015 zu unangemessenen Mehrkosten führen wird, besteht im vorliegenden Fall von vornherein kein Anlass darüber nachzudenken, ob und inwieweit bei nachträglichen Anordnungen nach § 13 Abs. 1 WHG eine Entschädigung in Betracht kommt, die im Bescheid angeordnet werden müsste.
Nachdem auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Ziffer II. 1. des Bescheids vom 2. Juni 2015 vorgetragen wurden oder sonst erkennbar sind, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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