Aktenzeichen M 17 S 17.30014
Leitsatz
Erreicht das Bundesamt die Mitteilung einer neuen Adresse des Antragstellers aufgrund einer falschen Aderessierung nicht, hat der Ausländer seine Mitwirkungspflicht nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erfüllt, so dass er Zustellungen an die alte Adresse gegen sich gelten lassen muss. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger Indiens. Er reiste nach eigenen Angaben am … Juni 2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 20. Juli 2016 Asylantrag.
Mit Schreiben vom 21. November 2016, das an die …, adressiert war, wo der Antragsteller laut Auskunft des Registerportals wohnhaft war, wurde dieser zur Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … Dezember 2016 geladen, zu der er jedoch nicht erschien.
Mit Bescheid vom 13. Dezember 2016, per Einschreiben am 27. Dezember 2016 zur Post gegeben, stellte das Bundesamt das Verfahren ein (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Indien oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 3). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass aufgrund des Nichterscheinens vermutet werde, dass der Antragsteller das Verfahren nicht betreibe (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG). Abschiebungsverbote lägen nach den Erkenntnissen des Bundesamts nicht vor.
Der Kläger erhob am 2. Januar 2017 zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage gegen diesen Bescheid (M 17 K 16.30008) und beantragte gleichzeitig,
hinsichtlich der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen.
Zur Begründung gab er an, dass er die Ladung zur Anhörung am … Dezember 2016 nicht erhalten habe.
Eine Kopie eines Schreibens vom 14. November 2016, das an das Bundesamt, …, adressiert war und in dem die neue Adresse des Antragstellers angegeben worden war, wurde vorgelegt.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.30008 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antragsteller möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 13. Dezember 2016 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
2. An der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.
2.1 Ein Asylantrag gilt als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wobei das Nichtbetreiben vermutet wird, wenn er einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist (§ 33 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 1 AsylG).
Im vorliegenden Fall erschien der Antragsteller trotz Ladung nicht zur Anhörung, so dass das Nichtbetreiben vermutet werden kann.
Insbesondere erfolgte die Ladung zur Anhörung hier auch ordnungsgemäß, was Voraussetzung für die Nichtbetreibensvermutung ist (Gemeinschaftskommentar zum AsylG, Stand November 2016, § 33 Rn. 51 f.). Denn der Ausländer muss gemäß § 10 Abs. 2 AsylG Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle aufgrund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen. Er hat insoweit eine Mitwirkungspflicht, Adressänderungen dem Bundesamt mitzuteilen. Selbst wenn der Antragsteller hier tatsächlich mit Schreiben vom 14. November 2016 dem Bundesamt seine neue Adresse mittteilen wollte, ist dieses Schreiben laut Aktenlage nicht beim Bundesamt eingegangen, wohl, weil insoweit eine falsche Adresse angegeben wurde. Der Antragsteller schuldet jedoch den Erfolg, d. h. den rechtzeitigen Eingang bei der jeweiligen Stelle (vgl. Gemeinschaftskommentar zum AsylG, Stand November 2016, § 10 Rn. 226). Erreicht das Bundesamt die Mitteilung aufgrund einer falschen Adressierung nicht, hat der Ausländer seine Mitwirkungspflicht nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erfüllt, so dass er Zustellungen an die alte Adresse gegen sich gelten lassen muss.
Der Antragsteller wurde auch gemäß § 33 Abs. 4 AsylG über die Rechtsfolgen, insbesondere über die Verfahrenseinstellung bei Nichterscheinen zur Anhörung, belehrt (vgl. Bl. 13 der Bundesamtsakte).
Das Verfahren konnte somit gemäß § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG eingestellt werden. Dem Antragsteller musste vorher auch nicht Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben werden, da § 25 Abs. 5 AsylG hier nicht anwendbar ist (Gemeinschaftskommentar zum AsylG, Stand November 2016, § 33 Rn. 53).
Gegebenenfalls kann der Antragsteller beim Bundesamt die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen (§ 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
2.2 Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht ersichtlich. Das Gericht nimmt insoweit vollumfänglich auf die Begründung des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Weder im Eilverfahren noch im Hauptsacheverfahren wurden von Antragstellerseite Gründe vorgebracht, die zur Bejahung von Abschiebungsverboten führen könnten.
2.3 Nach alledem ist auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 34, 38 Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
…