Aktenzeichen Au 2 K 16.30369
Leitsatz
1 Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG ein Abschiebungsverbot aus der Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention ableitet, umfasst dieses lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, die dem betroffenen Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen (“zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse” – st. Rspr. des BVerwG). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Ist sowohl über die Gewähr unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 S. 1 AufenthG wie auch über nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK zu entscheiden, scheidet bei einer Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 S. 1 AufenthG regelmäßig aus denselben rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen auch die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK aus (wie BVerwG BeckRS 2013, 49252). (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK kommt nicht nur bei Gefahren für Leib und Leben in Betracht, die vom Staat oder einer staatsähnlichen Organisation ausgehen, sondern auch beim Vorliegen extremer Gefahren, die sich zB aus einer katastrophalen Versorgungslage ergeben können (wie BVerwG BeckRS 2013, 54130). Humanitäre Gründe verletzen Art. 3 EMRK im Ausnahmefall nur dann, wenn sie zwingend gegen eine Abschiebung sprechen (wie EGMR BeckRS 2012, 08036 – Sufi und Elmi). (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Die aktuellen Verhältnisse in Südsomalia verletzen Art. 3 EMRK nicht. Trotz der im allgemeinen katastrophalen medizinischen Versorgungslage ist es gleichwohl auch in Somalia nicht ausgeschlossen, Traumapatienten zu behandeln und entsprechende Psychopharmaka zu erhalten. (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Mit der Neuregelung in § 60a Abs. 2c AufenthG, die ua vorsieht, dass eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung zum Beleg eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses die tatsächlichen Umstände benennen muss, auf deren Grundlage die fachliche Beurteilung erfolgt ist, ferner Aussagen zur Methode der Tatsachenerhebung, eine ärztliche Diagnose, Aussagen zum Schweregrad der Erkrankung sowie der Folgen, die sich aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben werden, enthalten muss, hat der Gesetzgeber die bestehende Rechtsprechung zur Annahme eines Abschiebungshindernisses wegen einer PTBS kodifiziert. (red. LS Clemens Kurzidem)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Über die Klage konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil die Parteien hierauf übereinstimmend verzichtet haben (§101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 9. März 2016 ist rechtmäßig und verletzt, soweit er mit der Klage angefochten wird, den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. des Asylgesetzes – AsylG -) keinen Anspruch auf Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).
1. Die Voraussetzungen für die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots liegen nicht vor. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (U. v. 11.11.1997 – 9 C 13.96 – BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen („zielstaatsbezogene“ Abschiebungshindernisse).
Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz – und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG – vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen – wie hier – gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris). Ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht nur bei Gefahren für Leib und Leben, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, in Betracht, sondern auch extreme Gefahren, die sich z. B. aus einer katastrophalen Versorgungslage ergeben können, können unter § 60 Abs. 5 AufenthG fallen (BVerwG, U. v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – juris; EGMR, U. v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07, Sufi und Elmi – NVwZ 2012, 681 ff. ). Humanitäre Verhältnisse verletzen Art. 3 EMRK nur in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn nämlich die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend seien (EGMR, U. v. 28.06.2011, a. a. O.).
Derartige Verhältnisse liegen im Falle der Südsomalias nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht vor. Für den Lebenserhalt im wirtschaftlichen Sinne braucht es in erster Linie die Kernfamilie. Clan und Familie, einbezogen die weitere Familie, sind nach wie vor die wichtigsten Faktoren bezüglich Akzeptanz, Sicherheit und dem Zugang zu Grundbedürfnissen (BayVGH, U. v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris Rn. 30). Im Fall des Klägers ist mangels gegenteiliger Angaben davon auszugehen, dass seine Kern- sowie die Großfamilie ein hinreichendes Unterstützungsnetzwerk bieten. So befindet sich beispielsweise seine Ehefrau weiterhin in …. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Familie und der Clan des Klägers im Falle seiner Rückkehr keine Unterstützung gewähren können und wollen. Der Kläger hat auch nichts Gegenteiliges behauptet. Selbst unter Berücksichtigung der schweren Lebensbedingungen in Somalia dürfte der Kläger weder alsbald der Existenzvernichtung noch schwersten Gesundheitsschäden ausgesetzt sein. Auch wenn der Kläger nunmehr seit neun Jahren nicht mehr in Somalia gewesen ist und er mit den dortigen aktuellen Verhältnissen nicht vertraut sein dürfte, ist davon auszugehen, dass er sich als junger Mann, der in den vergangenen Jahren vielfältige Lebenserfahrungen in unterschiedlichen Ländern gesammelt haben wird und sich auch dort zurecht gefunden hat, auch in Somalia wieder zurecht finden wird (vgl. OVG RhPf, U. v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris Rn. 52). Es spricht ferner nichts dagegen, dass der Kläger seinen vormals ausgeübten Beruf als Schneider wieder aufgreift. Außerdem gibt es lokale NGOs, die den Neuankömmlingen helfen können (EASO, Süd- und Zentralsomalia Länderüberblick, S. 117 ff.). Zudem unterstützt der UNHCR die Pläne der somalischen Regierung, im Jahr 2015 zehntausend somalische Flüchtlinge aus Kenia im Rahmen einer freiwilligen Rückkehr zurückzuführen und für die Reintegration in neun Distrikten, darunter auch in Mogadischu, zu sorgen (UNHCR Joint Communiqué vom 30.7.2015: Tripartite Commission for the Voluntary Repatriation of Somali Refugees from Kenya, abrufbar im Internet), was ebenfalls für eine hinreichend ungefährdete Rückkehrsituation spricht.
2. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 VwGO soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 2 der Vorschrift in der ab 17. März 2016 gültigen Fassung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4). In den Sätzen 2 bis 4 unternimmt der Gesetzgeber in materieller Hinsicht eine Konkretisierung der Anforderungen insbesondere vor dem Hintergrund der Geltendmachung von Abschiebungshindernissen aus gesundheitlichen Gründen, die im Grunde auf eine bestehende Rechtsprechungslinie aufbaut (Thym, Die Auswirkungen des Asylpakets II, NVwZ 2016, 409). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/7538, S. 18) wird davon ausgegangen, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hinderten. Mit dieser Präzisierung werde klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 darstellten. Eine solche schwerwiegende Erkrankung könne hingegen zum Beispiel in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden: In Fällen einer PTBS sei die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, die Abschiebung führe zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung. Die Abschiebung dürfe nicht dazu führen, dass sich die schwerwiegende Erkrankung des Ausländers mangels Behandlungsmöglichkeit in einem Ausmaß verschlechtern werde, dass ihm eine individuell konkrete, erhebliche Gefahr an Leib oder Leben drohe. Es werde jedoch im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland bzw. im Zielstaat der Abschiebung der Versorgung in Deutschland oder in der Europäischen Union gleichwertig sei. Dem Ausländer sei es insbesondere zumutbar, sich in einen bestimmten Teil des Zielstaats zu begeben, in dem für ihn eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet sei. Es komme nicht darauf an, dass alle Landesteile des Zielstaats gleichermaßen eine ausreichende Versorgung bieten würden. Inländische Gesundheitsalternativen seien ggf. aufzusuchen.
Im Lichte dieser Neuregelung sind zudem die Vorgaben zu den qualitativen Anforderungen nach § 60a Abs. 2c AufenthG zu sehen. Danach wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Insofern hat der Gesetzgeber ebenfalls im Wesentlichen die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. u. a. BVerwG, U. v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 – BVerwGE 129, 251; U. v. 11.9.2007 – 10 C 17.07 – juris Rn. 15) nachvollzogen, wonach zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an posttraumatischer Belastungsstörung (sowie eines entsprechenden Beweisantrages) angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört.
Die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen vom 23. Dezember 2013, 28. September 2015 und über ein erneutes Gespräch am 7. März 2016 erfüllen diese Anforderungen indes nicht. Insofern nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die überzeugende Darstellung und Begründung im streitgegenständlichen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Hierzu verhält sich die Klagebegründung nicht. Aber auch im jüngst vorgelegten Attest betreffend das Gespräch vom 7. März 2016 wird auf diese Einwendungen im Bescheid nicht eingegangen. Vielmehr nimmt der Arzt erneut Bezug auf seine vorhergehenden Stellungnahmen, macht sich diese also weiterhin zu Eigen. Da die Diagnose auf der Grundlage nicht weiter überprüfter und hinterfragter Angaben des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal beruht, die dieser erstmals dem Arzt gegenüber gemacht hat, denen dieser ohne weiteres Glauben geschenkt hat und die in wesentlichen Aspekten nicht mit den Angaben im Asylverfahren übersteinstimmen, fehlt es weiterhin bereits an einer ausreichenden Exploration. Die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose) hat mangels Angabe der ICD-10 Schlüssel nur geringe Aussagekraft, auch wenn sie verbal umschrieben ist. Ferner fällt auch auf, dass sich der Kläger nach Angaben seines Arztes seit 10. September 2013 in psychotherapeutischer Behandlung befinden soll. Nach dem Ermittlungsbericht der Bundespolizeidirektion wurde der Kläger jedoch erst am 11. September 2013 in … wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise in Gewahrsam genommen und am Tag darauf entlassen (Bl. 6-13 BA). Ein ärztliches Attest betreffend den stationären Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus … vom 23. Juni 2014 bis 10. Juli 2014 wurde nicht vorgelegt, so dass Diagnose, Behandlung und Medikation weiterhin unklar bleiben. Auch hierauf wurde im streitgegenständlichen Bescheid eingegangen, ohne dass sich der Kläger im vorliegenden Streitverfahren hierzu weiter geäußert hätte (zur Vorlagepflicht siehe § 60a Abs. 2d AufenthG).
Ungeachtet der ersichtlich nicht erfüllten Qualitätskriterien der vorgelegten Atteste ist festzuhalten, dass der Arzt aktuell weder eine akute Suizidalität bescheinigte noch psychotische Symptome feststellte. Auch wenn im Rahmen der Beurteilung/Empfehlung wiederholt die Aussage getroffen wird, dass eine Abschiebung für die psychische Überlebensfähigkeit wegen dadurch ausgelöster Suizidalität eine erstzunehmende Bedrohung darstelle, so erschließt sich dem Gericht nicht und wird im klägerischen Vortrag auch nicht hinreichend differenziert dargelegt, ob insofern auf eine inlandsbezogene Reiseunfähigkeit – so noch der klägerische Vortrag in den Schriftsätzen vom 13. Januar, 3. Februar 2014 und 23 Juni 2014 an das Bundesamt – oder auf ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis abgestellt wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits einmal abgeschoben wurde, ohne dass die ärztlicherseits prognostizierte psychische Überlebensfähigkeit ernsthaften Schaden genommen hätte. Vielmehr konnte der Kläger binnen weniger Tage erreichen, dass seine Rückführung wieder rückgängig gemacht wurde.
Angesichts dieser Mängel der Validität der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen war die Einholung eines Gutachtens entsprechend dem Beweisantrag vom 7. April 2016 nicht veranlasst. Es wurde nicht substantiiert dargelegt, inwieweit die beantragte Beweiserhebung andere bzw. bessere Erkenntnisse bringen würde als die, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden.
Dessen ungeachtet kommt es auf den unter Beweis gestellten Sachverhalt nicht maßgeblich an, so dass auch aus diesem Grunde dem Beweisantrag nicht nachzukommen war. Denn der Kläger wie auch der ihn behandelnde Arzt gehen davon aus, dass für PTBS in Somalia keine Behandlungsmöglichkeit bestehe. Zwar ist dem Kläger insoweit zuzugeben, dass nach dem Lagebericht vom 1. Dezember 2015 zu Somalia das Auswärtige Amt die medizinische Versorgung im gesamten Land als äußerst mangelhaft einstuft (Ziffer 4.1.3). Die durchschnittliche Lebenserwartung betrage nach den verfügbaren Angaben 45 Jahre für Männer und 47 Jahre für Frauen. Erhebliche Teile der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu trinkbarem Wasser oder zu hinreichenden sanitären Einrichtungen. Die öffentlichen Krankenhäuser seien mangelhaft ausgestattet, was Ausrüstung, medizinische Geräte, Medikamente, ausgebildete Kräfte und Finanzierung angehe. Zudem behindere die unzureichende Sicherheitslage ihre Arbeit. Versorgungs- und Gesundheitsmaßnahmen internationaler Hilfsorganisationen müssten auch immer wieder wegen Kampfhandlungen oder aufgrund von Anordnungen örtlicher (islamistischer) Machthaber unterbrochen werden (vgl. auch VG Augsburg, U. v. 24.4.2015 – Au 2 K 14.30009 – Rn. 22). Jedoch führt das Bundesverwaltungsgericht Österreich in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2014 (W105 1435338-1) auch aus, dass in Mogadischu die (relativ) beste medizinische Versorgung im Medina-Spital angeboten werde. In der Nähe des Medina-Spitals befinde sich das große, aber schlecht unterhaltene Banadiir-Spital. Im Spital der SOS Kinderdörfer befinde sich die einzige Entbindungsstation und gynäkologische Klinik des Landes. Außerdem bestehe ein Spital in Keysane, nördlich des Stadtzentrums. In Afgooye bestehe zudem eine weitere Klinik der SOS Kinderdörfer. Privat geführte Spitäler existierten zudem in Jowhar und Baidoa. Letzteres werde von einer italienischen NGO unterstützt, sei aber in einem katastrophalen Zustand. In den Provinzen Galgaduud und Mudug seien mehrere Spitäler geöffnet, unter anderem in Guri Ceel und Gaalkacyo. Zwischen Januar und August 2012 habe das IKRK u. a. folgende Aktivitäten in Somalia gesetzt: Der Somali Red Crescent Society habe dabei geholfen, eine medizinische Grundversorgung für 700.000 Menschen sicher zu stellen. Über 300.000 Patienten seien behandelt, 48.000 Impfungen ausgegeben worden. In 43 medizinischen Grundversorgungs- und Mutter-Kind-Stationen seien außerdem 45.500 unterernährte Personen behandelt worden. Unterstützung hätten die Spitäler Medina und Keysaney in Mogadischu, wo 6.800 Traumapatienten versorgt worden seien, erfahren (ICRC, Somalia: despite humanitarian efforts, 2012 remains challenging, v. 31.9.2012, im Internet abrufbar). Demnach ist eine medizinische Betreuung von Traumapatienten nicht von vornherein ausgeschlossen (siehe auch Danish Immigration Service, Landinfo, 3/2014, Ziffer 10.1.4). Auch die dem Kläger verschriebenen Medikamente sollen grundsätzlich erhältlich sein (siehe Danish Immigration Service, a. a. O., Annex 5).
Aufgrund der nicht von vornherein ausgeschlossenen ärztlichen Behandlungsmöglichkeit im Falle einer Abschiebung nach Somalia und im Hinblick auf die in der § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG getroffene Präzisierung der Abschiebungshindernisse sind die gesetzlichen Vorgaben für das Bestehen eines Abschiebungshindernisses hier nicht gegeben. Der Kläger hat demnach keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Somalias vorliegen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.