Verwaltungsrecht

Nichtgewährung von Trennungsgeld für Soldat

Aktenzeichen  W 1 K 16.629

Datum:
9.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwVfG VwVfG § 48
TGV TGV § 1, § 6
BUKG BUKG § 12

 

Leitsatz

Das Trennungsgeld soll Ausgleich für die Mehrkosten sein, die dem Soldaten durch eine dienstliche Maßnahme entstehen. Aufwendungen, die durch die allgemeine Lebensführung des Soldaten verursacht werden und seinem persönlichen Bereich zuzurechnen sind, also quasi nur bei Gelegenheit der Personalmaßnahme anfallen, hat der Dienstherr nicht auszugleichen. Hat der Soldaten den Wohnort in erster Linie aus persönlichen Gründen gewählt, besteht deshalb kein Anspruch auf Trennungsgeld. (Rn. 21 und 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Bundeswehr-Dienstleistungszentrums Hammelburg vom 12. April 2016 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 18. Mai 2016 wird insoweit aufgehoben als der Verwaltungsakt vom 21. Mai 2015 auch für die Vergangenheit zurückgenommen wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Der Bescheid vom 12. April 2016 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 18. Mai 2016 ist rechtswidrig, soweit er den Bescheid vom 21. Mai 2015 auch für die Vergangenheit zurücknimmt. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Trennungsgeld für die Fahrten zwischen seiner Wohnung in S* … bzw. O* … und dem Dienstort in Wildflecken (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Verwaltungsakts vom 21. Mai 2015 ist § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 VwVfG. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
1. Da der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung von Trennungsgeld hat, ist der Bescheid vom 21. Mai 2015, der das Gegenteil feststellt, rechtswidrig. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Trennungsgeld können hier nur §§ 1,6 TGV und § 12 BUKG sein.
a) Nach § 1 TGV wird Berufssoldaten aus Anlass einer Versetzung aus dienstlichen Gründen Trennungsgeld gewährt, wenn die Umzugskostenvergütung nicht zugesagt wurde, der neue Dienstort ein anderer als der bisherige Dienstort ist und die Wohnung nicht im Einzugsgebiet liegt. Nach § 6 TGV erhält ein Berechtigter, der wie der Kläger täglich vom Dienstort an den Wohnort zurückkehrt, als Trennungsgeld Fahrtkostenerstattung, Wegstrecken- oder Mitnahmeentschädigung wie bei Dienstreisen. Zwar sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Trennungsgeld insoweit erfüllt, als der Kläger ohne Zusage von Umzugskostenvergütung aus dienstlichen Gründen an einen anderen (Wildflecken) als den bisherigen (Veitshöchheim) Dienstort versetzt worden und sein Wohnort in O* … mit einer Entfernung von mehr als 30 km außerhalb des Einzugsgebiet (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 c) BUKG) des neuen Dienstortes Wildflecken liegt.
b) Bei dem geltend gemachten Trennungsgeldanspruch handelt es sich jedoch um einen umzugskostenrechtlichen Anspruch. Die Vorschriften der TGV beruhen insoweit auf der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 4 BUKG. Aus § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BUKG ist ersichtlich, dass im Falle einer Versetzung aus dienstlichen Gründen an einen anderen Ort als den bisherigen Dienstort Trennungsgeld nach § 12 Abs. 1 BUKG zu gewähren ist. Da es sich um einen umzugskostenrechtlichen Anspruch handelt, sind die Vorschriften der Trennungsgeldverordnung einschränkend innerhalb des durch § 12 Abs. 1 BUKG gesteckten Rahmens auszulegen. Danach wird Trennungsgeld nur gewährt für Mehrkosten, welche durch die getrennte Haushaltsführung, das Beibehalten der Wohnung oder der Unterkunft am bisherigen Wohnort oder das Unterstellen des zur Führung eines Haushalts notwendigen Teils der Wohnungseinrichtung entstehen (OVG NRW, B.v. 19.9.2012 – 1 A 1174/12; B.v. 28.10.2013 – 1 A 856/12; B.v. 26.9.2016 – 1 A 1662/15 – alle juris).
Der Kläger wohnt jedoch seit der Versetzung nach Veitshöchheim mit seiner Familie in S* … bzw. ab 2016 in O* … Bei der Versetzung von Veitshöchheim nach Wildflecken wurde diese Familienwohnung als einzige Wohnung beibehalten. Die Wohnung hat auch keinen räumlichen Bezug zum bisherigen Dienstort Veitshöchheim. Vielmehr ist die Entfernung von der Wohnung nach Veitshöchheim wesentlich größer als nach Wildflecken.
c) Die Aufwendungen sind auch nicht „aus Anlass“ (§ 1 Abs. 2 TGV) der Versetzung entstanden. Mit diesem Tatbestandsmerkmal knüpft die Regelung daran an, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn es nur gebietet, dem Betroffenen nur die zusätzlichen wirtschaftlichen Belastungen auszugleichen, die die jeweilige Personalmaßnahme – hier die Versetzung an einen anderen Dienstort – für ihn mit sich bringt, die also durch die dienstliche Maßnahme verursacht werden. Das Trennungsgeld soll – wie andere Aufwendungsersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Personalmaßnahme – ein billiger Ausgleich für die Mehrkosten sein, die dem Soldaten durch eine dienstliche Maßnahme entstehen. Die Kriterien der Fürsorgepflicht und Billigkeit begrenzen zugleich auch diese Ausgleichspflicht. Sie beschränkt sich daher auf solche Aufwendungen, deren Ursache in der Personalmaßnahme und damit in der Sphäre des Dienstherrn liegt. Aufwendungen, die durch die allgemeine Lebensführung des Betroffenen verursacht werden und dem persönlichen Bereich des Soldaten zuzurechnen sind, also quasi nur bei Gelegenheit der Personalmaßnahme anfallen, hat der Dienstherr nicht auszugleichen (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 TGV; OVG NRW, B.v. 28.10.2013 – 1 A 856/12 – juris; BVerwG, U.v. 17.12.1980 – 6 C 46.79 – juris; U.v. 20.6.2000 – 10 C 3.99 – juris).
Die fraglichen Fahrtkosten sind hier aber nicht allein deswegen entstanden, weil der Kläger wieder von Veitshöchheim nach Wildflecken zurückversetzt worden ist, sondern in erster Linie deswegen, weil der Kläger den Wohnort O* … aus persönlichen Gründen gewählt hat. Auch durch den Umzug von S* … nach O* … ändert sich daran nichts. Denn dieser Wohnungswechsel hatte keine dienstlichen Gründe (OVG NRW, B.v. 28.10.2013 – 1 A 856/12 – juris).
Auch solche durch die dienstliche Maßnahme ausgelöste Mehrkosten sind nicht dargetan oder sonst ersichtlich. Vielmehr ist nach den örtlichen Verhältnissen davon auszugehen, dass die nunmehrigen Fahrtauslagen zwischen O* … und Wildflecken hinter den hypothetisch anzusetzenden Fahrauslagen für die Strecke zwischen O* … und Veitshöchheim sogar zurückbleiben (vgl. auch OVG NRW, B.v. 28.10.2013 – 1 A 856/12 – juris).
2. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Mit dem rechtswidrigen Verwaltungsakt vom 21. Mai 2015 wurde festgestellt, dass der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf die Gewährung von Trennungsgeld ab 13. April 2015 hat, so dass er Voraussetzung für die laufende Geldleistung Trennungsgeld ist.
Die vorzunehmende Abwägung des Bestandsvertrauens mit dem öffentlichen Rücknahmeinteresse ist nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern gerichtlich voll überprüfbar (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn. 94). Nach § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Hiervon geht die Beklagte ausweislich des Beschwerdebescheids vom 18. Mai 2016 für die Vergangenheit aus. Allerdings wird der Bescheid vom 21. Mai 2015 dennoch vollumfänglich (mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft) aufgehoben und stattdessen eine Ermessensreduktion auf Null hinsichtlich der Rückforderung angenommen. § 49a Abs. 1 VwVfG stellt jedoch eine gebundene Norm dar („sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten“), so dass der Verwaltung diesbezüglich kein Ermessensspielraum eingeräumt ist. Da das schutzwürdige Interesse des Klägers jedoch das öffentliche Interesse überwiegt, hätte der Bescheid vom 21. Mai 2015 nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden dürfen und ist daher hinsichtlich der Rücknahme auch für die Vergangenheit rechtswidrig und insoweit aufzuheben.
3. Ermessensfehler bei der Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft sind nicht ersichtlich. Spätestens im Beschwerdebescheid vom 18. Mai 2016 hat die Behörde ihr Ermessen gem. § 48 Abs. 1 VwVfG ausgeübt.
4. Auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG wurde gewahrt. Sie beginnt erst mit positiver und vollständiger Kenntnis aller Tatsachen im weitesten Sinne, die für die Entscheidung relevant sein können, zu laufen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 48 Rn. 153). Im März 2016 erfolgten Nachfragen beim Kläger, so dass die Entscheidungsfrist mit Erlass des Bescheides am 12. April 2016 eingehalten wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Dem Kläger konnten trotz Teilobsiegens die vollen Kosten auferlegt werden, da die Teilaufhebung des Bescheides vom 12. April 2016 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 18. Mai 2016 dem Kläger keine (finanziellen) Vorteile bringt, da die Beklagte auf die Rückforderung des bereits ausgezahlten Trennungsgeldes verzichtet hatte. Hinsichtlich der begehrten zukünftigen Gewährung von Trennungsgeld unterliegt der Kläger dagegen vollumfänglich. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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