Aktenzeichen M 3 K 14.5672
Leitsatz
Der Anforderung, die Gründe für den Rücktritt von einer Prüfung unverzüglich anzuzeigen und glaubhaft zu machen, genügt ein Prüfling nicht, wenn er sich seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung bewusst ist und sich ohne weitere Aufklärung seines Gesundheitszustands und seiner Prüfungsfähigkeit den Prüfungen unterzogen und das Risiko eines Misserfolgs bewusst hingenommen hat. (Rn. 41) (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der von ihm beantragten Frist zur Verlängerung der Studienfortschrittskontrolle.
Gemäß § 10 Abs. 1 Sätze 1 bis 7 der Allgemeinen Prüfungs- und Studienordnung für Bachelor- und Masterstudiengänge an der Technischen Universität München vom 18. März 2011 in der für die Prüfung des Klägers maßgeblichen Fassung der Änderungssatzung vom 29. Oktober 2012 (im Folgenden: APSO) sollen die Prüfungen so rechtzeitig abgelegt werden, dass die in der FPSO festgelegte Creditzahl in der Bachelor- und Masterprüfung bis zum Ende der gemäß § 9 festgelegten Regelstudienzeit erworben ist. Um die in § 9 festgelegte Regelstudienzeit einzuhalten, soll ein Studierender pro Semester 30 Credits erwerben. Ein Studierender soll zielgerichtet studieren und die jeweiligen Modulprüfungen seines Fachsemesters ablegen. Die in die Berechnung einfließenden Credits müssen aus Modulen stammen, die den Regelungen des jeweiligen Studiengangs genügen. Es wird erwartet, dass ein Studierender pro Semester unter Beachtung der jeweiligen Auswahlregeln mindestens 22 Credits erwirbt. Der Studienfortschritt wird jedes Semester unter Beachtung der Abs. 2 bis 4 überprüft. Studierende, die die sich gemäß Satz 2 ergebende Summe der jeweiligen Semester-Creditzahl um mindestens 15 Credits unterschreiten, werden verwarnt.
Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 APSO sind in Bachelorstudiengängen darüber hinaus in den in der jeweiligen FPSO festgelegten Modulen
1.bis zum Ende des dritten Fachsemesters mindestens 30 Credits,
2.bis zum Ende des vierten Fachsemesters mindestens 60 Credits,
3.bis zum Ende des fünften Fachsemesters mindestens 90 Credits,
4.bis zum Ende des sechsten Fachsemesters mindestens 120 Credits,
5.bis zum Ende des siebten Fachsemesters mindestens 150 Credits und
6.bis zum Ende des achten Fachsemesters mindestens 180 Credits zu erbringen.
Überschreiten Studierende die Fristen nach § 10 Abs. 3 Nrn. 1 bis 5 APSO, gelten die noch nicht erbrachten Modulprüfungen als abgelegt und endgültig nicht bestanden, sofern nicht triftige Gründe gemäß § 10 Abs. 7 APSO vorliegen (§ 10 Abs. 5 APSO).
Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 APSO sind beim Kläger erfüllt. Nachdem er bis zum Ende des Sommersemesters 2014 (seinem 4. Fachsemester) nur insgesamt 51 ECTS erzielt hatte, er jedoch gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 APSO bis zum Ende des vierten Fachsemesters mindestens 60 Credits hätte erbringen müssen, gelten die noch nicht erbrachten Modulprüfungen als abgelegt und endgültig nicht bestanden gemäß § 10 Abs. 5 APSO. Gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 4 APSO ist damit die Abschlussprüfung endgültig nicht bestanden.
Triftige Gründe für die Fristversäumnis hinsichtlich der bis zum Ende des Sommersemesters 2014 zu erbringenden Credits gemäß § 10 Abs. 7 APSO liegen nicht vor. Soweit sich der Kläger insoweit auf seinen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Studienfortschrittskontrolle vom 21. August 2014 beruft, der zusammen mit einer ärztlichen Bescheinigung des Klinikums rechts der Isar der Beklagten vom 21. August 2014 am 10. September 2014 beim Prüfungsausschuss einging, und vom Kläger mit einer Stellungnahme vom 28. Oktober 2014 und einer ärztlichen Bescheinigung des Klinikums rechts der Isar vom 17. Oktober 2014, beides eingegangen beim Prüfungsausschuss am 25. November 2014, ergänzt wurde, führt dies nicht zum Erfolg.
Gemäß § 10 Abs. 7 Satz 1 APSO müssen die Gründe für die Fristversäumnis oder den Rücktritt von einer Prüfung dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. Der Prüfungsausschuss kann Verhinderungsgründe nur für den Zeitraum anerkennen, für den sie glaubhaft gemacht oder im Fall des Satzes 2 ordnungsgemäß nachgewiesen sind (§ 10 Abs. 7 Satz 5 APSO).
Die vom Kläger im Sommersemester 2014 nicht bestandenen Prüfungen im Umfang von insgesamt 35 Credits fanden am 17. Juli 2014, 28. Juli 2014, 31. Juli 2014, 1. August 2014, 1. September 2014 und dem 8. September 2014 statt.
Nach dem eigenen Vortrag des Klägers war seine Studierfähigkeit während der letzten beiden Semester durch akute Schlafstörungen und daraus resultierenden Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen stark beeinträchtigt (Schreiben vom 21. August 2014). Aus der ärztlichen Bescheinigung mit gleichem Datum geht hervor, dass beim Kläger seit Beginn des Sommersemesters 2014 deshalb eine krankheitsbedingte Einschränkung der Arbeits- und Studierfähigkeit vorlag.
Nach dem Schreiben des Klägers vom 28. Oktober 2014 lag der Beginn der Erkrankung im Wintersemester 2013/2014. Zu diesem Zeitpunkt und zu Beginn des Sommersemesters 2014 sei sich der Kläger der Schwere der Symptome und der damit verbundenen Einschränkung nicht bewusst gewesen. Zum Ende der Vorlesungszeit und mit Beginn der Prüfungsphase des Sommersemesters 2014 seien die Schlafstörungen jedoch zunehmend schlimmer geworden. Der Kläger hat dies als Problem erkannt und sich vorgenommen, nach den Prüfungen diesbezüglich ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Am 12. August 2014 hat sich der Kläger dann in ärztliche Behandlung begeben, wo man ihm die Brisanz der Erkrankung deutlich gemacht hat. Dementsprechend ergibt sich auch aus der ärztlichen Bescheinigung vom 17. Oktober 2014, dass der Kläger glaubhaft berichtet, bereits seit dem Wintersemester 2013/2014 unter Schlafstörungen gelitten zu haben, er die Schlafprobleme aber erst im Sommersemester 2014 als krankheitswertig eingeschätzt und sich professionelle Hilfe gesucht hat.
Somit hat der Kläger schon zum Ende der Vorlesungszeit des Sommersemesters 2014 den Krankheitswert seiner Beeinträchtigungen erkannt, sich dann aber erst am 12. August 2014 erstmals in ärztliche Behandlung begeben und sodann seinen Antrag vom 21. August 2014 zusammen mit dem ärztlichen Attest vom gleichen Tag erst am 10. September 2014 beim Prüfungsausschuss eingereicht.
Dies bedeutet, dass sich der Kläger bereits zu Beginn der Prüfungsphase des Sommersemesters 2014 in Kenntnis seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen am 17., 28. und 31. Juli 2014 sowie am 1. August 2014 ohne weitere Aufklärung seines Gesundheitszustands und seiner Prüfungsfähigkeit den Prüfungen unterzogen und das Risiko eines Misserfolgs bewusst hingenommen hat. Dass er zu diesem Zeitpunkt seine Beeinträchtigungen nicht erkennen konnte, trägt weder der Kläger selbst vor, noch ist dies aus den ärztlichen Bescheinigungen vom 21. August und 17. Oktober 2014 zu entnehmen. Lediglich von der am 12. August 2014 stattgefundenen Prüfung trat er mittels ärztlichen Attests anerkannt zurück. An den Prüfungen vom 1. und 8. September nahm er sogar in Kenntnis der ärztlichen Diagnose teil.
Nachdem also bei allen diesen Prüfungen – mit Ausnahme der Prüfung vom 12. August 2014 – ein Prüfungsrücktritt wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung der Erkrankung und bewusster Risikoübernahme eines Misserfolgs nachträglich nicht anerkannt werden könnte, kann auch für einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Studienfortschrittkontrolle nichts anderes gelten. Auch dieser Antrag wäre nur unverzüglich im Sinne des § 10 Abs. 7 Satz 1 APSO, wenn der Kläger unmittelbar nach dem Erkennen seiner Beeinträchtigungen ärztliche Hilfe gesucht und sodann unverzüglich die Fristverlängerung unter Vorlage entsprechender ärztlicher Atteste beantragt hätte. Andernfalls könnten die für einen Prüfungsrücktritt wegen Prüfungsunfähigkeit geltenden prüfungsrechtlichen Grundsätze im Wege eines Fristverlängerungsantrags bezüglich der Studienfortschrittskontrolle unterlaufen werden.
Auch der genehmigte Rücktritt von der Modulprüfung am 12. August 2014 konnte nicht als triftiger Grund für das Unterschreiten der geforderten Credits anerkannt werden, da dem Kläger auch ohne die bei dieser Prüfung zu erreichenden 6 Credits 3 weitere Credits fehlen würden, um die Vorgaben der Studienfortschrittskontrolle von 60 Credits zu erreichen.
Soweit der Kläger vorträgt, die Beklagte habe es versäumt, ihn gemäß § 10 Abs. 1 Satz 7 APSO zu verwarnen, kann dem nicht gefolgt werden.
Gemäß § 10 Abs. 1 Sätze 6 und 7 APSO wird der Studienfortschritt jedes Semester unter Beachtung der Abs. 2 bis 4 überprüft. Studierende, die die sich gemäß Satz 2 ergebende Summe der jeweiligen Semester-Creditzahl um mindestens 15 Credits unterschreiten, werden verwarnt.
Seit Beginn seines Studiums im Wintersemester 2012/2013 wurde der Kläger in jedem Fachsemester durch die Prüfungsbescheide vom 28. Mai 2013, 15. November 2013 und zuletzt für das Sommersemester 2014 mit Bescheid vom 8. Mai 2014 auf die Vorgaben der Studienfortschrittskontrolle gemäß § 10 APSO hingewiesen sowie über seinen Studienverlauf und die bislang erzielten Credits informiert. So enthält der Prüfungsbescheid vom 8. Mai 2014 konkret den Hinweis, der Kläger befinde sich im 4. Fachsemester und habe 45 Credits. Bis zum Ende des vierten Fachsemesters seien mindestens 60 Credits zu erbringen, ansonsten gelte die Bachelorprüfung gemäß § 10 Abs. 5 i.V.m. § 23 Abs. 3 Nr. 1 APSO als abgelegt und endgültig nicht bestanden. Darin ist zweifellos eine Verwarnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 APSO zu sehen, da der Kläger eindeutig auf seinen erzielten Creditpunktestand und die Summe der zum Erreichen der Studienfortschrittskontrolle notwendig zu erbringenden Credits hingewiesen wurde. Auch der Hinweis, dass, sofern die notwendigen Credits nicht erbracht werden, die Bachelorprüfung als abgelegt und endgültig nicht bestanden gilt, genügt den Erfordernissen einer Verwarnung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 7 APSO. Auf die sich zwangsläufig daraus entsprechend Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG ergebenden Rechtsfolge einer Exmatrikulation braucht nicht ausdrücklich in der Verwarnung hingewiesen werden.
Aus den dargestellten Gründen war die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.