Aktenzeichen Au 6 K 17.922
Leitsatz
1. Eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht nicht mehr, wenn die persönlichen Beziehungen erkennbar und ohne Aussicht auf Versöhnung beendet werden. Die eheliche Lebensgemeinschaft kann auch einseitig aufgehoben werden, so dass es nicht darauf ankommt, dass der andere Ehepartner dies akzeptiert und mit der Trennung einverstanden ist. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein der Umstand, dass der deutsche Ehepartner eines Ausländers einseitig die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben hat, stellt auch dann keine besondere Härte dar, wenn der andere Partner hierzu keine Anlass gegeben hat. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 17. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft (Ziffer 1 des Bescheids) ist rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis ist § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Demnach kann die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nachträglich verkürzt werden, wenn eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entfallen ist. Dies ist hier der Fall. Die eheliche Lebensgemeinschaft gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bestand am 19. Mai 2017 nicht mehr.
Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer nachträglichen Fristverkürzung gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG der Zeitpunkt der Zustellung der streitgegenständlichen Befristungsentscheidung maßgeblich, wenn er – wie hier – vor der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts bzw. der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung liegt (BVerwG, B.v. 22.5.2013 – 1 B 25.12 – BayVBl 2014, 56). Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der ehelichen Lebensgemeinschaft ist demnach der Tag der Bekanntgabe des Bescheids am 19. Mai 2017.
b) Die eheliche Lebensgemeinschaft ist zum maßgeblichen Zeitpunkt beendet.
Für eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kommt es nicht auf das formal-rechtliche Bestehen einer Ehe an, entscheidend ist vielmehr, dass die Eheleute eine eheliche Lebensgemeinschaft führen wollen (BayVGH, B.v. 18.01.2017 – 10 CS 16.2308 – juris Rn. 4; Tewocht in: BeckOK AuslR, 14. Ed. 1.5.2017, § 28 AufenthG, Rn. 12). Für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, die aufenthaltsrechtlichen Schutz nach Art. 6 GG genießt, kommt es auf den nachweisbar betätigten Willen beider Eheleute an, ein gemeinsames Leben zu führen. Bei der im jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Bewertung, ob eine aufenthaltsrechtlich beachtliche tatsächliche Lebensgemeinschaft vorliegt oder lediglich eine Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, verbietet sich eine schematisierende Betrachtung (BVerwG, B.v. 22.05.2013 – 1 B 25.12 – BayVBl 2014, 56, Ls. 1). Eine eheliche Lebensgemeinschaft, die sich nach außen im Regelfall in einer gemeinsamen Lebensführung, also in dem erkennbaren Bemühen dokumentiert, die alltäglichen Dinge des Lebens miteinander in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit zu bewältigen, dreht sich im Idealfall um einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt und wird daher regelmäßig in einer von den Eheleuten gemeinsam bewohnten Wohnung gelebt (VGH Kassel B.v. 9.8.2004 – 9 TG 1179/04 – FamRZ 2005, 982).
Eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht indes nicht mehr, wenn die persönlichen Beziehungen erkennbar und ohne Aussicht auf Versöhnung beendet werden (Müller in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 27 AufenthG, Rn. 23). Dabei ist eine eheliche Lebensgemeinschaft ausländerrechtlich nicht erst zu verneinen, wenn die bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für eine Ehescheidung erfüllt sind (BVerwG B.v. 12.6.1992 – 1 B 48/92 – InfAuslR 1992, 305). Eine dauerhafte Trennung der Ehegatten i.S.d. Ausländerrechts kann – wie der Rechtsgedanke des § 1567 Absatz 1 Satz 2 BGB verdeutlicht – auch dann vorliegen, wenn das Paar zwar noch zusammen wohnt, aber die für die Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft notwendigen persönlichen Beziehungen erkennbar endgültig und ohne Aussicht auf Versöhnung beendet hat (OVG Münster, B.v. 28.2.2000 – 18 B 814/99 – FamRZ 2000, 882). Nötig ist jedoch, dass sich der Trennungswille nach außen hin dem anderen Ehegatten gegenüber manifestiert. Die Einleitung eines Scheidungsverfahrens oder eine steuerliche Getrenntlebenserklärung sind hingegen nicht maßgeblich (BayVGH, B.v. 18.1.2017 – 10 CS 16.2308 – juris Rn. 7).
Dementsprechend kommt es für eine Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG weder darauf an, ob die Ehe formal-rechtlich noch besteht, weil beispielsweise das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen ist, noch ist entscheidend, ob die Voraussetzungen für eine Ehescheidung erfüllt sind (s.o.). Entscheidend ist allein das tatsächliche Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Die eheliche Lebensgemeinschaft kann auch einseitig aufgehoben werden, so dass es nicht darauf ankommt, dass der andere Ehepartner dies akzeptiert und mit der Trennung einverstanden ist.
Die Beteiligten stellten in der mündlichen Verhandlung unstreitig, dass eine Trennung vorlag und dass die eheliche Lebensgemeinschaft dauerhaft beendet ist. Dass die dauerhafte Trennung auch schon im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids am 19. Mai 2017 vollzogen war, ergibt 22 sich auch aus den glaubhaften Angaben der Zeugin, die insoweit ausführte, sie habe dem Kläger schon Anfang Februar 2017 unter Zeugen ihren Trennungswillen mitgeteilt und die Benutzung der Ehegattenwohnung nach Räumen aufgeteilt, wobei der Kläger das Schlafzimmer im ersten Stock erhalten habe. Zu diesem Zeitpunkt endete der Wille der Zeugin, mit dem Kläger in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit ein gemeinsames Leben zu führen. Nach dem Rechtsgedanken des § 1567 Absatz 1 Satz 2 BGB ist die eheliche Lebensgemeinschaft dann aufgehoben, wenn eine Trennung innerhalb der gemeinsamen Ehewohnung vorliegt. Durch die Aufteilung der Räume des Hauses zwischen den Ehegatten, teilweise unter Abtrennung mit blickdichten Vorhängen und durch das Einstellen gegenseitiger Versorgungsleistungen wie beispielsweise Kochen und Einkaufen durch die Zeugin wurde die eheliche Lebensgemeinschaft schon vor dem 19. Mai 2017 dauerhaft aufgelöst. Für die ausländerrechtliche Frage des tatsächlichen Bestehens einer ehelichen Lebensgemeinschaft ist ferner irrelevant, welche etwaigen familienrechtlichen Ansprüche gegenseitig bestehen, beispielsweise in Bezug auf die Ehewohnung. Ob die Ehefrau den Kläger im Juni 2017 aus der Wohnung aussperren durfte oder nicht, ist daher für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft ohne Bedeutung.
c) Die Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis ist auch verhältnismäßig im weiten Sinne. Dabei muss insbesondere die Verfestigung der Lebensverhältnisse in Deutschland und eine etwaige Entfremdung von dem Heimatstaat bedacht werden (Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AufenthG, § 7 Rn. 61). Der Kläger hält sich erst seit ungefähr vier Monaten wieder in der Bundesrepublik Deutschland auf, nachdem er 2009 abgeschoben wurde. Sein kurzzeitiger Aufenthalt 2012 in der Bundesrepublik war aufgrund seiner Kürze und Illegalität nicht geeignet, zu einer Verfestigung beizutragen. Seine leiblichen Kinder leben im Kosovo, er spricht die dortige Landessprache. Folglich ist der Kläger von einer Verfestigung seiner Lebensverhältnisse in Deutschland weit entfernt und nicht von seinem Heimatstaat entfremdet. Dass der Kläger seit Februar 2017 einer Beschäftigung nachgeht, genügt dabei als nur wirtschaftliche Bindung nicht, um eine hinreichende umfassende Verfestigung der Lebensverhältnisse zu begründen.
d) Die getroffene Ermessensentscheidung des Beklagten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist nicht zu beanstanden.
Die gerichtliche Prüfungsdichte bemisst sich nach der Regelung des § 114 VwGO, was im Wesentlichen zur Folge hat, dass die Entscheidung lediglich daraufhin zu überprüfen ist, ob überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, ob in diese Ermessensentscheidung alle maßgeblichen und keine unzulässigen Erwägungen Eingang gefunden haben und ob einzelne Belange entgegen ihrer objektiven Wertigkeit in die Abwägung eingestellt worden sind. Für die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung über eine nachträgliche Befristung ist es unerheblich, ob ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage besteht (sog. Trennungsprinzip, vgl. BVwerG, U.v. 19.3.2013 – 1 C 12.12 – BVerwGE 146, 117; BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11.08 – BVerwGE 134, 124; Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AufenthG, § 7 Rn. 54). Das Vertrauen auf den Fortbestand einer Aufenthaltserlaubnis ist bei einem Fortfall einer wesentlichen Voraussetzung (grundsätzlich) nicht geschützt (Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AufenthG, § 7 Rn. 49). Im Rahmen der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer waren (lediglich) das Interesse des Klägers, bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der vorzeitigen Beendigung eines materiell rechtswidrig gewordenen Aufenthalts gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11.08 – BVerwGE 134, 124). Enge persönliche, insbesondere verwandtschaftliche Bindungen, sind gem. Art. 8 EMRK insoweit zu berücksichtigen, wenn sie den Aufenthalt des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland gerade in der Zeit bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis erfordern, z.B. weil Unterstützungsleistungen durch ihn oder für ihn nötig sind (Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AufenthG, § 7 Rn. 59).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe erweist sich die Ermessensentscheidung des Beklagten als ermessensfehlerfrei.
Der Beklagte hat im angefochtenen Bescheid sowie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Abwägung vorgenommen und dargelegt, dass auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers keine schutzwürdigen überwiegenden Belange vorliegen. Dabei stellte der Beklagte ermessensfehlerfrei 27 maßgeblich darauf ab, dass die eheliche Lebensgemeinschaft mit weniger als vier Monaten nur für sehr kurze Zeit im Bundesgebiet geführt wurde. Nicht zu beanstanden ist auch die Erwägung des Beklagten, dass sonstige besonders schützenswerte Interessen des Klägers nicht bestünden. Insbesondere ist der Aufenthalt des Klägers nicht nach der Wertung des Art. 8 EMRK erforderlich, da Unterstützungsleistungen durch oder für den Kläger für seinen Vater oder Bruder weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Zu den öffentlichen Interessen zählt auch das Interesse an der Einhaltung des Aufenthaltsrechts, um dem Hineinwachsen in einen vom Gesetz verwehrten Daueraufenthalt vorzubeugen. Auch dies hat der Beklagte erkannt und ermessensfehlerfrei gewürdigt. Der Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis steht auch kein etwaiges künftiges Scheidungsverfahren entgegen. Wie bereits ausgeführt, kommt es im Rahmen der Ermessensabwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur auf das Interesse des Klägers, bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bleiben, an (s.o.). Die ursprüngliche Aufenthaltserlaubnis hätte im Oktober 2017 geendet. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre das Scheidungsverfahren jedoch mangels Ablaufes des Trennungsjahres nicht begonnen worden. Das Scheidungsverfahren fällt voraussichtlich in einen Zeitraum, in dem der Kläger unabhängig von der nachträglichen Verkürzung in jedem Fall keine Aufenthaltserlaubnis mehr gehabt hätte. Im Übrigen ist es dem Kläger jedoch auch zuzumuten, das Scheidungsverfahren ohne Aufenthaltserlaubnis zu betreiben. Für den Fall der Notwendigkeit seiner persönlichen Anwesenheit zum Scheidungstermin kann der Kläger ein Visum oder im Falle seiner Abschiebung bei der zuständigen Ausländerbehörde eine Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG beantragen.
2. Dem Kläger steht kein sonstiger Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu (Ziffer 2 des Bescheids).
Ein entsprechender (konkludenter) Antrag auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis ist in der Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten vom 12. Mai 2017 gegenüber dem Landratsamt im Rahmen der Anhörung zu sehen (BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11.08 – BVerwGE 134/124).
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren im Bundesgebiet bestanden hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger reiste am 9. Oktober 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 5. Februar 2017 trennte sich seine Ehefrau von ihm. Damit ist die erforderliche dreijährige Ehebestandszeit im Bundesgebiet nicht erfüllt.
b) Ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ergibt sich auch nicht aus § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet ist gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Eine besondere Härte liegt nach § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist (§ 31 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz AufenthG). Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriff (Tewocht in: BeckOK AuslR, 14. Ed. 1.5.2017, § 31 AufenthG, Rn. 19; VG München, U.v. 21.2.2013 – M 12 K 12.4701 – juris Rn. 33).
aa) Eine besondere Härte i.S. des § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG ist nicht gegeben.
Von dieser Regelung sind nur ehebezogene Nachteile erfasst, also Beeinträchtigungen, die mit der ehelichen Lebensgemeinschaft oder ihrer Auflösung zumindest in mittelbarem Zusammenhang stehen, nicht aber sämtliche sonstigen, unabhängig davon bestehenden Rückkehrbelange (BVerwG, U.v. 9.6.2009 – 1 C 11/08 – NVwZ 2009, 1432).
Derartige ehebezogene Nachteile hat der Kläger bei einer Rückkehr in den Kosovo nicht zu befürchten. Diese ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass ein Neubeginn im Heimatstaat erforderlich ist; denn dies trifft grundsätzlich alle Rückkehrer gleichermaßen und ist daher im Regelfall nicht geeignet, die Ausreisepflicht zu suspendieren (vgl. BayVGH B.v. 26.7.2010 – 10 ZB 10.75 -juris Rn. 15; B.v. 15.2.2010 – 19 CS 09.3105). Besondere ehebezogene Benachteiligungen sind darin nicht zu sehen (BayVGH, B. v. 21.09.2016 – 10 ZB 16.1296 – juris Rn. 9; BayVGH, B. v. 3.11.2014 – 10 ZB 14.1769 – juris Rn. 6). Deshalb kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass eine besondere Härte vorliege, weil er seinen Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik begründet habe und sich eine neue Existenz in seinem Heimatstaat aufbauen müsse.
bb) Dem Kläger war ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft auch nicht unzumutbar i.S. d. § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG, wobei schon nicht er, sondern die Ehefrau die Lebensgemeinschaft beendet hat.
Durch § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG soll vermieden werden, dass der nachgezogene Ehegatte „auf Gedeih und Verderb“ zur Fortsetzung einer untragbaren Lebensgemeinschaft gezwungen wird, weil er sonst Gefahr läuft, sein akzessorisches Aufenthaltsrecht zu verlieren (vgl. BayVGH, B.v. 13.08.2009 – 10 ZB 09.1020 – juris; VG Regensburg, B.v. 12.12.2012 – RO 9 S. 12.1679 – juris Rn. 26). Der Gesetzgeber hatte dabei besondere Umstände, die es dem Ehegatten unzumutbar machen, zur Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts an der ehelichen Lebensgemeinschaft festzuhalten, im Blick (vgl. BT-Drs. 14/2368 S. 4). Danach sollen solche Fälle beispielsweise vorliegen, wenn der nachgezogene Ehegatte wegen physischer oder psychischer Misshandlungen durch den anderen Ehegatten die Lebensgemeinschaft aufgehoben hat oder der andere Ehegatte das in der Ehe lebende Kind sexuell missbraucht oder misshandelt hat.
Derartige gravierende Gründe hat der Kläger weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich. Die als Zeugin vernommene Ehefrau gab glaubhaft an, dass es während der Ehe nicht zu Gewalttaten eines Ehegatten gekommen sei. Dass der Kläger laut Aussage der Zeugin diese öfters laut angeschrien habe, ist hierbei ohne Bedeutung, da dieses Verhalten vom Kläger selbst und damit nicht vom anderen Ehegatten ausging.
cc) Auch eine sonstige besondere Härte i.S.d. § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor. Insbesondere ergibt sich eine besondere Härte nicht schon allein dadurch, dass der ausländische Ehegatte die Trennung nicht gewollt und – nach seinem Vorbringen – auch nicht verursacht hat.
Der Rückgriff auf den Begriff der besonderen Härte erfordert eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls. Als schutzwürdige Belange des ausländischen Ehegatten sind insoweit vor allem die persönliche Selbstbestimmung, die körperliche Integrität, und die persönliche Freiheit zu nennen. Die Störungen der ehelichen Lebensgemeinschaft müssen deshalb das Ausmaß einer konkreten, über allgemeine Differenzen und Kränkungen in einer gestörten ehelichen Beziehung hinausgehenden psychischen Misshandlung erreicht haben. Gelegentliche Ehestreitigkeiten, Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten, grundlose Kritik und Kränkungen, die in einer Vielzahl von Fällen trennungsbegründend wirken, machen für sich genommen noch nicht das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar (BayVGH, B.v. 18.3.2008 – 19 ZB 08.259 – juris, Rn. 24 m.w.N.). Wenn jedoch schon ehetypische Differenzen und Kränkungen keinen besonderen Härtefall darstellen, dann genügt es für eine besondere Härte erst recht nicht, wenn lediglich die Initiative zur Trennung vom anderen Ehegatten ausging.
Auch die Verweigerung des Zutritts zur Ehewohnung – wie hier – stellt keine derart schwerwiegende Pflichtverletzung der Ehefrau dar, als dass daraus eine besondere Härte entstünde. Dem Kläger wäre es unbenommen gewesen, seine behaupteten Rechte an der im Eigentum der Ehefrau stehenden Ehewohnung im zivilrechtlichen Klageverfahren – ggf. per Eilrechtsschutz – geltend zu machen. Dass ein Ehepartner und Alleineigentümer im Zuge einer Trennung den anderen Ehegatten nach Fristsetzung zum Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung auffordert und den Auszug durch Austausch der Schließzylinder auch eigenmächtig durchsetzt, ist typisch für eine gestörte eheliche Beziehung und erreicht noch nicht das Ausmaß einer psychischen Misshandlung. Der Kläger hat auch weder vorgetragen, noch ist ersichtlich, dass er aufgrund des Rauswurfes aus der gemeinsamen Ehewohnung obdachlos wurde oder in sonstiger Weise besonders schwer beeinträchtigt wurde. Vielmehr hat er selbst vorgetragen, dass er seit Februar 2017 auf Montage arbeite und sein Arbeitgeber für ihn jeweils eine Pension anmiete. Ferner stellt es auch keine besondere Härte dar, dass die Ehefrau die Trennung und damit die Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG selbst beschließen kann und der Kläger insoweit in Hinblick auf seine Aufenthaltserlaubnis von Entscheidungen seiner Ehefrau abhängig ist – wie er meint, von „Lust und Laune“ seiner Ehefrau. Dies ist vielmehr die Konsequenz der gesetzlichen Systematik in Hinblick auf § 28 AufenthG einerseits und § 31 AufenthG andererseits. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG liegt der gesetzliche Leitgedanke zu Grunde, dass ein selbstständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten erst nach mindestens drei Jahren ehelicher Lebensgemeinschaft in Deutschland besteht. Vor dem Ablauf dieser drei Jahre hat der nachgezogene Ehegatte kein selbstständiges Aufenthaltsrecht, sondern ist von der Voraussetzung des aktuellen Bestehens einer ehelichen Lebensgemeinschaft gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG abhängig. Insoweit ist es der gesetzlichen Systematik immanent, dass vor dem Ablauf einer dreijährigen ehelichen Aufenthaltszeit die Aufenthaltserlaubnis des nachgezogenen Ehegatten auch vom Willen des deutschen Ehegatten, die eheliche Lebensgemeinschaft aufrechtzuerhalten, abhängig ist. Folglich stellt allein der Umstand, dass die Ehefrau einseitig die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben hat und dass dadurch die Anspruchsvoraussetzungen auf eine Aufenthaltserlaubnis des Klägers gem. § 28 AufenthG weggefallen sind, keine besondere Härte dar. Unerheblich für das Vorliegen einer besonderen Härte ist auch, ob der Kläger die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft verschuldet oder sonstigen Anlass dazu gegeben hat. Systematisch zeigen die Beispiele für besondere Härten in § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 Halbsatz 2 AufenthG, dass es auf ein bloßes Verschulden des Ehepartners an der Trennung nicht ankommt. Die Verfehlungen des deutschen Ehepartners müssen vielmehr gravierend sein, beispielsweise bei häuslicher Gewalt oder psychischer Misshandlung. Ein bloßes etwaiges Verschulden der Trennung genügt für eine besondere Härte hingegen nicht.
3. Mangels Aufenthaltstitels oder sonstigen Aufenthaltsrechts ist der Kläger zur Ausreise verpflichtet und hat die Bundesrepublik Deutschland daher zu verlassen (§ 50 Abs. 2 AufenthG). Die Abschiebung wurde ihm gem. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG angedroht (Ziffer 4 des Bescheids). Jedoch hätte der Beklagte die Ausreisefrist nicht starr auf 30 Tage festsetzen dürfen (Ziffer 3 des Bescheids), sondern hätte sie auf Grund der potentiell aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 1 VwGO (ein Fall von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 AufenthG liegt nicht vor) von der Bestandskraft des Bescheids abhängig machen müssen. Da der Beklagte jedoch mit Schreiben vom 12. Juli 2017 (Bl. 57 der VG-Akte) zugesichert hat, bis zur Entscheidung in der Hauptsache von aufenthaltsbeendigenden Maßnahmen gemäß der Vorgaben des § 80 b Abs. 1 VwGO abzusehen, und dies im Telefonat vom 14. Juli 2017 (Bl. 60 der Akte) nochmals dahingehend präzisiert hat, dass er bis zur Beendigung des Klageverfahrens (und damit bis zur Bestandskraft des Bescheids unabhängig von der Dauer eines etwaigen Berufungsbzw. Berufungszulassungsverfahrens) nicht vollstrecken werde, liegt insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis sowie eine Rechtsverletzung des Klägers gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vor. Infolgedessen hatte der Kläger auch den diesbezüglichen Eilrechtsschutz für erledigt erklärt.
4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.