Verwaltungsrecht

Nichtbetreiben des Verfahrens durch Terminversäumung

Aktenzeichen  M 7 S 17.30361

Datum:
6.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 25, § 33 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Die bloße Bauhauptung, wegen einer Erkrankung einen Termin im Asylverfahren versäumt zu haben, genügt nicht, um die Vermutung des § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AsylG zu widerlegen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 19. August 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 5. Juli 2016 einen Asylantrag. Dabei wurde ihm eine Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten und Allgemeine Verfahrenshinweise mit Übersetzung in Urdu gegen Unterschrift ausgehändigt. Diesen ist unter anderem zu entnehmen, dass es für das Asylverfahren nachteilige Folgen haben kann (Einstellung des Verfahrens bzw. Entscheidung ohne persönliche Anhörung), wenn der Antragsteller zum Anhörungstermin nicht erscheint, ohne vorher seine Hinderungsgründe rechtzeitig dem Bundesamt schriftlich mitgeteilt zu haben.
Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 31. August 2016 zu einem Anhörungstermin am 8. September 2016 geladen, zu dem er nicht erschien. Eine Mitarbeiterin der Caritas bat im Auftrag des Antragstellers um einen neuen Termin, da er das Datum verwechselt habe.
Mit Schreiben des Bundesamts vom 12. Oktober 2016 wurde der Antragsteller erneut zu einer persönlichen Anhörung am 29. November 2016 geladen unter Hinweis darauf, dass der Asylantrag nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG als zurückgenommen gelte, wenn er zum Termin nicht erscheine. Weiter wird ausgeführt, das im Falle einer Verhinderung durch Krankheit unverzüglich die Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit durch ein Attest nachzuweisen sei. Die Ladung wurde dem Antragsteller persönlich ausgehändigt. Er erschien nicht zum Termin.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2017 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt, stellte die Asylverfahren ein (Nr. 1) und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Pakistan oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller der Aufforderung zur Anhörung nicht nachgekommen sei, sodass nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG vermutet werde, dass er das Verfahren nicht betreibe.
Der Bescheid wurde am 4. Januar 2017 als Einschreiben zur Post gegeben.
Am 11. Januar 2017 erhob der Kläger zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Klage (M 7 K 17.30360) und beantragte gleichzeitig, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung nahm der Antragsteller Bezug auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt und trug weiter vor, er sei sehr krank und habe deswegen nicht zum Interview gehen können. Atteste reiche er nach. Mit Schreiben vom 27. Januar 2017 bestellte sich ein Bevollmächtigter für den Antragsteller und verwies auf die zur Niederschrift des Urkundsbeamten gemachten Ausführungen.
Das Bundesamt hat die Behördenakten in elektronischer Form vorgelegt, ein Antrag wurde nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und des Klageverfahrens M 7 K 17.30360 sowie auf den Inhalt der Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Dem Antragsteller fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Er kann zur Erlangung seines Rechtsschutzziels nicht auf einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim Bundesamt gemäß § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG verwiesen werden. Das dortige Wiederaufnahmeverfahren stellt kein gleich geeignetes, keine anderweitigen rechtlichen Nachteile mit sich bringendes behördliches Verfahren dar. Dies ergibt sich aus der Systematik des § 33 Abs. 5 AsylG. Denn gemäß § 33 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 AsylG ist abweichend von Satz 5 das Asylverfahren nicht wieder aufzunehmen und ein Antrag nach Satz 2 oder Satz 4 als Folgeantrag zu behandeln, wenn das Asylverfahren bereits nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war. Mithin versperrt § 33 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 AsylG ein späteres Wiederaufnahmebegehren (wohl) selbst dann, wenn die erste Verfahrenseinstellung nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG rechtswidrig gewesen ist. In einer solchen Fallgestaltung verstößt es gegen das in Art. 19 Abs. 4 GG normierte Gebot des effektiven Rechtsschutzes, das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage und einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zu verneinen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 20.7.2016 – 2 BvR 1385/16 – juris Rn. 8; VG Arnsberg, B.v. 30.11.2016 – 5 L 1803/16.A juris Rn. 5 m.w.N.)
Der Antrag ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Bescheid des Bundesamts rechtmäßig.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG liegen vor. Das Bundesamt hat zu Recht die Einstellung der Asylverfahren des Antragstellers wegen Nichtbetreibens nach § 33 AsylG festgestellt. Rechtsgrundlage der Einstellungsverfügung ist § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG. Danach stellt das Bundesamt das Asylverfahren in den Fällen der Absätze 1 und 3 ein. Gemäß § 33 Abs. 1 AsylG gilt der Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt. Das Nichtbetreiben wird gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 AsylG gesetzlich vermutet, wenn der Ausländer einer Aufforderung zur Anhörung nach § 25 AsylG nicht nachgekommen ist. Diese Vermutung gilt nach Satz 2 der Vorschrift dann nicht, wenn unverzüglich nachgewiesen wird, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die der Ausländer keinen Einfluss hatte. Gemäß § 33 Abs. 4 AsylG sind die Betroffenen auf diese Rechtsfolge schriftlich und gegen Empfangsbekenntnis hinzuweisen.
Gemessen an diesen Maßstäben war die Einstellung des Verfahrens rechtmäßig, da der Antragsteller zur Anhörung nicht erschienen ist und die Vermutung des Nichtbetreibens des Verfahrens nicht widerlegen konnte.
Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom 12. Oktober 2016, das ihm bei einem Termin beim Bundesamt am selben Tag persönlich ausgehändigt wurde, zur Anhörung am 29. November 2016 geladen und ordnungsgemäß belehrt. In der ihm zu Beginn des Asylverfahrens gegen Unterschrift ausgehändigten allgemeinen Belehrung mit Übersetzung in Urdu wird darauf hingewiesen, dass es für das Asylverfahren nachteilige Folgen haben kann (Einstellung des Verfahrens bzw. Entscheidung ohne persönliche Anhörung), wenn der Antragsteller zum Anhörungstermin nicht erscheint, ohne vorher seine Hinderungsgründe rechtzeitig dem Bundesamt schriftlich mitgeteilt zu haben.
Der Antragsteller ist zum Termin nicht erschienen und hat die Vermutung nach § 33 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG nicht widerlegt (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG). Dem Bundesamt hat er Gründe für sein Ausbleiben nicht mitgeteilt. Damit fehlt es bereits an einem unverzüglichen Nachweis, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Soweit er in seiner Antragsbegründung erstmals vorträgt, er sei sehr krank und habe nicht zum Termin erscheinen können, hat er bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder substantiiert dargelegt, aus welchen gesundheitlichen Gründen es ihm unmöglich gewesen ist, zu dem Anhörungstermin zu erschienen, noch hat er die in der Antragsbegründung angekündigten Atteste vorgelegt.
Das Bundesamt hat auch zu Recht Abschiebungsverbote verneint (§ 32 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 2 AsylG). Insoweit hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung weder etwas vorgetragen noch sind Abschiebungsverbote aus den Akten ersichtlich.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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