Aktenzeichen W 8 K 17.31240
Leitsatz
1 Für die Annahme einer Verfolgungsgefahr in Iran wegen Konversion oder Apostie ist ein nachhaltiger Glaubenswechsel erforderlich, wonach sich die Asylsuchende verpflichtet fühlt, eine andere Religion als den Islam öffentlich und in der Gemeinschaft auszuüben. Erst dann bestünde die Gefahr, als Konvertit oder Apostat erkannt zu werden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Frauen werden im Iran auf vielfältige Weise diskriminiert. So müssen sie zB bei Verstößen gegen die Kleiderordnung mit Strafen rechnen; dies gilt aber nicht allein schon wegen eines unehelichen Kindes. Frauen haben als Alleinstehende kein Problem, einen eigenen Hausstand zu gründen und sich als Alleinerziehende in die Gesellschaft zu integrieren. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Strafverfolgung wegen Verstoßes gegen die Kleidervorschriften oder wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs knüpft nicht an einen asylrelevanten Verfolgungsgrund an. Die maßgeblichen Vorschriften des islamischen Rechts bezwecken die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und folgen Jahrhunderte alten Traditionen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4 Auch Personen, die das Land illegal verlassen haben, können von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und legal in den Iran zurückkehren; dadurch werden frühere illegale Ausreisen legalisiert. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für … vom 13. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach § 16a Abs. 1 GG sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG sowie für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Eine Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16a Abs. 1 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin nach ihren eigenen Angaben auf dem Landweg über die Balkan-Route und damit aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).
Das Gericht ist im Übrigen insbesondere auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in den Iran politische Verfolgung oder sonst eine ernsthafte Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Ein Ausländer darf gemäß § 3 ff. AsylG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Verfolgungshandlungen müssen an diese Gründe anknüpfend mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (siehe zum einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – BVerwGE 140, 22; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist letztlich, ob es zumutbar erscheint, dass der Ausländer in sein Heimatland zurückkehrt (BVerwG, U.v. 3.11.1992 – 9 C 21/92 – BVerwGE 91, 150; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – BVerwGE 89, 162). Über das Vorliegen einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegebenen Gefahr politischer Verfolgung entscheidet eine wertende Gesamtbetrachtung aller möglichen verfolgungsauslösenden Gesichtspunkte, wobei in die Gesamtschau alle Verfolgungsumstände einzubeziehen sind, unabhängig davon, ob diese schon im Verfolgerstaat bestanden oder erst in Deutschland entstanden und von dem Ausländer selbst geschaffen wurden oder ob ein Kausalzusammenhang zwischen dem nach der Flucht eingetretenen Verfolgungsgrund und entsprechend den schon in dem Heimatland bestehenden Umständen gegeben ist (BVerwG, U.v. 18.2.1992 – 9 C 59/91 – Buchholz 402.25, § 7 AsylVfG Nr. 1).
Aufgrund seiner prozessualen Mitwirkungspflicht hat ein Kläger (oder eine Klägerin) seine (ihre) Gründe für seine politische Verfolgung schlüssig und vollständig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – bei verständiger Würdigung die behauptete Verfolgung ergibt. Bei den in die eigene Sphäre des Klägers fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, muss er eine Schilderung abgeben, die geeignet ist, den Abschiebungsschutz lückenlos zu tragen. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit nicht vereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann. Bleibt ein Kläger hinsichtlich seiner eigenen Erlebnisse konkrete Angaben schuldig, so ist das Gericht nicht verpflichtet, insofern eigene Nachforschungen durch weitere Fragen anzustellen. Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 106.84 – BVerwGE 71, 180).
Der Klägerin ist es nicht gelungen, die für ihre Ansprüche relevanten Gründe in der dargelegten Art und Weise geltend zu machen. Unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass eine begründete Gefahr (politischer) Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestand bzw. besteht oder sonst eine ernsthafte Gefahr drohte oder droht.
Die Klägerin hat teilweise im Verlauf des Behördenverfahrens in sich widersprüchliche Angaben gemacht und diese in der mündlichen Verhandlung damit begründet, dass sie bei der Bundesamtsanhörung sehr viel Stress wegen ihres Kindes gehabt habe. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte die Klägerin nicht alle Ungereimtheiten ausräumen. So gab sie in der mündlichen Verhandlung einerseits an, der Vorfall mit dem Messer sei etwa zehn Tage vor der Ausreise gewesen, kurz darauf erklärte sie, ihr Bruder habe sie acht Monate vor der Ausreise mit dem Messer bedroht. Dies sei nach ihrem Selbstmordversuch gewesen.
Aber selbst wenn man die Angaben der Klägerin zugrunde legt, hat ihr im Iran keine staatliche Verfolgung gedroht. Vielmehr wurde sie nur durch ihren Bruder bedroht, ohne sich deshalb aber überhaupt an staatliche Stellen gewandt und um Hilfe nachgesucht zu haben. Genauso wenig hat sie im Iran versucht, durch einen Wegzug innerhalb des Landes der Bedrohung durch den Bruder zu entkommen.
Das Gericht ist des Weiteren nicht davon überzeugt, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in den Iran nunmehr eine flüchtlingsrelevante Verfolgung oder sonst ein ernsthafter Schaden droht.
Eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht der Klägerin nicht etwa wegen Apostasie, also eines Abfalls vom Glauben. Grundsätzlich kann im Iran eine Anklage wegen Apostasie („Abfall vom Glauben“) zu Sanktionen bis hin zur Todesstrafe führen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 10; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017, S. 53).
Die Klägerin hat dazu angegeben, sie habe im Iran Dinge nicht tun dürfen, etwa sich schminken, oder einen Schleier tragen müssen. Sie sei gezwungen worden, Dinge zu tun, die sie nicht gewollt habe (unter anderem bzgl. ihres Heiratswunsches). Sie wolle ohne Religion weiter leben, wie ein normaler Mensch. Sie hätten auch ihr Kind nicht beschnitten. Das Gericht ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin Atheistin und endgültig vom (islamischen) Glauben abgefallen ist. Auf Nachfrage des Gerichts räumte sie nämlich ein, sie glaube an Gott. Gott sei der Schöpfer des Lebens. Im Iran habe sie mit Gott gesprochen und sie habe das Gefühl gehabt, dass er ihr nicht zuhöre. Weiter hat das Gericht den Eindruck, dass sich die Klägerin (ebenso wie ihr Lebensgefährte) nicht hinreichend mit ihrer Gewissensentscheidung auseinandergesetzt hat. So gab sie auf die Frage an, was nach dem Tod passiere, sie kenne keine anderen Religionen. Sie habe keinen Glauben. Dies widerspricht indes der soeben zitierten Aussage, dass sie an Gott glaube. Dem Gericht drängt sich der Eindruck auf, dass die Klägerin nicht mehr unter der konkreten Ausprägung des Islams, wie er im Iran praktiziert werde, leben will, etwa ein Kopftuch bzw. einen Schleier zu tragen, beten und fasten zu müssen usw. Sie wolle lieber in der Gesellschaft, hier frei und selbstbestimmt leben. Mit den gemäßigten Formen des Islam, etwa hier in Deutschland, oder mit sonstigen Religionen oder Glaubensvorstellungen hat sich die Klägerin offenbar überhaupt nicht auseinandergesetzt.
Hinzu kommt, dass die Klägerin selbst nicht vorgebracht hat, dass ein Glaubenswechsel derart stattgefunden hat, dass sie sich verpflichtet fühlt, eine andere Religion, als Atheistin öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Die Klägerin hat nicht angegeben, ein dauerhaft prägendes, zwingendes Bedürfnis zu haben, ihr religiöses oder atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen. Der Klägerin geht es augenscheinlich vielmehr darum, den konkreten Auswüchsen des Islam im Iran – gerade für sie als Frau – zu entgehen. Für die Annahme einer Verfolgungsgefahr im Iran ist hingegen ein nachhaltiger Glaubenswechsel erforderlich, wonach sich die Klägerin verpflichtet fühlt, eine andere Religion als den Islam öffentlich und in Gemeinschaft mit anderen auszuüben. Erst dann wäre die Gefahr damit verbunden, als Konvertit und Apostat erkannt zu werden. Erforderlich wäre bei der Klägerin ein zwingendes Bedürfnis, ein religiöses oder auch atheistisches Selbstverständnis nach außen mitzuteilen (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2010 – 14 ZB 10.30050 – Asylmagazin, S. 333; VG Regensburg, U.v. 21.8.2012 – RO 4 K 12.30081). Daran fehlt es.
Nach dem bisherigen Vorbringen der Klägerin nicht erkennbar, dass sich die Loslösung vom Islam nach außen so manifestiert hat, dass sich die Betreffende nachhaltig und auf Dauer sowie nach außen hin erkennbar ernsthaft und endgültig vom moslemischen Glauben abgewandt hat (vgl. dazu auch HessVGH, B.v. 23.2.2010 – 6 A 1398/09.A – Asylmagazin 2010, 120). Allein die Ausreise aus dem Iran oder etwa die Ablegung des Kopftuchs genügen nicht. Das Auswärtige Amt hat in einer Auskunft an das VG Schwerin vom 25. August 2015 ausdrücklich angemerkt, dass Apostasie, der Abfall vom Islam, nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes im Iran erst angenommen wird, wenn der eigentliche Übertritt in eine andere, dem Islam nicht zurechenbare Glaubensgemeinschaft, vorgenommen wird.
Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass eine religiöse Praxis oder eine religiöse Betätigung, die im Iran verfolgt wird, für die Klägerin zur Wahrung ihrer religiösen Identität besonders wichtig ist. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass sie in Deutschland ihre Lebensführung an den grundlegenden religiösen Geboten ihre Glaubensvorstellung ausgerichtet hat. Vielmehr verwies sie darauf, dass die Frauen im Iran keine Rechte hätten. Die Klägerin machte die nachteiligen Auswirkungen des Islams im Alltag auf sie geltend. Gründe für eine echte, die Persönlichkeit prägende Gewissensentscheidung für den Abfall vom Islam konnte sie zur Überzeugung des Gerichts aber nicht glaubhaft machen. Vielmehr scheinen soziale und persönliche Gründe nicht religiöser Art für ihre Auffassung vorzuwiegen. Zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass ihre gewandelte Glaubensvorstellung die Klägerin derart prägt, dass es für sie ein verpflichtendes Bedürfnis ist, dies auch nach außen kundzutun und ihr Leben danach auszurichten, so dass sie bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran gefährdet wäre, deshalb vom iranischen Staat verfolgt zu werden.
Vor diesem Hintergrund fehlt es an einer Grundlage, die als Basis für die Annahme einer möglichen und beachtlichen Wahrscheinlichkeit drohenden religiösen Verfolgung der Klägerin bei einer Rückkehr in den Iran dienen könnte.
Der Klägerin droht nach Überzeugung des Gerichts auch des Weiteren keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgungsgefahr bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran, weil sie als nicht verheiratete Frau ein uneheliches Kind hat und einen westlichen Lebensstil führt. So erklärte sie etwa sie wolle nicht mehr den Hidschab (Kopftuch, Schleier) tragen und nicht gezwungen werden fünf Mal am Tag zu beten und zu fasten usw. Sie habe auch das Kind nicht beschneiden lassen. Sie wolle ein freies und gleichberechtigtes Leben führen, ohne sich wieder durch die Gesetze unterdrücken zu lassen. Das Freiheits- und Gleichberechtigungsbedürfnis sei für ihr Leben zur Bestimmung geworden.
Zwar ist nicht zu bestreiten, dass Frauen gerade im Iran noch auf vielfältige Weise diskriminiert werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 12 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017, S. 67 ff.). Bei Verstößen, etwa gegen die Kleiderordnung, müssen Frauen auch mit Strafen rechnen. Allerdings muss die Klägerin allein wegen des unehelichen Kindes nicht mit Strafen rechnen. Sanktionen oder Repressalien gegenüber einer Frau, die ein nicht eheliches Kind zur Welt bringt, sind nach den vorliegenden Erkenntnissen allenfalls im familiären oder privaten Bereich zu suchen. Des Weiteren hat sich der Stellenwert allein stehender Frauen im Iran verändert. Frauen haben etwa kein Problem mehr, einen eigenen Hausstand zu gründen oder sich als Alleinerziehende in die Gesellschaft zu integrieren (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Greifswald vom 13.3.2017). Eine Frau mit einem unehelichen Kind muss nicht mit staatlichen Maßnahmen rechnen. Ein Kind wird im Iran zudem nicht als unehelich angesehen, wenn entsprechende Geburts- und Eheurkunden aus dem Ausland vorgelegt werden (vgl. Deutsches Orient-Institut, Auskunft an das VG Greifswald vom 28.11.2016).
Vorliegend ist weiter nicht ersichtlich, dass in der Person der Klägerin bei einer theoretischen Strafverfolgung Anhaltspunkte für einen Malus infolge der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vorlägen. Die Klägerin würde im Prinzip nicht anders bestraft als andere iranische Straftäter bzw. Straftäterinnen in vergleichbarer Lage.
Der Klägerin droht deshalb keine flüchtlingsrelevante politische Verfolgung, weil sich bei der von ihr vorgebrachten außerehelichen Beziehung um keinen Anknüpfungspunkt für eine politisch motivierte Verfolgung handelt. Das Gleiche gilt für den Verstoß gegen sonstige Vorschriften. Eine Strafverfolgung, etwa wegen Verstoßes gegen Kleidungsvorschriften oder wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs, knüpft insoweit nicht an einen asylrelevanten Verfolgungsgrund an. Vielmehr handelt es sich um repressive Maßnahmen bzw. um eine strafrechtliche Verfolgung wegen eines allgemeinen Straftatbestandes im Iran ohne politische Bedeutung (vgl. NdsOVG, U.v. 24.10.2001 – 5 LB 448/01 – juris; BayVGH, B.v. 28.4.1998 – 19 ZB 98.31801 – juris; U.v. 11.11.1992 – 19 BZ 92.31853 – Streit 1994, 85). Zwar widersprechen die für den außerehelichen Geschlechtsverkehr zu verhängenden Strafen, wie Auspeitschung, Steinigung und Todesstrafe, den hiesigen Moralgrundsätzen und Anforderungen an eine rechtsstaatliche und menschliche Judikatur und Gesellschaft. Die maßgeblichen Vorschriften des islamischen und iranischen Rechts bezwecken indessen die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und den Schutz der öffentlichen Moral und Sitte. Sie knüpfen an ein den islamischen Wertvorstellungen widersprechendes individuelles Verhalten an und folgen einer jahrhundertalten Tradition islamischen Rechts, das noch auf weitere ältere Rechtsquellen aufbaut. Insofern fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der iranische Staat diesen Vorschriften, die nicht vom gegenwärtigen iranischen Regime eingeführt wurden, allgemein in flüchtlingsrelevanter Weise eine politische Gesinnung oder Betätigung ahnden will (sog. Politmalus). Zudem knüpfen diese Strafvorschriften nicht an die eine Person schicksalhaft prägende asylrelevante Eigenschaften an (vgl. auch VG Düsseldorf, U.v. 18.5.2010 – 2 K 1802/09.A – juris; U.v. 2.5.2006 – 2 K 37/06.A – juris; U.v. 15.10.2003 – 5 K 6938/01.A; VG Karlsruhe, U.v. 18.5.2006 – A 6 K 12318/04 – AuAS 2006, 238; VG Würzburg, U.v. 9.10.2002 – W 7 K 02.30595 – juris).
Denn das Flüchtlingsrecht gewährt keinen Schutz vor drohenden, auch massiven Verfolgungsmaßnahmen, die keinen politischen Charakter haben. Aus dem Akt der Strafverfolgung kann nicht geschlossen werden, dass eine Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsrechts vorliegt. Dem grundsätzlich legitimen staatlichen Rechtsgüterschutz dienende Maßnahmen, wie die Ahndung krimineller Taten ohne politischen Bezug, führen nicht zur Annahme einer politisch motivierten Verfolgung. Solche Maßnahmen können nur dann in eine politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen ließen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Bestrafung erleiden würde (vgl. NdsOVG, U.v. 31.5.2016 – 11 LB 53/15 – Asylmagazin 2016, 217; HessVGH, B.v. 27.1.2014 – 3 A 917/13.Z.A – AuAS 2014, 80; vgl. auch BVerfG, B.v. 4.12.2012 – 2 BvR 2954/09 – NVwZ 2013, 500; B.v. 29.4.2009 – 2 BvR 78/08 – NVwZ 2009, 1035).
Die Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht, die dem Betroffenen nicht wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonst asylerheblichen Merkmals treffen soll, stellt keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, wenn die Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft (vgl. etwa – bezogen auf Wehrpflicht und die Wehrdienstentziehung – BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17 – NVwZ 2017, 1204 m.w.N. sowie etwa VG Augsburg, U.v. 27.11.2006 – Au 7 K 05.30480 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 8.11.2005 – 2 K 1497/04.A – juris). Für die Annahme eines Umschlagens eventueller Strafverfolgungsmaßnahmen in eine politische Verfolgung ist im Fall der Klägerin nichts ersichtlich. Daraus kann daher auch kein Abschiebungshindernis resultieren.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klägerin bei einer möglichen Ahndung auch deshalb keine gravierende Strafe treffen müsste, weil abgesehen von den gegebenenfalls anzunehmenden Beweisschwierigkeiten, der Umstand der Schwangerschaft sowie die Geburt eines nicht ehelichen Kindes kein ausreichender Beweis ist (siehe Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Kassel vom 25.11.2013, Auskunft an das VG Regensburg vom 19.11.2014). Des Weiteren können selbst eventuell verhängte Strafen, etwa Peitschenhiebe, auch in eine Geldstrafe umgewandelt bzw. abgekauft werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 15; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Würzburg vom 9.2.2015; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 22.5.2017, S. 70). Die Umwandlung von Peitschenstrafen in Geldstrafen oder in Geldbußen ist im Iran ziemlich häufig (vgl. GIGA, Auskunft an das VG Bremen vom 29.5.2007), so dass nach der konkreten Rechtspraxis im Iran nicht unbedingt wahrscheinlich ist, dass der Betreffende eine grausame oder unmenschliche Bestrafung tatsächlich erleidet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 16.9.2009 – OVG 3 B 12.07 – juris).
Auch wenn eine mögliche Verfolgung der Klägerin bzw. eine ernsthafte Gefahr bei einer potentiellen Rückkehr in den Iran nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, besteht gesamtbetrachtet nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung oder einer Gefährdung durch staatliche Stellen, zumal die Klägerin die Möglichkeit hat, ihr Kind sowie gegebenenfalls eine Eheschließung in Deutschland zu legalisieren, wie später noch ausgeführt wird.
Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass der Klägerin sonst bei einer Rückkehr politische Verfolgung droht, etwa wegen ihres Auslandsaufenthalts oder ihrer Asylantragstellung in Deutschland. Auslandsaufenthalte sind nicht verboten. Zwar kann es bei der Rückkehr in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen; die Befragung geht in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Darüber hinaus kommt es jedoch zu keinen staatlichen Repressionen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Zudem wurde auch kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Zurzeit gibt es keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Schließlich können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von der iranischen Vertretung ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. Mit dieser „gesetzlichen Wiedereinreise“ werden die früheren illegalen Ausreisen legalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Stand: November 2015 und vom 8.12.2016, Stand: Oktober 2016). Vorstehendes gilt auch in Bezug auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 9. März 2010 (R.C./Sweden, Nr. 41827/07). Denn die dort entschiedene Fallkonstellation ist nicht mit der hier vorliegenden vergleichbar, weil der Europäische Gerichtshof in jenem Fall seiner Beurteilung eine Vorverfolgung (Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter) als substanziiert glaubhaft gemacht zugrunde gelegt hat (OVG NRW, B.v. 10.2.2017 – 13 A 293/17.A – juris; B.v. 16.6.2011 – 13 A 1188/11. A – Asylmagazin 2011, 246; VGH BW, U.v. 15.4.2015 – A 3 S 1459/13 – juris; SächsOVG, U.v. 14.1.2014 – A 2 A 911/11 – juris; BayVGH, B.v. 25.2.2013 – 14 ZB 13.30023 – juris; B. v. 21.1.2013 – 14 ZB 12.30456 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 13.5.2011 – 13 LA 176/10 – AuAS 2011, 174).
Des Weiteren droht der Klägerin auch keine Verfolgung bzw. ernsthafte Gefahr seitens ihres Bruders bei einer eventuellen Rückkehr in den Iran, weil für sie eine zumutbare inländische Fluchtalternative besteht (vgl. § 3e AsylG), wie auch schon die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat. Für die Klägerin, ihr Kind und ihren Lebensgefährten besteht im Iran eine zumutbare inländische Aufenthaltsalternative; die Klägerin kann mit ihrem Kind und ihrem Lebensgefährten nach Teheran oder einer anderen Großstadt im Iran ausweichen. Die Klägerin muss sich auf einen interne Schutzmöglichkeit in ihrem Herkunftsland verweisen lassen.
Soweit von Klägerseite vorgebracht wird, dass wegen fehlender Dokumente ein möglicher Aufenthalt in einer gemeinsamen Unterkunft scheitern könnte, hält das Gericht dies nicht für ein dauerhaftes Hindernis. Vielmehr ist der Klägerin – ebenso ihrem Lebensgefährten – zumutbar, sich die notwendigen Dokumente zu besorgen, die sie gegebenenfalls für eine Eheschließung hier in Deutschland benötigen oder um eine Geburtsurkunde für das Kind zu erlangen. Die Klägerin hat ebenso wie ihr Lebensgefährte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bekundet, heiraten zu wollen. Abgelehnt wurde nur eine religiöse Eheschließung vor dem Imam. Dem Gericht leuchtet nicht ein, dass es der Klägerin nicht möglich sein sollte, etwa ein gültiges Shenasnameh (Geburtsurkunde/Personalausweis) bzw. sonstigen Pass über die iranische Botschaft besorgen zu können. Der Klägerin ist es zumutbar, zur iranischen Botschaft zu gehen und die notwendigen Dokumente zu besorgen und damit die weiteren Formalitäten zu erledigen. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Klägerin selbst bei einem Kontakt mit der iranischen Botschaft eine zwangsweise Abschiebung aus Deutschland nicht fürchten müsste, weil der iranische Staat grundsätzlich lediglich freiwillige Rückkehrer akzeptiert und nur im Falle freiwilliger Rückkehrer kooperiert (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 8.12.2016, Stand Oktober 2016, S. 5 und S. 16). Mit den notwendigen Nachweisen, wie Eheurkunde und Geburtsurkunde, würde das Kind dann auch im Iran nicht als unehelich angesehen werden (vgl. Deutsches Orient-Institut, Auskunft an das VG Greifswald vom 28.11.2016).
Unter dem Vorzeichen der ohnehin erforderlichen Legalisierung vor einer Rückkehr in den Iran könnte sich die Klägerin (mit ihrem Kind und ihrem Lebensgefährten bzw. dann ihrem Ehemann) im Iran legal niederlassen, ohne dass ihr Bruder herausfinden müsste, wo sie sich aufhält. Angesichts der Größe des Irans und der Größe der iranischen Städte, insbesondere Teherans, und der Stellung des Bruders als Berufskraftfahrer hält es das Gericht nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin befürchten müsste, von ihrem Bruder entdeckt und gefährdet zu werden.
Soweit die Klägerseite erklärt hat, die Familie der Klägerin habe im Iran eine Anzeige bei den iranischen Behörden erstattet mit dem Vorwurf, ihr Lebensgefährte habe sie entführt, nach ihnen würde staatlicherseits gefahndet, hält das Gericht dieses Vorbringen für unsubstanziiert und letztlich unglaubhaft. Über die schlichte Behauptung einer Strafanzeige hinaus wurden von Klägerseite keine näheren Erklärungen dazu abgegeben, insbesondere erfolgte von der Klägerseite keine substanziierten Aussage dazu, ob und inwiefern tatsächlich staatliche Verfolgungshandlungen gegen den Lebensgefährten der Klägerin eingeleitet worden sind. Auch der Lebensgefährte hat in der mündlichen Verhandlung nichts Konkretes von staatlichen Verfolgungsmaßnahmen berichtet. Insofern stützt die Klägerin und ihr Lebensgefährte ihre Verfolgungsfurcht nur auf Vermutungen und auf Spekulationen, da weitere mit Tatsachen untermauerte Angaben zu den konkreten Verfolgungsmaßnahmen fehlen, insbesondere von irgendwelchen schriftlichen Unterlagen bzw. Vorladungen oder auch nur Nachfragen staatlicher Organe bei der Familie der Klägerin bzw. bei der Familie ihres Lebensgefährten wurde klägerseits nichts berichtet. Es erscheint dem Gericht lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin bzw. ihr Lebensgefährte nicht aus eigenem Antrieb weitere konkrete Erkundigungen eingezogen haben, die auf eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr durch staatliche Organe hindeuten. Gerade wenn jemand verfolgt wird bzw. bei Rückkehr in sein Herkunftsland nun eine Verfolgung fürchtet, wäre es lebensnah, sich weitere konkrete Informationen über eine (fort) bestehende Verfolgungsgefahr zu besorgen und entsprechende Belege von sich aus unaufgefordert den deutschen Behörden bzw. dem Gericht vorzulegen. In dieser Richtung wurde klägerseits überhaupt nichts Substanziielles vorgebracht. Danach drängt sich dem Gericht eher der Eindruck auf, dass gegen den Lebensgefährten der Klägerin überhaupt keine relevanten Verfolgungsmaßnahmen seitens der staatlichen Behörden im Iran erfolgt sind und auch bei einer Rückkehr nicht drohen.
Nach dem vorstehend Gesagten sind weiter insgesamt betrachtet keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt wären. Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Dies gilt auch hinsichtlich der Begründung der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.