Verwaltungsrecht

Nichteinhaltung der Beschwerdebegründungsfrist

Aktenzeichen  11 CS 18.1910

Datum:
21.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24975
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Eine Verlängerung der Beschwerdebegründungfrist nach § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO ist rechtlich nicht möglich. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Arbeitsüberlastung eines Prozessbevollmächtigten stellt regelmäßig keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 S 18.724 2018-08-15 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 15. August 2018 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen, weil sie entgegen § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 15. August 2018 begründet worden ist.
Ausweislich des Empfangsbekenntnisses ist der mit der Beschwerde angegriffene Beschluss dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 17. August 2018 zugestellt worden. Somit wäre die Beschwerdebegründung bis spätestens 17. September 2018 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen gewesen (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Dies ist nicht geschehen. Der Beschwerdeschriftsatz vom 29. August 2018 enthält keine Begründung, sondern behält diese einem gesonderten, bislang nicht eingegangenen Schriftsatz vor. Vielmehr hat der Bevollmächtigte am Freitag, dem 14. September 2018, wegen Antritts seines Jahresurlaubs am Montag, dem 17. September 2018, und eines „hieraus resultierenden Arbeitsrückstaus“ um Verlängerung der Beschwerdebegründungfrist nachgesucht. Eine Verlängerung dieser gesetzlichen Frist ist jedoch – anders als die Frist nach § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO, die auf Antrag vom Vorsitzenden verlängert werden kann (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO) – rechtlich nicht möglich (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 146 Rn. 38).
Die für den Fristverlängerungsantrag angegebenen Gründe würden im Übrigen auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen. Arbeitsüberlastung eines Prozessbevollmächtigten ist regelmäßig kein Wiedereinsetzungsgrund (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2015 – 4 BN 18.14 – ZfBR 2015, 271 = juris Rn. 10; BGH, B.v. 8.5.2013 – XII ZB 396/12 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 22.3.2018 – 8 ZB 17.2498 – juris Rn. 6; B.v. 5.7.2017 – 15 ZB 17.50022 – juris Rn. 6). Wenn ein Rechtsanwalt eine Prozessvertretung übernimmt, ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine seiner wesentlichen Aufgaben, der er seine besondere Sorgfalt widmen muss. Ist ihm dies nicht möglich, muss er die Übernahme des Mandats ablehnen oder es an einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt weiterleiten. Ist eine Hilfsperson des Prozessbevollmächtigten überlastet, muss der Bevollmächtigte geeignete Vorkehrungen zur Abwendung der Überlastung treffen, um dem Vorwurf eines Organisationsverschuldens zu begegnen. Zum Ausschluss des Verschuldens wegen Arbeitsüberlastung bedarf es mithin stets des Hinzutretens besonderer Umstände. So kann etwa eine plötzliche und unvorhersehbar eingetretene hohe Arbeitsbelastung das Verschulden ausschließen. Auch solche besonderen das Verschulden ausschließenden Umstände sind aber im Rahmen des § 60 Abs. 2 VwGO darzulegen und glaubhaft zu machen. Hierzu gehört auch der Vortrag, dass der Bevollmächtigte alles seinerseits Mögliche getan hat, um die Fristversäumung trotz der Arbeitsüberlastung zu vermeiden (vgl. BayVGH, B. v. 5.7.2017, a.a.O.; BVerwG, a.a.O.). Letzteres hat der Prozessbevollmächtigte hier versäumt. Zum einen hat er den Fristverlängerungsantrag erst um 12:46 Uhr am letzten Arbeitstag vor dem Urlaubsantritt gestellt, obwohl ein Arbeitsrückstau bzw. das Ausstehen der Beschwerdebegründung vor Beginn eines planbaren Jahresurlaubs bereits einige Zeit zuvor erkennbar ist; zum andern war er am Nachmittag dieses Freitags weder telefonisch noch per E-Mail erreichbar. Eine Anrufaufzeichnung war nicht vorhanden. Aus einer automatischen Antwort-E-Mail ergab sich, dass das Sekretariat vom 10. bis 24. August (!) 2018 geschlossen sei und keine E-Mails gelesen würden. Eine Rückmeldung des Sekretariats ist bis Mitte der darauffolgenden Woche nicht erfolgt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 11 CS 13.2342 – BayVBl 2014, 373 = juris Rn. 21 ff.). Die Befugnis zur Änderung des erstinstanzlich festgesetzten Streitwerts ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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